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DSGVO – Preisgabe von persönlichen Daten an die Polizei- oder Bußgeldbehörde

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat in den letzten Jahren für viele Diskussionen gesorgt, insbesondere wenn es um die Preisgabe persönlicher Daten geht. Ein aktueller Fall, der vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz verhandelt wurde, beleuchtet genau diesen Aspekt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 7 B 10360/23 >>>

Beschwerde und Hintergrund

Eine Antragstellerin legte Beschwerde gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz ein. Dieser Beschluss vom 17. April 2023 wurde jedoch vom Oberverwaltungsgericht am 20. Juni 2023 bestätigt und die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragstellerin muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen, wobei der Wert des Streitgegenstandes auf 50.400,00 € festgelegt wurde.

Kern des Problems

Die Antragstellerin argumentierte, dass der ursprüngliche Beschluss des Verwaltungsgerichts geändert oder aufgehoben werden sollte. Das Verwaltungsgericht hatte jedoch einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt, da dieser unbegründet war. Es ging um die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen eine Fahrtenbuchauflage, die vom Antragsgegner am 2. Februar 2023 angeordnet wurde.

Rechtliche Grundlagen und Argumentation

Laut § 31a Abs. 1 Satz 1 der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) kann die Verwaltungsbehörde einem Fahrzeughalter die Führung eines Fahrtenbuchs auferlegen, wenn die Identifizierung eines Fahrzeugführers nach einem Verkehrsverstoß nicht möglich war. Die Antragstellerin argumentierte, dass die Verkehrsverstöße nicht schwerwiegend waren. Das Verwaltungsgericht wies jedoch darauf hin, dass die festgestellten Verstöße erheblich waren und die Anordnung eines Fahrtenbuchs rechtfertigten.

Geschwindigkeitsmessung und ihre Verwertbarkeit

Ein weiterer Punkt, den die Antragstellerin hervorhob, war die mögliche Unzuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung. Sie hinterfragte die Verwertbarkeit der Messung. Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Gerichte nur dann die Zuverlässigkeit einer Geschwindigkeitsmessung überprüfen müssen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorgebracht werden. Die Antragstellerin konnte jedoch nicht ausreichend darlegen, welche Schritte sie unternommen hat, um Zugang zu den relevanten Daten zu erhalten.

Insgesamt zeigt dieser Fall die Komplexität und die vielen Facetten, die bei der Anwendung der DSGVO und im Kontext der Preisgabe persönlicher Daten zu berücksichtigen sind. Es ist ein ständiges Abwägen zwischen dem Schutz persönlicher Daten und dem öffentlichen Interesse.


Das vorliegende Urteil

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 7 B 10360/23 – Beschluss vom 20.06.2023

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz vom 17. April 2023 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50.400,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Ausführungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt, enthalten keine Gründe, aus denen der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben wäre (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –). Das Verwaltungsgericht hat den auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Antrag im Ergebnis zu Recht abgelehnt, denn der Antrag ist unbegründet. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung führt nicht zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die mit dem angefochtenen Bescheid des Antragsgegners vom 2. Februar 2023 angeordnete Fahrtenbuchauflage. Wenn auch die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung als offen erscheinen (I.), überwiegt hier dennoch das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchanordnung das private Interesse der Antragstellerin, von der Vollziehung vorerst verschont zu bleiben (II.).

DSGVO - Preisgabe von persönlichen Daten an die Polizei- oder Bußgeldbehörde
DSGVO trifft Fahrtenbuchauflage: Fall vorm Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz beleuchtet Balanceakt zwischen Datenschutz und öffentlichem Interesse. (Symbolfoto: Riegler Klaus /Shutterstock.com)

I. Gemäß § 31a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrszulassungsordnung – StVZO – kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Zwar liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm vor (1.). Derzeit kann aber nicht abschließend beurteilt werden, ob der Antragsgegner bei der Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchanordnung von seinem Ermessen pflichtgemäß Gebrauch gemacht hat (2.).

