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Überlassung von Messunterlagen die sich nicht inder Bussgeldakte befinden

Rechtliches Gehör und Akteneinsicht: Grenzen und Herausforderungen in Ordnungswidrigkeitsverfahren

In juristischen Auseinandersetzungen, insbesondere im Bereich des Straßenverkehrs, stellt sich oft die Frage nach dem Umfang des Akteneinsichtsrechts der Verteidigung. Hierbei geht es um die Überlassung bestimmter Messunterlagen und Daten, die für die Beweisführung relevant sein könnten. Das Akteneinsichtsrecht ermöglicht der Verteidigung den Zugang zu allen Aktenbestandteilen, die dem Gericht vorliegen. Doch welche Unterlagen genau dazu gehören und ob beispielsweise Lebensakten, Messstellenprotokolle oder Bedienungsanleitungen dazu zählen, ist Gegenstand von Debatten. Ebenso relevant ist die Frage, inwieweit die Nichtüberlassung bestimmter Unterlagen das Recht auf rechtliches Gehör des Betroffenen beeinträchtigt. In diesem Kontext spielen auch standardisierte Verfahren eine Rolle, bei denen bestimmte Messgeräte und -methoden zum Einsatz kommen. Das Verständnis dieser juristischen Problemstellung ist entscheidend, um die Tragweite und Bedeutung von Gerichtsentscheidungen in diesem Bereich zu erfassen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 OWi 63/19  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das AG Kulmbach hat entschieden, dass trotz der Forderung des Verteidigers, ihm alle Messunterlagen und Messgeräte zur Verfügung zu stellen, die bei der Messung des Fahrzeugs des Betroffenen verwendet wurden, dieser Antrag unbegründet ist. Das Gericht betonte die Grenzen des Akteneinsichtsrechts und die Bedeutung standardisierter Verfahren im Straßenverkehrsrecht.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verteidiger des Betroffenen forderte die Überlassung aller Messunterlagen und Messgeräte.
  2. Der Antrag wurde aufgrund einer ablehnenden Entscheidung des Polizeiverwaltungsamtes gestellt.
  3. Das Akteneinsichtsrecht der Verteidigung bezieht sich auf alle Aktenbestandteile, die dem Gericht vorliegen.
  4. Bestimmte Dokumente, wie Lebensakten und digitale Messdateien, gehören nicht standardmäßig zu den Akten.
  5. Messgeräte im Straßenverkehr sind standardisiert und für ihre Aufgaben zugelassen.
  6. Das Gericht verwies auf vorherige Entscheidungen, die die Nichtüberlassung von Messunterlagen unterstützen.
  7. Es wurde betont, dass das Recht auf rechtliches Gehör nicht verletzt wird, solange dem Betroffenen alle relevanten Daten bekannt sind.
  8. Das endgültige Urteil bestätigte die ablehnende Entscheidung des Polizeiverwaltungsamtes und wies den Antrag des Verteidigers als unbegründet zurück.

Der Fall vor dem Amtsgericht Kulmbach

Der Verteidiger des Betroffenen stellte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die ablehnende Entscheidung des Polizeiverwaltungsamtes. Dieser Antrag bezog sich auf die Forderung, ihm alle Unterlagen der Messung und der Messgeräte, die bei der Messung des Fahrzeugs des Betroffenen verwendet wurden, zu überlassen. Der Kern des rechtlichen Problems liegt in der Frage, ob dem Verteidiger alle relevanten Messunterlagen und Daten zur Verfügung gestellt werden müssen, um das Recht auf Verteidigung und das rechtliche Gehör des Betroffenen zu gewährleisten.

Rechtliche Herausforderungen und Akteneinsicht

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall ergibt sich aus dem Spannungsfeld zwischen dem Akteneinsichtsrecht der Verteidigung und dem Umfang der Beweisaufnahme in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren. Das Akteneinsichtsrecht der Verteidigung besteht grundsätzlich in alle Aktenbestandteile, die auch dem Gericht vorliegen. Dies umfasst alle Akten und Aktenteile, auf denen der Schuldvorwurf beruht. Allerdings gehören Lebensakten, Referenzvideos, Ausbildungs- und Schulungsnachweise, digitale Messdateien und andere Dokumente nicht standardmäßig zu den Akten. Das Gericht betonte, dass die im Bereich der straßenverkehrsrechtlichen Überwachung eingesetzten Messgeräte standardisiert und für diese Aufgaben zugelassen sind.

