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Fahrerlaubnisentziehung bei Besitz von harten Drogen

VG Augsburg – Az.: Au 7 S 17.1739 – Beschluss vom 31.01.2018

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der am … 1992 geborene Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs hinsichtlich der Entziehung seiner Fahrerlaubnis und der Verpflichtung zur Ablieferung seines Führerscheins.

1. Dem Antragsteller wurde erstmalig am 29. September 2010 die Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S erteilt.

Aufgrund einer Trunkenheitsfahrt am 22. Juli 2013 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,34 Promille wurde gegen den Antragsteller mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 28. August 2013 (rechtskräftig seit 29.10.2013) wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe verhängt und ihm wurde die Fahrerlaubnis entzogen (Sperrfrist: 10 Monate). Da beim Antragsteller am 13. Dezember 2013 im Rahmen einer polizeilichen Kontrolle seiner Person und Sachen 0,2 Gramm Amphetamin aufgefunden wurde, verhängte das Amtsgericht … wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln mit Strafbefehl vom 15. Februar 2014 (rechtskräftig seit 20.2.2014) eine Geldstrafe. Nach Ausräumung der Fahreignungszweifel wegen des Besitzes von harten Drogen mittels des ärztlichen Gutachtens der … vom 11. November 2014 wurde dem Antragsteller am 18. November 2014 die Fahrerlaubnis der Klassen A (79.03, 79.04), A1 (79.03, 79.04), B, L, S und M neu erteilt.

2. Die Polizeiinspektion … informierte das Landratsamt … (nachfolgend: Landratsamt) mit Schreiben vom 23. März 2017 („Mitteilung wegen eines Betäubungsmitteldelikts“) und beiliegendem Aktenvermerk (Az.: …) über folgenden Sachverhalt:

Am Sonntag, den 5. März 2017, gegen 11:24 Uhr, wurde im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers in dessen Geldbörse eine durchsichtige Druckverschlusstüte mit 0,1 Gramm Amphetamin in Pulverform sowie eine schwarze Druckverschlusstüte mit 0,4 Gramm Amphetamin in Klumpen- und Pulverform aufgefunden. Der Antragsteller habe auf Nachfragen angegeben, dass es sich um seine Geldbörse handle. Während der Durchsuchung habe der Antragsteller den Polizeibeamten eine durchsichtige Druckverschlusstüte (Marihuanaaufdruck) mit 2,8 Gramm Marihuana übergeben, die sich auf dem Wohnzimmertisch befand. Zudem wurde auf diesem Tisch eine Marihuana-Tabakmischung (ca. 0,1 Gramm) aufgefunden.

Nach Anhörung (Schreiben vom 3.8.2017) forderte das Landratsamt den Antragsteller auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV mit Schreiben vom 17. August 2017 (Zustellung laut Postzustellungsurkunde am 22.8.2017) dazu auf, bis zum 17. August 2017 ein ärztliches Gutachten eines Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle vorzulegen. Bis zum 31. August 2017 habe der Antragsteller die Begutachtungsstelle zu benennen. Zur Begründung wurde auf die am 5. März 2017 unter anderem in seiner Geldbörse aufgefundenen 0,5 Gramm Amphetamin verwiesen. Die Anordnung erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen. Denn da der Antragsteller zu seinem Konsumverhalten keine Angaben gemacht habe, jedoch im Besitz von 0,5 Gramm Amphetamin gewesen sei, sei das Konsumverhalten der harten Drogen abzuklären. Er habe durch den Besitz der harten Drogen jederzeit Amphetamin konsumieren können. Wieviel Amphetamin der Antragsteller ursprünglich erworben habe, sei unklar, so dass er jederzeit vor der Beschlagnahme des Amphetamins einen Konsum von harten Drogen gehabt haben könnte.

