AG Stralsund, Az.: 324 OWi 554/16, Urteil vom 07.11.2016
In dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat das Amtsgericht Stralsund – Richter für Bußgeldsachen – aufgrund der Hauptverhandlung vom 07.11.2016 für Recht erkannt:
Der Betroffene wird freigesprochen.
Der Staatskasse werden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen auferlegt.
Gründe:
Der Betroffene war vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
Der Betroffene hat – von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden – über seinen Verteidiger die Fahrzeugführereigenschaft eingeräumt, jedoch die Geschwindigkeitsüberschreitung in Abrede gestellt.
Die zugrundeliegende Geschwindigkeitsmessung erfolgte unter Verwendung des Messgerätes TraffiStar S 350/S mit der Nummer 509-000/60231.
Grundlage für das In-Verkehr-Bringen dieses Messgerätes sind die Konformitätsbewertung und die Konkormitätserklärung.
Mit der ausweislich der Sitzungsniederschrift verlesenen Konformitätserklärung des Herstellers wird bestätigt, dass das Messgerät den gesetzlichen Anforderungen genügt.
Grundlage für die Ausstellung der Konformitätserklärung sind u.a. die Baumusterprüfbescheinigung mit der Nummer DE-15-M-PTB-0030 vom 24.07.2015 und die Konformitätsbescheinigung im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens nach Modul F vom 11.09.2015 mit der Nummer D72Z-15-00087 des Thüringer Landesamtes für Verbraucherschutz, Zertifizierungsstelle, Kennnummer 0118, welche ausweislich der Sitzungsniederschrift ebenfalls verlesen wurde.
Demgemäß hat das Messgerät ein Konformitätsbewertungsverfahren nach Modul B (Baumusterprüfung) und Modul F (Konformität mit der Bauart auf der Grundlage einer Produktprüfung) erfolgreich durchlaufen. Damit kann das Messgerät grundsätzlich in Verkehr gebracht werden.
Es genügt gleichwohl nicht den gerichtlichen Anforderungen, die an eine Geschwindigkeitsmessung im standardisierten Messverfahren zu stellen sind.
So hat der DEKRA-Sachverständige, Dr. pp. im Rahmen der Hauptverhandlung ausgeführt, dass die bei der Messung mit dem Messgerät TrafftStar S 350 Nr. 509-000/60231 gewonnenen Messdaten eine unabhängige Geschwindigkeitskontrolle nicht annäherungsweise möglich machen, da der Hersteller den Zeitstempel bei der Messdatenerfassung bewusst gelöscht habe.
Zwar können mit dem vom Sachverständigen verwendeten Auswerteprogrammen Robot BiffProcess 2.3 verschiedenste Daten aus der Falldatei des Betroffenen ausgelesen werden. Über diese Zusatzdaten sei es – so der Sachverständige – allerdings nicht möglich, die gemessene Geschwindigkeit nachzuvollziehen. Damit gibt es bei dem hier verwendete Messgerät keine technische Möglichkeit, die quanitative Höhe des Messwertes im Einzelfall zu kontrollieren.
Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass eine herstellerunabhängige Prüfung des Messergebnisses mit dem Messgerät TraffiStar S 350 in der vorliegenden Softwareversion unmöglich ist.
Bereits das Amtsgericht Kassel hat mit Entscheidung vom 24.08.2016 Messwerte einer Geschwindigkeitsmessung mit dem Messgerät TraffiStar S 350 als Beweismittel im standardisierten Messverfahren verworfen, weil die eingesetzte Technik die Weg-Zeit-Rechnung nicht nachvollziehbar mache.
Dem schließt sich das Gericht an.
Zwar erfüllt das Messgerät TraffiStar S 350 insoweit die Voraussetzungen eines standardisier-ten Messverfahrens, als hier ein einheitliches technisches Verfahren zur Anwendung kommt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und seines Ablaufs so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.
Die Anerkennung als standardisiertes Messverfahren führt zu einer Vereinheitlichung des Amtsermittlungsgrundsatzes, bei welcher das erkennende Gericht sich nur dann von der Zuverlässigkeit der Messung, beispielsweise durch Sachverständigenbeweis, überzeugen muss, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler gegeben sind.
Da das vorliegend verwendete Messgerät des Typs TraffiStar S 350 jedoch von vorneherein die Möglichkeit ausschließt, die Zuverlässigkeit der Messung etwa durch Sachverständigenbeweis zu überprüfen und somit die Amtsermittlungsmöglichkeit quasi standardisiert beschnitten ist, kommt eine Anerkennung als standardisiertes Messverfahren nach Ansicht des Gerichts nicht mehr in Betracht.
Mangels Anerkennung als standardisiertes Messverfahren genügt deshalb allein die Verlesung von Konformitätsbescheinigung, Konformitätserklärung und der Datenleisten des Messfotos nicht für die sichere gerichtliche Überzeugung der Zuverlässigkeit der Messwerterhebung aus.
Da die zur Messwertüberprüfung erforderlichen Daten durch das System nicht gespeichert werden, besteht im Nachgang zur Messung auch keine Möglichkeit, über die Zuverlässigkeit des Messwertes Beweis zu erheben.
Bei dieser Sachlage fehlt es an einem tauglichen Beweismittel für die dem Beschuldigten zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung.
Er ist daher aus tatsächlichen Gründen mit der Kostenfolge aus §§ 467 StPO, 46 OWiG freizusprechen.