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Verwertbarkeit Bildaufnahme des Beifahrers bei Verkehrsüberwachungsmaßnahme

Rechtsgrundlage für Beifahrer-Bildaufnahmen bei Verkehrskontrollen

Das Oberlandesgericht Oldenburg hob das Urteil des Amtsgerichts Bersenbrück auf, welches den Betroffenen wegen fahrlässigen Nichteinhaltens des erforderlichen Abstands zu einer Geldbuße verurteilt hatte. Zentral war dabei die Frage der Verwertbarkeit eines Fotos des Beifahrers aus einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme. Das Gericht entschied, dass aus der Bildaufnahme des Beifahrers keine eindeutigen Schlüsse auf den Fahrer gezogen werden können und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Ss OWi 20/15  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung des Urteils durch das OLG Oldenburg.
  2. Fahrlässiges Nichteinhalten des erforderlichen Abstands als ursprünglicher Verurteilungsgrund.
  3. Verwendung des Beifahrerfotos als Beweismittel.
  4. Zweifel an der eindeutigen Identifizierung des Fahrers basierend auf dem Beifahrerfoto.
  5. Persönlichkeitsrechte des Beifahrers möglicherweise betroffen.
  6. Kein Verdacht gegen den Beifahrer, aber Einbeziehung in die Beweisaufnahme.
  7. Rechtsfehler bei der Hauptverhandlung durch Nichtbeachtung des Lichtbildes.
  8. Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung, auch über Kosten der Rechtsbeschwerde.

Verkehrsüberwachung und Persönlichkeitsrechte: Der Fall des OLG Oldenburg

Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg beschäftigte sich mit einem bemerkenswerten Fall, der grundlegende Fragen über die Verwertbarkeit von Bildaufnahmen von Beifahrern bei Verkehrsüberwachungsmaßnahmen aufwarf. Im Kern ging es um das Urteil des Amtsgerichts Bersenbrück, das einen Betroffenen wegen fahrlässigen Nichteinhaltens des erforderlichen Abstands zu einem Geldbußebescheid von 150 Euro verurteilte. Das Amtsgericht gründete seine Entscheidung auf ein Foto, das den Beifahrer zeigte und daraus schloss, dass der Betroffene der Fahrer gewesen sei. Der Betroffene legte gegen dieses Urteil Rechtsbeschwerde ein.

Rechtsbeschwerde: Ein Kampf um Beweisverwertung und Persönlichkeitsrechte

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wurde zunächst vom Einzelrichter zur Fortbildung des Rechts zugelassen und erwies sich als zumindest vorläufig erfolgreich. Das OLG Oldenburg sah die Notwendigkeit, die Verwertbarkeit der Bildaufnahme des Beifahrers und deren Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht zu klären. Es wurde argumentiert, dass ein Beweisverwertungsverbot bestehe, da das Persönlichkeitsrecht der Beifahrerin tangiert sei.

Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts und dessen Auswirkungen

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits festgestellt, dass bei Bildaufnahmen, bei denen Fahrer und Kennzeichen identifizierbar sind, ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliege. Allerdings betonte das Gericht, dass solche Maßnahmen nicht auf Unbeteiligte abzielen, sondern auf Fahrzeugführer, die selbst Anlass zur Bildaufnahme gegeben hätten. Trotz des fehlenden Verdachts gegen die Beifahrerin und der Berücksichtigung von § 100h Abs. 3 StPO, wonach andere Personen nur betroffen sein dürfen, wenn dies unvermeidbar sei, hielt das OLG die Anfertigung des Fotos für gerechtfertigt.

Urteilsaufhebung und Rückverweisung: Neue Überlegungen und rechtliche Feinheiten

In einem entscheidenden Schritt hob das OLG Oldenburg das Urteil des Amtsgerichts Bersenbrück auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Es wurde festgestellt, dass das Lichtbild des Beifahrers nicht ordnungsgemäß in der Hauptverhandlung behandelt wurde. Das Amtsgericht hatte seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen unter anderem darauf gestützt, dass die Beifahrerin „mit großer Wahrscheinlichkeit die Tochter des Betroffenen“ sei, ohne das Lichtbild entsprechend zu würdigen. Diese Vorgehensweise wurde vom OLG als Rechtsfehler angesehen. Interessanterweise wurde auch auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen eingegangen, welches durch die Auswertung des Lichtbildes der Beifahrerin nicht in einem Maße berührt wurde, dass ein Beweisverwertungsverbot gerechtfertigt wäre.