1. a) Mit ihrer Rüge im Beschwerdeverfahren, die Verkehrsverstöße seien nicht erheblich gewesen, dringt die Antragstellerin nicht durch. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, handelt es sich bei den festgestellten Verkehrsverstößen um solche von einigem Gewicht, die die Anordnung eines Fahrtenbuchs grundsätzlich zu begründen vermögen. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts wird gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen bleibt erneut darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, bereits die erstmalige Begehung einer Verkehrsordnungswidrigkeit, die – wie hier – mit einem Punkt im Verkehrszentralregister zu bewerten ist, einen hinreichend gewichtigen Verkehrsverstoß begründet, der die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO dem Grunde nach rechtfertigt (BVerwG, Beschluss vom 9. September 1999 – 3 B 94/99 –, juris Rn. 2; zuletzt: BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 – 3 C 14/21 –, juris Rn. 20). Dass es zu keiner Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen sein mag, ist für die Einstufung als hinreichend gewichtiger Verkehrsverstoß im Rahmen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO daher ebenso unerheblich wie die Frage, ob dem Adressat der Fahrtenbuchanordnung bereits in der Vergangenheit Verkehrsverstöße zur Last gelegt worden sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. September 1999 – 3 B 94/99 –, juris Rn. 2; BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1995 – 11 C 12/94 –, juris Rn. 9; ferner Siegmund, in: Freymann/Wellner [Hrsg.], jurisPK, Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 31a StVZO Rn. 29).

b) Soweit die Antragstellerin geltend macht, es könne nicht von einer rechtmäßigen Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung ausgegangen werden, und die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung rügt, führt dieses Vorbringen ebenfalls nicht zum Erfolg der Beschwerde. In der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Gericht bei einer Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren nur dann gehalten ist, sich von der Zuverlässigkeit der Messung zu überzeugen, wenn der Betroffene konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler darlegt oder sich solche Anhaltspunkte sonst ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 1993 – 4 StR 627/92 –, juris Rn. 28; OLG Hamm, Beschluss vom 11. Dezember 2006 – 2 Ss OWi 598/06 –, juris Rn. 13; OLG Celle, Beschluss vom 26. Juni 2009 – 311 SsBs 58/09 –, juris Rn. 12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juli 2014 – IV-1 RBs 50/14 –, juris Rn. 20.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts korrespondiert in Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Erfordernis, plausible Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Messergebnisses vorzutragen, ein aus dem Recht auf ein faires Verfahren hergeleiteter Anspruch des Betroffenen darauf, nach Maßgabe der dort näher beschriebenen Voraussetzungen den Zugang zu Rohmessdaten zu erhalten, die ihm eine eigenständige und unabhängige Überprüfung des Messergebnisses erst ermöglichen (vgl. Kammerbeschluss vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 –, juris Rn. 530 ff.; so auch VerfGH RP, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – VGH B 46/21 –, juris Rn. 47). Diese aus Anlass eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens entwickelten Grundsätze sind auf die Fahrtenbuchverfahren zu übertragen (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 – 3 C 14/21 –, juris Rn. 24 ff., 29 ff., m.w.N.). Das Recht auf ein faires Verfahren gebietet deshalb auch hier, dass dem Adressaten einer Fahrtenbuchanordnung unter den vom Bundesverfassungsgericht herausgearbeiteten Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnet wird, die Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren, auf der die Annahme des Verkehrsverstoßes beruht, eigenständig zu überprüfen, und daraus Erkenntnisse zu gewinnen, die ihm den von ihm geforderten Vortrag plausibler Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Geschwindigkeitsmessung erst ermöglichen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 – 3 C 14/21 –, juris Rn. 29).

Wendet sich der Adressat einer Fahrtenbuchanordnung gegen die Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung mit einem standardisierten Messverfahren, kann er sich allerdings nicht mit Erfolg auf die Verweigerung des Zugangs zu bei der Bußgeldstelle gespeicherten Daten berufen, wenn er nicht seinerseits alles Zumutbare unternommen hat, um den gewünschten Zugang von der Bußgeldstelle zu erhalten (BVerwG, Urteil vom 2. Februar 2023 – 3 C 14/21 –, juris Rn. 46). Welche Schritte die Antragstellerin vorliegend unternommen hat, um die begehrten Daten zu erlangen, wird mit der Beschwerde nicht hinreichend dargelegt. Hierfür reicht die bloße Angabe, die Bußgeldbehörden weigerten sich, die Rohmessdaten der Messgeräte herauszugeben, nicht aus. Vor diesem Hintergrund besteht kein Grund an der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Geschwindigkeitsmessungen zu zweifeln.