Von der zu benennenden ärztlichen Fachkraft sei folgende Frage zu beantworten:

„Nimmt bzw. nahm der / die Untersuchte Betäubungsmittel im Sinne des BtMG oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe im Sinne des StVG ein, die die Fahreignung nach Anlage 4 zu den §§ 11, 13, 14 FeV in Frage stellen.“ Es erfolgte der Hinweis, dass bei der Gutachtenserstellung eine Haaranalyse über 6 cm zu berücksichtigen sei.

Der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass das Landratsamt bei nicht fristgerechter Gutachtensvorlage auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen und ihm die Fahrerlaubnis entziehen werde.

Am 29. August 2017 wurde den Bevollmächtigten des Antragstellers, die dem Landratsamt mit Schreiben vom 17. August 2017 die Vertretung des Antragstellers anzeigt hatten, Akteneinsicht durch Online-Bereitstellung gewährt.

Mit Fax-Schreiben vom 4. September 2017 teilte das Landratsamt den Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass bezüglich der Fristsetzung zur Vorlage des Gutachtens ein Fehler unterlaufen sei. Das Gutachten sei bis 17. Oktober 2017 vorzulegen und nicht, wie in der Anordnung mitgeteilt, bis 17. August 2017.

Mit weiterem Schreiben vom 12. September 2017 wurden die Bevollmächtigten nochmals darauf hingewiesen, dass eine Begutachtungsstelle bislang nicht benannt worden sei und der Antragsteller das Gutachten bis zum 17. Oktober 2017 vorzulegen habe. Unter dem 18. Oktober 2017 wurden die Bevollmächtigten des Antragstellers zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört; Frist zur Stellungnahme oder zu einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis wurde bis 1. November 2017 eingeräumt.

Eine Äußerung der Antragstellerseite erfolgte nicht.

3. Mit Bescheid vom 7. November 2017, den Bevollmächtigten zugestellt am 10. November 2017, wurde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis in vollem Umfang entzogen (Nr. 1). Gleichzeitig wurde angeordnet, dass der am 12. Dezember 2014 ausgestellte Führerschein der Klassen A (79.03, 79.04), A1 (79.03, 79.04), B, L, S und M unverzüglich beim Landratsamt abzugeben ist. Sollte der Führerschein unauffindbar sein, sei stattdessen innerhalb derselben Frist eine Versicherung an Eides Statt über den Verbleib des Führerscheins vorzulegen (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 dieses Bescheids wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall, dass der Führerschein nicht fristgerecht abgeliefert wird, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250 EUR angedroht (Nr. 4).

Der Antragsteller hat seinen Führerschein beim Landratsamt abgegeben.

4. Am 22. November 2017 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom 7. November 2017 aufzuheben.

Die Klage, über die noch nicht entschieden wurde, wird unter dem Aktenzeichen Au 7 K 17.1738 geführt.

Gleichzeitig wurde der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheids des Antragsgegners vom 7. November 2017 wiederherzustellen.

Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass am 5. März 2017 in der Wohnung des Antragstellers eine geringe Menge Betäubungsmittel aufgefunden worden sei. Für den Besitz dieser Substanzen sei er mittels Strafbefehl zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Anhaltspunkte zu einem bestehenden Eigenkonsum fänden sich in der Ermittlungsakte nicht. Vielmehr sei bei der Wohnungsdurchsuchung die Freundin des Antragstellers zugegen gewesen, bei der ein nicht unwesentlicher Teil der Gesamtmenge aufgefunden worden sei. Die Hinzuziehung der Akten des Amtsgerichts … (…) werde beantragt.

Es bestehe nach wie vor keinerlei Nachweis über einen Konsum von Betäubungsmitteln durch den Antragsteller. Die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens zur Fahreignung sei unverhältnismäßig gewesen. Eine ausreichende Probenentnahme sei aufgrund der kurzen Haare des Antragstellers auch nicht möglich gewesen. Der Antragsteller sei zudem zum damaligen Zeitpunkt auch nicht in der Lage gewesen, die finanziellen Mittel für das Gutachten aufzubringen. Die Spekulation der Behörde, die Nichtvorlage des Gutachtens diene zur Verdeckung eines bestehenden Fahreignungsmangels, sei daher unzutreffend. Aus diesen Gründen bestehe auch kein Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit.

