Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 10.2404 – Beschluss vom 10.01.2011
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.250,– € festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1963 geborene Antragsteller ist nach seinen Angaben Briefträger.
Am 29. Juli 2008 führte er gegen 14.35 Uhr ein Postfahrrad im Straßenverkehr. Nach polizeilicher Darstellung trug er hierbei Dienstkleidung und gab an, sich noch im Dienst zu befinden. Da er durch seine unsichere Fahrweise, insbesondere durch ein Fahren in Schlangenlinien, aufgefallen sei, unterzog ihn die Polizei einer Verkehrskontrolle. Eine ihm um 15.35 Uhr entnommene Blutprobe wies eine mittlere Alkoholkonzentration von 2,50 ‰ auf.
Durch rechtskräftig gewordenen Strafbefehl vom 30. Januar 2009 verhängte das Amtsgericht München gegen den Antragsteller wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe in Höhe von 25 Tagessätzen.
Mit Schreiben vom 2. März 2010 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller unter Bezugnahme auf diesen Strafbefehl auf, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten beizubringen, das u. a. zu folgender Frage Stellung nehmen sollte:
„Ist zu erwarten, dass die/der Untersuchte auch zukünftig ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird und/oder liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Fahrzeugs in Frage stellen? Kann ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug nur unter bestimmten Beschränkungen bzw. Auflagen geführt werden?“
Dieser Aufforderung kam der Antragsteller nicht nach. Er legte lediglich ein ihm am 8. Juni 2010 durch einen Arzt für Allgemeinmedizin ausgestelltes Attest vor, in dem ausgeführt wird:
„Der Verlauf der vom September 2003, September 2008 und September 2009 durchgeführten Laborwerte (Leberwert: Gamma-GT) spricht gegen eine Alkoholgewöhnung.“
Durch Bescheid vom 18. August 2010 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen und gab ihm auf, seinen Führerschein abzugeben. Unter der Nummer 4 des Bescheidstenors untersagte sie es ihm außerdem, Fahrzeuge aller Art auf öffentlichem Verkehrsgrund zu führen. U. a. dieser Ausspruch wurde für sofort vollziehbar erklärt.
Mit der am 30. August 2010 zum Verwaltungsgericht München erhobenen Klage, über die nach Aktenlage noch nicht entschieden wurde, erstrebt der Antragsteller die Aufhebung des Bescheids vom 18. August 2010, soweit darin das Führen von Fahrzeugen aller Art auf öffentlichem Verkehrsgrund untersagt wurde.
Den gleichzeitig gestellten Antrag, die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verfügung vom 18. August 2010 unter der Nummer 4 wiederherzustellen, lehnte das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 9. September 2010 ab. Im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung falle namentlich ins Gewicht, dass die anhängige Klage erfolglos bleiben werde. Die Antragsgegnerin habe nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV zu Recht die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens verlangt. Da der Antragsteller dieser Forderung nicht nachgekommen sei, habe die Antragsgegnerin gemäß § 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung schließen dürfen, Fahrzeuge aller Art zu führen. Das Auswahlermessen, das der Antragsgegnerin nach § 3 FeV grundsätzlich zustehe, sei im gegebenen Fall auf Null reduziert gewesen, da der Antragsteller tagsüber mit einer sehr hohen Blutalkoholkonzentration ein Fahrrad geführt habe.
