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Geschwindigkeitsmessung – Verkehrsüberwachungsvorschriften nicht eingehalten – Auswirkung

Gericht bestätigt Gültigkeit von Geschwindigkeitsmessung trotz Schulungsmängeln

In einem Verfahren wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit hat das OLG Celle entschieden, dass die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Burgdorf zulässig, aber unbegründet ist, trotz der Rüge des Betroffenen bezüglich nicht eingehaltener Verkehrsüberwachungsvorschriften und der Qualifikation des Messbeamten. Das Gericht legte fest, dass die festgesetzte Geldbuße von 140 € angemessen ist, da keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen nicht regulären Fall vorlagen, und die Abweichung von Verwaltungsvorschriften keinen direkten Einfluss auf das Messergebnis oder das Verhalten des Betroffenen hatte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 ORbs 348/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Oberlandesgericht Celle bestätigte in einem Bußgeldverfahren (Az.: 2 ORbs 348/23) die Entscheidung des Amtsgerichts Burgdorf, welche eine Geldbuße von 140 € gegen einen Lkw-Fahrer wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 18 km/h verhängte.
  • Der Betroffene reichte eine Rechtsbeschwerde ein, die sich insbesondere gegen die Qualifikation des Messbeamten und die Einhaltung der Vorschriften für die Verkehrsüberwachung richtete.
  • Das OLG ließ die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zu, verwies jedoch darauf, dass die Nichteinhaltung bestimmter Verwaltungsvorschriften keinen direkten Einfluss auf das Messergebnis oder das Verhalten des Betroffenen hat.
  • Die Beschwerde wurde als unbegründet verworfen, da keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass es sich nicht um einen Regelfall handelt, und die Regelgeldbuße angemessen festgesetzt wurde.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der standardisierten Messverfahren und der Qualifikation des Messpersonals, zeigt aber auch auf, dass kleinere Abweichungen von Verwaltungsvorschriften nicht zwingend das Messergebnis oder die Rechtsfolgen beeinflussen.
  • Der Beschluss betont, dass die Einordnung einer Straße als Kraftfahrstraße ausschließlich auf der Beschilderung beruht und nicht auf der Bauart der Straße oder der Interpretation durch Kraftfahrer oder Messpersonal.
  • Der Betroffene muss die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen.
  • Dieser Fall verdeutlicht die rechtlichen Herausforderungen bei der Geschwindigkeitsüberwachung und die Notwendigkeit einer präzisen Befolgung der gesetzlichen und verwaltungstechnischen Vorgaben.

Rechtssicherheit bei Geschwindigkeitskontrollen

Die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist eine der grundlegenden Pflichten für Fahrzeugführer. Überschreitungen werden durch Geschwindigkeitsmessungen festgestellt, die oftmals zu Bußgeldern führen. Die rechtmäßige Durchführung solcher Messungen unterliegt dabei strengen Vorgaben und Verkehrsüberwachungsvorschriften.

Bei Verstößen gegen diese Vorschriften stellt sich regelmäßig die Frage nach deren Auswirkungen. Inwieweit können Abweichungen von Verwaltungsrichtlinien die Rechtmäßigkeit und rechtlichen Konsequenzen einer Geschwindigkeitsmessung beeinflussen? Diese Thematik erfordert eine sorgfältige Betrachtung unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Gesetzen.

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➜ Der Fall im Detail


Geschwindigkeitsüberschreitung und die Frage der adäquaten Schulung des Messpersonals

Im Zentrum dieses juristischen Falles steht die Frage, inwieweit die Nichteinhaltung von Schulungsanforderungen für das Personal, das Geschwindigkeitsmessungen durchführt, die Rechtsgültigkeit der Messung und die darauf basierende Bußgeldentscheidung beeinflusst. Der Fall betrifft einen Lkw-Fahrer, der außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 18 km/h überschritt. Die Messung erfolgte mit der Geschwindigkeitsmessanlage Poliscan FM1, die durch einen geschulten Mitarbeiter bedient wurde. Der Betroffene legte gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Burgdorf, welches eine Geldbuße von 140,00 € festsetzte, Rechtsbeschwerde ein. Sein Hauptkritikpunkt: Die unzureichende Schulung des Messbeamten gemäß den geltenden Verwaltungsvorschriften.