Das Landratsamt beantragte mit Schreiben vom 28. November 2017, den Antrag abzulehnen.

Das ärztliche Gutachten sei angeordnet worden, um abzuklären, ob der Antragsteller harte Drogen im Sinne des BtMG konsumiert habe. Nachdem die Amphetamine im Geldbeutel des Antragstellers aufgefunden worden seien, seien ihm die harten Drogen eindeutig zuzuordnen. Der Bevollmächtigte habe angegeben, dass eine Vorlage des Gutachtens nicht möglich gewesen sei, da der Antragsteller kurze Haare gehabt habe. Durch eine Mitteilung beim Landratsamt hätte die Haaranalyse in zwei Urinscreenings abgeändert werden können. Weder der Antragteller noch sein Bevollmächtigter hätten jedoch angegeben, dass die Haaranalyse nicht erbracht werden könne. Finanzielle Engpässe könnten nicht dazu führen, von einer Fahreignungsüberprüfung abzusehen.

Unter dem 5. Dezember 2017 replizierten die Bevollmächtigten des Antragstellers und führten aus, die bisherige Verwaltungspraxis der Behörde habe nicht erwarten lassen, dass man sich mit der Abklärung eines geringeren Zeitraumes (Urinscreenings statt Haaranalyse) abfinden werde. Prinzipiell sei der Antragsteller bereit, sich entsprechenden Urintests zu unterziehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs (unter II. f), Seite 5 des Bescheids vom 7.11.2017) entspricht offenkundig den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzustellen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage zusätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch. Ein solcher Fall lag hier aus der Sicht des Landratsamts vor. Die Behörde hat vor diesem Hintergrund das besondere Interesse am sofortigen Vollzug unter Bezug auf den Einzelfall hinreichend begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine inhaltliche Überprüfung der Begründung der Behörde, sondern es wird eine eigenständige gerichtliche Interessenabwägung durchgeführt (BayVGH, B.v. 16.12.2015 – 11 CS 15.2377 – juris; B.v. 8.9.2015 – 11 CS 15.1634 – juris Rn. 6 m.w.N.).

2. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, die sich insbesondere auch an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert. Bei summarischer Überprüfung der Rechtslage wird die Anfechtungsklage gegen Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids vom 7. November 2017 voraussichtlich erfolglos bleiben, weil der Bescheid insoweit rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

3.Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, U. v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – DAR 2014, 711, juris). Hier hat der Antragsteller gegen den Entziehungsbescheid unmittelbar Klage erhoben und kein Widerspruchsverfahren eingeleitet. Damit ist auf den Zugang des Bescheids des Landratsamtes vom 7. November 2017 – dies war der 10. November 2017 – abzustellen.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde eine Fahrerlaubnis – ohne Ermessensspielraum – zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV entfällt die Fahreignung bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis). Gemäß § 46 Abs. 3 FeV finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken hinsichtlich der Fahreignung begründen. Die Fahrerlaubnisbehörde hat daher im Einzelfall die in den §§ 11 bis 14 FeV geregelten Aufklärungsmaßnahmen zu treffen. Die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens kann gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV angeordnet werden, wenn ein Betroffener Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat.

Gemäß § 11 Abs. 8 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung eines Betroffenen schließen, wenn dieser ein von der Fahrerlaubnisbehörde gefordertes Gutachten nicht fristgerecht beibringt.

Der Schluss auf die Nichteignung eines Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen wegen nicht vorgelegten Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Untersuchung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr., zuletzt BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.). Da die Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens nicht isoliert anfechtbar ist, stellt die Rechtsprechung an sie strenge Anforderungen, die im Falle einer Folgemaßnahme (hier die Entziehung der Fahrerlaubnis) inzident zu prüfen sind.

Die Aufforderung zur Beibringung des ärztlichen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung war hier formell und materiell rechtmäßig in diesem Sinne.

a) Die Gutachtensanforderung vom 17. August 2017 genügt, zusammen mit dem Schreiben des Landratsamtes vom 4. September 2017, den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV.

