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Fahrerlaubnisentziehung – Fahreignung bei Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis

Abgelehnter Antrag auf Berufungszulassung

In einem aktuellen Fall wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe abgelehnt. Die Berufung sollte aufgrund von Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden. Der folgende Artikel fasst die wichtigsten Informationen für den durchschnittlichen Leser zusammen.

Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils

Das Gericht stellte fest, dass keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vorliegen. Eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung war notwendig, um das Darlegungserfordernis zu erfüllen. Der Kläger konnte jedoch keine solchen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung vorbringen.

Fahreignung des Klägers

Das Verwaltungsgericht ging davon aus, dass der Kläger aufgrund seines täglichen Cannabis-Konsums von Ende 2016 bis mindestens Juni 2018 als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen galt. Die Fahrungeeignetheit wurde auch unter Berücksichtigung der Behandlung mit Medizinal-Cannabis nicht widerlegt. Eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis führt nur dann nicht zum Verlust der Fahreignung, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dies war hier nicht der Fall.

Indikation zur Behandlung mit Medizinal-Cannabis fehlt

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass es dem Kläger an einer Indikation zur Behandlung mit Medizinal-Cannabis fehlte. Eine solche Indikation liegt nur vor, wenn die Anwendung von Betäubungsmitteln zur Erreichung des Therapieziels unerlässlich ist und keine anderen Maßnahmen in Betracht kommen. Im vorliegenden Fall wurden alternative Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft, weshalb die Voraussetzungen für die Behandlung mit Medizinal-Cannabis nicht gegeben waren.

Unzureichende ärztliche Überwachung der Cannabiseinnahme

Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag des Klägers ab, sich auf die Regelungen in den Ziffern 9.6 ff. der Anlage 4 der FeV zu berufen, die eine Dauerbehandlung mit Arzneimitteln privilegieren. Der Kläger konnte nicht hinreichend nachweisen, dass die Einnahme von Cannabis ausreichend ärztlich überwacht und begleitet wird. Die vorgelegten Atteste der Fachärzte für Allgemeinmedizin reichten nicht aus, um eine ausreichende ärztliche Kontrolle der Cannabiseinnahme zu belegen. Es ist zudem nicht sachgerecht, wenn die Kontrolle der Cannabis-Einnahme lediglich durch einen Arzt erfolgt, der das Medizinal-Cannabis nicht verschreibt. Der verschreibende Arzt muss Kenntnis darüber haben, ob das Medizinal-Cannabis verordnungsgemäß eingenommen wird, um beurteilen zu können, ob ein neues Rezept ausgestellt werden kann.

Keine Zulassung der Berufung aufgrund grundsätzlicher Bedeutung

Der Kläger konnte nicht darlegen, dass die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung ist. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Fahrerlaubnisbehörde im Fahreignungsrecht weitergehende Prüfungspflichten hat als im Sozialrecht, ermöglicht nicht die Zulassung der Berufung. Der Kläger konnte nicht nachweisen, dass die Voraussetzungen von Ziffer 9.6 der Anlage 4 der FeV gegeben waren und er seine Fahreignung wiedererlangt hat, nachdem er sie aufgrund eines regelmäßigen Cannabiskonsums verloren hatte. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde daher abgelehnt und die Kostenentscheidung gemäß § 154 Abs. 2 VwGO getroffen.


Das vorliegende Urteil

VGH Baden-Württemberg – Az.: 13 S 330/22 – Beschluss vom 16.01.2023

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Dezember 2021 – 14 K 1270/20 – wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23.12.2021, der auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützt ist, hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zuzulassen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen vor, wenn unter Berücksichtigung der vom Kläger innerhalb der Zulassungsbegründungsfrist dargelegten Gesichtspunkte (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) die Richtigkeit des angefochtenen Urteils weiterer Prüfung bedarf, ein Erfolg der angestrebten Berufung nach den Erkenntnismöglichkeiten des Zulassungsverfahrens mithin möglich ist. Um dem Darlegungserfordernis (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) zu genügen, ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erforderlich. Dies erfordert ein Durchdringen und Aufbereiten des Sach- und Streitstoffs in einer Weise, die im Einzelnen verdeutlicht, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen den entscheidungstragenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht gefolgt werden kann (vgl. Beschluss des Senats vom 22.04.2022 – 13 S 523/21 – juris Rn. 3).

