Ein Autofahrer in Konstanz, geblitzt mit einer Radarfalle, forderte für seine Verteidigung tiefe Einblicke in die Messdaten und Geräteprotokolle. Doch diese Verweigerung brachte das ursprüngliche Bußgeldurteil ins Wanken und den Fall zurück ans Amtsgericht.
Übersicht
- Das Urteil in 30 Sekunden
- Die Fakten im Blick
- Der Fall vor Gericht
- Messung im Fokus: Wie ein Raserfall die Rechte der Verteidigung neu justierte
- Warum forderte der Verteidiger all diese Papiere?
- Die heikle Frage der Rohdaten: Muss die Radarfalle alles speichern?
- Wo das Oberlandesgericht der Verteidigung Recht gab
- Wo das Gericht klare Grenzen zog
- Das Ergebnis: Eine neue Chance für den Autofahrer
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 ORbs 330 SsBs 662/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Urteil in 30 Sekunden
- Das Problem: Ein Autofahrer wehrte sich gegen ein Bußgeld wegen zu schnellen Fahrens. Er forderte von der Behörde umfassende technische Unterlagen zur Geschwindigkeitsmessung. Die Behörde verweigerte viele dieser Papiere.
- Die Rechtsfrage: Wie viele technische Unterlagen zu einer Geschwindigkeitsmessung müssen Behörden der Verteidigung zur Verfügung stellen?
- Die Antwort: Ja, zum Teil. Das Gericht entschied, dass die Verteidigung wichtige Wartungs- und Software-Dokumente zur Messung einsehen darf. Der Fall muss nun erneut vor Gericht behandelt werden.
- Die Bedeutung: Die Rechte der Verteidigung auf Einsicht in technische Unterlagen bei Geschwindigkeitsmessungen werden gestärkt. Die fehlende Speicherung von Rohdaten durch Messgeräte führt aber nicht automatisch zu einem Problem.
Die Fakten im Blick
- Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
- Datum: 16. Juni 2025
- Aktenzeichen: 3 ORbs 330 SsBs 662/24
- Verfahren: Rechtsbeschwerdeverfahren in einem Ordnungswidrigkeitenfall
- Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht, Verfahrensrecht, Verfassungsrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Autofahrer, der wegen zu schnellen Fahrens verurteilt wurde. Er forderte die Einsicht in umfangreiche Messunterlagen, um die Messung zu überprüfen.
- Beklagte: Das Amtsgericht Konstanz und die Bußgeldbehörde. Sie hatten die Forderungen des Autofahrers nach umfassender Akteneinsicht abgewiesen.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Ein Autofahrer wurde wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit verurteilt. Sein Verteidiger forderte umfassende Messunterlagen zur Überprüfung des Messergebnisses an, die das Gericht und die Behörde größtenteils verweigerten.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Durfte das Gericht dem Autofahrer wichtige Unterlagen zur Geschwindigkeitsmessung vorenthalten und verstieß dies gegen sein Recht auf ein faires Verfahren? Und macht es die Messung ungültig, dass keine Rohdaten gespeichert wurden?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Das Urteil des Amtsgerichts wurde aufgehoben und der Fall zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.
- Zentrale Begründung: Das Gericht sah das Recht des Autofahrers auf eine faire Verteidigung verletzt, weil ihm wichtige Wartungsunterlagen des Messgeräts und die Gebrauchsanweisung der Auswertesoftware vorenthalten wurden.
- Konsequenzen für die Parteien: Der Fall muss erneut vor dem Amtsgericht verhandelt werden; die ursprüngliche Verurteilung ist damit zunächst hinfällig.
Der Fall vor Gericht
Messung im Fokus: Wie ein Raserfall die Rechte der Verteidigung neu justierte
Sie fahren zu schnell, die Radarfalle blitzt. Was folgt, ist oft nur ein Bußgeldbescheid. Doch ein Autofahrer aus dem Raum Konstanz wollte nicht einfach zahlen.

Er fühlte sich in seiner Verteidigung behindert, weil er tiefe Einblicke in die Technik der Messung forderte – von Wartungsprotokollen bis zur Software-Anleitung. Das war keine Kleinigkeit, sondern ein Fall für das Oberlandesgericht Karlsruhe. Dort ging es um die Frage: Wie transparent muss die Behörde sein, wenn moderne Technik den Ausschlag gibt?
Warum forderte der Verteidiger all diese Papiere?