Entscheidung des AG Kulmbach

Das AG Kulmbach entschied, dass der Antrag des Verteidigers unbegründet sei. Die Begründung des Gerichts basierte auf mehreren Gründen. Erstens wurde festgestellt, dass die Verwaltungsbehörde den Antrag des Verteidigers zu Recht abgelehnt hat. Zweitens wurde betont, dass die vom Verteidiger geforderten Unterlagen nicht standardmäßig zu den Akten gehören und daher nicht übergeben werden müssen. Drittens wurde darauf hingewiesen, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht verletzt sei, da nur Daten von Bedeutung sind, die dem Betroffenen bekannt sind.

Rückgriff auf vorherige Urteile

Das Gericht stützte seine Entscheidung auch auf vorherige Urteile, insbesondere auf die Entscheidung des OLG Bamberg und des BayObLG. Beide Gerichte kamen zu dem Schluss, dass die Nichtüberlassung von Messunterlagen, die sich nicht bei der Akte befinden, weder einen Gehörsverstoß noch einen Verstoß gegen den fair-trial Grundsatz darstellt.

Auswirkungen und Fazit des Urteils

Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein, insbesondere für zukünftige Fälle, in denen die Verteidigung Zugang zu Messunterlagen und Daten fordert. Es setzt einen Präzedenzfall dafür, welche Unterlagen im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens zur Verfügung gestellt werden müssen und welche nicht.

Das Fazit des Urteils ist klar: Das Gericht entschied, dass der Antrag des Verteidigers unbegründet war und die ablehnende Entscheidung des Polizeiverwaltungsamtes korrekt war. Das Urteil betont die Bedeutung standardisierter Verfahren und die Grenzen des Akteneinsichtsrechts der Verteidigung in Ordnungswidrigkeitsverfahren. Es stellt auch klar, dass das Recht auf rechtliches Gehör nicht verletzt wird, solange dem Betroffenen alle relevanten Daten bekannt sind, die für das Verfahren von Bedeutung sind.Der Verteidiger des Betroffenen stellte einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die ablehnende Entscheidung des Polizeiverwaltungsamtes. Dieser Antrag bezog sich auf die Forderung, ihm alle Unterlagen der Messung und der Messgeräte, die bei der Messung des Fahrzeugs des Betroffenen verwendet wurden, zu überlassen. Der Kern des rechtlichen Problems liegt in der Frage, ob dem Verteidiger alle relevanten Messunterlagen und Daten zur Verfügung gestellt werden müssen, um das Recht auf Verteidigung und das rechtliche Gehör des Betroffenen zu gewährleisten.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Akteneinsichtsrecht

Im vorliegenden Fall hat das Gericht entschieden, dass bestimmte Unterlagen, wie Lebensakten und digitale Messdateien, nicht standardmäßig zur Akte gehören und daher nicht der Verteidigung zur Verfügung gestellt werden müssen. Das Akteneinsichtsrecht in Deutschland ist ein individuelles Verfahrensrecht und umfasst die Einsicht in Akten, welche die für ein Verfahren und dessen Ergebnis maßgeblichen Sachverhalte und behördlichen oder gerichtlichen Erwägungen dokumentieren. Der Kreis derjenigen, die ein Recht auf Akteneinsicht im Strafverfahren haben, ist begrenzt. Das Akteneinsichtsrecht kann nach § 147 Abs. 1 StPO vom Verteidiger oder nach § 147 Abs. 4 Satz 1 StPO vom Beschuldigten bzw. nach § 49 Abs. 1 OWiG vom Betroffenen auf Antrag wahrgenommen werden. Entscheidungen über die Form der Gewährung von Akteneinsicht sind nicht anfechtbar.

In manchen Fällen kann das Recht auf Akteneinsicht eingeschränkt oder ganz verweigert werden. Im Strafverfahren kann die Einsichtnahme in eine Ermittlungsakte eingeschränkt oder ganz verweigert werden, wenn durch eine Einsichtnahme die Ermittlungen gefährdet werden oder wenn personenbezogene Daten des Verletzten verwehrt werden sollen. Im Verwaltungsverfahren kann das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 29 Absatz 2 VwVfG aus drei Gründen eingeschränkt bzw. ganz verweigert werden: Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung, Nachteile für das Wohl des Staates oder Geheimhaltungsinteressen von dritten Personen.

Sollte der Akteneinsichtsgesuch abgelehnt werden, kann im Straf- und Verwaltungsverfahren Rechtsmittel eingelegt werden. Im Strafverfahren kann gegen die Ablehnung der Akteneinsicht gerichtliche Entscheidung beantragt werden (§ 147 Abs. 5 StPO). Im Verwaltungsverfahren kann Widerspruch gegen die Ablehnung der Akteneinsicht eingelegt werden, wenn kein Grund für die Ablehnung der Akteneinsicht vorliegt.