Mit der von ihm eingelegten Beschwerde beantragt der Antragsteller, den Beschluss vom 9. September 2010 sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 18. August 2010 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24. August 2010 gegen diese Verfügung wiederherzustellen. Zur Begründung macht er geltend, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei überraschend, da der Einzelrichter, der den Beschluss vom 9. September 2010 erlassen habe, am 1. September 2010 gegenüber einer der Bevollmächtigten des Antragstellers fernmündlich erklärt habe, im vorliegenden Fall seien die engen Grenzen, die sich aus Art. 19 Abs. 4 GG für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts ergäben, überschritten, da der anlassgebende Vorfall zwei Jahre und zwei Monate zurückliege. Der Antragsteller vertritt auch selbst die Auffassung, mit der Behauptung, überwiegende öffentliche Belange würden die sofortige Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids erfordern, sei es nicht vereinbar, dass zwischen dem 29. Juli 2008 und dem Erlass dieses Bescheids mehr als zwei Jahre verstrichen seien. Hinzu komme, dass er bei dem anlassgebenden Vorfall 47 Jahre alt gewesen sei. Er sei weder mit einem Kraftwagen noch mit einem Fahrrad jemals an einem Verkehrsunfall beteiligt gewesen. Von ihm gehe keine größere Gefahr als von anderen Fußgängern und Radfahrern aus. Auch das Amtsgericht habe ihn nur wegen einer Trunkenheitsfahrt, nicht aber wegen Straßenverkehrsgefährdung belangt. Er habe durch die Vorlage eines ärztlichen Attests belegt, dass sich aus seinen Blutwerten keine Hinweise auf Alkoholmissbrauch ergäben. In der Entscheidung vom 25. September 2009 (DAR 2010, 35) sei das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz davon ausgegangen, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung bei einem mit 2,33 ‰ erstmals alkoholauffällig gewordenen Fahrradfahrer unverhältnismäßig sei. Habe eine solche Person bei ihrer Trunkenheitsfahrt andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet und gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass sie regelmäßig zu Zeiten mit hoher Verkehrsfrequenz betrunken ein Fahrrad benutze, dürfe es ihr nicht verboten werden, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug im Straßenverkehr zu führen, sofern nicht „härtere Drogen als Alkohol“ im Spiel seien. Außerdem bezieht sich der Antragsteller auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Februar 2010 (Blutalkohol Bd. 47 [2010], S. 313).
Zu der Trunkenheitsfahrt am 29. Juli 2008 sei es außerhalb des Dienstes gekommen. Er habe sich zusammen mit anderen Postboten, deren Arbeitsplätze – ebenso wie derjenige des Antragstellers – wegen Umstrukturierungsmaßnahmen im Bereich der Deutschen Post AG gefährdet gewesen seien, im Garten eines Kollegen „volllaufen lassen“. Es habe sich um ein einmaliges Ereignis gehandelt, das sich nicht wiederholen werde. Weder die Antragsgegnerin noch das Verwaltungsgericht hätten sich damit auseinandergesetzt, ob der dienstliche Bereich von der Untersagung ausgenommen werden könne. Die unterbliebene Beschränkung des auf § 3 FeV gestützten Verbots auf Privatfahrten verstoße gegen Art. 12 GG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Da sein Zustellbezirk ländlich geprägt sei und er lange Wegstrecken zurücklegen müsse, sei er beruflich auf das Fahrrad angewiesen. In die Ermessensprüfung sei zudem einzustellen, dass der Schluss der mündlichen Verhandlung den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bilde. Deswegen und da dem Einzelrichter des Verwaltungsgerichts, der den angefochtenen Beschluss erlassen habe, noch kein Fall bekannt geworden sei, in dem einer Person, die ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorgelegt habe, das Fahrradfahren untersagt worden sei, lasse sich nicht beurteilen, wie der Rechtsstreit ausgehe.