Der Betroffene fuhr außerhalb geschlossener Ortschaften deutlich zu schnell. Eine Messung mit dem Gerät PoliScan FM1 belegte seinen Verstoß. Das Amtsgericht Konstanz verurteilte ihn zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot. Sein Verteidiger hatte jedoch umfangreiche Unterlagen zum Messgerät und zur Messreihe gefordert – alles, was nicht direkt in der Akte lag.
Das reichte von Statistikdateien der Messreihe über Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Geräts bis hin zu Gebrauchsanweisungen der Auswertesoftware. Der Verteidiger wollte auch Schulungsnachweise des Messpersonals sehen, Baumusterprüfbescheinigungen und Protokolle über Alarme des Messgeräts. Er sah dies als unverzichtbar an, um die Richtigkeit der Messung fundiert überprüfen zu können. Die Bußgeldbehörde lieferte nur einen kleinen Teil der gewünschten Dokumente. Das Amtsgericht lehnte die weitergehenden Anträge ab, teils mit der Begründung, sie seien bereits erledigt oder nicht erforderlich. Daraufhin zog der Betroffene vor das Oberlandesgericht.
Die heikle Frage der Rohdaten: Muss die Radarfalle alles speichern?
Ein zentraler Punkt der Verteidigung war eine grundlegende Kritik am Messverfahren selbst. Der Verteidiger behauptete, die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) habe die Speicherung von Rohmessdaten bei diesem Gerätetyp unterbunden. Dies gleiche einer staatlich veranlassten Beweisvereitelung. Die Verteidigung forderte ein Sachverständigengutachten und andere Beweise, um diese angebliche Lücke in den Daten aufzuklären. Das Amtsgericht lehnte auch diese Anträge ab.
Wo das Oberlandesgericht der Verteidigung Recht gab
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hob das Urteil des Amtsgerichts auf. Die Verteidigungsrechte des Betroffenen waren eingeschränkt. Der Verteidiger hatte zu Recht bestimmte Unterlagen gefordert.
Der Senat stellte klar: Ein Verteidiger darf nicht einfach abgewiesen werden, wenn er Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen sowie die Gebrauchsanweisung der Auswertesoftware fordert. Diese Dokumente können entscheidende Hinweise für die Überprüfung einer Messung liefern. Es geht nicht nur um Papiere, die streng eichrechtlich relevant sind. Das Amtsgericht hätte die Hauptverhandlung unterbrechen müssen. Der Verteidiger sollte Gelegenheit bekommen, diese Dokumente einzusehen. Auch reichte eine pauschale Erklärung der Bußgeldbehörde, es seien keine eichrelevanten Reparaturen vorgenommen worden, nicht aus. Das Gericht muss sich selbst über die Existenz oder Nicht-Existenz solcher Unterlagen eine konkrete Aussage einholen.
Die Richter betonten, das Recht auf ein faires Verfahren verlange „Waffengleichheit“ – die Verteidigung muss Zugang zu verfahrensrelevanten Informationen erhalten. Das Amtsgericht hatte die Anträge des Verteidigers zu Unrecht als erledigt oder nicht erforderlich abgetan.
Wo das Gericht klare Grenzen zog
Eine zentrale Forderung der Verteidigung jedoch wies das Oberlandesgericht zurück: Der Einwand, die Nichtspeicherung von Rohmessdaten durch das Gerät PoliScan FM1 führe zu einem Beweisverwertungsverbot oder Verfahrenshindernis. Das OLG Karlsruhe bestätigte hier die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung.
Die PTB-Vorgaben für standardisierte Messverfahren sowie weitere rechtsstaatliche Sicherungen gleichen die fehlende Speicherung von Rohdaten aus. Die PTB selbst sieht keinen Vorteil in einer Rohdatenspeicherung für nachträgliche Kontrollen. Das Gericht sah hier keine bewusste Vereitelung der Beweisrekonstruktion. Die Beweisanträge des Verteidigers zur Rohdatenfrage waren daher nicht erheblich.
Das Ergebnis: Eine neue Chance für den Autofahrer
Wegen der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung hob das Oberlandesgericht Karlsruhe das Urteil des Amtsgerichts Konstanz auf. Die Sache geht nun zurück an das Amtsgericht Konstanz. Eine neue Verhandlung steht an. Dort muss das Gericht die beantragten Unterlagen genauer prüfen und dem Verteidiger die Einsicht gewähren.
