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Fahrtenbuchauflage – Zumutbarkeit polizeilicher Ermittlungen

VG München – Az.: M 23 K 13.4969 – Urteil vom 21.07.2014

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Verpflichtung zur Führung eines Fahrtenbuchs.

Er ist Halter des Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen „…“. Am …. Mai 2013 um 06.14 Uhr wurde mit diesem Fahrzeug in …, … Straße, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften um 39 km/h überschritten. Diese Feststellung wurde durch Messung mit Geschwindigkeitsmessgerät „TRAFFI-PAX TRAFFIPHOT-S“ und Frontfoto dokumentiert. Das Frontfoto zeigt eine männliche Person als Fahrer.

Die Stadt … sandte an den Kläger wegen der begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit ein Anhörungsschreiben vom …. Juni 2013 mit der Aufforderung, den beigefügten Anhörungsbogen innerhalb einer Woche ab Zugang des Schreibens zurückzusenden. Weiterhin wurde vom Einwohnermeldeamt der Beklagten ein Vergleichsfoto angefordert.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte bei der Stadt … mit Schreiben vom …. Juni 2013 Akteneinsicht. Nach erfolgter Akteneinsicht teilte er der Stadt … mit Schreiben vom …. Juni 2013 mit, dass der Verstoß nicht zugegeben werde.

Mit Schreiben vom …. Juli 2013 bat die Stadt … das Polizeipräsidium …, den verantwortlichen Fahrzeugführer zu ermitteln. Mit Schreiben vom …. Juli 2013 übersandte die Polizeiinspektion … den Vorgang an das Kreisverwaltungsreferat … – Kommunale Verkehrsüberwachung – zur weiteren Bearbeitung. Von dort wurde der Vorgang mit Schreiben vom …. Juli 2013 an die Bezirksinspektion „…“ weitergeleitet mit der Bitte um Ermittlung in eigener Zuständigkeit. Mit Schreiben vom …. Juli 2013 wurde der Stadt … von dort mitgeteilt, der Kläger sei bei der Ortsnachschau am …. Juli 2013 nicht angetroffen worden. Ebenso hätten die Nachbarn nicht befragt werden können. Aus diesem Grund sei der Kläger mit schriftlicher Vorladung gebeten worden, bis zum …. Juli 2013 in der Dienststelle vorzusprechen oder sich mit der Dienststelle telefonisch in Verbindung zu setzen. Dieser Aufforderung sei er bis dato nicht nachgekommen.

Die Stadt … stellte das Ermittlungsverfahren gemäß § 46 OWiG ein, teilte dies dem Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom …. August 2013 mit und bat die Beklagte mit Schreiben vom selben Tag zu prüfen, ob die Führung eines Fahrtenbuchs angeordnet werden könne.

Die Beklagte gab dem Kläger mit Schreiben vom …. August 2013 Gelegenheit, sich hierzu bis zum …. September 2013 zu äußern. Eine Reaktion von Seiten des Klägers erfolgte hierauf zunächst nicht.

Mit Bescheid vom …. September 2013 legte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum bis zum 30. September 2014 die Führung eines Fahrtenbuchs für das Tatfahrzeug auf. Der Übergang dieser Verpflichtung auf Ersatzfahrzeuge wurde ebenso angeordnet wie die Pflicht, das Fahrtenbuch zur Prüfung auszuhändigen und aufzubewahren. Weiterhin wurde die sofortige Vollziehung angeordnet und ein Zwangsgeld wurde angedroht. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.

Mit Telefax vom …. September 2013 zeigte der Bevollmächtigte des Klägers gegenüber der Beklagten seine Vertretung an und trug im Wesentlichen vor, das Anhörungsschreiben vom …. August 2013 liege ihm vor. Es sei nicht nachvollziehbar, welche Maßnahmen das „Kreisverwaltungsreferat Bezirksinspektion …“ durchgeführt haben solle. Der Kläger habe lediglich erfahren, dass während seiner Urlaubszeit ein Anschreiben an ihn, datiert vom …. Juli 2013, erfolgt sei und das Kreisverwaltungsreferat darüber informiert worden sei, dass sich der Kläger in Urlaub befinde, jedoch seien die Akten bereits zurückgeschickt worden. Es sei wohl nachvollziehbar, dass der Kläger während seines Urlaubs nicht in seiner Wohnung habe angetroffen werden können. Nachdem nicht einmal habe abgewartet werden können, bis der Kläger aus dem Urlaub zurückkehre, sei von ausreichenden Ermittlungen nicht auszugehen.