Die rechtliche Würdigung des Oberlandesgerichts Celle

Das Oberlandesgericht Celle nahm sich der Sache an und prüfte insbesondere, ob die angenommene unzureichende Schulung des Messpersonals einen Einfluss auf die Rechtsfolgen der Geschwindigkeitsübertretung haben könnte. Die Entscheidung des Gerichts fiel eindeutig aus: Trotz der Aufklärungsrüge des Betroffenen, die die Qualifikation des Messbeamten in Frage stellte, wurde die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen. Das Gericht stellte klar, dass kein direkter Einfluss der vermeintlich unzureichenden Schulung auf das Messergebnis oder das Verhalten des Betroffenen ersichtlich sei.

Qualifikation des Messpersonals und die Relevanz für das Messergebnis

Die Diskussion um die Qualifikation des Messpersonals offenbart die Bedeutung standardisierter Verfahren und Richtlinien für die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen. Im vorliegenden Fall betonte das OLG Celle, dass Abweichungen von der Richtlinie allein keine Auswirkung auf die Gültigkeit der Messung oder die Verhängung der Geldbuße haben, solange diese Abweichungen nicht das Messergebnis selbst oder die Bedingungen seiner Erhebung direkt beeinflussen.

Standortwahl und verkehrsrechtliche Beschilderung als weitere Diskussionspunkte

Ein weiterer Diskussionspunkt in der Rechtsbeschwerde war die Frage, ob die Platzierung der Geschwindigkeitsmessung und die damit verbundene Beschilderung als Kraftfahrstraße die Entscheidung beeinflussen könnten. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass die Einordnung einer Straße als Kraftfahrstraße ausschließlich durch die Beschilderung bestimmt wird und keine Rolle spielt, ob die Straße de facto als solche zu interpretieren wäre.

Kostenentscheidung zu Lasten des Betroffenen

Abschließend folgte aus der Entscheidung des OLG Celle, dass der Betroffene die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen hat. Diese Entscheidung unterstreicht die Relevanz einer sorgfältigen Prüfung von Rechtsbeschwerden und die Bedeutung der Einhaltung etablierter Verfahrens- und Schulungsstandards bei der Geschwindigkeitsüberwachung.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Schulungsanforderungen gibt es für das Personal, das Geschwindigkeitsmessungen durchführt?

Die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr erfordert spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten, die durch eine angemessene Schulung des Personals sichergestellt werden müssen. Diese Schulungen sind entscheidend, um die Genauigkeit und Rechtmäßigkeit der Messungen zu gewährleisten. Die Anforderungen an die Schulung des Personals, das Geschwindigkeitsmessungen durchführt, variieren je nach Art des Messgeräts und den gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes oder Bundeslandes. Im Folgenden werden die wesentlichen Schulungsanforderungen basierend auf den verfügbaren Informationen zusammengefasst.

  • Schulung durch kompetentes Personal: Die Schulung muss durch kompetentes Personal erfolgen, das entweder vom Hersteller des Messgeräts oder von einer Aus- und Fortbildungsstelle der Polizei autorisiert ist. Dies stellt sicher, dass das Schulungspersonal über das erforderliche Fachwissen verfügt, um die Teilnehmer angemessen zu unterweisen.
  • Schriftliche Bestätigung der Schulung: Nach Abschluss der Schulung ist eine schriftliche Bestätigung erforderlich. Diese Bestätigung dient als Nachweis dafür, dass das Personal die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, um Geschwindigkeitsmessungen korrekt durchzuführen.
  • Autorisierung von Multiplikatoren: Es ist zulässig, dass Hersteller oder Aus- und Fortbildungsstellen der Polizei Multiplikatoren autorisieren, die dann selbst Schulungen durchführen können. Diesen Multiplikatoren muss die Eignung zur Durchführung von Schulungen schriftlich bestätigt werden.
  • Anforderungen an Verkehrsradargeräte: Speziell für Verkehrsradargeräte gibt es besondere Anforderungen. Das Bedienpersonal muss neben der Geschwindigkeit auch den Abstand zum Fahrzeug simultan bestimmen können. Diese Fähigkeit ist wichtig, um den sogenannten aufmerksamen Messbetrieb zu entbinden, bei dem eine verantwortliche Person die Messsituation direkt beobachtet und den Messwert hinsichtlich Plausibilität prüft.
  • Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Kenntnisse: Obwohl nicht explizit in den Quellen erwähnt, ist es allgemein üblich, dass regelmäßige Auffrischungskurse oder Weiterbildungen erforderlich sind, um mit technologischen Entwicklungen und Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen Schritt zu halten. Dies gewährleistet, dass das Personal stets auf dem neuesten Stand ist und die Messungen entsprechend den aktuellen Standards durchführt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Schulung des Personals, das Geschwindigkeitsmessungen durchführt, eine grundlegende Voraussetzung für die Durchführung korrekter und rechtlich einwandfreier Messungen ist. Die Schulungen müssen von qualifiziertem Personal durchgeführt werden, und die Teilnehmer müssen ihre erworbenen Kenntnisse durch eine schriftliche Bestätigung nachweisen können.

