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Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts im Güterkraftverkehr bei Ausnahmegenehmigung

OLG Schleswig, Az.: 2 SsOWi 95/15 (60/15), Beschluss vom 27.08.2015

1. Die Rechtsbeschwerden der Betroffenen werden zugelassen.

2. Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Plön zurückverwiesen.

Im Übrigen werden die Rechtsbeschwerden der Betroffenen als unbegründet im Sinne der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Gründe

I.

Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts im Güterkraftverkehr bei Ausnahmegenehmigung
Symbolfoto: Von 1933bkk /Shutterstock.com

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht Plön gegen den Betroffenen H. wegen fahrlässiger Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts einer Fahrzeugkombination mit mehr als 4 Achsen eine Geldbuße von 110,– € und gegen die Betroffene K… GmbH den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 792,87 € festgesetzt. Das Amtsgericht hat dabei folgende Feststellungen getroffen:

„Der Betroffene befuhr am …05.2014 um … Uhr in … W. die Bundesautobahn 21 bei Kilometer 23,5 in Fahrtrichtung W. mit der Fahrzeugkombination Sattelzugmaschine mit Ladegerät mit dem amtlichen Kennzeichen …/…, welche Stückholz (Eiche) von S., OT …, nach E. transportierte. Ein bei einer polizeilichen Kontrolle durchgeführtes Wiegen ergab nach Abzug eine Toleranz von 600 kg ein Gesamtgewicht von 45.750 kg. Damit war auch das durch Bescheid des Kreises Eckernförde vom 18.03.2014 im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung erlaubte Gesamtgewicht von 44,0 t überschritten. Das gesetzlich zulässige Gesamtgewicht von 40,0 t war um 5.750 kg, mithin um 14,3 % überschritten.“

Zur Frage, ob die Ordnungsbehörde der Verfallsbeteiligten neben der fahrzeugbezogenen Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 StVZO auch eine nach § 29 Abs. 3 StVO erforderliche streckenbezogene Erlaubnis erteilt hat und ggf. in welchem rechtlichen Verhältnis die Gestattungen zueinander stehen, enthält das Urteil keine Feststellungen.

Die Betroffenen beanstanden mit der allgemeinen Sachrüge insbesondere, dass das Amtsgericht zu Unrecht eine Überschreitung um 5.750 kg ausgehend von einem zulässigen Gesamtgewicht von 40 t zugrunde gelegt hat. Richtigerweise hätte der Tatrichter beim Umfang der Überschreitung ein aus der Ausnahmegenehmigung ersichtliches zulässiges Gesamtgewicht von 44 t berücksichtigen müssen.

Die Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht hält eine Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts für geboten und tritt dieser im Hinblick auf die Vorwürfe gegen den Betroffenen zu 1.) bei. Da die Einhaltung der mit der Ausnahmegenehmigung zugelassenen Gewichtsüberschreitung keine Bedingung darstelle, sei die Wirksamkeit der Ausnahmegenehmigung unberührt geblieben. Damit sei das zulässige Gesamtgewicht von 44.000 kg um 1.750 kg und damit lediglich um 3,9 % überschritten worden, so dass unter Berücksichtigung der einschlägigen Bußgeldkatalogverordnung eine Regelgeldbuße von lediglich 30 € gegen den Betroffenen zu 1.) zu verhängen sei.

II.

Die Anträge auf Zulassung der Rechtsbeschwerde sind für die Betroffenen in statthafter und auch im Übrigen zulässiger Weise angebracht.

Die Anträge haben Erfolg, da die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen ist. Zur Frage, ob bei Überschreitung des durch eine Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO genehmigten Gesamtgewichts die Differenz zum gesetzlich zulässigen Maximalgewicht oder zu dem in der Ausnahmegenehmigung festgelegten Gewicht zugrunde zu legen ist, hat weder der Senat bisher entschieden noch sind Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte ersichtlich.