Sie ist aus sich selbst heraus verständlich; die Umstände, aus denen Eignungszweifel folgen, werden angegeben, nämlich der Fund von u.a. 0,5 Gramm Amphetamin in der Geldbörse des Antragstellers am 5. März 2017. Die vom Gutachter zu klärende Frage ist vorgegeben. Im Hinblick auf die vorliegende Fragestellung ergeben sich auch keine Bedenken. Der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass die Nichtvorlage des Gutachtens zum Entzug der Fahrerlaubnis führt (vgl. § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV). Er wurde auch darauf hingewiesen, dass er die an die Gutachtensstelle zu übersendenden Unterlagen einsehen kann (vgl. § 11 Abs. 6 Satz 2 2. Hs. FeV). Auch die Bestimmung eines „Arztes einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung“ als für die Untersuchung des Antragstellers und die Erstellung des Gutachtens heranzuziehende Stelle begegnet keinen Rechtmäßigkeitszweifeln (vgl. § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV).

Unschädlich ist, dass in der Gutachtensanforderung vom 17. August 2017 ein offensichtlich unzutreffendes Datum bezüglich des (spätesten) Zeitpunkts zur Vorlage des Gutachtens angegeben ist („Das Gutachten ist bis spätestens 17.08.2017 vorzulegen“). Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Gutachtensanordnung ergänzen oder korrigieren, solange ein Gutachten noch nicht erstellt und die Fahrerlaubnis noch nicht entzogen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 11 CS 17.1066 – juris, B.v. 18.2.2016 – 11 ZB 15.2733 – juris Rn. 15 m.w.N.). Eine solche Korrektur hat das Landratsamt mit seinem Fax-Schreiben vom 4. September 2017 (vgl. Bl. 32 der Behördenakte) durchgeführt, in dem es den Bevollmächtigten mitteilte, dass der Antragsteller das Gutachten bis zum 17. Oktober 2017 und nicht, wie in der Anordnung mitgeteilt, bis zum 17. August 2017 vorzulegen habe. Die gesetzte Frist zur Gutachtensvorlage (17.10.2017) war auch im Zeitpunkt des Zugangs des Korrekturschreibens (4.9.2017) nicht zu kurz bemessen. Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die im Anforderungsschreiben vom 17. August 2017 gesetzte Frist zur Benennung des Gutachters (31.8.2017) angemessen war und der Antragsteller auch ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass er sich eine verzögerte Benennung der Begutachtungsstelle zurechnen lassen müsse. Zum anderen war auch für die Antragstellerseite unschwer erkennbar, dass es sich bei der im Anforderungsschreiben vom 17. August 2017 genannten Frist zur Gutachtensvorlage um ein Versehen bzw. um einen Schreibfehler handelte.

b) In materieller Hinsicht wurde die Gutachtensanordnung vom Landratsamt zu Recht auf § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV gestützt. Danach kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet werden, wenn der Betroffene Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes widerrechtlich besitzt oder besessen hat.

aa) Es steht fest, dass der Antragsteller am 5. März 2017 widerrechtlich im Besitz von (auch) harten Drogen war (hier: Amphetamin, vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über den Verkehr mit Betäubungsmitteln – Betäubungsmittelgesetz/BtMG – in Verbindung mit Anlage III zum BtMG). Zum einen ergibt sich dieser Sachverhalt aus den polizeilichen Feststellungen (s. Mitteilung der Polizeiinspektion … vom 23.3.2017, Bl. 2, 3 der Behördenakte), wonach im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers am 5. März 2017 in seinem Geldbeutel insgesamt 0,5 Gramm Amphetamin aufgefunden wurde. Zum anderen hat die Antragstellerseite im Klage-/Antragsschriftsatz vom 20. November 2017 selbst darauf hingewiesen, dass der Antragsteller aufgrund der am 5. März 2017 in seiner Wohnung aufgefundenen Drogen strafrechtlich verurteilt, nämlich wegen des (unerlaubten) Besitzes von Betäubungsmitteln gegen ihn eine Geldstrafe mittels Strafbefehl (Az.: …) verhängt wurde; dass der Antragsteller gegen den Strafbefehl (erfolgreich) Einspruch erhoben habe, wurde nicht geltend gemacht, so dass von der Rechtskraft des Strafbefehls auszugehen ist.