Am 25. Oktober 2013 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,

den Bescheid der Landeshauptstadt … vom ….09.2013, Bescheid Nr. …, aufzuheben.

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2014 begründete er die Klage und beantragte zudem, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Hierzu trug er im Wesentlichen vor, auf das Schreiben des Kreisverwaltungsreferats vom …. Juli 2013 sei dieses telefonisch zeitnah informiert worden, dass sich der Kläger derzeit in Urlaub befinde. Seitens der Beklagten sei mitgeteilt worden, dass die Akte allerdings wieder an die Stadt … zurückgesandt worden sei. Es liege auf der Hand, dass der Kläger bei einer örtlichen Erhebung während seiner Urlaubszeit nicht habe angetroffen werden können. Auf die schriftliche Vorladung der Bezirksinspektion sei insofern sofort reagiert worden, als dieser mitgeteilt worden sei, dass sich der Kläger derzeit in Urlaub befinde. Der Vorgang sei jedoch, wie dem Anrufer und nachbenannten Zeugen mitgeteilt worden sei, für die Bezirksinspektion erledigt gewesen und die Akten seien zurückgesandt worden. Die weiter im angegriffenen Bescheid enthaltene Begründung, dass weitere Ermittlungen weder angemessen noch erfolgversprechend gewesen wären, sei aufgrund dieses tatsächlichen Sachverhalts nicht stichhaltig. Es sei der Ermittlungsbehörde zweifelsohne zumutbar gewesen, die urlaubsbedingte Abwesenheit des Klägers abzuwarten und diesen nach Rückkehr aus dem Urlaub erneut vorzuladen oder eine örtliche Erhebung durchzuführen. Das hier dargestellte Verhalten im Zusammenhang mit der Durchführung von Ermittlungen sei keinesfalls ausreichend. Die Einleitung eines Verfahrens mit dem Ziel der Fahrtenbuchauflage sowie deren Verhängung seien daher unverhältnismäßig gewesen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 11. März 2014, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei der Ermittlungsbehörde regelmäßig nicht zuzumuten, weitere Ermittlungen zu betreiben, wenn der Fahrzeughalter – wie im vorliegenden Fall – erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ablehne. Es sei in Kenntnis der Aktenlage mit Schreiben vom …. Juni 2013 mitgeteilt worden, dass der Verstoß vom Kläger nicht zugegeben werde.

Vor diesem Hintergrund hätten die Ermittlungsbehörden folglich davon ausgehen müssen, dass sich der Kläger eben nicht zur Sache habe äußern wolle. Wolle man dem Kläger zubilligen, dass er bei den örtlichen Ermittlungen urlaubsbedingt nicht habe angetroffen werden können, gehe eine aktive Mitwirkungsbereitschaft aber weit über das gezeigte passive Verhalten des Klägers hinaus. Der Kläger hätte sich nach seiner Rückkehr selbst mit der Stadt … in Verbindung setzen können. Unter Anwendung angemessener Ermittlungsmethoden sei es nicht möglich gewesen, den verantwortlichen Fahrzeugführer zu ermitteln.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wurde mit rechtskräftigem Beschluss durch den Einzelrichter vom 11. April 2014 (M 23 S 14.857) abgelehnt.

Durch Beschluss der Kammer vom 16. Juni 2014 wurde auch der vorliegende Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit Schriftsatz vom 26. Juni 2014 teilte der Bevollmächtigte des Klägers auf Anfrage des Gerichts mit, es bestehe Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren. Die Beklagte erklärte sich mit Schriftsatz vom 10. Juli 2014 hiermit ebenfalls einverstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Verfahren M 23 S 14.857 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der angefochtene Bescheid der Beklagten vom …. September 2013 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Die Voraus-setzungen dieser Vorschrift sind vorliegend erfüllt.

