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Verfahrenseinstellung wegen Verjährung – notwendige Auslagen des Betroffenen

Verfahrenseinstellung und Kostenübernahme: Ein Blick auf das Landgericht Trier

In einem kürzlich ergangenen Beschluss des Landgerichts Trier wurde ein Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung eingestellt. Der Kern des Falles drehte sich um die Frage, wer die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen tragen sollte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 Qs 24/23 >>>

Hintergrund des Falles

Ein Bußgeldbescheid wurde gegen den Betroffenen erlassen, da er die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h überschritten hatte. Der Betroffene legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Im Laufe des Verfahrens beantragte sein Verteidiger gerichtliche Entscheidung bezüglich bestimmter Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Geschwindigkeitsmessung standen. Einige dieser Unterlagen wurden ihm jedoch nicht zur Verfügung gestellt.

Verfahrenseinstellung und Kostenfrage

Das Amtsgericht Trier stellte das Verfahren schließlich aufgrund von Verfolgungsverjährung ein. Dabei entschied es, dass die Kosten des Verfahrens von der Staatskasse getragen werden sollten, nicht jedoch die notwendigen Auslagen des Betroffenen. Dagegen legte der Betroffene Beschwerde ein, mit dem Argument, dass seine notwendigen Auslagen ebenfalls von der Staatskasse zu tragen seien.

Die Entscheidung des Landgerichts Trier

Das Landgericht Trier gab der Beschwerde des Betroffenen statt. Es stellte fest, dass die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu Unrecht nicht von der Staatskasse übernommen wurden. Nach geltendem Recht fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last, wenn das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Eine Ausnahme besteht nur, wenn feststeht, dass es mit Sicherheit zu einer Verurteilung gekommen wäre, wenn kein Verfahrenshindernis bestanden hätte.

Schlussbetrachtung

Das Landgericht Trier kam zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall nicht mit Sicherheit gesagt werden konnte, dass es zu einer Verurteilung gekommen wäre, insbesondere da dem Verteidiger wichtige Unterlagen vorenthalten wurden. Daher entschied es, dass die notwendigen Auslagen des Betroffenen von der Staatskasse zu tragen sind.


Das vorliegende Urteil

Landgericht Trier – Az.: 1 Qs 24/23 – Beschluss vom 30.05.2023

In dem Bußgeldverfahren  wegen Geschwindigkeitsüberschreitung hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Trier am 30.05.2023 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 10.05.2023 aufgehoben, soweit er die Auslagen des Betroffenen betrifft. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen im erstinstanzlichen Verfahren werden der Staatskasse auferlegt.

Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen.

Gründe:

Die Beschwerde wendet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 10.05.2023, soweit mit dem Beschluss nach Einstellung des Bußgeldverfahrens die notwendigen Auslagen des Betroffenen nicht der Staatskasse auferlegt wurden.

Durch Bußgeldbescheid vom 28.06.2022 (Az. 17.0517393.8) setzte das Polizeipräsidium Rheinpfalz – Zentrale Bußgeldstelle – gegen den Betroffen wegen der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h am 20.05.2022 um 09:47 Uhr auf der Bundesautobahn 64 bei Langsur, km 0,80, Fahrtrichtung Luxemburg, eine Geldbuße in Höhe von 180.00 € nebst Gebühren und Auslagen fest.

Der Betroffene legte hiergegen am 08.07.2022 durch seinen Verteidiger Einspruch ein.

Nachdem der Verteidiger bei der Bußgeldstelle angeforderte Unterlagen im Zusammenhang mit der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung nur teilweise erhalten hatte, beantragte er am 10.08.2022 diesbezüglich gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG. Mit Beschluss vom 22.09.2022 (Az. 35a OWi 26/22) gab das Amtsgericht Trier diesem Antrag teilweise statt und wies die Bußgeldstelle an, dem Verteidiger bestimmte Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dem kam die Bußgeldbehörde nur teilweise nach; die Baumusterprüfbescheinigung des verwendeten Messgeräts und die verkehrsrechtlichen Anordnungen der maßgeblichen Geschwindigkeitsbeschränkung gab sie nicht heraus.