Hiervon ausgehend können dem Zulassungsvorbringen des Klägers keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung entnommen werden.

a) Dies gilt zunächst, soweit der Kläger geltend macht, dass an die Anforderungen der sicheren Feststellung der Tatsachen, die Eignungszweifel begründen, hohe Maßstäbe anzulegen seien und es nur in diesem Fall gerechtfertigt sei, wenn von der nach der Handlungsempfehlung der Ständigen Arbeitsgruppe Beurteilungskriterien (StAB) (abgedruckt in der aktualisierten Fassung August 2018 bei Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl., S. 440 ff.) zu prüfenden Grundhypothese („Der Klient nimmt Cannabismedikamente oder -blüten zuverlässig nach der ärztlichen Verordnung ein. Es sind keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen und die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik weisen keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung auf, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt. Es ist nicht zu erwarten, dass der Klient in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird.“) bei der Einnahme von Medizinal-Cannabis zu Lasten des Patienten und in Umkehrung des insoweit anzunehmenden Regel-Ausnahmeverhältnisses abgewichen werden soll. Dieser Einwand übersieht, dass sich der Kläger – wie das angegriffene Urteil überzeugend begründet und vom Zulassungsvorbringen unbeanstandet ausführt – durch den bereits von etwa Ende 2016/Anfang 2017 bis mindestens Juni 2018 dauernden, nicht ärztlich verordneten täglichen Cannabis-Konsum gemäß § 11 Abs. 7 FeV i. V. m. Ziffer 9.2.1 der Anlage 4 der FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Für diesen Fall ist in der Rechtsprechung des beschließenden Gerichtshofs anerkannt, dass von dem Fortbestand der Fahrungeeignetheit auszugehen ist, solange nicht von dem Betroffenen der materielle Nachweis der Wiedererlangung erbracht worden ist (VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 25.10.2022 – 13 S 1641/22 – juris Rn. 12 und vom 07.04.2014 – 10 S 404/14 – juris Rn. 10).

b) Im Weiteren ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens zur Behandlung mit Medizinal-Cannabis seine Fahreignung bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 17.02.2020 nicht wiedererlangt hat. In der hierzu ergangenen Rechtsprechung (vgl. etwa Beschlüsse des Senats vom 08.07.2021 – 13 S 1800/21 – juris Rn. 26 und vom 06.05.2022 – 13 S 348/22 – n. v.; ferner VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31.07.2017 – 10 S 1503/16 – juris Rn. 8; BayVGH, Beschluss vom 30.03.2021 – 11 ZB 20.1138 – juris Rn. 19; OVG Saarland, Beschluss vom 08.11.2021 – 1 B 180/21 – juris Rn. 14) ist anerkannt, dass eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis mit Blick auf die Ziffer 9.6.2 der Anlage 4 der FeV nur dann nicht zum Verlust der Fahreignung führt, wenn die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist, das Medizinal-Cannabis zuverlässig nach der ärztlichen Verordnung eingenommen und die Medikamenteneinnahme ärztlich überwacht wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit zu erwarten sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird. Mit dem Zulassungsvorbringen wird die Annahme des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt, dass sich der Kläger ausgehend von diesen Grundsätzen nicht auf die eine Dauerbehandlung mit Arzneimitteln privilegierenden Regelungen in den Ziffern 9.6 ff. der Anlage 4 der FeV berufen kann.

aa) Selbstständig tragend hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass es für den Kläger bereits an einer Indikation zur Behandlung mit Medizinal-Cannabis fehlt. Dies ist nicht zu beanstanden.