Mit einer Fahrtenbuchauflage soll in Ergänzung der Kennzeichnungspflicht dafür Sorge getragen werden, dass anders als in dem Fall, der Anlass zur Auferlegung eines Fahrtenbuchs gegeben hat, künftig die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich ist. Die Anordnung richtet sich an den Fahrzeughalter, weil dieser die Verfügungsbefugnis und die Möglichkeit der Kontrolle über sein Fahrzeug besitzt. Gefährdet er die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dadurch, dass er unter Vernachlässigung seiner Aufsichtsmöglichkeiten nicht dartun kann oder will, wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren hat, darf er durch das Führen eines Fahrtenbuchs zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugnutzung angehalten werden. Ob vom Fahrzeughalter selbst als Führer seines Kraftfahrzeugs Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Bestimmungen zu besorgen sind, ist demnach rechtlich nicht ausschlaggebend. Vielmehr genügt regelmäßig die bei jeder Kraftfahrzeugnutzung nicht auszuschließende Möglichkeit, dass der jeweilige Fahrer Verkehrsvorschriften zuwiderhandelt (vgl. BVerwG, B.v. 23.6.1989 – 7 B 90/89 – NJW 1989, 2704).

Um eine Fahrtenbuchauflage zu rechtfertigen, müssen Verkehrsvorschriften in nennenswertem Umfang verletzt worden sein. Schon bei einem einmaligen Verstoß ist die Auflage zulässig, wenn es sich um einen nicht unwesentlichen Verstoß handelt, der sich verkehrsgefährdend auswirken kann. Nach dem vorliegenden Messblatt einschließlich des Tatfotos ist nicht zweifelhaft, dass die Verkehrsordnungswidrigkeit in Gestalt der am …. Mai 2013 erfolgten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit begangen wurde. Das in der Behördenakte befindliche Messblatt mit Frontfotos ist dabei grundsätzlich geeignet, die Begehung der streitgegenständlichen Verkehrsordnungswidrigkeit zu beweisen (vgl. z.B. BGH, B.v. 19.12.1995 – 4 StR 170/95 – NJW 1996, 1420 und BGH, B.v. 30.10.1997 – 4 StR 24/97 – NJW 1998, 321; vgl. auch BVerfG, B.v. 5.7.2010 – 2 BvR 759/10 – NJW 2010, 2717). Einwendungen wurden diesbezüglich nicht vorgebracht.

Die Verkehrsordnungswidrigkeit in Gestalt der erfolgten Geschwindigkeitsüberschreitung wäre nach dem Bußgeldkatalog mit einer Geldbuße in Höhe von 160,– Euro sowie einem Monat Fahrverbot (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Bußgeldkatalog-Verordnung – BKatV – i.V.m. Nr. 11.3.6 Tabelle 1 Buchst. c des Anhangs zu Nr. 11 des Bußgeldkatalogs) sowie drei Punkten im Verkehrszentralregister geahndet worden (Nr. 5.4 der Anlage 13 zu § 40 der Verordnung über die Zulassung von Personen im Straßenverkehr – Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV). Diese sachverständige Bewertung der Verkehrsordnungswidrigkeit durch den Verordnungsgeber belegt, dass es sich um einen erheblichen Verstoß handelt, unabhängig von einer damit verbundenen Gefährdungslage. Auf den Nachweis einer konkreten Gefährdung kommt es nicht an. Denn grundsätzlich reicht bereits ein lediglich mit einem Punkt bewerteter Verkehrsverstoß für die Anordnung der Fahrtenbuchauflage aus, ohne dass es auf die Feststellung der näheren Umstände der Verkehrsordnungswidrigkeit und der Gefährlichkeit des Verstoßes ankommt (vgl. BVerwG, B.v. 9.9.1999 – 3 B 94/99 – BayVBl 2000, 380; OVG NRW, U.v. 29.4.1999 – 8 A 699/97 – NJW 1999, 3279).

Die Feststellung des Fahrzeugführers durch die Polizei war in diesem Fall nicht möglich. Das Ermittlungsverfahren wurde daher eingestellt.