Die Urteilslogik
Ein faires Verfahren bei technischen Messungen erfordert umfassende Transparenz gegenüber der Verteidigung, findet aber dort Grenzen, wo bewährte Standards die Beweiskraft bereits gewährleisten.
- Zugang zu Messdaten ermöglichen: Die Justiz muss der Verteidigung Zugang zu Wartungs- und Instandsetzungsdokumenten sowie Software-Handbüchern von Messgeräten gewähren, damit sie die Richtigkeit einer Messung umfassend prüfen kann.
- Eigene Prüfungspflicht des Gerichts: Gerichte dürfen sich nicht mit pauschalen Erklärungen der Behörde zufriedengeben, sondern müssen aktiv die Existenz und Verfügbarkeit von angeforderten Verfahrensunterlagen klären.
- Standardisierte Messverfahren schützen: Die Nichtspeicherung von Rohmessdaten bei amtlich zugelassenen und standardisierten Geräten verhindert kein Beweisverfahren, da rechtsstaatliche Sicherungen und Prüfvorgaben dies ausgleichen.
Ein faires Verfahren sichert die „Waffengleichheit“ zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung, achtet dabei jedoch die etablierten Prüfmechanismen technischer Verfahren.
Benötigen Sie Hilfe?
Werden Ihnen bei einer Geschwindigkeitsmessung ebenfalls wichtige Unterlagen verweigert? Erhalten Sie eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihrer Situation.
Das Urteil in der Praxis
Mit diesem Urteil ist klar: Die Verteidigung in Bußgeldsachen ist keine Formsache mehr, sondern verlangt nun echten Aufwand. Das OLG Karlsruhe zwingt Behörden gnadenlos, Wartungs- und Softwareunterlagen offenzulegen, was die „Waffengleichheit“ spürbar stärkt. Wer bei Radarmessungen nur auf das reine Eichrecht schielte, muss umdenken. Gründliche Prüfung statt pauschaler Ablehnung wird zum Standard – die Tür für jede Rohdaten-Forderung bleibt dagegen fest verschlossen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Kann ich meinen Blitzer-Bußgeldbescheid erfolgreich anfechten?
Ja, ein Blitzer-Bußgeldbescheid kann erfolgreich angefochten werden, besonders wenn Ihre Verteidigungsrechte durch die Verweigerung relevanter Messunterlagen beschnitten wurden. Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte kürzlich diese Linie und erzwang eine neue Verhandlung, was Betroffenen eine echte Chance gibt. Sie sind nicht machtlos.
Juristen nennen das Prinzip der „Waffengleichheit“ vor Gericht. Sie haben das Recht, die Grundlagen einer Messung zu hinterfragen. Der Grund: Eine Anfechtung ist vielversprechend, wenn essenzielle Papiere wie Wartungs- und Instandsetzungsprotokolle des Messgeräts oder die Gebrauchsanweisung der Auswertesoftware vorenthalten wurden. Genau diese Dokumente können entscheidende Mängel aufdecken. Das OLG Karlsruhe hat klargestellt: Gerichte dürfen die Verteidigungsrechte nicht willkürlich einschränken und müssen Einsicht in relevante Papiere gewähren. Es geht nicht darum, vorschnell aufzugeben, sondern präzise zu handeln.
Ein häufiger Trugschluss ist jedoch, jede Argumentation sei gleich stark. Der Einwand fehlender Rohdaten etwa ist laut überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung meist nicht ausreichend für eine erfolgreiche Anfechtung. Die strenge PTB-Zulassung gilt hier als Kompensation. Konzentrieren Sie sich daher auf die Unterlagen, deren Relevanz das OLG unterstrichen hat.
Legen Sie innerhalb der gesetzten Frist schriftlich Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und fordern Sie darin präzise Einsicht in die vollständigen Messunterlagen.
Welche Messunterlagen kann ich bei meinem Blitzer-Bußgeldbescheid anfordern?
Sie können essenzielle Messunterlagen wie Wartungs- und Instandsetzungsdokumente des Messgeräts sowie die Gebrauchsanweisung der Auswertesoftware anfordern. Das OLG Karlsruhe stufte diese Papiere explizit als entscheidend für eine fundierte Verteidigung bei einem Blitzer-Bußgeldbescheid ein. Es geht darum, die Messung präzise zu überprüfen.