bb) Im Fall des Besitzes von Betäubungsmitteln stellt die Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens eine Ermessensentscheidung der Fahrerlaubnisbehörde dar, weil der Besitz nicht immer den Verdacht der Einnahme rechtfertigen kann, etwa wenn feststeht, dass der Betroffene ein Dealer ist, der sich selbst des Konsums enthält (Nomos Kommentar Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 14 FeV, Rn. 10).

Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Auf das (im Neuerteilungsverfahren eingeholte) ärztliche Gutachten der … vom 11. November 2014 kann sich der Antragsteller nicht berufen, da der weitere Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz bzw. der erneute Besitz von harten Drogen nach der (Neu-) Erteilung der Fahrerlaubnis geeignet ist, Fahreignungszweifel auszulösen. Hier liegt es zudem aufgrund der nur sehr geringen aufgefunden Menge an Amphetamin (eine Druckverschlusstüte mit 0,1 Gramm Amphetamin in Pulverform und eine Druckverschlusstüte mit 0,4 Gramm Amphetamin in Klumpen- und Pulverform) fern, dass die harte Droge nicht zum Eigengebrauch bestimmt war. Für einen Eigengebrauch spricht auch, dass der Antragsteller nach seinen Angaben (Schriftsatz vom 20.11.2017) nicht wegen Handeltreibens, sondern „nur“ wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln verurteilt wurde. Nicht durchdringen kann die Antragstellerseite mit ihrem Vorbringen (s. Schriftsatz vom 20.11.2017), gegen einen Eigenkonsum des Antragstellers spreche, dass bei seiner Freundin, die bei der Wohnungsdurchsuchung anwesend war, ein nicht unwesentlicher Teil der Gesamtmenge aufgefunden worden sei. Mit diesem Vortrag wird nicht bestritten, dass auch der Antragsteller im Besitz von harten Drogen war; insofern ist er auch strafrechtlich belangt worden. Für die Anordnung der Beibringung eines ärztlichen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV reicht der bloße Verdacht des Konsums von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes. Ob ein solcher Konsum tatsächlich vorliegt, hätte gerade durch das ärztliche Gutachten geklärt werden können.

Im Übrigen hat die Fahrerlaubnisbehörde ausweislich der Beibringungsaufforderung das ihr eingeräumte Ermessen erkannt und in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Beibringung eines ärztlichen Fahreignungsgutachtens, so dass die Anwendung von § 11 Abs. 8 FeV keinen Bedenken begegnet.

cc) Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Behauptung, dass der Antragsteller nicht die finanziellen Mittel gehabt habe, um der Aufforderung nachkommen zu können. Der erstmals im gerichtlichen Verfahren erhobene Einwand, der Antragsteller habe zum damaligen Zeitpunkt der Gutachtensanforderung die Kosten einer Begutachtung nicht aufbringen können, vermag ihn nicht zu entlasten. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist es ausreichend für den Schluss auf eine Nichteignung des Betroffenen, dass dieser das „geforderte Gutachten nicht fristgerecht“ beibringt; das Gesetz differenziert nicht danach, aus welchen Gründen die Beibringung unterbleibt. Nach ständiger Rechtsprechung kann allenfalls in besonders gelagerten Fällen Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage des Fahrerlaubnisinhabers genommen werden (BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 11 C 12.1175 – juris Rn. 26; OVG NRW, B.v. 19.10.2010 – 16 A 2133/10 – juris Rn. 3; BVerwG, U.v. 13.11.1997 – 3 C 1/97 – BayVBl 1998, 634). Jedenfalls ist erforderlich, dass die zur Vorlage eines Fahreignungsgutachtens aufgeforderte Person ihre wirtschaftliche Lage lückenlos offenlegt, sie ferner die Richtigkeit ihrer Angaben beweiskräftig belegt und außerdem aufzeigt, dass sie alle ihr möglichen und zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, um die für die Begutachtung notwendigen Mittel aufzubringen. Damit der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit nicht nur vorgeschoben wird, um auf diese Weise die Aufdeckung fahreignungsrelevanter Umstände zu verhindern, muss darüber hinaus außer Zweifel stehen, dass der Adressat einer Begutachtungsaufforderung, wäre er finanziell leistungsfähig, diesem Verlangen nachkommen würde (BayVGH, B.v. 10.1.2011 – 11 CS 10.2404 – juris Rn. 28). Derartiges hat der Antragsteller jedoch nicht einmal ansatzweise aufgezeigt, vielmehr hat er es im gerichtlichen Verfahren bei der bloßen Behauptung mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit belassen (s. Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 20.11.2017) und im behördlichen Verfahren hat sich der Antragsteller, obwohl er bereits dort anwaltlich vertreten war, überhaupt nicht geäußert.