Was passiert, wenn Verkehrsüberwachungsvorschriften bei einer Messung nicht eingehalten werden?

Wenn die Vorschriften für die Durchführung von Geschwindigkeitsmessungen nicht eingehalten werden, kann dies erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsgültigkeit der Messergebnisse und die darauf basierenden Bußgeldbescheide haben. Die Einhaltung dieser Vorschriften ist entscheidend, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Messungen zu gewährleisten. Werden diese nicht beachtet, können die Messergebnisse angefochten werden, was in einigen Fällen zur Aufhebung des Bußgeldbescheids führen kann.

  • Anfechtung des Bußgeldbescheids: Wenn ein Betroffener der Meinung ist, dass bei seiner Geschwindigkeitsmessung die Vorschriften nicht eingehalten wurden, kann er gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegen. Dies muss in der Regel innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids erfolgen.
  • Überprüfung der Messung: Im Rahmen des Einspruchsverfahrens kann der Betroffene eine Überprüfung der Messung fordern. Dazu gehört unter anderem die Einsicht in das Messprotokoll und die Überprüfung, ob das Messgerät ordnungsgemäß geeicht war und korrekt bedient wurde.
  • Mögliche Fehlerquellen: Zu den häufigsten technischen Fehlern bei der Blitzer-Messung zählen eine nicht vorschriftsmäßige Eichung des Geräts, eine falsche Aufstellung des Messgeräts, eine fehlerhafte Bedienung durch das Messpersonal oder eine Beeinträchtigung der Messung durch externe Faktoren wie Sonneneinstrahlung.
  • Rechtliche Konsequenzen: Wenn nachgewiesen werden kann, dass die Messung aufgrund von Nichteinhaltung der Vorschriften fehlerhaft war, kann dies zur Unverwertbarkeit der Messergebnisse führen. In solchen Fällen kann der Bußgeldbescheid aufgehoben oder das Verfahren eingestellt werden.
  • Richtlinien zur Verkehrsüberwachung: Verstöße gegen interne Verwaltungsrichtlinien zur Verkehrsüberwachung lösen zwar kein direktes Verwertungsverbot aus, können aber den Regelfall und die damit verbundene Indizwirkung in Frage stellen. Dies kann insbesondere Auswirkungen auf ein zu verhängendes Fahrverbot haben.
  • Einschaltung eines Anwalts: In vielen Fällen ist es ratsam, sich bei der Anfechtung eines Bußgeldbescheids an einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Anwalt zu wenden. Dieser kann Akteneinsicht nehmen und die Beweislage prüfen, um die Chancen auf eine erfolgreiche Anfechtung zu beurteilen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Nichteinhaltung von Verkehrsüberwachungsvorschriften bei einer Messung zu einer erfolgreichen Anfechtung des Bußgeldbescheids führen kann, sofern die Fehler nachgewiesen werden können. Die Überprüfung der Messung und die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften spielen dabei eine entscheidende Rolle.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 80 Abs. 1 Nr. 1, 80a Abs. 3 OWiG: Regelungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Dies ist entscheidend, um zu verstehen, unter welchen Voraussetzungen ein höheres Gericht eine Entscheidung eines Amtsgerichts überprüfen kann.
  • Richtlinien für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch Straßenverkehrsbehörden (VORIS 21014 00 00 00 011): Diese Richtlinien definieren die Anforderungen an die Qualifikation des Personals, das Geschwindigkeitsmessungen durchführt. Sie sind zentral für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Messung.
  • § 18 Abs. 1 StVO: Regelt die Beschilderung und damit die rechtliche Einordnung von Straßen als Kraftfahrstraßen. Dieser Paragraph ist relevant, um die Zulässigkeit von Geschwindigkeitsbegrenzungen zu verstehen.
  • BKat Nr.11.1.4.: Spezifiziert die Regelgeldbuße für das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für Lkw außerhalb geschlossener Ortschaften um 16 – 20 km/h. Wichtig für die Festlegung der Geldbuße im konkreten Fall.
  • Art. 3 GG: Grundsatz der Gleichbehandlung, der in der Diskussion um die Berücksichtigung von Verwaltungsvorschriften eine Rolle spielt. Erklärt, warum auch interne Vorschriften eine gewisse Außenwirkung entfalten können.
  • § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 473 Abs. 1 StPO: Regelungen zur Kostenentscheidung in Bußgeldverfahren. Diese Vorschriften klären, wer die Kosten eines Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen hat.