Der Grund: Gerichte verlangen heute Transparenz. Juristen nennen das „Waffengleichheit“. Eine pauschale Ablehnung der Behörde, wie sie früher oft vorkam, ist nach der Karlsruher Rechtsprechung nicht mehr akzeptabel. Sie müssen die Chance erhalten, mögliche Fehlerquellen im Messverfahren nachzuvollziehen.
Neben den Kern-Dokumenten wie Wartungs- und Instandsetzungsprotokollen des Messgeräts und der Software-Anleitung gibt es weitere Prüfsteine. Relevant sind ebenso Statistikdateien der Messreihe, Schulungsnachweise des Personals, Baumusterprüfbescheinigungen und Protokolle über Gerätealarme. Ein Verteidiger darf nicht einfach abgewiesen werden, wenn er diese Unterlagen fordert. Dabei geht es nicht allein um streng eichrechtlich vorgeschriebene Papiere, sondern um alles, was Hinweise auf mangelnde Sorgfalt oder technische Fehler geben könnte.
Vermeiden Sie pauschale Anfragen; formulieren Sie Ihre Forderung präzise und namentlich. Erstellen Sie eine detaillierte Liste mit spezifischen Unterlagen, wie „Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen des Messgeräts [Gerätetyp]“ und „Gebrauchsanweisung der Auswertesoftware [Softwarename]“, und reichen Sie diese direkt mit Ihrem Einspruch oder als separate Anforderung ein.
Wie beantrage ich Einsicht in die Messunterlagen meiner Blitzer-Messung?
Die Einsichtnahme in Messunterlagen beantragen Sie idealerweise schriftlich und spezifisch im Rahmen Ihres Einspruchs oder im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens. Gerichte sind nach einem wegweisenden Urteil des OLG Karlsruhe verpflichtet, die Existenz und Zugänglichkeit der Dokumente zu prüfen und Ihnen die Einsicht zu gewähren. Dies stärkt Ihre Verteidigungsrechte erheblich und sorgt für die nötige Transparenz.
Juristen nennen das „Waffengleichheit“: Ihre Verteidigung braucht dieselben Informationen wie die Behörde. Stellen Sie Ihren Antrag schriftlich, präzise die benötigten Dokumente benennend – etwa Wartungsprotokolle des Messgeräts oder die Software-Anleitung. Eine pauschale Ablehnung der Bußgeldbehörde oder ein Desinteresse des Gerichts ist nach der klaren Rechtsprechung des OLG Karlsruhe unzulässig; das Gericht muss sich aktiv um die Einholung bemühen.
Die Forderung nach diesen entscheidenden Papieren kann bereits mit Ihrem Einspruch erfolgen. Spätestens in einer Hauptverhandlung muss das Gericht diese ermöglichen, selbst eine Unterbrechung ist dafür geboten. Das Amtsgericht hätte die Hauptverhandlung unterbrechen müssen, damit der Verteidiger diese Dokumente einsehen kann. Verzögern Sie den Antrag nicht unnötig, um keine Fristen verstreichen zu lassen oder den Vorwurf der Selbstverschuldung zu riskieren. Akzeptieren Sie niemals nur eine mündliche Zusage.
Formulieren Sie gemeinsam mit einem spezialisierten Anwalt ein detailliertes Schreiben, in dem Sie unter explizitem Verweis auf das OLG Karlsruhe-Urteil dezidiert die Einsicht in konkrete Messunterlagen beantragen.
Ist mein Blitzer-Bußgeldbescheid ohne Rohdaten dennoch gültig?
Ja, Ihr Blitzer–Bußgeldbescheid bleibt in den meisten Fällen auch ohne Rohmessdaten gültig. Das Oberlandesgericht Karlsruhe und die obergerichtliche Rechtsprechung sehen dies als zulässig an, da die strengen Vorgaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) die fehlende Rohdatenspeicherung kompensieren und die Messqualität sichern.
Juristen nennen das „Beweisverwertungsverbot“, doch hier spielt es keine Rolle. Das OLG Karlsruhe hat klar entschieden: Geräte wie der PoliScan FM1, die keine Rohdaten speichern, führen weder zu einem solchen Verbot noch zu einem Verfahrenshindernis. Der Grund? Die PTB gleicht dies mit ihren akribischen Zulassungsvorgaben aus, die Messverfahren standardisieren und die Messqualität garantieren. Sie sehen selbst keinen erheblichen Vorteil in der Rohdatenspeicherung für nachträgliche Prüfungen.
