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Bußgeldbescheid – Einspruchseinlegung per Email unzulässig

Digitalisierung trifft Rechtsprechung: E-Mail-Einspruch gegen Bußgeldbescheid unzulässig

In der heutigen, stark digitalisierten Gesellschaft mag es verwunderlich klingen, dass ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid per E-Mail als unzulässig gilt. So entschied das Amtsgericht Aschersleben (Az.: 6 OWi 139/23) in seinem Beschluss vom 18. Juli 2023. Hierbei ist es besonders interessant, dass die formale Einlegung des Einspruchs die zentrale Rolle im vorliegenden Fall spielt. Ein Betroffener hatte versucht, per E-Mail Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid einzulegen, doch das Gericht sah dies als unzulässig an. Der Schlüsselaspekt dieses Falles dreht sich um die Interpretation und Anwendung von Verfahrensregeln in Zeiten der Digitalisierung.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 OWi 139/23 >>>

Frist und Form: Wichtige Aspekte bei der Einspruchseinlegung

In diesem Fall hatte der Betroffene, nachdem er einen Bußgeldbescheid erhalten hatte, versucht, innerhalb der vorgeschriebenen Frist von zwei Wochen Einspruch per E-Mail einzulegen. Er wurde jedoch mit der Information konfrontiert, dass dieser digitale Übertragungsweg nicht zulässig sei. Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid muss schriftlich oder zur Niederschrift bei der im Briefkopf genannten Behörde erfolgen. Die Behörde hat keinen zusätzlichen Übertragungsweg, wie z.B. die Einlegung per E-Mail, eröffnet.

Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Da die formgerechte Einlegung des Einspruchs nicht erfolgt war, hatte der Betroffene seine Frist versäumt. Er beantragte daraufhin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die ihm jedoch nicht gewährt wurde. Die Rechtsmittelbelehrung unter dem Verwerfungsbescheid vom 3. Mai 2023 war im Gegensatz zur Rechtsmittelbelehrung unter dem Bußgeldbescheid vom 21. März 2023 korrekt.

Schriftform und die Grenzen der Digitalisierung

Das Gericht verwies auf die Tatsache, dass das Dokument, das den Antrag auf gerichtliche Entscheidung enthält, die Schriftform erfüllen muss. Auch wenndie Art und Weise, wie Dokumente „schriftlich“ bei Gerichten und Behörden eingereicht werden können, zunehmend komplexer wird, ist es Aufgabe des Rechtsbehelfsführers, sich über die genaue Art der Schriftform selbst zu informieren. Dieses Urteil zeigt, dass trotz der fortschreitenden Digitalisierung, die Gesetze die Grenzen setzen.

Impakt des Urteils und zukünftige Implikationen

Diese Entscheidung verdeutlicht die komplexen Herausforderungen, die die Digitalisierung für das Rechtssystem mit sich bringt. Es unterstreicht die Wichtigkeit einer genauen Kenntnis der formalen Anforderungen bei der Einlegung von Rechtsmitteln. Diese Entscheidung könnte auch zukünftige Diskussionen über die Aktualisierung von Verfahrensregeln angesichts der fortschreitenden Digitalisierung anregen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie die Gesetzgebung auf diese Herausforderungen reagieren wird.


Das vorliegende Urteil

AG Aschersleben – Az.: 6 OWi 139/23 – Beschluss vom 18.07.2023

1. Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird verworfen.

3. Der Betroffene trägt auch die Kosten des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung.

Gründe

I.

Bußgeldbescheid – Einspruchseinlegung per Email unzulässig
Trotz fortschreitender Digitalisierung: Einspruch gegen Bußgeldbescheid per Email unzulässig, entschied Amtsgericht Aschersleben. Wissen über formale Anforderungen von Verfahrensregeln bleibt unerlässlich. #Recht trifft #Digitalisierung. (Symbolfoto: Song_about_summer /Shutterstock.com)

Gegen den Betroffenen erließ die Polizeiinspektion Zentrale Dienste – Zentrale Bußgeldstelle am 21.03.2023 einen Bußgeldbescheid wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes. Dieser Bescheid wurde dem Betroffenen am 25.03.2023 zugestellt.