Die Antragsgegnerin habe bei ihrer Entscheidung ferner unberücksichtigt gelassen, dass er sich angesichts seiner Einkommenssituation eine medizinisch-psychologische Untersuchung und die Vorbereitung hierauf nicht leisten könne bzw. er die dafür anfallenden Kosten habe vermeiden wollen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Wegen der von ihr eingenommenen Rechtsstandpunkte wird auf die Beschwerdeerwiderung vom 11. Oktober 2010, wegen der Replik des Antragstellers hierauf auf den Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 4. November 2010 verwiesen. Ergänzend wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und den vom Verwaltungsgericht beigezogenen Vorgang der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Das mit der Beschwerde verfolgte Rechtsschutzziel ist so zu verstehen, dass der Antragsteller – ebenso wie im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht – nur die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der anhängigen Klage hinsichtlich der Nummer 4 des Bescheids vom 18. August 2010 erstrebt. Zwar enthalten weder der Beschwerdeantrag II noch der Beschwerdeantrag III – anders als der im ersten Rechtszug gestellte Antrag II – eine ausdrückliche Beschränkung auf diesen Teil des Bescheids. Da sich die Klage jedoch nur gegen das auf § 3 FeV gestützte Verbot, nicht aber gegen die am 18. August 2010 außerdem verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis wendet, ist bei sachgerechter Auslegung des Vorbringens des Antragstellers (§ 88 VwGO) davon auszugehen, dass er im Beschwerdeverfahren kein weitergehendes Anliegen als mit der Klage verfolgt. Hierfür spricht zumal, dass sich auch die Beschwerdebegründung nur mit der Frage der Rechtmäßigkeit des Verbots befasst, Fahrzeuge aller Art auf öffentlichem Verkehrsgrund zu führen.
Soweit der Antragsteller mit dem Beschwerdeantrag II die Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids vom 18. August 2010 (hinsichtlich der Nummer 4 der Bescheidstenors) verlangt, muss dieses Rechtsschutzbegehren schon deshalb ohne Erfolg bleiben, weil es insoweit an der nach § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO erforderlichen Begründung fehlt. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO wird vorläufiger Rechtsschutz gegen sofort vollziehbare Verwaltungsakte dadurch gewährt, dass die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit die aufschiebende Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen anordnen bzw. wiederherstellen. Zur „Aufhebung“ einer Sofortvollzugsanordnung kommt es – verbreiteter gerichtlicher Praxis gemäß – demgegenüber nur, wenn ein auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gestützter behördlicher Ausspruch nicht in einer den formellen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet wurde (vgl. z.B. Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, RdNr. 93 zu § 80). Dass hier ein solcher Mangel vorliegt, macht die Beschwerdebegründung – zu Recht – nicht geltend.
Bei der Beantwortung der Frage, ob der anhängigen Klage aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die Würdigung der vom Antragsteller form- und fristgerecht vorgetragenen Gesichtspunkte beschränkt. Kein berücksichtigungsfähiges Beschwerdevorbringen liegt insoweit vor, als auf Seite 5 unten des Schriftsatzes der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 22. September 2010 hinsichtlich der „Abwägung“ auf das Vorbringen in der Klageschrift verwiesen wird. Diese Bezugnahme lässt zum einen nicht erkennen, welche genauen Teile des Schriftsatzes vom 24. August 2010 hierdurch zum Gegenstand der Beschwerdebegründung gemacht werden sollen. Zum anderen könnte das sich aus § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ergebende Gebot, dass sich die Beschwerdebegründung mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen hat, umgangen werden, würde es genügen, auf noch in Unkenntnis der Argumentation des Verwaltungsgerichts verfasste Darlegungen zu verweisen. Der beschließende Senat sieht im Rahmen des § 146 Abs. 4 VwGO Verweisungen deshalb nur dann als beachtlich an, wenn feststeht, auf welche – genau zu bezeichnenden – Teile des bisherigen Vorbringens sie sich erstrecken, und der Beschwerdeführer aufzeigt, warum diesen Ausführungen aus seiner Sicht auch im Lichte der Begründung des angefochtenen Beschlusses weiterhin Bedeutung zukommt (vgl. zu den Voraussetzungen einer nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO zulässigen Bezugnahme BayVGH vom 7.12.2006 VRS Bd. 112 [2007], S. 152/153, sowie Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, RdNr. 79 zu § 146).
Soweit das Beschwerdevorbringen berücksichtigungsfähig ist, ergibt sich aus ihm nicht die Notwendigkeit, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufzuheben oder abzuändern.