Im Hinblick auf den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wurde die Akte über die Staatsanwaltschaft Trier dem Amtsgericht Trier zugeleitet. Dort wurde das Verfahren bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht betrieben. Das Amtsgericht stellte das Verfahren daher mit Beschluss vom 10.05.2022 ein und erlegte die Kosten des Verfahrens, nicht aber die notwendigen Auslagen des Betroffenen, der Staatskasse auf.

Der Betroffene wendet sich mit seiner durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 16.05.2023 erhobenen sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung hinsichtlich seiner Auslagen. Zur Begründung führt er aus, dass er wegen der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit auch dann nicht sicher verurteilt worden wäre, wenn nicht Verfolgungsverjährung eingetreten wäre, und dass jedenfalls im Rahmen des durch § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO eingeräumten Ermessens seine notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen gewesen seien.

Die Beschwerde des Betroffenen hat Erfolg.

Die statthafte (vgl. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 464 Abs. 3 StPO) sofortige Beschwerde des Betroffenen ist zulässig; sie wahrt insbesondere die Wochenfrist des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 311 Abs. 2 Hs. 1 StPO.

Sie ist auch begründet. Das Amtsgericht hat die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu Unrecht nicht der Staatskasse auferlegt.

Nach dem Grundsatz des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO fallen die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last, soweit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird.

Als Ausnahme hiervon kann das Gericht nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er wegen einer Ordnungswidrigkeit nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht. Bei Hinwegdenken dieses Verfahrenshindernisses — hier der eingetretenen Verfolgungsverjährung — muss feststehen, dass es mit Sicherheit zu einer Verurteilung gekommen wäre (BGH, NStZ 1995. 406, 407). Als Ausnahmevorschrift ist diese eng auszulegen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.11.2014 – 2 Ss 142/14, BeckRS 2015, 337 Rn. 4 m.w.N.).

Eine solche Schuldspruchreife kann nur nach vollständig durchgeführter Hauptverhandlung und dem letzten Wort des Betroffenen eintreten (BGH. NJW 1992, 1612, 1613; dem folgend Niesler, in: BeckOK StPO. 45. Edition, Stand: 01.10.2022, StPO § 467 Rn. 11; siehe auch BGH. Beschl. v. 19.06.2008 – 3 StR 545/07, Rn. 17 – juris).

Selbst wenn man der Gegenansicht folgt, wonach von der Auslagenerstattung durch die Staatskasse bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgesehen werden kann. wenn nämlich ein auf die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Fortführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen würden (so etwa BGH. NStZ 2000, 330, 331; siehe auch die insoweit kritische Anmerkung von Hilger, a.a.O.), führt dies im vorliegenden Fall zu keiner anderen Beurteilung. Denn es begründet insofern durchgreifende Bedenken, dass die Verteidigung des Betroffenen insofern beeinträchtigt war, als ihm die Bußgeldstelle – entgegen der gerichtlichen Entscheidung nach § 62 OWiG – die Baumusterprüfbescheinigung des verwendeten Messgeräts und die verkehrsrechtliche Anordnung der maßgeblichen Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht zur Verfügung gestellt hat.

Nach diesen Erwägungen war die Verurteilung des Betroffenen – auch wenn keine Verfolgungsverjährung eingetreten wäre – nicht derart sicher gewesen, dass von der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO Gebrauch zu machen gewesen wäre, zumal die unterlassene Überlassung bestimmter Unterlagen an die Verteidigung auch bei Ausübung des von dieser Vorschrift eingeräumten Ermessens zu würdigen ist. Vielmehr hatte es bei dem Grundsatz der Tragung der notwendigen Auslagen des Betroffenen durch die Staatskasse zu bleiben.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 465 StPO analog.

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