Das vorliegende Urteil

OLG Celle – Az.: 2 ORbs 348/23 – Beschluss vom 19.01.2024

In der Bußgeldsache wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Burgdorf vom 13. Oktober 2023 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 19. Januar 2024 beschlossen:

1.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen und die Sache auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil es geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen (§§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 80a Abs. 3 OWiG).

2.

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

3.

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Burgdorf setzte gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 18 km/h eine Geldbuße von 140,00 € fest.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 07.02.2023 um 09:07 Uhr mit einem Lkw die Bundesstraße B … in der Gemarkung B. im Abschnitt …, Station …, in Fahrtrichtung H. und überschritt die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit für Lkws von 60 km/h unter Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt – nach Toleranzabzug von 3 km/h – um 18 km/h. In diesem Bereich ist die B … nicht mehr als Kraftfahrstraße ausgewiesen. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte unter Beachtung der Vorgaben der Bedienungsanleitung mit der gültig geeichten Geschwindigkeitsmessanlage Poliscan FM1 durch den an dem Messgerät geschulten Mitarbeiter der Region H. Herrn B.

Gegen dieses Urteil richtet sich die mit dem Antrag auf Zulassung verbundene Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Es werde ein Verfahrensfehler in Form einer Aufklärungsrüge gerügt. Das Amtsgericht habe es unterlassen, den Messbeamten Herrn B. auch dahingehend zu befragen, ob dieser gemäß Ziffer 3.3 des Abschnitts 3 der Richtlinien für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch Straßenverkehrsbehörden vom 25.11.1994 – Gem. RdErl. d. MI u. d. MW v. 25.11.1994 – (VORIS 21014 00 00 00 011) hinreichend geschult worden sei. Es habe sich gegebenenfalls Schulungsprotokolle des Messbeamten vorlegen lassen müssen. Neben der Schulung über das Messgerät sei nach den Richtlinien zwingend vorgeschrieben, dass das Messpersonal auch Kenntnisse über die mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften erhalte. Es handele sich nicht um eine Ermessensvorschrift. Auch eine Verwaltungsvorschrift müsse, auch wenn sie im Grundsatz keine Außenwirkung habe, im Sinne einer Gleichbehandlung berücksichtigt werden. Das Amtsgericht habe den Verstoß gegen die Richtlinien nicht zur Kenntnis genommen. Es sei davon auszugehen, dass der Messbeamte im Hinblick auf die Straßenverkehrsvorschriften nicht hinreichend geschult gewesen ist. Das Gericht habe deshalb prüfen müssen, ob von der Regelgeldbuße abgewichen werden kann. Dem Betroffenen sei vor folgendem Hintergrund nur geringstes Verschulden anzulasten:

„Die Straße im einspurigen Bereich ist als Kraftfahrstraße ausgewiesen worden, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen hierfür gar nicht gegeben waren. Bei Erweiterung dieser Straße zu zwei Spuren wurde die Kraftfahrstraße als solche aufgehoben, obwohl hier tatsächlich eine Kraftfahrstraße vorliegt. Die Folge war, dass im einspurigen Bereich die Geschwindigkeit von 80 km/h zulässig war, im zweispurigen Bereich lediglich eine solche von 60 km/h, da der Betroffene einen 7,5 Tonner Lkw fuhr.“

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil vom 13.10.2023 als unbegründet zu verwerfen.

