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Verurteilung wegen Kraftfahrzeugführung unter Rauschmitteln – Urteilsanforderungen

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 87/21 – 122 Ss 43/21 – Beschluss vom 23.04.2021

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 2. Februar 2021 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.

Gründe

Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 7. Juli 2020 wegen einer nach §§ 24a Abs. 1, 24 StVG begangenen Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße von 1.300 Euro und ein dreimonatiges Fahrverbot festgesetzt. Auf seinen Einspruch hat das Amtsgericht den Betroffenen entsprechend verurteilt. Zur Überzeugung des Gerichts hatte der Betroffene am Tattag unter der Wirkung von zumindest 14 ng/ml THC „sowie einer Tablette Diazepam 10 mg“ am Steuer eines Kraftfahrzeugs öffentliches Straßenland befahren. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Er beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts und macht Verfahrensfehler geltend.

Das Rechtsmittel führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.

1. Unzulässig und offenbar auch unwahr ist allerdings die (Inbegriffs-) Rüge des Verteidigers. Dass seine Behauptung, das „Gutachten des LKA über die Cannabisbeeinflussung bei dem Betroffenen“ sei „nach den Urteilsgründen nicht in der Hauptverhandlung verlesen“ worden (RB S. 2), falsch ist, zeigt ein Blick in das kurze Urteil (UA S. 4). Tatsächlich käme es für den Erfolg der Rüge aber auf die diesbezüglichen Urteilsausführungen gar nicht an. Maßgeblich ist vielmehr das Hauptverhandlungsprotokoll. Aber auch in diesem wird ausdrücklich mitgeteilt, dass das vom Verteidiger vermisste Gutachten verlesen worden ist.

2. Gleichfalls unwahr ist die Behauptung des Verteidigers, das Urteil setze sich nicht mit der Möglichkeit auseinander, dass die mit dem Regelfahrverbot beabsichtigte Besinnungsfunktion auch durch eine erhöhte Geldbuße erreicht werden könnte. Das Gegenteil ist, wie das Urteil zeigt, richtig (UA S. 5 unten).

3. Jedoch leidet das Urteil an einem durchgreifenden Darstellungsmangel. Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 24a StVG nicht. Namentlich enthalten die mit knapp vier Zeilen ausgesprochen kurzen Feststellungen keinerlei Ausführungen zur inneren Tatseite. Erforderlich ist aber die Darlegung, dass der Betroffene sorgfaltswidrig, billigend in Kauf nehmend oder bewusst ordnungswidrig gehandelt hat. Gerade die Annahme vorsätzlichen Handelns bedarf, jedenfalls wenn sie nicht wie z. B. beim Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO in der Tat angelegt ist und sich gewissermaßen von selbst versteht, ausdrücklicher Feststellung.

4. Für die erneute Urteilsfassung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Rechtsfehlerhaft ist es, im Urteil, wie hier geschehen, auf die „verlesenen und im Sitzungsprotokoll näher bezeichneten Urkunden“ Bezug zu nehmen (UA S. 4). Eine Verweisung ist nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO nur auf Abbildungen möglich. Bei den „in Bezug genommenen“ Urkunden handelt es sich hier aber um reine Schriftdokumente. Eine derartig unwirksame Verweisung kann den Bestand des Urteils gefährden.

b) Möchte das Tatgericht Nr. 241.1 BKat anwenden, so hat es mitzuteilen, welche im Fahreignungsregister nach § 24a StVG oder §§ 316, 315c Abs. 1a StGB eingetragene Entscheidung es verwerten und zum Anlass der Rechtsfolgenbemessung nehmen will. Welche Tat dies war, ist hier schon deshalb unklar, weil das Amtsgericht den 14-seitigen Auszug aus dem Fahreignungsregister – hier zudem falsch dem „Bundeszentralregister“ zugeordnet (UA S. 2) – in das Urteil hineinkopiert hat.

c) Unabhängig von dem im Zusammenhang mit Nr. 241.1 BKat bestehenden Darstellungserfordernis ist es verfehlt, den Registerauszug in faksimilierter Form im Urteil wiederzugeben und dadurch Lesbarkeit und Verständnis der Urteilsgründe zu erschweren (vgl. BGH StRR 2013, 297 [Volltext bei juris]; Beschluss vom 28. Mai 2013 – 3 StR 121/13 – [juris]; Senat DAR 2016, 214). Dies ist hier zusätzlich problematisch, weil das Amtsgericht unselektiv (i. Ü. ohne Anpassung der Seitenzahlen) alle 14 Seiten in das Urteil hineinkopiert hat, darunter auch ersichtlich tilgungsreife Eintragungen und Eintragungen von Führerschein- und Vollstreckungsbehörden, bei denen unklar ist, warum sie Gegenstand der Urteilsurkunde geworden sind. Es ist auch keinesfalls so, dass die an die mannigfaltigen Bedürfnisse der Datenerfassung und –übermittlung angepassten Auszüge aus dem Fahreignungsregister stets aus sich selbst heraus verständlich wären. Auch hier gibt es Unklarheiten, die aufzuklären der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht befugt ist. Deshalb ist es geboten, dass das Tatgericht das Fahreignungsregister liest und nur insoweit zum Gegenstand der Urteilsurkunde macht, als es für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch Bedeutung hat.

Nimmt das Tatgericht irrelevante oder getilgte Eintragungen in das Urteil auf, läuft es schon deshalb Gefahr, dass seine Strafzumessung hiermit in Zusammenhang gebracht und vom Rechtsmittelgericht aufgehoben wird.

d) Möchte das Amtsgericht, wie hier geschehen, die „festgestellten Ausfallerscheinungen und den Fahrfehler“ bußgelderhöhend berücksichtigen (UA S. 5), so hat es diese Umstände zu schildern. Der richtige Ort hierfür sind die Urteilsfeststellungen.

e) Möchte das Tatgericht den Umstand, dass der Betroffene „in den letzten 24 Stunden vor der Blutentnahme eine Tablette Diazepam 10 mg zu sich genommen“ hat, (UA S. 4) rechtsfolgenerhöhend berücksichtigen, so hat es mitzuteilen, unter welchem Gesichtspunkt dies geschieht. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist dabei die Überzeugung zu vermitteln, dass der Wirkstoff des Medikaments zur Tatzeit noch nachweisbar war (bzw. im Falle einer Untersuchung gewesen wäre) und dass der festgestellte Mischkonsum zumindest abstrakt gefahrerhöhend war. Nur in diesem Fall wäre von erhöhtem Unrecht auszugehen.

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