c) Entgegen der Annahme der Beschwerde war die Ermittlung des oder der Fahrzeugführer der auf die Antragstellerin zugelassenen PKW, mit denen am 11. Juni 2022 und 6. September 2022 Verkehrsverstöße begangen worden sind, nicht möglich, obwohl die Ermittlungsbehörden nach pflichtgemäßem Ermessen ausreichende Maßnahmen getroffen haben, um den Verkehrsverstoß aufzuklären. Soweit mit der Beschwerde in diesem Zusammenhang gerügt wird, es sei der Bußgeldbehörde zumutbar gewesen, selbst Ausschau nach den Mitarbeitern zu halten und den tatsächlichen Fahrzeugführer ausfindig zu machen, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss bereits zu Recht darauf hingewiesen, dass die Befragung von Mitarbeitern in einer Firma zu dem in Rede stehenden Verkehrsverstoß regelmäßig eine ausreichende Ermittlungsmaßnahme darstellt. Es fällt in den Verantwortungsbereich der Gesellschaft, innerbetrieblich dafür Sorge zu tragen, dass die Geschäftsführung bzw. die Mitarbeiter, die zuverlässig Auskunft über den Einsatz der Firmenwagen geben können, informiert werden. Erfolgen daraufhin keine weiteren Angaben zu der Person, die im fraglichen Zeitpunkt das Firmenfahrzeug geführt hat, ist es der Behörde regelmäßig nicht mehr zuzumuten, noch weitere zeitraubende Ermittlungen zu betreiben (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. November 2013 – 8 A 632/13 –, juris Rn. 13 ff., m.w.N.). So liegt der Fall hier. Bei den insgesamt vier Vorortkontrollen wurde jeweils Herr A., der sich in Abwesenheit des Geschäftsführers als verantwortlicher Mitarbeiter der Firma zu erkennen gab, von den Beamten des Polizeipräsidiums Mainz ergebnislos zu den Fahrern der Fahrzeuge und zur Identifizierung der Personen auf den vorgezeigten Lichtbildern befragt. Darüber hinaus war eine Rückmeldung des sich bei den Befragungen stets im Ausland verweilenden und für die Beamten telefonisch nicht erreichbaren Geschäftsführer der Antragstellerin bis zuletzt nicht erfolgt. Weitere Ermittlungsmaßnahmen waren vor diesem Hintergrund nach den dargelegten Maßstäben nicht geboten, zumal mit der Beschwerde auch nicht geltend gemacht worden ist, dass den ermittelnden Beamten weiterer Zutritt zum Gelände und zu den Räumlichkeiten der Firma angeboten worden sei oder bei Bedarf gestattet worden wäre.

d) Entgegen der Annahme der Antragstellerin war sie an der Preisgabe des verantwortlichen Fahrzeugführers oder der verantwortlichen Fahrzeugführerin nicht gehindert durch die Bestimmungen der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO –). Dabei bedarf es vorliegend keiner Entscheidung, ob die Verarbeitung personenbezogener Daten im Ordnungswidrigkeitenverfahren – in dessen Rahmen die vorliegenden Ermittlungen vorgenommen wurden – in den sachlichen Anwendungsbereich der DSGVO fällt (zweifelnd: VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 25 ff.) oder sie hiervon gemäß Art. 2 Abs. 2 lit. b) DSGVO ausgenommen ist (ebenfalls offenlassend: BayVGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18 und vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34). Selbst wenn der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet sein sollte, wäre die Preisgabe der persönlichen Daten der Fahrzeugführer durch die Antragstellerin an die Polizei- oder Bußgeldbehörden gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zur Wahrung der berechtigten Interessen der Behörden, eines Dritten im Sinne von Art. 4 Nr. 10 DSGVO, zulässig. Behörden haben ein berechtigtes Interesse daran, die ihnen im öffentlichen Interesse obliegenden Aufgaben zu erfüllen, zu denen die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gehört (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22. Juli 2022 – 11 ZB 22.895 –, juris Rn. 18). Gleiches gilt für das Führen eines Fahrzeugbuchs durch und die damit verbundene Datenerhebung durch den Fahrzeughalter (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30. November 2022 – 11 CS 22.1813 –, juris Rn. 34; ferner HambOVG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 – 4 Bs 84/20 –, juris Rn. 19: Zulässigkeit nach Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO). Ferner ist auch die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden – die Eröffnung des Anwendungsbereichs der DSGVO vorausgesetzt – gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO gerechtfertigt (vgl. VG Regensburg, Urteil vom 17. April 2019 – RN 3 K 19.267 –, juris Rn. 30).