II.

Das Rechtmittel hat keinen Erfolg.

1.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Die Frage, ob und ggf. wie es sich auswirkt, wenn ein Messbeamter die entsprechend einer Verwaltungsrichtlinie vorgesehene Qualifikation der Kenntnis der mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften nicht nachweisen kann, wurde bislang – soweit ersichtlich – obergerichtlich nicht entschieden.

2.

Aus den vorgenannten Gründen ist die Sache gemäß § 80a Abs. 3 OWiG von der Einzelrichterin auf den Senat übertragen worden.

3.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

a)

Die Aufklärungsrüge geht zwar schon deshalb ins Leere, weil sie übersieht, dass im angefochten Urteil explizit festgestellt wird, dass der Messbeamte die in der Niedersächsischen Richtlinie für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch Straßenverkehrsbehörden (Gem. RdErl. d. MI u. d. MW v. 25.11.1994, zuletzt geändert durch RdErl. vom 07.10.2010, VORIS 21014 00 00 00 011) unter 3.3 des Abschnitts 3 aufgeführte Qualifikation, die eine Kenntnis der mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften (Gesetze, Erlasse, Rechtsprechung) vorsieht, nicht nachweisen kann.

Es ergibt sich aber aus dem Inhalt der nach allgemeinen Grundsätzen auszulegenden Begründung der Rechtsbeschwerde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage, § 344, Rn. 11), dass der Betroffene den Rechtfolgenausspruch des angefochtenen Urteils mit der Beanstandung angreift, dass der Umstand, dass der Messbeamte nicht im Sinne der Verwaltungsrichtlinie vollständig qualifiziert gewesen sei, bei der Bemessung der Geldbuße keine Berücksichtigung gefunden habe. Damit beanstandet der Betroffene insoweit auch die Verletzung sachlichen Rechts und hat damit eine – auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte – Sachrüge zulässig erhoben.

b)

Der Rechtsfolgenausspruch lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Amtsgericht hat zutreffend die Regelgeldbuße nach BKat Nr.11.1.4. (Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für Lkw außerhalb geschlossener Ortschaften um 16 – 20 km/h) in Höhe von 140,00 € festgesetzt und festgestellt, dass Anhaltspunkte dafür, dass es sich vorliegend nicht um einen Regelfall handelt, nicht ersichtlich sind.

Ein solcher Anhaltspunkt ergibt sich entgegen der Ansicht des Betroffenen auch nicht aus dem vom Amtsgericht festgestellten Umstand, dass der Messbeamte die in den Niedersächsischen Richtlinien für die Überwachung des fließenden Straßenverkehrs durch Straßenverkehrsbehörden unter 3.3 des Abschnitts 3 aufgeführte Qualifikation, die eine Kenntnis der mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften (Gesetze, Erlasse, Rechtsprechung) vorsieht, nicht nachweisen konnte.

In Ziffer 3.3 „Personal“ des Abschnitts 3 der Richtlinie heißt es:

„Das Messpersonal der Straßenverkehrsbehörden für den Umgang mit mobil-stationären Messgeräten muss qualifiziert sein, mit dem eingesetzten Messgerät beweissichere Geschwindigkeitsmessungen vorzunehmen.

Qualifikationsmerkmale sind insbesondere:

– Kenntnis der mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften (Gesetze, Erlasse, Rechtsprechung),

– …“.

Als reine Verwaltungsvorschrift entfaltet diese Richtlinie keine Außenwirkung. Allerdings dürfen die Verkehrsteilnehmer erwarten, dass sich die Verwaltungsbehörde über Richtlinien zur Handhabung des Verwaltungsermessens, die eine gleichmäßige Behandlung sicherstellen sollen, im Einzelfall nicht ohne sachliche Gründe hinwegsetzt. Insoweit können sich solche Richtlinien über Art. 3 GG für den Bürger rechtsbildend auswirken, so dass im Einzelfall der Schuldgehalt einer Tat geringer erscheint (vgl. hiesiger 1. Bußgeldsenat, Beschluss vom 25.07.2011 – 311 SsRs 114/11 -, juris; BayObLG, Beschluss vom 04.09.1995 – 1 ObOWi 375/95 -, juris; OLG Dresden DAR 2010, 29).