Eine Indikation zur Behandlung mit Betäubungsmitteln (vgl. dazu allgemein Bohnen/Schmidt in BeckOK BtMG, 16. Edition, § 13 Rn. 22 ff.) ist nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BtMG unter anderem nur dann gegeben, wenn die Anwendung von Betäubungsmitteln zur Erreichung des Therapieziels unerlässlich ist. Kommen andere Maßnahmen in Betracht, die zur Erreichung des Ziels geeignet sind, wie etwa eine Änderung der Lebensweise, physiotherapeutische Behandlungen, eine Psycho- oder Verhaltenstherapie oder die Anwendung nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegender Arzneimittel, ist diesen der Vorrang zu geben. Betäubungsmittel dürften immer nur die ultima ratio sein (Beschluss des Senats vom 08.07.2021 – 13 S 1800/21 – juris Rn. 19; BayVGH, Beschluss vom 16.01.2020 – 11 CS 19.1535 – juris Rn. 23; VG Würzburg, Urteil vom 01.12.2021 – W 6 K 21.638 – juris Rn. 44; Bohnen/Schmidt a. a. O. Rn. 25; Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 13 Rn. 20 ff.; Handlungsempfehlung der StAB a. a. O. S. 441). Diese Vorgaben ergeben sich für die Behandlung mit Medizinal-Cannabis auch aus § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB V (vgl. Begründung zum Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 06.03.2017, BT-Drs. 18/8965, S. 13, nach der der verschreibende Arzt in rechtlicher Hinsicht insbesondere das Vorliegen der – auch schon nach geltender Rechtslage – für alle übrigen verschreibungspflichtigen Betäubungsmittel geltenden Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG zu berücksichtigen hat). Nach dieser Vorschrift haben Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn u. a. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht oder im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustands der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann.

Dass diese Voraussetzungen für die Behandlung des Klägers mit Medizinal-Cannabis nicht gegeben sind, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt (UA S. 20 ff.). Auch für den beschließenden Senat ergibt sich diese Bewertung aus dem Fahreignungsgutachten der xxxx xxxx vom 18.04.2019 und deren ergänzendem Gutachten vom 18.10.2019. In diesen Gutachten wird für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass alternative Behandlungsmöglichkeiten einer jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt beim Kläger bestehenden psychischen Erkrankung bzw. Störung nicht ausgeschöpft worden waren bzw. sind. Nach den Feststellungen des Gutachtens ist keine psychotherapeutische Behandlung durchgeführt worden und erfolgte lediglich ein Behandlungsversuch mit einem Antidepressivum (Valdoxan) über 3 ½ Wochen, wobei in der Einstellungsphase eines Antidepressivums – insbesondere im ambulanten Bereich – die Einnahme über 4 bis 6 Wochen erfolgen sollte, um Aussagen über die Wirksamkeit machen zu können. Damit seien – so das Gutachten – die üblichen Behandlungsversuche der Depression (Antidepressiva, Psychotherapie) nicht durchgeführt worden. Unter der Gabe von Medizinal-Cannabis erfolge lediglich eine Symptombehandlung mit der Folge, dass die psychische Belastung weniger deutlich wahrgenommen werde. Dies führe wiederum dazu, dass anerkannte Behandlungsmethoden nicht eingesetzt würden, die Gefahr einer Langzeitmedikation bestehe und sich die Zeit bis zum Beginn einer sich dann doch als notwendig erweisenden Antidepressionsbehandlung in nicht zu verantwortender Weise verlängere (Verlängerung der Chronifizierungszeit).

Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sich das Verwaltungsgericht nur auf die nach Aktenlage getroffenen Feststellungen eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens anstelle der persönlichen Exploration und der darauf gestützten Diagnose des verschreibenden Arztes gestützt habe. Der Kläger selbst räumt insoweit ein, dass angesichts des hohen Gewichts der im Fahrerlaubnisrecht zu schützenden Rechtsgüter ein gänzlicher Ausschluss der Überprüfbarkeit einer ärztlichen Cannabis-Verordnung im Rahmen des Fahrerlaubnisentziehungs- und Fahreignungsüberprüfungsverfahrens nicht zu rechtfertigen sei. Wenn er sodann aber geltend macht, dass es einer weitgehend intensiveren (medizinischen) Überprüfung seiner Person bedurft habe, um die in einem Fahreignungsüberprüfungsverfahren getroffenen Feststellungen an die Stelle derjenigen Feststellungen treten zu lassen, die der behandelnde und verschreibende Arzt im Rahmen einer persönlichen Exploration getroffen habe, übersieht er, dass selbst der verschreibende Arzt Dr. pp., nach seiner im Gutachten der pp. vom 18.03.2019 (Seite 3 f.) wiedergegebenen ärztlichen Bescheinigung vom 27.01.2019 angegeben hat, dass bei ihm, dem Kläger, auf Grund der positiven therapeutischen Erfahrungen und der wissenschaftlichen Datenlage zur Verwendung von cannabisbasierten Medikamenten bei Depressionen eine entsprechende Therapie „sinnvoll“ sei, allerdings keine Therapienotwendigkeit nach § 31 Abs. 6 SGB V bestehe, da bisher andere Antidepressiva nicht in dem erforderlichen Umfang versucht worden seien. Daher ist selbst nach der ärztlichen Einschätzung des verschreibenden Arztes die für die Behandlung mit Medizinal-Cannabis erforderliche Voraussetzung der Notwendigkeit als ultima ratio nicht gegeben. Damit bleibt auch das Vorbringen des Klägers unerheblich, aus Entscheidungen des LSG Hamburg und des LSG Nordrhein-Westfalen ergebe sich, dass ohne weitere und vor allem medizinische Argumente von den medizinischen Feststellungen des verschreibenden Arztes nicht abgewichen werden könne. Soweit der Kläger an dieser Stelle wiederum auf die Grundhypothese der StAB (a. a. O.) verweist, verhält sich diese schon nicht zur Frage der notwendigen Indikation für die Einnahme von Medizinal-Cannabis.

bb) Soweit der Zulassungsantrag die ebenfalls selbständig tragende Annahme des Verwaltungsgerichts bemängelt, der Kläger könne sich auch deswegen nicht auf die eine Dauerbehandlung mit Arzneimitteln privilegierenden Regelungen in den Ziffern 9.6 ff. der Anlage 4 der FeV berufen, weil es sich nicht hinreichend davon habe überzeugen können, dass die Cannabiseinnahme in dem erforderlichen Maß ärztlich überwacht und begleitet werde, werden ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ebenfalls nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat insoweit unter anderem ausgeführt, dass der Umstand, dass sich der Kläger in 14-tägigem Rhythmus in der Praxis der Fachärzte für Allgemeinmedizin pp., pp., vorstelle, nicht genüge, um von einer ausreichenden ärztlichen Kontrolle der Cannabiseinnahme auszugehen, nachdem die Ausstellung der Cannabisrezepte und die dazugehörige Kontrolle nicht durch die Ärzte dieser Praxis, sondern durch die privatärztliche Praxis pp. erfolge bzw. erfolgen solle. Dem hält der Kläger ohne Erfolg entgegen, dass Grundlage jeder Überwachung und Kontrolle regelmäßig nur die Selbstauskunft des Patienten sein könne, die auch gegenüber einem Arzt erfolgen könne, der nicht zugleich derjenige ist, der Medizinal-Cannabis ärztlich verordne. Der Kläger übersieht mit diesem Vorbringen, dass die Vorlage der beiden Atteste der Fachärzte pp. eine solche Kontrolle nicht hinreichend belegt. Im Attest aus dem September 2019 ist insoweit nur ausgeführt, dass die Einnahme von Cannabis unter „hausärztlicher Kenntnis und Mitbetreuung“ der Praxis erfolgt. In der ergänzenden Stellungnahme der Ärztin pp. vom 18.10.2019 wird lediglich bescheinigt, dass die regelmäßige ärztliche Vorstellung des Antragstellers im 14-tägigen Rhythmus „ohne weiterführende diagnostische Maßnahmen“ erfolge und nicht nur die Ausstellung der Rezepte für das medizinische Cannabis, sondern auch die zugehörige regelmäßige Kontrolle der Einnahme durch die privatärztliche Praxis pp. erfolge. Diesen Stellungnahmen der Fachärzte für Allgemeinmedizin pp. ist mithin nicht zu entnehmen, dass von deren Seite die erforderliche medizinische Überwachung der Cannabiseinnahme vorgenommen wird. Es ist darüber hinaus auch nicht sachgerecht, wenn die Kontrolle der Cannabis-Einnahme (lediglich) durch einen das Medizinal-Cannabis nicht verschreibenden Arzt erfolgt, denn derjenige Arzt, der die Rezepte für das Medizinal-Cannabis ausstellt, muss Kenntnis davon haben, ob das Medizinal-Cannabis verordnungsgemäß, insbesondere nach der entsprechenden Dosierungsanleitung eingenommen wird, um beurteilen zu können, ob nach dessen (bestimmungsgemäßen) Verbrauch ein neues Rezept ausgestellt werden kann. Ferner weist der Senat darauf hin, dass der Kläger auch die ärztliche Betreuung und Überwachung während der regelmäßig komplexen Einstellungsphase (vgl. dazu Graw/Brenner-Hartmann/Haffner/Musshoff in Schubert/Huetten/Reimann/Graw a. a. O. S. 316 ff.) nicht nachgewiesen oder dargelegt hat, dass diese bei ihm nicht erforderlich gewesen ist.