2. Ob der Antragsgegner das ihm nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt hat, kann allerdings zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden.

a) Zwar vermag die Antragstellerin nicht mit ihrer Rüge durchzudringen, es sei ihr logistisch und finanziell nicht möglich, der Anordnung nachzukommen. Unabhängig davon, dass diese Behauptung schon nicht näher substantiiert wird, ist für derartige Belastungen auch nichts ersichtlich. Das Führen eines Fahrtenbuchs mag zwar lästig sein, bringt aber keine schwerwiegenden Eingriffe, insbesondere keine wirtschaftlichen Auswirkungen, mit sich. Der zeitliche Mehraufwand, der mit dem Führen eines Fahrtenbuchs verbunden ist, ist zudem als gering einzustufen (so auch OVG NRW, Beschluss vom 14. März 1995 – 25 B 8/95 –, juris Rn. 17), zumal es ohnehin sachgerechtem kaufmännischem Verhalten entspricht, Geschäftsfahrten längerfristig zu dokumentieren (vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2007 – 8 B 2746/06 –, juris Rn. 16 m.w.N.).

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand, der Antragsgegner hätte vor der Anordnung der Fahrtenbuchauflage eine solche zunächst androhen können. Einen Rechtssatz, dass bei einem (erstmaligen) Verkehrsverstoß von einigem Gewicht zunächst die Androhung der Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs notwendig und ausreichend ist, gibt es nicht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 1995 – 11 B 18/95 –, NJW 1995, 3402; ferner BayVGH, Beschluss vom 12. März 2014 – 11 CS 14. 176 –, BeckRS 2014, 49135, Rn. 10;Haus, in: Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl. 2021, StVZO, § 31a Rn. 100). Überdies hat bereits der an die Antragstellerin versandte Zeugenfragebogen vom 24. Juni 2022 (Bl. 27 der Verwaltungsakte) den hinreichend deutlichen Hinweis auf die Möglichkeit einer Fahrtenbuchauflage bei fehlender Ermittelbarkeit des Fahrzeugführers enthalten.

Soweit die Antragstellerin rügt, es sei unverhältnismäßig, dass im Falle der Veräußerung eines Fahrzeugs die Fahrtenbuchauflage für den Käufer weitergelten solle, ist eine solche Regelung nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids. Die Fahrtenbuchanordnung erstreckt sich nach Ziffer 1) des Bescheides vom 2. Februar 2023 neben den mit amtlichen Kennzeichen genannten Fahrzeugen auch auf eventuelle Nachfolgefahrzeuge. Damit sind allerdings ersichtlich Fahrzeuge gemeint, die an die Stelle der zuvor genannten Fahrzeuge treten und auf die Antragstellerin zugelassen sind.

Sofern mit der Beschwerde darüber hinaus geltend gemacht wird, die Fahrtenbuchauflage verstoße gegen das Gleichheitsgebot, da gegenüber natürlichen Personen mildere Auflagen verhängt würden, ist dieser Einwand mangels Ausführungen dazu, welche konkreten vergleichbaren Sachverhalte ohne sachlichen Grund ungleich behandelt worden sein sollen, zu unsubstantiiert.

b) Allerdings vermag der Senat zum jetzigen Zeitpunkt auf der Grundlage der vorgelegten Verwaltungsakten nicht abschließend zu beurteilen, ob die Dauer des hier angeordneten Fahrtenbuchs von 36 Monaten verhältnismäßig ist. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ist die Verhältnismäßigkeit der Zeitspanne, für die ein Fahrtenbuch zu führen ist, mit Blick auf den Anlass der Anordnung und den mit ihr verfolgten Zweck unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Bei der Bemessung der Dauer der Fahrtenbuchanordnung ist insbesondere das Gewicht des nicht aufgeklärten Verkehrsverstoßes zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2015 – 3 C 13/14 –, juris Rn. 20). Daneben kann in die Ermessensentscheidung einfließen, ob das erste Mal mit dem Kraftfahrzeug des Halters ein Verkehrsverstoß ohne Fahrerfeststellung begangen wurde oder ob ein Wiederholungsfall vorliegt. Auch das Verhalten des Halters bei der Aufklärung des Verkehrsverstoßes kann gewürdigt werden (vgl. VGH BW, Beschluss vom 21. Juli 2014 – 10 S 1256/13 –, juris Rn. 10; SächsOVG, Beschluss vom 22. März 2017 – 3 B 42/17 –, juris Rn. 10). Sofern sich der Antragsgegner zur Begründung der Dauer der Fahrtenbuchanordnung neben der Schwere der Verkehrsverstöße offenbar darauf stützt, dass es neben den hier vorgeworfenen Zuwiderhandlungen bereits in der Vergangenheit zu Verkehrsverstößen mit den Fahrzeugen der Antragstellerin gekommen sei, bei denen aufgrund der fehlenden Bereitschaft der Antragstellerin zur Mitwirkung der Fahrzeugführer nicht habe ermittelt werden können, kann vorliegend nicht geklärt werden, ob diese Argumentation in tatsächlicher Hinsicht trägt. Ob und inwiefern der Antragstellerin hinsichtlich der auf sie zugelassenen Fahrzeuge bereits mehrfach Verkehrsverstöße zur Last gelegt worden sind und inwieweit sie sich diesbezüglich bei der Ermittlung des Fahrzeugführers unkooperativ gezeigt hat, ist den vorgelegten Akten nämlich nicht mit der erforderlichen Gewissheit zu entnehmen. Die vom Antragsgegner in Bezug genommenen Vermerke vom 14. Juli 2022 (Bl. 31 der Verwaltungsakte) und 20. November 2022 (Bl. 53 Rs. der Verwaltungsakte) enthalten insoweit lediglich vage, in tatsächlicher Hinsicht nicht näher erläuterte Ausführungen, auf die allein sich die erhebliche Dauer der Fahrtenbuchanordnung von 36 Monaten nicht stützen lässt. Diesbezüglich bedarf es – auch vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin nun im Beschwerdeverfahren weitere Verkehrsverstöße in der Vergangenheit ausdrücklich bestritten hat – weiterer Sachverhaltsaufklärung im Widerspruchsverfahren. Insofern erweisen sich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache derzeit als offen.