Da der Antragsteller am 29. Juli 2008 die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV verwirklicht hat, war die Antragsgegnerin nach dieser Vorschrift verpflichtet, von ihm die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu verlangen. Die Nichtbefolgung dieser Anordnung rechtfertigte nach § 11 Abs. 8 i.V.m. § 3 Abs. 2 FeV den Schluss, dass der Antragsteller auch insoweit zum Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr ungeeignet ist, als es hierfür keiner Fahrerlaubnis bedarf.
Weder der sich aus § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ergebenden Verpflichtung der Antragsgegnerin noch der aus § 11 Abs. 8 FeV resultierenden Befugnis stehen die Zeiträume entgegen, die zwischen der anlassgebenden Straftat und der Gutachtensanforderung sowie dem Bescheid vom 18. August 2010 vergangen sind. Zu der Frage, wie lange Vorkommnisse, aus denen sich Zweifel an der Fahreignung einer Person ergeben, zum Anknüpfungspunkt für die Forderung nach Beibringung von Fahreignungsgutachten gemacht werden dürfen, hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 2005 (Az. 3 C 21.04 Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 11; Az. 3 C 25.04 Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 12) rechtsgrundsätzlich im Beschluss vom 6. Mai 2008 (Az. 11 CS 08.551 <juris> RdNrn. 34 – 42) geäußert. Danach hängt die Berücksichtigungsfähigkeit von Sachverhalten, die in das Verkehrszentralregister einzutragen sind, allein davon ab, ob sie dem Betroffenen nach den Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes noch entgegengehalten werden dürfen. Ist ein Vorfall danach noch verwertbar, ist für eine weitere einzelfallbezogene Prüfung im Sinne der im Verfahren 3 C 25.04 am 9. Juni 2005 ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dahingehend, „ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründen“, im Regelfall kein Raum mehr. Denn durch eine Doppelprüfung, bei der im Anschluss an die Feststellung, dass der anlassgebende Sachverhalt nach § 29 StVG (bzw. nach § 65 Abs. 9 StVG in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen Vorschriften) noch verwertbar ist, zusätzlich „eine Einzelfallbetrachtung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände“ im Sinne der letztgenannten Entscheidung durchgeführt würde, würde der am 9. Juni 2005 vom Bundesverwaltungsgericht in der Sache 3 C 21.04 aufgestellte Grundsatz unterlaufen, dass die vom Gesetzgeber festgelegten Fristen „nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beiseite geschoben oder relativiert werden“ können (BVerwG vom 9.6.2005 Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 11). Vielmehr hat der Gesetzgeber, der seinerseits unmittelbar an den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden ist, mit der Festsetzung von Tilgungs- und (davon zum Teil abweichenden) Verwertungsfristen selbst die Verantwortung dafür übernommen, dass diese Fristen nicht unverhältnismäßig sind. Diese Entscheidung darf der zur Rechtsanwendung im Einzelfall berufene Amtsträger in der Verwaltung und in der Gerichtsbarkeit nicht dadurch umgehen, dass er seine individuelle Gefahrenprognose und seine persönliche Einschätzung darüber, was im konkreten Fall verhältnismäßig ist, an die Stelle der Wertungen des Gesetzgebers setzt. Nur dann, wenn sich die Zweifel an der Fahreignung einer Person aus länger zurückliegenden Umständen herleiten, die keine Eintragung im Verkehrszentralregister nach sich ziehen, muss unter Anwendung der Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht in der am 9. Juni 2005 in der Sache 3 C 25.04 ergangenen Entscheidung (a.a.O.) aufgestellt hat, einzelfallbezogen und unter Einbeziehung aller relevanten Umstände geprüft werden, „ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen relevanten Gefahrenverdacht begründen“.