cc) Der Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe unzutreffend angenommen, dass nicht nachgewiesen sei, dass er seit Juni 2018 ausschließlich entsprechend der ärztlichen Verschreibung aus der Apotheke bezogene Medizinal-Cannabisblüten und nicht – jedenfalls zusätzlich – auch illegal beschafftes Cannabis konsumiert habe, braucht der Senat nicht weiter nachzugehen. Das Verwaltungsgericht hat seine Annahme, dass sich der Kläger nicht auf die eine Dauerbehandlung mit Arzneimitteln privilegierenden Regelungen in den Ziffern 9.6 ff. der Anlage 4 der FeV berufen kann, auch damit begründet, dass dieser weder nachgewiesen habe, dass die Einnahme des Medizinal-Cannabis einer medizinischen Indikation entspreche, noch dass dessen Einnahme hinreichend ärztlich überwacht und begleitet worden sei. Diese jeweils selbständig tragenden Gründe wurden mit dem Zulassungsvorbringen – wie aufgezeigt – nicht erfolgreich in Frage gestellt.

2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend hinreichend dargelegt.

Eine Rechtssache ist grundsätzlich bedeutsam, wenn das erstrebte weitere Gerichtsverfahren zur Beantwortung von entscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen oder im Bereich der Tatsachenfragen nicht geklärten Fragen mit über den Einzelfall hinausreichender Tragweite beitragen könnte, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts höhergerichtlicher Klärung bedürfen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.02.2019 – 4 S 932/18 – juris Rn. 28). Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die Frage klärungsbedürftig ist, und darlegen, warum der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Beschluss des Senats vom 22.04.2022 – 13 S 523/21 – juris Rn. 15).

Ausgehend hiervon ermöglicht die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Fahrerlaubnisbehörde im Fahreignungsrecht weitergehendere Prüfungspflichten hat als sie im Sozialrecht dem Versicherungsträger zustehen, der seine Kostentragungspflicht nach Maßgabe des § 31 Abs. 6 SGB V zu überprüfen und sich dabei regelmäßig auf die Therapiehoheit des behandelnden und verschreibenden Arztes verweisen lassen muss, nicht die Zulassung der Berufung. Der Kläger zeigt schon nicht auf, dass diese Frage entscheidungserheblich wäre. Wie bereits ausgeführt, geht selbst pp. behandelnder und verschreibender Arzt in seiner im Fahreignungsgutachten der pp. vom 18.03.2019 wiedergegebenen ärztlichen Bescheinigung vom 27.01.2019 davon aus, dass keine Therapienotwendigkeit nach § 31 Abs. 6 SGB V bestehe, da bisher andere Antidepressiva nicht in dem erforderlichen Umfang versucht worden seien. Damit hat der Kläger nicht nachweisen können, dass die Voraussetzungen von Ziffer 9.6 der Anlage 4 der FeV gegeben waren und er nach Verlust seiner Fahreignung auf Grund eines regelmäßigen Cannabiskonsums im Zeitraum von Ende 2016/Anfang 2017 bis mindestens Juni 2018 auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens, seit Juni 2018 werde ihm Medizinal-Cannabis verordnet, wiedererlangt hat.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, §§ 47 und 52 Abs. 2 GKG i. V. m. der Empfehlung in Nummer 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z. B. in Schoch/Schneider, VwGO, unter § 163).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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