dd) Unbeachtlich ist auch der erstmalig im gerichtlichen Verfahren vorgebrachte Einwand, dass die im Rahmen der Gutachtensanordnung geforderte Haaranalyse aufgrund der kurzen Haare des Antragstellers nicht möglich gewesen sei. Dieser Einwand wäre nur dann berücksichtigungsfähig, wenn der Antragsteller die Unmöglichkeit einer Haaranalyse nach Erhalt der Gutachtensanforderung gegenüber dem Landratsamt geltend gemacht hätte und das Landratsamt dann auf einen solchen Sachverhalt nicht oder nicht angemessen reagiert hätte. Da dem Landratsamt aber im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Entziehungsbescheids die Unmöglichkeit, eine Haaranalyse beizubringen, nicht bekannt war, erweist sich sein Schluss auf die Nichteignung des Antragstellers wegen Nichtvorlage des ärztlichen Gutachtens und damit die Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtmäßig. Der Antragsteller, der auch im behördlichen Verfahren anwaltlich vertreten war, muss sich die für ihn negativen Folgen, die sich aus seinem Schweigen im behördlichen Verfahren ergeben haben, zurechnen lassen, zumal ihm das Landratsamt mehrfach die Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt hat und er auch auf die Folgen, die sich aus der nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens ergeben, ausdrücklich hingewiesen wurde.

Ins Leere geht insofern auch der Vortrag der Antragstellerseite, die bisherige Verwaltungspraxis der Behörde habe nicht erwarten lassen, dass man sich mit der Abklärung eines geringeren Zeitraumes (Urinscreenings statt Haaranalyse) abfinden werde (s. Schriftsatz vom 5.12.2017). Verzichtet die Antragstellerseite bewusst auf die Möglichkeit, mit dem Landratsamt Kontakt aufzunehmen, um das weitere Vorgehen im Falle einer nicht durchführbaren Haaranalyse abzuklären, kann sie sich auch nicht auf eine angebliche (rechtswidrige) Verwaltungspraxis berufen, Urinscreenings anstelle einer Haaranalyse grundsätzlich nicht zuzulassen. Zudem hat das Landratsamt auch mit seinen Schreiben vom 28. November 2017 und 18. Dezember 2017 klargestellt, dass in Fällen, in denen eine Haaranalyse nicht möglich ist, Urinscreenings gefordert werden.

ee) § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV sieht bei Vorliegen der Voraussetzungen die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens vor. Die Anordnung eines bloßen Urinscreenings oder einer Haarprobe wäre für den Nachweis, dass keine Drogen konsumiert wurden, nicht ausreichend. Damit geht auch der erstmals im gerichtlichen Verfahren unterbreitete „Vorschlag“ des Antragsteller, er sei prinzipiell bereit, sich entsprechenden Urintests zu unterziehen (s. Schriftsatz vom 5.12.2017), ins Leere.

4. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).

 

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