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Fahrerlaubnisentziehung wegen Kokainkonsums

VG Gelsenkirchen – Az.: 7 L 502/18 – Beschluss vom 17.05.2018

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf Kosten des Antragstellers abgelehnt.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1. Der sinngemäß gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 1482/18 des Antragstellers gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 7. März 2018 wiederherzustellen, ist gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – zulässig, aber unbegründet.

Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die Ordnungsverfügung, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, bei summarischer Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. Zur Begründung verweist die Kammer zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die rechtlichen und tatsächlichen Ausführungen in der angegriffenen Verfügung, denen sie im Wesentlichen folgt (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).

Ergänzend ist mit Rücksicht auf das Klage- und Antragsvorbringen Folgendes auszuführen: Die Entziehungsverfügung findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV -. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde demjenigen, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ungeeignet ist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wer Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV aufweist. Gemäß Ziffer 9.1 der Anlage 4 ist die Eignung oder bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu verneinen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes – BtMG – einnimmt.

Der Antragsteller ist zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, weil er Kokain, welches in der Anlage 3 zu § 1 Abs. 1 BtMG aufgeführt ist, konsumiert hat. Die Einnahme von Kokain schließt die Kraftfahreignung unabhängig davon aus, ob unter der Wirkung dieser sog. harten Droge ein Kraftfahrzeug geführt worden ist oder nicht (Ziffer 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV; vgl. auch: Nr. 3.14.1 der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahreignung des gemeinsamen Beirats für Verkehrsmedizin beim Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und beim Bundesministerium für Gesundheit, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch-Gladbach, Stand: 14. August 2017). Schon der einmalige Konsum sog. harter Drogen wie Kokain ist ausreichend, die Kraftfahreignung zu verneinen,

so auch OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2007 – 16 B 332/07 -; OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 16. Februar 2004 – 12 ME60/04 – und 16. Juni 2003 – 12 ME 172/03 -, DAR 2003, 432 f.; OVG Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2004 – 4 B 37/04 -; OVG Saarland, Beschluss vom 30. März 2006 – 1 W 8/06 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. November 2004 – 10 S 2182/04 -, VRS 108 (2005), 123 ff.

Die Kammer geht nach summarischer Prüfung von einem Kokainkonsum des Antragstellers aus. Der zumindest einmalige Kokainkonsum steht bereits auf Grund der geständigen Einlassung des Antragstellers gegenüber den Polizeibeamten fest. Der Antragsteller gab am 6. Januar 2018 gegen 14:00 Uhr gegenüber den Polizeibeamten, welche ihn stark schwitzend in der M.-straße in E. , nur in Jeans und T-Shirt bekleidet, angetroffen hatten, an, kurz zuvor zum ersten Mal Kokain konsumiert zu haben und händigte ihnen ein Tütchen mit weißem Pulver aus. Zudem gab er an, nun sehr unruhig zu sein und herum zu laufen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren trug der Antragsteller zwar vor, dass der Inhalt des Tütchens nicht geklärt sei, da dieses kurzzeitig auf der Motorhaube eines Fahrzeugs abgelegt und dort von einer Windböe erfasst und weggeweht worden sei und keine Untersuchung des Inhalts erfolgt sei. Eine Strafakte zu diesem Vorfall sei bei der Staatsanwaltschaft E. zudem nicht aufzufinden. An seinen Angaben gegenüber den Polizeibeamten muss sich der Antragsteller jedoch festhalten lassen. Mit dem bloßen Verweis darauf, dass der Inhalt des Tütchens nicht untersucht worden sei und daher nicht feststehe, um welche Substanz es sich gehandelt habe, hat er sein Eingeständnis gegenüber den Polizeibeamten, dass er Kokain konsumiert habe, auch nicht in Abrede gestellt. Vielmehr sprechen diese Angaben gegenüber den Polizeibeamten in Zusammenschau mit den von den Polizeibeamten beschriebenen Umständen (starkes Schwitzen) und den vom Antragsteller beschriebenen körperlichen Reaktionen bei summarischer Prüfung für den Konsum einer sog. harten Droge (Kokain). Der Umstand, dass ein Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft E. möglicherweise nicht eingeleitet worden und daher keine Ermittlungsakte vorhanden ist, ist für die Entziehung der Fahrerlaubnis unerheblich.