In diesem Kontext ist es wichtig, die Rolle des Bundesgerichtshofs (BGH) hervorzuheben, der in ähnlichen Fällen festgestellt hat, dass die Achtung vor der Persönlichkeit von Zeugen oder Betroffenen im Vordergrund steht. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass der Rechtskreis des Beschuldigten in solchen Fällen berührt wird. Der BGH stellte klar, dass bei der Bewertung von Beweismitteln die Persönlichkeitsrechte der beteiligten Personen angemessen berücksichtigt werden müssen.

Das OLG Oldenburg wies darauf hin, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass Fotos von Beifahrern systematisch zum Zwecke der indirekten Identifizierbarkeit des Fahrers in Bußgeldakten aufgenommen werden. Diese Feststellung ist entscheidend, da sie die Praxis der Verkehrsüberwachung und die Behandlung von Beifahrern in solchen Fällen betrifft.

Der Fall wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bersenbrück zurückverwiesen. Für das weitere Verfahren gab das OLG zu bedenken, dass das Amtsgericht prüfen sollte, ob es für seine Überzeugungsbildung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen auf die Auswertung des Fotos der Beifahrerin überhaupt angewiesen ist. Dies weist auf die Notwendigkeit hin, in jedem Einzelfall die Relevanz und die Beweiskraft von Bildaufnahmen sorgfältig zu bewerten.

Zusammenfassend stellt das Urteil des OLG Oldenburg einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die Verwertbarkeit von Bildaufnahmen bei Verkehrsüberwachungsmaßnahmen und die Wahrung von Persönlichkeitsrechten dar. Es betont die Notwendigkeit einer sorgfältigen Abwägung zwischen den Interessen der Verkehrsüberwachung und den Rechten der betroffenen Personen, insbesondere in Fällen, in denen die Identität des Fahrers nicht eindeutig festgestellt werden kann.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Inwiefern spielt das Persönlichkeitsrecht bei Verkehrsüberwachungsmaßnahmen eine Rolle?

Das Persönlichkeitsrecht spielt eine wichtige Rolle bei Verkehrsüberwachungsmaßnahmen, insbesondere in Bezug auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses Recht beinhaltet die Kontrolle über die Verwendung persönlicher Daten und kann durch verschiedene Aspekte der Verkehrsüberwachung beeinträchtigt werden.

Bei der Verwendung von Überwachungskameras, wie z.B. bei Geschwindigkeitskontrollen, kann das Persönlichkeitsrecht tangiert werden. Wenn ein Foto im Rahmen einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gemacht wird, auf dem auch der Beifahrer erkennbar ist, kann dies das Persönlichkeitsrecht der Beifahrerin tangieren. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, da die Maßnahme nicht auf Unbeteiligte, sondern ausschließlich auf Fahrzeugführer abzielt, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben haben.

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Sie besagt, dass personenbezogene Daten in einer Form gespeichert werden müssen, die die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist. Dies kann auch auf Verkehrsüberwachungsmaßnahmen angewendet werden.

Bei Polizeikontrollen ist das Persönlichkeitsrecht ebenfalls relevant. Die Polizei darf das Auto bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle weder durchsuchen, noch Türen öffnen oder ins Fahrzeug greifen. Dazu benötigt sie einen Durchsuchungsbeschluss oder es muss der Verdacht einer Straftat vorliegen, sodass Gefahr im Verzug und sofortiges Handeln nötig ist.

Die Verwendung von Geräten wie Dashcams oder „Blitzer-Apps“ kann ebenfalls das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen. Dashcams können das Persönlichkeitsrecht von Unfallgegnern tangieren, während „Blitzer-Apps“ gegen § 23 Abs. 1c StVO verstoßen.

Insgesamt ist das Persönlichkeitsrecht ein wichtiger Faktor bei Verkehrsüberwachungsmaßnahmen und muss bei der Durchführung solcher Maßnahmen berücksichtigt werden.