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen H. hat – bezogen auf den Rechtsfolgenausspruch – vorläufig Erfolg.

a) Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen zwar den Schuldspruch wegen fahrlässigen Überschreitens des zulässigen Gesamtgewichts gemäß den §§ 69 aAbs. 3 Nr. 4, 34 Abs. 3 Satz 3 StVZO. Die Feststellungen des Amtsgerichts, das Fahrzeug sei zur Tatzeit mit einem Gesamtgewicht von 45.750 kg überladen gewesen, begegnen keinen Bedenken.

Insoweit war das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

b) Durchgreifenden Bedenken begegnet das Urteil jedoch hinsichtlich der Rechtsfolgenseite.

Was die Festsetzung einer Geldbuße gegen den Betroffenen zu 1.) angeht, ist der Tatrichter von einer Überschreitung um 14,3 %, bezogen auf ein zulässiges Gesamtgewicht des Fahrzeugzuges von 40 t ausgegangen. Die Überlegung, die Ausnahmegenehmigung gemäß § 70 StVZO, die ein zulässiges Gesamtgewicht von 44 t gestatte, wirke sich nur dann zu seinen Gunsten aus, wenn der Betroffene diese Begrenzung einhalte, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht ohne Weiteres stand.

Sie vernachlässigt, dass die Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 StVZO eine fahrzeugbezogene Ausnahme zur allgemeinen Verkehrszulassung eines Fahrzeuges auf öffentlichen Straßen enthält (OLG Celle, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 322 SsRs 390/10, NZV 2011, S. 311, 312). Darüber hinaus verlangt aber § 29 Abs. 3 StVO eine streckenbezogene Ausnahmeerlaubnis mit örtlichen und zeitlichen Vorgaben im Hinblick auf den Einsatz des Fahrzeuges für eine konkrete Fahrt (OLG Celle a. a. O.).

Soll daher ein Fahrzeug, dessen tatsächliches Gesamtgewicht und dessen tatsächliche Abmessungen die allgemein zugelassenen Grenzen nach der StVZO überschreiten, im öffentlichen Straßenverkehr eingesetzt werden, ist zusätzlich zur fahrzeugbezogenen Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO vor Antritt der Fahrt die Erteilung einer streckenbezogenen Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO zur Teilnahme am Verkehr erforderlich (OLG Celle a. a. O. m. w. N.).

Ob der Betroffene vorliegend eine derartige streckenbezogene Ausnahmeerlaubnis vorweisen konnte, wofür nach Aktenlage einiges spricht, lässt sich dem Urteil jedoch nicht entnehmen. Zusätzliche Feststellungen dazu sind daher erforderlich. Denn ob beim Fehlen einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO gleichzeitig auch die Wirksamkeit der Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO erlischt, hängt vom Inhalt der Ausnahmegenehmigung ab. Ist das Vorliegen einer streckenbezogenen Erlaubnis dort als Bedingung vorgesehen – von dieser Annahme scheint das Amtsgericht ausgegangen zu sein – , so gilt die Ausnahmegenehmigung nicht, wenn die Bedingung, also die Erteilung einer gleichzeitig gültigen streckenbezogene Ausnahmeerlaubnis, nicht erfüllt war. Ist diese in der Ausnahmegenehmigung nach § 70 StVZO hingegen lediglich als Auflage im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG und § 71 StVZO bestimmt, dann berührt das Fehlen der streckenbezogenen Ausnahmeerlaubnis die Wirksamkeit der Ausnahmegenehmigung nach der StVZO nicht (OLG Celle a. a. O.; vgl. zu allem auch Rebler, NZV 2004, S. 450 ff.).

Insoweit wird der Tatrichter ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Da diese das Ergebnis der Wiegung selbst nicht in Frage stellen können, vielmehr nur die Rechtsfolgenseite des festgestellten Ergebnisses betreffen, konnten die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen insoweit Bestand behalten.

2. Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils zur Verfallsanordnung gegen die Betroffene zu 2. sind lückenhaft; sie tragen die Anordnung des Verfalls in Höhe von 792,87 € nicht. Die Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig hat in ihrer Zuschrift vom 3. Juni 2015 u. a. ausgeführt:

„Ihnen ist zwar zu entnehmen, dass der Betroffene H. als Arbeitnehmer und im Auftrag der Verfallsbeteiligten Fa. K… GmbH am 2. Mai 2014 in W. die Bundesautobahn 21 mit einer Fahrzeugkombination befuhr, die überladen war.

Auch geht das Amtsgericht zutreffend davon aus, dass das Entgelt, das einer Verfallsbeteiligten für einen Transport zufließt, im Sinne von § 29a Abs. 2 OWiG „erlangt“ ist (OLG Celle, NStZ-RR 2012, 151) – unabhängig von der Frage, wie hoch die Überladung letztendlich war. Die Abschöpfung des Erlangten hat nach dem Bruttoprinzip zu erfolgen. Danach ist der Nettovergütungsbetrag als Verfallsbetrag anzusetzen, den ein Unternehmen für einen Transport erhalten hat, wenn bei Durchführung der Transportfahrt mit einem LKW-Zug das zulässige Gesamtgewicht überschritten ist (OLG Hamburg, NStZ 2014, 340; OLG Celle, NZV 2013, 610). Insoweit ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, wenn der Schätzung die Kostenansätze Gütertransport Straße (KGS) zugrunde gelegt werden, sofern keine anderen, konkret fallbezogenen Grundlagen für die Schätzung vorliegen.

Dem Urteil müssen aber die Grundlagen dieser Schätzung gem. § 29a Abs. 3 OWiG zu entnehmen sein, um sie nachvollziehen zu können. Dies erlauben die vorliegenden Feststellungen hier aber nicht. Insoweit hätte festgestellt werden müssen, auf welche Umstände es für die Entgeltberechnung nach den KGS ankommt, etwa die Art des Transportguts, das Gewicht und die Strecke (vgl. a. OLG Karlsruhe, NZV 2013, 98; NZV 2014, 326). Tatsachengrundlagen für die Anwendung der KGS gibt das Urteil insoweit, als das Transportgut (Stückholz Eiche) und die Transportstrecke festgestellt sind. Von welchem Transportgewicht dabei ausgegangen wird, ist nicht ersichtlich. Die Schätzung kann mithin insgesamt nicht nachvollzogen werden.

Darüber hinaus muss das Urteil ausreichend erkennen lassen, dass sich das Gericht der Notwendigkeit bewusst war, bei der Entscheidung nach § 29a Abs. 2 OWiG hinsichtlich des Ob der Verfallsanordnung gegen die Drittbegünstigte und hinsichtlich der Höhe des für verfallen erklärten Betrages eigenes Ermessen auszuüben und nicht nur die Ermessensentscheidung der Verwaltung zu überprüfen (s.a. OLG Celle, a.a.O.). Hier lässt die Fassung der Urteilgründe befürchten, das Gericht habe die Ermittlung der Verfallsbeträge der Polizei überlassen und nur deren Schätzung auf Rechtsfehler überprüft. So wird ausgeführt, „der Messbeamte“ habe angesichts der gefahrenen Wegestrecke „unter Zugrundelegung der Kostensätze Gütertransport Straße … einen Gesamtbetrag von 792,87 €“ errechnet. Diese Berechnung sei nicht zu beanstanden (UA Bl. 79 Bd. II d.A. vorgeheftet). Dies stellt ebenfalls einen durchgreifenden Sachmangel des Urteils dar.“

Dem tritt der Senat bei, verbunden mit dem Hinweis auf den Senatsbeschluss vom 13. Dezember 2013 – 2 SsOwi 115/13 (68/13), SchlHA 2014, 388 ff. – zu den Anforderungen an die Feststellungen und die Begründung eines Urteils betreffend eine Verfallsanordnung.

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