Die in § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO geforderte Unmöglichkeit der Feststellung des Fahrzeugführers liegt vor, da die zuständigen Behörden nach den Umständen des Einzelfalls nicht in der Lage waren, den Täter zu ermitteln, obwohl sie alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen getroffen haben. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufklärungsmaßnahmen kommt es wesentlich darauf an, ob die Behörde in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen Maßnahmen getroffen hat, die der Bedeutung des aufzuklärenden Verkehrsverstoßes gerecht werden und erfahrungsgemäß Erfolg haben können. Art und Umfang der Tätigkeit der Behörde, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, kann sich an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten. Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben. Dies gilt insbesondere dann, wenn es – wie hier – um die Aufklärung von Verkehrsordnungswidrigkeiten geht, die nur einen Sinn hat, wenn der Täter vor Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist (§ 26 Abs. 3 StVG) und deren in Betracht kommenden Unterbrechungen (§ 33 Abs. 1 bis 3 OWiG) so rechtzeitig bekannt ist, dass die Verkehrsordnungswidrigkeit mit Aussicht auf Erfolg geahndet werden kann und die daran anknüpfenden verkehrspolizeilichen Maßnahmen eingeleitet werden können (BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C 3/80 – BayVBl 1983, 310). Weiterhin genügt die Behörde ihrer Ermittlungspflicht grundsätzlich nur dann, wenn sie den Kraftfahrzeughalter unverzüglich von der mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Zuwiderhandlung in Kenntnis setzt, wobei die hierzu eingeräumte Frist im Regelfall zwei Wochen nicht überschreiten darf (vgl. BVerwG, B.v. 14.5.1997 – 3 B 28/97 – juris; erstmals BVerwG, U.v. 13.10.1978 – VII C 77.74 – NJW 1979, 1054). Diese Frist wurde im Fall des Klägers auch eingehalten.

Die ermittelnden Behörden haben im vorliegenden Fall dem Erfordernis des angemessenen und zumutbaren Ermittlungsaufwands, den § 31a StVZO voraussetzt, genügt. Da der Kläger erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes abgelehnt hat, war es den Behörden nicht zuzumuten, weitere wahllose und zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben.

Der Bevollmächtigte des Klägers hatte bereits mit Schreiben vom …. Juni 2013 gegenüber der Stadt … nach erfolgter Akteneinsicht mitgeteilt, dass der Verstoß nicht zugegeben werde. Weitere Angaben in Bezug auf die begangene Verkehrsordnungswidrigkeit wurden auch im gesamten weiteren Verfahren nicht gemacht. Bei Ermittlungen der hiermit beauftragten Bezirksinspektion durch Ortsnachschau am …. Juli 2013 konnte der Kläger nicht angetroffen werden. Ebenso konnten keine Nachbarn befragt werden. Der Kläger wurde daraufhin mittels schriftlicher Vorladung gebeten, bei der Dienststelle vorzusprechen oder sich mit der Dienststelle telefonisch in Verbindung zu setzen. Dem kam er nicht nach. Soweit von Seiten des Klägers nachträglich vorgetragen wurde, er habe sich zu dieser Zeit im Urlaub befunden, ist damit nicht hinreichend dargetan, dass weitere Ermittlungsmaßnahmen der zuständigen Behörden zur Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers geführt hätten. So wurde nicht einmal angegeben, in welchem Zeitraum sich der Kläger im Urlaub befunden haben soll. Eine Reaktion von Seiten des Klägers auf das Vorladungsschreiben der Bezirksinspektion vom …. Juli 2013 bzw. auf das darauffolgende Anhörungsschreiben der Beklagte zur Anordnung einer Fahrtenbuchauflage vom …. August 2013 ist erst mit Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom …. September 2013 und damit weit nach dem Eintritt der Verjährung der Verkehrsordnungswidrigkeit erfolgt. Selbst wenn weitere Versuche unternommen worden wären, den Kläger aufzusuchen oder diesen nochmals vorzuladen, wären keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Maßnahmen zu einer rechtzeitigen Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers geführt hätten. Da nicht einmal vorgetragen wurde, wann der Kläger wieder aus dem Urlaub zurückgekehrt und damit wieder antreffbar gewesen sein soll, wären weitere Ermittlungsversuche beim Kläger sinnlos gewesen und hätten somit von der Behörde auch nicht erwartet werden können. Auch im Übrigen sind im gesamten Verhalten und Vortrag von Seiten des Klägers keinerlei konkrete Ansatzpunkte dafür ersichtlich, dass er an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes hätte tatsächlich mitwirken wollen. Der äußerst unsubstantiierte Vortrag bezüglich einer Urlaubsanwesenheit und einer telefonischen Information (wohl der Bezirksinspektion) vermag hieran nichts zu ändern. Die ermittelnden Behörden konnten auch nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass es sich bei dem verantwortlichen Fahrzeugführer um den Kläger selbst gehandelt hat. Ein Vergleich des Tatfotos mit dem angeforderten Vergleichsfoto lässt diesen Schluss nicht zu, auch wenn sich möglicherweise Ähnlichkeiten feststellen lassen.