Das ist vergleichbar mit einem Auto, das serienmäßig ohne bestimmte Zusatzfeatures ausgeliefert wird, dessen Sicherheit aber durch umfangreiche Crashtests und Zertifizierungen belegt ist. Niemand würde die allgemeine Verkehrstauglichkeit infrage stellen, nur weil ein optionales Feature fehlt. Richter sehen das Fehlen dieser Daten selten als einen Schwachpunkt, der den gesamten Blitzer-Bußgeldbescheid zum Scheitern bringt.
Vermeiden Sie es daher, Ihre Verteidigungsstrategie primär auf das Fehlen von Rohdaten zu stützen. Das lenkt von wirklich Erfolg versprechenden Argumenten ab.
Konzentrieren Sie Ihre Verteidigung lieber auf andere potenzielle Fehlerquellen und die vom OLG Karlsruhe als relevant eingestuften Unterlagen, wie Wartungsprotokolle oder Software-Anleitungen, um Ihren Blitzer-Bußgeldbescheid erfolgreich anzufechten.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Baumusterprüfbescheinigung
Eine Baumusterprüfbescheinigung ist ein offizielles Dokument, das bestätigt, dass ein Gerät – hier ein Blitzer – den gesetzlich vorgeschriebenen technischen Anforderungen und Zulassungsvorgaben entspricht. Dieses Zertifikat bescheinigt die Übereinstimmung eines Gerätetyps mit bestimmten Bau- und Funktionseigenschaften, um seine ordnungsgemäße und sichere Arbeitsweise zu gewährleisten. Die Regelung soll sicherstellen, dass nur zuverlässige und genaue Messgeräte auf den Markt kommen und eingesetzt werden dürfen.
Beispiel: Der Verteidiger forderte auch die Baumusterprüfbescheinigungen für das Messgerät PoliScan FM1 an, um die technische Zulassung und Funktionalität des Blitzers zu überprüfen.
Beweisvereitelung
Juristen sprechen von Beweisvereitelung, wenn jemand absichtlich oder fahrlässig verhindert, dass ein wichtiges Beweismittel im Verfahren vorgelegt oder genutzt werden kann. Das Gesetz bestraft solche Handlungen, weil sie die gerichtliche Wahrheitsfindung behindern und ein faires Verfahren untergraben können. Es will sicherstellen, dass alle relevanten Informationen für eine gerechte Entscheidung zugänglich sind.
Beispiel: Die Verteidigung sah in der unterbliebenen Speicherung von Rohmessdaten durch das Gerät eine staatlich veranlasste Beweisvereitelung, welche das Amtsgericht jedoch nicht bestätigte.
Beweisverwertungsverbot
Ein Beweisverwertungsverbot hindert ein Gericht daran, bestimmte, oft fehlerhaft erlangte Beweismittel im Prozess zu nutzen, um ein Urteil zu stützen. Dieses Verbot dient dem Schutz grundlegender Verfahrensrechte und soll staatliche Organe davon abhalten, Beweise unter Missachtung gesetzlicher Vorschriften zu erheben. Gerichte stellen so sicher, dass die Rechtsstaatlichkeit im Verfahren gewahrt bleibt und die Fairness für alle Beteiligten gilt.
Beispiel: Das OLG Karlsruhe wies den Einwand zurück, die fehlende Speicherung von Rohmessdaten führe zu einem Beweisverwertungsverbot, da die PTB-Vorgaben ausreichend Sicherungen böten.
Bußgeldbescheid
Ein Bußgeldbescheid ist ein offizieller schriftlicher Bescheid der Verwaltungsbehörde, mit dem eine Ordnungswidrigkeit festgestellt und eine Geldbuße verhängt wird. Dieser Bescheid informiert den Betroffenen über den konkreten Verstoß, die Höhe der Strafe und mögliche Nebenfolgen wie ein Fahrverbot. Das Rechtsmittel des Bußgeldbescheids ermöglicht es dem Staat, kleinere Gesetzesverstöße effizient und ohne langwieriges Gerichtsverfahren zu ahnden.
Beispiel: Nach der Blitzer-Messung erhielt der Autofahrer einen Bußgeldbescheid, gegen den sein Verteidiger später Einspruch einlegte.