Welche Bedeutung hat das Beweisverwertungsverbot im Kontext von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen?

Das Beweisverwertungsverbot ist ein rechtliches Prinzip, das besagt, dass bestimmte Beweise, die auf unzulässige Weise erlangt wurden, in einem Gerichtsverfahren nicht verwendet werden dürfen. Im Kontext von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen kann das Beweisverwertungsverbot in verschiedenen Situationen relevant sein.

Ein Beispiel ist die Geschwindigkeitsmessung durch Private. Wenn eine Geschwindigkeitsmessung von einer Privatperson durchgeführt wird, ist diese Messung nicht verwertbar und es gilt ein Beweisverwertungsverbot. Die zuständigen Behörden dürfen sich zwar der Unterstützung durch private Dienstleister bedienen, müssen aber Herrin des Verfahrens bleiben.

Ein weiteres Beispiel betrifft die Verwendung von Dashcams. Obwohl ein Verstoß gegen das datenschutzrechtliche Verbot gemäß § 6b BDSG beim Betrieb einer Dashcam vorliegen kann, folgt daraus nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot im Bußgeldverfahren. Es besteht kein gesetzlich angeordnetes Beweisverwertungsverbot für das Straf- und Bußgeldverfahren.

Es gibt jedoch auch Fälle, in denen kein Beweisverwertungsverbot gilt. Wenn beispielsweise eine Geschwindigkeitsmessung durch eine unzuständige Behörde vorgenommen wird, ergibt sich daraus kein Beweisverwertungsverbot. Die Messung durch eine unzuständige Behörde begründet kein Beweisverwertungsverbot, weil § 48 Abs. 2 Satz 3 OBG NRW keine Schutzfunktion für den Betroffenen entfaltet.

Die Anwendung des Beweisverwertungsverbots in Verkehrsüberwachungsmaßnahmen ist also von Fall zu Fall unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Art und Weise, wie die Beweise erlangt wurden, und der spezifischen Umstände des Falles.

Was ist die Funktion und Bedeutung des § 100h StPO im deutschen Strafprozessrecht?

Der § 100h der Strafprozessordnung (StPO) im deutschen Strafprozessrecht regelt die Durchführung bestimmter Maßnahmen außerhalb von Wohnungen, die ohne das Wissen der betroffenen Personen durchgeführt werden dürfen. Diese Maßnahmen umfassen insbesondere die Herstellung von Bildaufnahmen und die Durchführung sonstiger besonderer Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation.

Die Regelung ermöglicht es den Strafverfolgungsbehörden, Beweise zu sammeln und Straftaten aufzuklären, insbesondere wenn der Verdacht besteht, dass eine Person eine Straftat begangen hat. Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind.

Die Anordnung für solche Maßnahmen muss bestimmte Informationen enthalten, wie den Namen und die Anschrift der betroffenen Person, gegen die sie sich richtet, sowie die Rufnummer oder eine andere Kennung.

Die durch die Auskunft erlangten personenbezogenen Informationen dürfen in anderen Strafverfahren zu Beweiszwecken nur verwendet werden, wenn sich bei der Auswertung Erkenntnisse ergeben, die zur Aufklärung einer der in § 100g Abs. 1 Satz 1 bezeichneten Straftaten benötigt werden, oder wenn der Beschuldigte zustimmt.

Die Regelung des § 100h StPO ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Strafprozessrechts und trägt zur effektiven Strafverfolgung bei. Sie muss jedoch immer im Einklang mit den Grundrechten der betroffenen Personen stehen und darf diese nicht unverhältnismäßig einschränken.

In welchem Umfang dürfen Fotos als Beweismittel in Gerichtsverfahren verwendet werden?

Fotos können in Gerichtsverfahren als Beweismittel verwendet werden, allerdings gibt es dabei bestimmte Einschränkungen und Bedingungen. Grundsätzlich dürfen Fotos von Personen zur Beweissicherung gemacht werden, was kein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht darstellt. Die Verwendung von Fotos einer Person als Beweismittel in einem Gerichtsverfahren stellt keinen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht dar, wenn die Fotos als Beweismittel benötigt werden.