Der Bußgeldbescheid enthält in der Kopfzeile die folgenden Angaben:

Auskunft erteilt:  Frau x

Telefon:   …

Telefax:   …

E-Mail:   [E-Mail Adresse des ZBS im Original]

Internet:

Datum:   21.03.2023

Aktenzeichen:  3898-681875-0

(bei Zahlung stets angeben)

Außerdem enthält der Bußgeldbescheid folgende Angaben:

Rechtsbehelfsbelehrung

Der Bußgeldbescheid wird rechtskräftig und vollstreckbar, wenn Sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der im Briefkopf

genannten Behörde Einspruch einlegen. Bei schriftlicher Erklärung ist die Frist nur gewahrt, wenn der Einspruch vor Ablauf der Frist dort eingeht. Die Erklärung muss in deutscher Sprache abgefasst sein.

Wichtige Hinweise bei einem Einspruch

Ein per E-Mail eingelegter Einspruch ist nur zulässig, wenn dieser bei mir unverzüglich mit Ihrer Unterschrift per Post oder Fax eingeht.

Mit E-Mail vom 27.03.2023 erhob der Betroffene Einspruch gegen den Bußgeldbescheid. Diese E-Mail wurde durch die Zentrale Bußgeldstelle am 23.05.2023 ausgedruckt und in ausgedruckter Form zur Akte genommen.

In dieser heißt es:

Von: [E-Mail Adresse des Betroffenen im Original]

An: [E-Mail Adresse des ZBS im Original]

Cc:

Gesendet am: 27.03.2023 15:26:51

Empfangen am: 27.03.2023 15:27:07

Betreff: [EXTERN] AZ.:3898-681875-0

Sehr geehrte Frau x,

hiermit lege ich Einspruch gegen Ihr Schreiben vom 21.3.2023 ein. Erstens ist Ihr Messergebnis nicht korrekt. Ihre Messeinrichtung stand direkt unter der Ampel und war von weitem schon zu sehen. Des Weiteren habe ich die Geschwindigkeit reduzieren müssen, da die Ampel noch auf „Rot“ stand. Außerdem kann ich Ihre Straffestsetzung aufgrund einer Voreintragung nicht akzeptieren. Was beinhaltet die Voreintragung? Ich habe eine Flotte von Fahrzeugen und Fahrern, da gibt es ständig versehentliche Verstöße. Dafür werde ich mich aber nicht persönlich haftbar machen lassen. Ich werde mir das nicht gefallen lassen. Ich hoffe daher auf eine gütliche Einigung dieser Angelegenheit.

Mit bestem Gruß

Mit Bescheid vom 03.05.2023 verwarf die Bußgeldstelle den Einspruch. Sie stützt diesen Bescheid darauf, dass eine Einlegung per E-Mail formwidrig sei. Die E-Mail wahre mangels

Unterschrift nicht die von § 67 OWiG vorgesehene Schriftform.

Der Verwerfungsbescheid wurde dem Betroffenen am 06.05.2023 zugestellt. Dieser enthielt folgende Rechtsbehelfsbelehrung:

Rechtsbehelfsbelehrung

Der Verwerfungsbescheid wird rechtskräftig und vollstreckbar, wenn Sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der im Briefkopf

genannten Behörde gerichtliche Entscheidung beantragen. Bei schriftlicher Erklärung ist die Frist nur gewahrt, wenn der Antrag vor Ablauf der Frist dort eingeht. Die Erklärung muss in deutscher Sprache abgefasst sein.

Der Passus „Wichtige Hinweise …“, wie er bei dem Bußgeldbescheid verwendet wurde, fehlt hier.

Gegen diesen wendet er sich mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 07.05.2023 wiederum per E-Mail. Auch diese E-Mail wurde am 23.05.2023 ausgedruckt und zur Akte genommen.

II.

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, denn er ist nicht fristgerecht eingegangen. Nach Zustellung des Verwerfungsbescheides am 06.05.2023 lief die zweiwöchige Frist des § 69 Abs. 1 S. 2 OWiG am 22.05.2023 ab, weil der 20.05.2022 ein Sonnabend war. Der Betroffene stellte erst am 23.05.2023 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, da es auf den Zeitpunkt des Ausdrucks der E-Mail ankommt (BGH NJW 2019, 2096 (2097); OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 10324; Thüringer Oberlandesgericht Beschluss vom 10. November 2017 – 1 OLG 145 SsBs 49/16). Anders als für den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eröffnete die Behörde hier keinen zusätzlichen Übertragungsweg.