II. Die hiernach vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Verfügung und dem Interesse der Antragstellerin, vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vom Vollzug der Verfügung verschont zu bleiben, fällt dennoch zu Lasten der Antragstellerin aus. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass es sich bei der Fahrtenbuchanordnung um eine Maßnahme zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs handelt (vgl. hierzu auch BayVGH, Beschluss vom 18. Mai 1999 – 11 CS 99.730 –, juris Rn. 18). Demgegenüber belastet die Erfüllung der Fahrtenbuchanordnung die Antragstellerin – wie bereits dargelegt – nicht in nennenswertem Umfang. Hinzu kommt, dass die Anordnung eines Fahrtenbuchs dem Grunde nach – wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt – gerechtfertigt ist. Die Konstellation, dass sich die Anordnung aller Voraussicht nach vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens erledigen könnte und der Halter aufgrund des Sofortvollzugs ein Fahrtenbuch geführt hat, ohne hierzu verpflichtet gewesen zu sein (zu diesem Aspekt vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. April 2013 – 8 B 173/13 –, juris Rn. 16; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2020 – 3 M 15/20 –, juris Rn. 12), besteht vorliegend nicht. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass die Auferlegung eines Fahrtenbuchs für 24 Monate auf der Grundlage des bereits feststehenden Sachverhaltes – wiederholter mit einem Punkt bewerteter unaufgeklärter Verkehrsverstoß (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2016 – 8 A 1217/15 –, juris Rn. 16, m.w.N.) – rechtlich nicht zu beanstanden sein dürfte. Da zu erwarten ist, dass vor Ablauf dieses Zeitraums das Widerspruchsverfahren unter Nachholung der genannten Sachverhaltsermittlungen beendet sein wird, besteht auch mit Blick auf das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes kein Anlass, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Fahrtenbuchanordnung wiederherzustellen.

III. Die schließlich im Beschwerdeverfahren erhobene Rüge, die Höhe der Zwangsgeldandrohung sei unverhältnismäßig, führt schon deswegen nicht zum Erfolg, weil die Antragstellerin in erster Instanz nach der Auslegung ihres Begehrens durch das Verwaltungsgericht lediglich beantragt hat, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 2. Februar 2023 hinsichtlich der Anordnung eines Fahrtenbuchs wiederherzustellen. Hiervon ist die in Ziffer 4 des Bescheides vom 2. Februar 2023 verfügte Zwangsgeldandrohung – hinsichtlich derer im Übrigen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hätte beantragt werden müssen – nicht erfasst. Mit der Beschwerde ist aber weder eine Antragsänderung erklärt, noch die Würdigung der Vorinstanz als fehlerhaft angegriffen worden. Unabhängig davon bleibt der Einwand hinsichtlich der Unverhältnismäßigkeit der Höhe des Zwangsgeldes völlig unsubstantiiert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – und orientiert sich an Ziff. 1.5 und 46.11 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169). Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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