Es ist jedoch zu beachten, dass das Anfertigen von Fotos oder Filmaufnahmen einer anderen Person, auch in der Öffentlichkeit, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Fotografierten verletzen kann. Ob ein solcher Verstoß rechtswidrig ist, hängt immer vom Einzelfall ab und es wird eine Abwägung der jeweils betroffenen Rechtsgüter vorgenommen.

In bestimmten Fällen, wie zum Beispiel bei Verkehrsverstößen, kann das Gericht Fotos zur Identifizierung des Fahrers verwenden. Wenn das Foto zur Identifizierung des Fahrers geeignet ist und individuelle Merkmale erkennen lässt, kann der Richter einen Beweisantrag ablehnen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass das Gericht im Rahmen seiner Überzeugungsbildung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme berücksichtigen darf, sondern auch den Inhalt der gesamten Verhandlungen.

Insgesamt ist die Verwendung von Fotos als Beweismittel in Gerichtsverfahren eine komplexe Angelegenheit, die von vielen Faktoren abhängt, einschließlich der Art des Falles, der Art der Fotos und der spezifischen Umstände des Falles.


Das vorliegende Urteil

OLG Oldenburg – Az.: 2 Ss OWi 20/15 – Beschluss vom 09.02.2015

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Bersenbrück vom 03.11.2014 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bersenbrück zurückverwiesen.

Gründe

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen fahrlässigen Nichteinhaltens des erforderlichen Abstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug zu einer Geldbuße von 150,00 Euro verurteilt. Das Amtsgericht hat sich davon überzeugt gezeigt, dass der Betroffene der Fahrer des Fahrzeuges gewesen sei. In den Urteilsgründen heißt es u. a.:

„Das Gericht hat ebenfalls berücksichtigt, dass die Beifahrerin des Betroffenen, auf dem Foto Bl. 39 d. A., auf das gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 46 OWiG verwiesen wird, zu erkennen, mit großer Wahrscheinlichkeit die Tochter des Betroffenen ist ….“

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit einem näher ausgeführten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Der ursprünglich zuständige Einzelrichter hat die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Die Rechtsbeschwerde ist deshalb gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG zulässig.

Sie führt zu einem zumindest vorläufigen Erfolg.

Klärungsbedürftig ist die Frage, ob es einem Verwertungsverbot unterliegt, wenn aus der Person eines Beifahrers, die auf einem bei einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme gefertigten Foto erkennbar ist, Schlüsse auf den Fahrzeugführer gezogen werden.

Der Betroffene hat insoweit gerügt, dass ein Beweisverwertungsverbot bestehe, da das Persönlichkeitsrecht der Beifahrerin tangiert sei.

Das Bundesverfassungsgericht (NJW 2010, 2717 f) hat es als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden angesehen, dass die Gerichte als Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Bildaufnahmen § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO angesehen haben. In diesem Zusammenhang hat es ausgeführt, dass bei einer Bildaufnahme, bei der Fahrer und Kennzeichen identifizierbar seien, allerdings ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorliege. Die Maßnahme ziele aber nicht auf Unbeteiligte, sondern ausschließlich auf Fahrzeugführer, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben hätten, da der Verdacht eines bußgeldbewährten Verkehrsverstoßes bestehe.

Zwar bestand hier kein Verdacht gegen die Beifahrerin. Bereits das Bundesverfassungsgericht hat aber auf § 100h Abs. 3 StPO verwiesen, wonach andere Personen nur betroffen sein dürfen, wenn dies unvermeidbar sei.

Da es nach Auffassung des Senates unvermeidbar ist, dass bei Anfertigung eines Fotos im Rahmen einer Verkehrsüberwachungsmaßnahme auch der Beifahrer mit abgebildet wird, sieht er die Anfertigung des Lichtbildes als durch § 100h Abs. 3 StPO gedeckt an (so auch bereits Amtsgericht Herford, DAR 2010, 592 f).

Der Senat lässt offen, ob es zulässig ist, das so gefertigte Lichtbild ohne Unkenntlichmachung der Person des Beifahrers in die Akte der Verwaltungsbehörde und später des Gerichtes zu übernehmen. Geschieht dies, führt dieses zumindest nicht zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn das Amtsgericht Schlüsse von der Person des Beifahrers auf den Fahrer zieht.