Die gilt aber nicht für jede Art von Abweichung von der Richtlinie. Abweichungen von Verwaltungsvorschriften sind insoweit mit Abweichungen von der Bedienungsanleitung vergleichbar. Einzelne Abweichungen etwa im Hinblick auf die Protokollierung des Messvorgangs nehmen einer Messung nicht den Charakter eines standardisierten Messverfahrens, weil ihnen keine eigenständige Bedeutung für die Integrität der Messung zukommt (vgl. Senat, Beschluss vom 28.03.2023, 2 ORbs 68/23, OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.02.2023, 2 ORbs 35 Ss 4/23, juris; BayOblG, Beschluss vom 21.11.2022, 201 ObOwi 1291/22, juris). Dieser Rechtsgedanke lässt sich auf die Abweichung von Verwaltungsvorschriften in der Weise übertragen, dass sich eine Abweichung nur dann schuldmindernd auswirken kann, wenn ein Einfluss der Abweichung auf das Verhalten des Betroffenen oder das Messergebnis denkbar ist.

Anders als bei einer Unterschreitung des Regelabstandes zwischen geschwindigkeitsregelnden Verkehrszeichen und Messstelle (Nr. 4 der Anlage 1 „Einsatz von Geschwindigkeitsmessgeräten“ der Richtlinie), die jeweils Gegenstand der oben zitierten Entscheidungen zum geringeren Schuldgehalt waren, ist es aber gerade nicht denkbar, dass allein die fehlende Kenntnis des Messbeamten von den mit der Verkehrsüberwachung verbundenen Vorschriften das Verhalten des Betroffenen beeinflusst. Ebenfalls ist nicht erkennbar, dass sich die fehlende Schulung des Messbeamten zu Verkehrsvorschriften im vorliegenden Fall auf das Messergebnis ausgewirkt hätte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand des Betroffenen, die B … sei bereits im Bereich ihrer einspurigen Zuführung als Kraftfahrstraße ausgewiesen, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen hierfür noch gar nicht gegeben seien, nach Erweiterung der B … zu zwei Spuren erfolge dann die Aufhebung der Kraftfahrstraße, obwohl hier doch de facto noch eine Kraftfahrstraße vorliege mit der Folge, dass für den Betroffenen im einspurigen Bereich eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h zulässig gewesen sei, im Verlauf des zweispurigen Bereichs dann aber nur noch eine solche von 60 km/h, weil er einen 7,5 t-Lkw gefahren habe. Obwohl das in der Beschwerdeschrift nicht weiter dargelegt wird, scheint der Betroffene damit einen Zusammenhang ziehen zu wollen zwischen der fehlenden Rechtskenntnis des Messbeamten und der Durchführung der Messung an einer Stelle, an der ein Lkw-Fahrer damit rechne, sich noch auf einer Kraftfahrstraße zu befinden und deshalb statt nur 60 km/h bis zu 80 km/h fahren zu dürfen.

Es wäre dann aber nicht die fehlende Rechtskenntnis des Messbeamten, sondern letztlich der Standort der die Kraftfahrstraße aufhebenden Verkehrszeichen, der schuldmindernd zu würdigen wäre. Das Amtsgericht hat jedoch hinreichend überprüft und festgestellt, dass die Aufhebung der Kraftfahrstraße an dieser Stelle nicht willkürlich ist, sondern der nachfolgenden Zusammenführung mit dem aus A. kommenden Verkehr geschuldet ist. Soweit der Betroffene diesbezüglich einem Tatbestandsirrtum unterlegen sein sollte, ist dem bereits dadurch Rechnung getragen worden, dass ihm ohnehin nur Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird. Im Übrigen folgt die Einordnung einer Straße als Kraftfahrstraße nach § 18 Abs. 1 StVO allein aus ihrer Beschilderung durch die zuständigen Behörden und nicht aus ihrer Bauart. Weder den Kraftfahrern noch dem Messpersonal obliegt es, den verkehrsrechtlichen Charakter einer Straße unabhängig von ihrer Beschilderung zu interpretieren.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 473 Abs. 1 StPO.

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