Das vorliegende Urteil

AG Kulmbach – Az.: 1 OWi 63/19 – Beschluss vom 04.11.2019

I. Der Antrag des Verteidigers vom 22.10.2019 auf gerichtliche Entscheidung gegen die ablehnende Entscheidung des Polizeiverwaltungsamtes vom 14.10.2019 bzw. 28.10.2019 wird kostenfällig zurückgewiesen.

II. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

I.

Der Verteidiger des Betroffenen hat mit Schreiben vom 14.10.2019 gegen die Ablehnung, ihm alle Unterlagen der Messung und der Messgeräte welche bei der Messung des Betroffenen-Fahrzeugs verwendet wurden, zu überlassen, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Die Verwaltungsbehörde hat vorliegend zurecht und mit zutreffender Begründung den Antrag abgelehnt.

Das Akteneinsichtrecht der Verteidigung besteht gemäß § 147 I StPO i.V.m. § 46 OWiG in alle Aktenbestandteile, die auch dem Gericht vorliegen bzw. vorgelegt werden. Es umfasst grundsätzlich alle Akten und Aktenteile, einschließlich auch der bei den Akten befindlichen Bild- und Tonaufnahmen, auf welchen der Schuldvorwurf beruht und auf welchen auch die Rechtsfolgen beruhen oder zumindest beruhen können.

Diese Akten und Aktenbestandteile sind der Verteidigung zugänglich gemacht worden.

Lebensakten, Referenzvideos, Ausbildungs- und Schulungsnachweise, digitale Messdateien, Messstellenprotokolle, Rohmessdaten, Bedienungsanleitungen, Messreihen usw. gehören im Regelfall nicht zu den Akten. Das begegnet auch keinen Bedenken, da gemäß § 77 I S. 2 OWiG die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen ist, wenn der Umfang der Beweisaufnahme zu bestimmen ist. Im Rahmen eines üblichen Ordnungswidrigkeitsverfahrens im Bereich des Straßenverkehrs ergibt sich im Regelfall keine Besonderheit, die es rechtfertigen würde, Ermittlungen anzustellen, die letztlich unterstellen, dass alle Messstellen falsch ausgemessen sind, alle Messgeräte falsch bedient werden und falsch aufgestellt sind. Die im Bereich der straßenverkehrsrechtlichen Überwachung in Einsatz kommenden Geräte sind im Regelfall geeicht und genau für diese Aufgaben zugelassen und vorgesehen. Es handelt sich um ein standardisiertes Verfahren, was genau deswegen standardisiert wurde, weil es sich um eine Vielzahl von Verfahren handelt, die gleichartig sind und es hat auch in den letzten Jahren keinerlei Auffälligkeiten gegeben, die rechtfertigen würden, nunmehr jede Lebensakte, jedes Gerät usw. zu überprüfen.

Im vorliegenden Fall werden die Unterlagen und Daten erbeten, ohne dass konkret dargetan wird, warum im vorliegenden Fall Bedenken an der Messung bestehen.

Soweit dargetan wird, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Nichtüberlassung verletzt wird, sei auf die instruktive Entscheidung des OLG Bamberg vom 13.06.2018 (3 Ss OWi 626/18) verwiesen. Auch hier ist – in Kenntnis der Entscheidung des VerfGH Saarbrücken – klar dargetan, dass der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht verletzt ist. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs soll verhindern, dass bei einer Entscheidung Daten zugrunde gelegt werden, die dem Betroffenen eben nicht bekannt sind. Demzufolge kann unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nur das maßgeblich sein, was für das gesamte Verfahren eben Bedeutung erlangt.

Auch das nunmehr als Rechtsbeschwerdegericht zuständige BayObLG hat am 19.09.2019 (202 ObOWi 1832/19) entschieden, dass die Nichtüberlassung von (Mess-) Unterlagen, die sich nicht bei der Akte befinden, weder einen Gehörsverstoß noch einen Verstoß gegen den fair-trial Grundsatz darstellt. Wenn es sich, wie hier, um ein standardisiertes Verfahren handelt, sind die vom Verteidiger begehrten Unterlagen nicht Gegenstand der Akte.

Diesen Entscheidungen schließt sich das erkennende Gericht an.

Hinsichtlich der von der Verteidigung angeführten Entscheidungen sei angemerkt, dass diese nicht mit der Rechtsauffassung des hier zuständigen Gerichts, wie oben dargestellt, übereinstimmen.

Nach alledem war der Antrag des Verteidigers als unbegründet zurückzuweisen. Diese Entscheidung ist gemäß § 62 II Satz 3 OWiG unanfechtbar.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 II OWiG i.V.m. § 473 StPO.

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