2. Dem Betroffenen war für diese Fristversäumung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da die Rechtsmittelbelehrung unter dem Verwerfungsbescheid vom 03.05.2023 – anders als die Rechtsmittelbelehrung unter dem Bußgeldbescheid vom 21.03.2023 (AG Aschersleben Beschl. v. 2.1.2023 – 6 OWi 301/22, BeckRS 2023, 1, beck-online) – richtig ist und der Betroffene keine Gründe für eine unverschuldete Versäumung der Frist geltend gemacht hat.

Die Verwaltungsbehörde war nicht gehalten, in die Rechtsbehelfsbelehrung zusätzlich aufzunehmen, dass auch die elektronische Übersendung nach § 32a Abs. 2, Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG möglich ist. Die Belehrung muss nur enthalten, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde oder schriftlich eingelegt werden muss, §§ 69 Abs. 1 S. 2, 62 Abs. 2 S. 2 OWiG i.V.m. § 306 Abs. 1 StPO. Die Behörde muss nicht darüber belehren, wie diese Schriftform einzuhalten ist. Seit dem 01.01.2022 muss die Verwaltungsbehörde zwar auch den Zugang nach § 32a Abs. 2, Abs. 3 StPO i.V.m. § 110c OWiG eröffnen. Darüberhinausgehende Zugangsmöglichkeiten stehen in ihrem Belieben (BeckOK OWiG/Gertler, 31. Ed. 1.7.2021, OWiG § 67 Rn. 69). Der Wortlaut von § 32a Abs. 3 StPO gestaltet jedoch keine neue Formvorschrift, sondern definiert die Umstände, unter denen ein elektronisches Dokument schriftlich abgefasst ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, erfüllt das Dokument die Schriftform. Es wird gerade keine neue Form geschaffen (was im Einklang mit BGH NJW 2019, 2096 (2097) steht), über die dann zu belehren wäre.

Auch wenn die Arten, Dokumente „schriftlich“ bei den Gerichten und Behörden einzureichen, damit noch unübersichtlicher werden und die „Schriftlichkeit“ kaum noch etwas mit dem gemeinen Wortsinn zu tun hat, ist es Aufgabe des Rechtsbehelfsführers, sich über die konkrete Art der Schriftform selbst zu informieren (BeckOK OWiG/A. Bücherl, 38. Ed. 1.4.2023, OWiG § 50 Rn. 16.1).

Gemessen daran erfüllt die oben dargestellte Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Verwerfungsbescheid die Anforderungen der §§ 69 Abs. 1 S. 2, 62 Abs. 2 S. 2 OWiG i.V.m. § 306 Abs. 1 StPO.

Darüberhinausgehende Gründe, die für eine unverschuldete Fristversäumung sprächen, hat der Betroffene nicht dargetan. In seinem Schreiben vom 26.06.2023 wendet er sich inhaltlich im Wesentlichen gegen den Bußgeldbescheid, wenn er ausführt, dass die Geschwindigkeitstafeln keine Geschwindigkeitsbegrenzung angezeigt hätten. Das wäre erst nach zulässigem Einspruch zu prüfen gewesen. Dem Betroffenen ist zwar zuzustimmen, dass wir im Digitalzeitalter leben. Die Grenzen der Digitalisierung werden jedoch durch die Gesetze gezogen. Bei rechtzeitigem und formwirksamen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre seinem konkludenten Antrag auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist auch entsprochen worden, weil die Rechtsbehelfsbelehrung unter dem Bußgeldbescheid wie in AG Aschersleben Beschl. v. 2.1.2023 – 6 OWi 301/22, BeckRS 2023, 1, beck-online dargestellt irreführend ist. Da er jedoch auch gegen den Verwerfungsbescheid nicht formgerecht Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellte und die Rechtsbehelfsbelehrung hier richtig ist, musste ihm der Erfolg versagt werden.

§ 110c OWiG i.V.m. § 32a Abs. 6 StPO ist nicht anzuwenden, weil sich dieser nur auf die Möglichkeit der Bearbeitung des eingereichten Dokuments, nicht jedoch auf die Einreichungsmodalitäten bezieht.

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