Die Beklagte hat auch von dem ihr bei der Entscheidung über die Anordnung zustehenden Ermessen in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Wie aus den Gründen des angefochtenen Bescheids erkennbar ist, wurde gesehen, dass es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt und es erfolgte eine Verhältnismäßigkeitsprüfung der Maßnahme.

Mit der präventiven Zielsetzung, künftige Verkehrsverstöße dadurch zu vermeiden, dass der jeweilige Fahrer mit einer leichten Aufklärbarkeit des Verstoßes rechnen muss, wird ein legitimer Zweck verfolgt. Die Fahrtenbuchauflage ist hierzu geeignet, erforderlich sowie als angemessene Maßnahme anzusehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Insbesondere verstößt die Auferlegung eines Fahrtenbuchs nicht deshalb gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil es sich um einen erstmaligen Verstoß handelt.

Ob die Dauer einer Fahrtenbuchauflage mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang steht, ist mit Blick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Durch die Fahrtenbuchauflage soll der Fahrzeughalter zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung und zur Mitwirkung im Fall eines erneuten Verkehrsverstoßes angehalten werden. Um dies effektiv zu erreichen, ist eine gewisse Mindestdauer der Führung des Fahrtenbuchs erforderlich. § 31a StVZO enthält keine Aussage darüber, für welche Zeitspanne die Führung eines Fahrtenbuchs anzuordnen ist. Die Beantwortung dieser Frage bleibt vielmehr dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde überlassen, die hierbei die zwingenden Vorgaben der Rechtsordnung, insbesondere den Gleichbehandlungs- und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, zu beachten hat. Ein Fall intendierten Ermessens kann allenfalls insoweit angenommen werden, als die Führung eines Fahrtenbuchs den ihr zugedachten Zweck nur dann erfüllen kann, wenn sie für eine gewisse Dauer angeordnet wird, wobei sechs Monate im „unteren Bereich einer effektiven Kontrolle“ liegen. Verlangt die Behörde vom Halter eines Fahrzeugs die Führung eines Fahrtenbuchs nur für diese Zeitspanne, hat sie damit zum Ausdruck gebracht, dass sie sich insoweit mit der geringstmöglichen Beschwer begnügt (vgl. BayVGH, B.v.18.5.2010 – 11 CS 10.357 – NJW 2011, 326). Als Kriterium für die zeitliche Bemessung ist vor diesem Hintergrund auch das Gewicht der festgestellten Verkehrszuwiderhandlung heranzuziehen. Bei der Festlegung der Dauer einer Fahrtenbuchauflage ist zudem das Verhalten zu würdigen, das der Fahrzeughalter im Zusammenhang mit den Bemühungen der Behörde an den Tag gelegt hat, eine mit seinem Kraftfahrzeug begangene Verkehrszuwiderhandlung aufzuklären. Denn je mehr sich ein Fahrzeughalter darum bemüht, zu der Tataufklärung beizutragen, desto weniger wird unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr Anlass bestehen, ihn hierzu für künftige Fälle durch eine Fahrtenbuchauflage anzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2011 – 11 CS 11.1548 – juris). Der hier festgelegte Zeitraum von einem Jahr ist im Fall des Klägers nicht zu beanstanden, da die Beklagte diese Entscheidung begründet und in Anbetracht des eklatanten Geschwindigkeitsverstoßes, der mit einem erheblichen Bußgeld und einem Fahrverbot von einem Monat zu ahnden gewesen wäre, als angemessen betrachtet hat. Von einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 39 km/h geht eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer aus und sie stellt nicht lediglich eine Bagatelle dar, die die Anordnung einer auf den Zeitraum von einem Jahr befristeten Fahrtenbuchauflage als unverhältnismäßig erscheinen lassen würde.

Auch die weiteren Anordnungen im angefochtenen Bescheid zum Übergang auf Ersatzfahrzeuge und zum Inhalt der Eintragungen in das Fahrtenbuch sowie zur Vorlage- und Aufbewahrungspflicht des Fahrtenbuchs gemäß § 31a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und Abs. 3 StVZO begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Gleiches gilt hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung und der Kostenentscheidung. Auch wurde hierzu von Seiten des Klägers nichts vorgetragen.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs stützt sich auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 4.800,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i.V.m. dem Streitwertkatalog).

 

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