Es ist ebenso unerheblich, dass der Antragsteller am 6. Januar 2018 nach dem Konsum kein Kraftfahrzeug geführt hat. Der Konsum von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG (Ausnahme: Cannabis) ist nach Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV ein die Kraftfahreignung ausschließender Mangel. Dabei stellt Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV für den Regelfall weder auf die Häufigkeit der Einnahme noch auf ihren Bezug zum Führen eines Kraftfahrzeuges ab. Es wird weder der missbräuchliche Konsum, noch eine Abhängigkeit, noch eine gelegentliche oder häufige Einnahme vorausgesetzt, sondern lediglich die „Einnahme“ selbst. Deshalb ist im Regelfall von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen auch dann auszugehen, wenn es sich lediglich um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. März 2007 – 16 B 332/07 -, juris, m. w. N.; anders verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss v. 20. Juni 2002, NJW 2002, 2378 ff. und vom 8. Juli 2002, NJW 2002, 2381) nur hinsichtlich der Frage des Zusammenhangs von gelegentlichem Cannabis-Konsum und Kraftfahreignung.

Dass der Antragsteller seine Kraftfahreignung zwischenzeitlich wiedererlangt hat, kann nicht festgestellt werden. Nach einer zum Ausschluss der Fahreignung führenden Einnahme von Betäubungsmitteln kommt eine Wiedererlangung der Kraftfahreignung regelmäßig erst nach dem Nachweis einer einjährigen Abstinenz (vgl. Ziffer 9.5 der Anlage 4 zur FeV sowie Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung) und der Durchführung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (vgl. § 14 Abs. 2 FeV) in Betracht. An einem Nachweis einer einjährigen Abstinenz fehlt es schon deshalb, da der Vorfall am 6. Januar 2018 erst circa vier Monate zurückliegt. Daher vermögen auch die vom Antragsteller vorgelegten Screeningbefunde keine hinreichend lange Abstinenz zu belegen.

Es bleibt ihm unbenommen, in einem späteren Wiedererteilungsverfahren den Nachweis seiner wiedergewonnenen Kraftfahreignung durch den erforderlichen Abstinenznachweis sowie eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu führen, die zwingend vorgeschrieben ist (vgl. § 14 Abs. 2 FeV).

Besondere Umstände, die es im Fall des Antragstellers rechtfertigten, eine Abweichung vom Regelfall im Sinne der Ziffer 9.1 der Anlage 4 zur FeV anzunehmen, sind auch unter Berücksichtigung einer erstmaligen Einnahme und der beruflichen Konsequenzen für den Antragsteller nicht erkennbar.

Bei feststehender Ungeeignetheit unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung eines Gutachtens und die Fahrerlaubnis ist zwingend zu entziehen; ein Ermessen steht dem Antragsgegner nicht zu.

Die in Ziffer 2 der Ordnungsverfügung vom 7. März 2018 enthaltene deklaratorische Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG) begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Angesichts der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung insoweit überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nicht. Dass das Interesse des Antragstellers, seine Fahrerlaubnis wenigstens bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nutzen zu können, aus anderen Gründen Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug der Entziehungsverfügung genießt, ist nicht festzustellen. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen und im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen. Die mit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis verbundenen persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten für den Antragsteller muss er als Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.

So auch: OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2015 – 16 B 74/15 -, juris m. w. N.

Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage 7 K 1482/18 gegen die in Ziffer 3 der Ordnungsverfügung vom 7. März 2018 enthaltene Zwangsgeldandrohung kommt ebenfalls nicht in Betracht, da sich diese im Rahmen der summarischen Überprüfung voraussichtlich als rechtmäßig erweist. Sie entspricht den Anforderungen von §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 i.V.m. 2 des Gerichtskostengesetzes. Der Streitwert eines Klageverfahrens, das die Entziehung einer Fahrerlaubnis betrifft, ist ungeachtet der im Streit stehenden Fahrerlaubnisklassen, nach dem Auffangwert zu bemessen. Dieser ist im vorliegenden Eilverfahren zu halbieren.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 – 16 E 550/09 – juris.

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