Der am 30. Januar 2009 gegen den Antragsteller erlassene Strafbefehl war gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 1 StVG in das Verkehrszentralregister einzutragen. Für ihn gilt nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 Buchst. a StVG eine zehnjährige Tilgungsfrist. Vor diesem Hintergrund kann dem Rechtsstandpunkt, die am 29. Juli 2008 begangene Straftat habe am 2. März 2010 nicht mehr zum Anlass für die Forderung nach Beibringung eines Fahreignungsgutachtens genommen werden dürfen, ebenso wenig gefolgt werden wie der Behauptung, aus der verweigerten Vorlage eines solchen Gutachtens habe im August 2010 nicht mehr auf die fehlende Eignung des Antragstellers geschlossen werden dürfen, Fahrzeuge aller Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Als ebenfalls nicht stichhaltig erweist sich angesichts der in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. § 3 Abs. 2 FeV getroffenen Wertung des Verordnungsgebers der Hinweis des Antragstellers darauf, er sei vor der Trunkenheitsfahrt am 29. Juli 2008 noch nicht nachteilig im Straßenverkehr in Erscheinung getreten. Denn die Rechtsordnung macht das Gebot, eine Person dann einer Überprüfung ihrer Fahreignung zuzuführen, wenn sie mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr als Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, nicht davon abhängig, dass dem Betroffenen weitere Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr zur Last gefallen sind. Da dem Umstand, dass eine Person einen derart hohen Grad an Alkoholisierung erreichen konnte und sie darüber hinaus gleichwohl noch in der Lage war, ein Fahrzeug im Straßenverkehr zu führen, hohe Aussagekraft dafür zukommt, dass sie in weit überdurchschnittlichem Maß alkoholgewöhnt ist, und eine derartige Alkoholgewöhnung typischerweise mit dem Verlust der Fähigkeit einhergeht, die eigene Fahrtüchtigkeit kritisch einschätzen zu können (vgl. dazu die zutreffende, mit Belegstellen aus der Rechtsprechung und dem einschlägigen Schrifttum versehene Darstellung auf Seite 3 der Beschwerdeerwiderung vom 11.10.2010), ist es auch nicht unverhältnismäßig, wenn die Rechtsordnung bereits an eine einmalige Trunkenheitsfahrt die Verpflichtung knüpft, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vorzulegen.
Der Obliegenheit, sich einer solchen Untersuchung zu unterziehen, und der Befugnis der Antragsgegnerin, aus der Nichtbeibringung eines entsprechenden Gutachtens auf fehlende Fahreignung zu schließen, kann der Antragsteller den Inhalt des ärztlichen Attests vom 8. Juni 2010 nicht mit Erfolg entgegenhalten. Die Beurteilung, ob eine Person, die mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt hat, aus fachwissenschaftlicher Sicht gleichwohl noch als fahrgeeignet angesehen werden kann, bzw. ob sie nach deswegen eingetretenem Verlust der Fahreignung diese Eigenschaft zwischenzeitlich wiedererlangt hat, obliegt nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 FeV ausschließlich den Mitarbeitern amtlich anerkannter Begutachtungsstellen für Fahreignung. Ärzte, die den Betroffenen behandeln, sind nach § 11 Abs. 2 Satz 5 FeV demgegenüber aus triftigen Gründen nicht dazu berufen, die Entscheidung der öffentlichen Verwaltung darüber gutachterlich vorzubereiten, ob eine Person fahrgeeignet ist.