Messreihe
Die Messreihe umfasst sämtliche während einer Geschwindigkeitskontrolle aufeinanderfolgend durchgeführten Messungen, die digital gespeichert und später zur Auswertung herangezogen werden. Sie dient als Grundlage für die Ermittlung eines Verstoßes und bietet die Möglichkeit, die technische Funktionsweise und Genauigkeit des Messgerätes zu überprüfen. Eine lückenlose Dokumentation der Messreihe soll die Nachvollziehbarkeit und Korrektheit der Messergebnisse sicherstellen.
Beispiel: Der Verteidiger verlangte Einsicht in die Statistikdateien der Messreihe des PoliScan FM1, um eventuelle Unregelmäßigkeiten in den erfassten Daten zu entdecken.
Verteidigungsrechte
Die Verteidigungsrechte garantieren jeder Person in einem Gerichts- oder Bußgeldverfahren die Möglichkeit, sich gegen Vorwürfe zur Wehr zu setzen und aktiv an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Diese Rechte umfassen unter anderem das Recht auf Akteneinsicht, auf Beantragung von Beweisen und auf die Unterstützung durch einen Rechtsanwalt. Das Gesetz schützt diese Rechte, um ein faires Verfahren zu gewährleisten und eine „Waffengleichheit“ zwischen Staat und Bürger herzustellen.
Beispiel: Das Oberlandesgericht hob das Urteil des Amtsgerichts auf, da die Verteidigungsrechte des Autofahrers durch die Verweigerung von Einsicht in wichtige Unterlagen unzulässig beschnitten wurden.
Waffengleichheit
Das Prinzip der Waffengleichheit verlangt, dass alle Parteien in einem Gerichtsverfahren gleiche Möglichkeiten und Mittel zur Verfügung haben, um ihre Position darzulegen und Beweise zu erbringen. Dieser Grundsatz sorgt für eine faire Balance zwischen den oft mächtigeren staatlichen Behörden und dem einzelnen Bürger im Prozess. Juristen wollen damit verhindern, dass eine Partei aufgrund mangelnder Ressourcen oder Informationen benachteiligt wird und keine echte Chance auf einen Erfolg hat.
Beispiel: Die Richter betonten, dass das Recht auf ein faires Verfahren eine Waffengleichheit verlange, weshalb der Verteidigung Zugang zu verfahrensrelevanten Messunterlagen zu gewähren sei.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Recht auf ein faires Verfahren und Waffengleichheit (allgemeines Rechtsprinzip)
Ein faires Verfahren garantiert, dass alle beteiligten Parteien gleiche Chancen haben, ihre Argumente vor Gericht darzulegen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Oberlandesgericht betonte, dass die Verteidigung die Möglichkeit haben muss, die Richtigkeit einer Messung fundiert zu überprüfen, um auf Augenhöhe mit der Behörde vor Gericht agieren zu können.
- Verteidigungsrechte und Akteneinsicht (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz, § 147 Strafprozessordnung i.V.m. § 46 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten)
Jeder Beschuldigte hat das Recht, sich umfassend zu verteidigen und dafür die notwendigen Verfahrensunterlagen einzusehen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Dem Verteidiger wurde zu Unrecht der Zugang zu wichtigen Dokumenten über das Messgerät verweigert, was seine Möglichkeiten zur effektiven Überprüfung der Messung stark einschränkte.
- Umfang der richterlichen Sachverhaltsaufklärung (allgemeines Rechtsprinzip, § 77 Abs. 2 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten)
Das Gericht muss von Amts wegen alle relevanten Umstände ermitteln, die für die Wahrheitsfindung und eine gerechte Entscheidung entscheidend sind.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Amtsgericht durfte sich nicht mit pauschalen Erklärungen der Bußgeldbehörde zufriedengeben, sondern hätte sich selbst aktiv über die Existenz und den konkreten Inhalt der geforderten Wartungs- und Reparaturunterlagen informieren müssen.
- Standardisiertes Messverfahren (allgemeines Rechtsprinzip)
Bei bestimmten, technisch erprobten und von Experten zertifizierten Messverfahren gelten vereinfachte Anforderungen an die richterliche Überprüfung.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht bestätigte, dass die fehlende Speicherung von Rohmessdaten bei einem von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassenen Standardmessverfahren nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot führt, da andere Sicherungen als ausreichend gelten.
Das vorliegende Urteil
OLG Karlsruhe – Az.: 3 ORbs 330 SsBs 662/24 – Beschluss vom 16.06.2025
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