Das Bundesverfassungsgericht (NJW 2009, 3293 f) hatte bei einem Sachverhalt, in dem von einem Fahrzeugführer eine verdachtsunabhängige Videoaufzeichnung gefertigt worden war und die Fachgerichte als Rechtsgrundlage einen Ministerialerlass herangezogen hatten, es (nur) als zumindest möglich angesehen, dass die Fachgerichte einen Rechtsverstoß annähmen, der ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehe.

Im Beschluss vom 07.12.2011 (2 BvR 2500/09) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass ein Beweisverwertungsverbot eine begründungsbedürftige Ausnahme darstelle und insbesondere nach schwerwiegenden, bewussten oder objektiv willkürlichen Rechtsverstößen, bei denen grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden seien, geboten sein könne (juris Rn. 117).

Von einer derartigen Eingriffsintensität ist die Vorgehensweise des Amtsgerichts weit entfernt.

Das Lichtbild ist zunächst aufgrund einer ausreichenden Rechtsgrundlage gefertigt worden. Es ist dann im Rahmen des Verfahrens, das sich gegen die Person richtete, von der verdachtsabhängig ein Lichtbild gefertigt worden ist, verwertet worden. Die Rechtsbeschwerde macht auch (lediglich) geltend, dass das Persönlichkeitsrecht der Beifahrerin tangiert sei. Demgegenüber ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen durch die Auswertung des Lichtbildes der Beifahrerin nicht in einem Maße berührt, dass insofern von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen werden müsste.

Der BGH (St 11, 213 ff) hatte in einem Fall, in dem ein Zeuge nicht über sein Auskunftsverweigerungsrecht belehrt worden war, darauf abgestellt, dass diese Vorschrift ausschließlich auf der Achtung vor der Persönlichkeit des Zeugen beruhe. Durch den Konflikt des Zeugen werde der Rechtskreis des Beschuldigten nicht so berührt, dass ihm wegen unterbliebener Belehrung ein Revisionsrügerecht zugestanden werden könne.

So liegt es auch hier:

Dass der Rechtskreis des Betroffenen hier dadurch berührt wäre, dass durch Bekanntwerden der Person der Beifahrerin seine Interessen verletzt sein könnten, macht die Rechtsbeschwerde nicht geltend. Darüberhinaus gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass „planmäßig oder systematisch“ (BVerfG vom 7.12.2011, s.o.), Fotos der Beifahrer, auf denen diese erkennbar sind, zum Zwecke der indirekten Identifizierbarkeit des Fahrers zum Gegenstand der Bußgeldakten gemacht werden.

Gleichwohl kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

Das von dem Amtsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung herangezogene Lichtbild Bl. 39 d. A. ist nämlich nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen. Ausweislich des Protokolls ist lediglich die „Auswertung Bl. 39 d. A.“ verlesen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Zwar heißt es im Protokoll weiter, dass auf das bei der Messung entstandene Foto des Fahrers/in Bl. 41, 39 d. A. gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 46 OWiG verwiesen werde. Diese Formulierung besagt aber nichts darüber, dass das Lichtbild in Augenschein genommen worden ist, da sich § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO lediglich auf die Abfassung der Urteilsgründe bezieht. Darüber hinaus ist nur die Rede von einem Foto des Fahrers bzw. der Fahrerin, nicht aber von einer Beifahrerin.

Damit bleibt auch schon unklar, welches der vier Lichtbilder auf Blatt 39 d.A., von denen zwei keine Personen, eines nur die Person des Fahrers und eines den Fahrer und die Beifahrerin erkennen lassen, gemeint ist. Auf Blatt 41 d.A. ist die Person des Beifahrers sogar unkenntlich gemacht worden.

Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil auch, da das Amtsgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen u. a. auch damit begründet hat, dass die Beifahrerin „mit großer Wahrscheinlichkeit die Tochter des Betroffenen“ sei.

Die Sache war daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass er die weitere Rüge des Betroffenen, das Amtsgericht habe ein anthropologisches Sachverständigengutachten einholen müssen, nicht für durchgreifend erachtet. Darüberhinaus sollte das Amtsgericht prüfen, ob es für seine Überzeugungsbildung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen auf die Auswertung des Fotos der Beifahrerin überhaupt angewiesen ist.

 

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