Nur ergänzend ist deshalb festzuhalten, dass das Attest vom 8. Juni 2010 auch inhaltlich ungeeignet ist, eine tragfähige Grundlage für eine rechtskonforme Überzeugungsbildung abzugeben. Die Fahreignung des Antragstellers hängt nach den Nummern 8.1 und 8.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung ausschlaggebend davon ab, dass er nicht alkoholabhängig ist und dass er – bei zu verneinender Alkoholabhängigkeit – über die Fähigkeit verfügt, einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und das Führen von Fahrzeugen zu trennen. Sollte es bei ihm in der Vergangenheit zu Alkoholmissbrauch (im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn) oder zur Alkoholabhängigkeit gekommen sein, müsste ferner ermittelt werden, ob er die sich aus den Nummern 8.3 bzw. 8.4 der Anlage 4 ergebenden Voraussetzungen für eine Wiedererlangung der Fahreignung erfüllt. Die Feststellung, ob die Tatbestandsmerkmale der Nummern 8.1, 8.3 und 8.4 der Anlage 4 erfüllt sind, erfordert u.a. jeweils eine Prognose des zukünftigen Verhaltens des Betroffenen; das Attest vom 8. Juni 2010 trägt zur Klärung dieser Frage nichts bei. Da sich der Gamma-GT-Wert bereits nach einer nur wenige Wochen dauernden Alkoholabstinenz normalisiert (vgl. Schubert/ Schneider/Eisenmenger/Stephan, Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, 2. Aufl. 2005, S. 163), reichen drei über einen Zeitraum von sechs Jahren verteilte Bestimmungen dieses Laborparameters ferner keinesfalls aus, um den sich aus der Trunkenheitsfahrt vom 29. Juli 2008 ergebenden Verdacht zu entkräften, dass der Antragsteller überdurchschnittlich alkoholgewöhnt sein könnte. Das gilt umso mehr, als im Attest vom 8. Juni 2010 weder die konkret festgestellten Gamma-GT-Werte mitgeteilt wurden noch bekannt ist, ob der Antragsteller kurzfristig und zu für ihn unvorhersehbaren Zeitpunkten zur Abgabe der laboratoriumsmedizinisch untersuchten Blutproben einbestellt wurde. Diesen beiden Einwänden sieht sich auch die im Schriftsatz vom 4. November 2010 aufgestellte, zudem in keiner Weise substantiierte und glaubhaft gemachte Behauptung ausgesetzt, beim Antragsteller fänden fortlaufende Kontrollen der Blutwerte statt.
Aufgabe der von der Antragsgegnerin geforderten medizinisch-psychologischen Begutachtung wäre es auch gewesen, sich sachverständig dazu zu äußern, ob die Behauptung des Antragstellers glaubwürdig ist, der Vorfall vom 29. Juli 2008 sei einmaliger Natur gewesen und werde sich nicht wiederholen. Die bloße diesbezügliche Behauptung des Antragstellers vermag eine dahingehende sachverständige Vergewisserung nicht zu ersetzen.
Der Rechtsauffassung, die das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz im Beschluss vom 25. September 2009 (a.a.O.) vertreten hat, folgt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nicht (vgl. Beschluss vom 28.12.2010 Az. 11 CS 10.2095). Soweit jene Entscheidung damit begründet wurde, dass die Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung den Begriff des „Alkoholmissbrauchs“ in einer Weise definiere, die „sich speziell auf die Eignung von Personen zum Führen von Kraftfahrzeugen“ beziehe (OVG RhPf vom 25.9.2009, a.a.O., S. 36), traf das im übrigen schon am 25. September 2009 nicht mehr zu. Nur in der bis einschließlich 29. Oktober 2008 geltenden Fassung umschrieb die Nummer 8.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung den Begriff des Alkoholmissbrauchs dahingehend, dass er dann vorliege, wenn das Führen von „Kraftfahrzeugen“ und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Durch die insoweit am 30. Oktober 2008 in Kraft getretene Vierte Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18. Juli 2008 (BGBl I S. 1338) wurde die Nummer 8.1 der Anlage 4 dahingehend geändert, dass an die Stelle des Wortes „Kraftfahrzeuge“ der Ausdruck „Fahrzeuge“ trat. Damit hat der Verordnungsgeber der Sache nach zum Ausdruck gebracht, dass Alkoholmissbrauch im fahrerlaubnisrechtlichen Sinn auch dann vorliegen kann, wenn eine Person nicht in der Lage ist, im Zustand alkoholbedingter Fahrunsicherheit vom Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge Abstand zu nehmen (vgl. die Begründung zu Art. 1 Nr. 7 der Verordnung vom 18.7.2008, BRDrs. 302/08, S. 62).
Ebenfalls zu Unrecht beruft sich der Antragsteller auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. Februar 2010 (a.a.O.). Das Verwaltungsgericht Ansbach hat darin die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen einen Bescheid wiederhergestellt, durch den dem dortigen Antragsteller, der mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,61 ‰ ein Fahrrad im öffentlichen Straßenverkehr geführt hatte, die Fahrerlaubnis entzogen worden war, nachdem er das von ihm verlangte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht hatte. Diese Entscheidung wurde ausschließlich damit begründet, dass der Betreuer des dortigen Antragstellers im Verwaltungsverfahren „mit beachtlichen Darlegungen“ geltend gemacht hatte, dieser beziehe Grundsicherung und verfüge nur über etwas mehr als 400,– € monatlich zum Leben. Da die Behörde diesem Vorbringen nicht nachgegangen sei, sei der aus der Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens gezogene Schluss auf das Vorliegen eines fahrerlaubnisrechtlich relevanten Mangels ausnahmsweise nicht gerechtfertigt gewesen.
Der Antragsteller des vorliegenden Rechtsstreits hat demgegenüber weder im Verwaltungs- noch im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren behauptet, er sei zur Bestreitung der Kosten der verlangten Begutachtung nicht in der Lage. Stattdessen hat er mit einer Vielzahl anderer, nicht stichhaltiger rechtlicher oder tatsächlicher Einwände versucht, die im Schreiben der Antragsgegnerin vom 2. März 2010 an ihn herangetragene Aufforderung zu bekämpfen. Erstmals im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 14. Oktober 2010 hat er sodann vorgetragen, „dass er angesichts seines übersichtlichen Salaires als Postbote sowohl die Vorbereitungskosten für eine MPU als auch die Prüfkosten für eine MPU vermeiden will, respektive er sich nicht leisten kann“. Geltend gemachte finanzielle Leistungsunfähigkeit hindert die Fahrerlaubnisbehörde nach der gefestigten Spruchpraxis des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nur dann, von der durch § 11 Abs. 8 FeV eröffneten Befugnis Gebrauch zu machen, wenn die in rechtmäßiger Weise zur Vorlage eines Fahreignungsgutachtens aufgeforderte Person ihre wirtschaftliche Lage lückenlos offenlegt, sie ferner die Richtigkeit ihrer Angaben beweiskräftig belegt und außerdem aufzeigt, dass sie alle ihr möglichen und zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um die für die Begutachtung notwendigen Mittel aufzubringen. Damit der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit nicht nur vorgeschoben wird, um auf diese Weise die Aufdeckung fahreignungsrelevanter Umstände zu verhindern, muss darüber hinaus außer Zweifel stehen, dass der Adressat einer Begutachtungsaufforderung, wäre er finanziell leistungsfähig, diesem Verlangen nachkommen würde. Keine dieser Voraussetzungen ist im Fall des Antragstellers erfüllt.
Ist nach alledem derzeit aber davon auszugehen, dass er nicht geeignet ist, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen, so war die Antragsgegnerin zu Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 FeV dem Grunde nach verpflichtet. Ein Ermessensspielraum (hinsichtlich der Auswahl der insoweit zu treffenden Regelungen) hätte ihr nur dann zugestanden, wenn eine bloße Beschränkung des Rechts, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen, oder die Verhängung diesbezüglicher Auflagen ausgereicht hätte, um die vom Antragsteller ausgehenden Gefahren abzuwenden. Angesichts des zumindest engen Zusammenhangs der von ihm am 29. Juli 2008 unternommenen Trunkenheitsfahrt mit seiner Berufstätigkeit und der Tatsache, dass er die sich daraus ergebenden Eignungsbedenken nicht durch das von ihm geforderte Gutachten ausgeräumt hat, ist jedoch nicht gesichert, dass er vor und während seiner Berufsausübung Alkohol nur in einem Umfang konsumieren wird, der die Fähigkeit, ein Fahrrad sicher im Straßenverkehr zu führen, unbeeinflusst lässt. Die Antragsgegnerin war deshalb nicht verpflichtet, das auf § 3 FeV gestützte Verbot auf solche Fahrten mit nicht erlaubnispflichtigen Fahrzeugen zu beschränken, die keinen Bezug zur Berufstätigkeit des Antragstellers aufweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.