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Wiedererlangung der Kraftfahreignung bei Cannabiskonsum

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 17.2105 – Beschluss vom 24.11.2017

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der 1984 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner im Jahr 2004 erteilten Fahrerlaubnis der Klasse B (einschließlich Unterklassen).

Mit Strafbefehl vom 24. Februar 2017, rechtskräftig seit 17. März 2017, hat das Amtsgericht Ansbach gegen den Antragsteller wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften über das Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr unter der Wirkung eines berauschenden Mittels eine Geldstrafe und eine Geldbuße festgesetzt sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dem lag zu Grunde, dass der Antragsteller am 14. Dezember 2016 mit einer Tetrahydrocannabinol (THC)-Konzentration von 1,4 ng/ml im Blut mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen und in seiner Wohnung 4,6 Gramm Marihuana aufbewahrt hatte.

Aus dem vom Landratsamt Ansbach (im Folgenden: Landratsamt) bezüglich des Konsumverhaltens angeforderten ärztlichen Gutachten der TÜV SÜD Life Service GmbH vom 19. April 2017 geht hervor, dass der Antragsteller bis 2012 regelmäßig bis zu zwei Gramm Haschisch am Tag geraucht habe. Nach einem Krankenhausaufenthalt im Jahr 2012 habe er nur noch einmal in der Woche Haschisch konsumiert. Ab 2014 habe er bis zur Trunkenheitsfahrt am 14. Dezember 2016 wieder regelmäßig und zuletzt am 31. Dezember 2016 Haschisch geraucht. Seither konsumiere er keine Drogen mehr. Der Gutachter bezeichnete das frühere Konsumverhalten als regel- und gewohnheitsmäßige Einnahme von Betäubungsmitteln. Eine Abhängigkeit und aktueller Drogenkonsum könnten nicht festgestellt werden.

Nach Anhörung entzog das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 30. Mai 2017 die Fahrerlaubnis und ordnete unter Androhung unmittelbaren Zwangs die unverzügliche Abgabe des Führerscheins sowie die sofortige Vollziehung an. Der Antragsteller sei nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs, da er regelmäßig Cannabis einnehme.

Am 7. Juni 2017 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Mai 2017, über den die Regierung von Mittelfranken nach Aktenlage noch nicht entschieden hat.

Den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder herzustellen, hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 11. September 2017 abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis lägen vor, da der Antragsteller als regelmäßiger Cannabiskonsument ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei. Er habe seine Fahreignung auch noch nicht wiedergewonnen, da noch kein hinreichend langer Abstinenzzeitraum und keine Anhaltspunkte für eine stabile Verhaltens- und Einstellungsänderung gegeben seien.

Mit seiner dagegen erhobenen Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, er sei weder drogenabhängig gewesen, noch liege ein aktueller Konsum vor. Er sei auch nie unter Drogeneinfluss im Verkehr auffällig geworden, obwohl er über 13 Jahre täglich zur Arbeit und auch noch in der Freizeit Auto fahre. Es handele sich auch nur um eine leichte Droge. Regelmäßig bedeute für ihn nicht täglich, sondern vornehmlich am Wochenende etwa zwei- bis dreimal. Er benötige seinen Führerschein, sonst verliere er seinen Arbeitsplatz. Die Abstinenzzeit von einem Jahr sei nahezu eingehalten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu beanstanden wäre.

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl I S. 3202), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. Oktober 2017 (BGBl I S. 3549), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV).

Nach § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht. Regelmäßige Einnahme von Cannabis führt gemäß Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV zur Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen.

2. Im vorliegenden Fall sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 7 FeV voraussichtlich erfüllt und weitere Aufklärungsmaßnahmen durch das Landratsamt waren nicht veranlasst. Der ärztliche Gutachter hat im Gutachten vom 19. April 2017 festgestellt, dass der Antragsteller bis Ende 2016 regelmäßiger Konsument von Cannabis war. Damit ist seine Fahreignung nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV entfallen.

Soweit der Antragsteller vorträgt, er habe mit regelmäßig nicht einen täglichen Gebrauch, sondern nur einen Gebrauch am Wochenende gemeint, kann dies dem Gutachten vom 19. April 2017 so nicht entnommen werden. Dort ist ausgeführt, er habe bis 2012 regelmäßig bis zu zwei Gramm Haschisch am Tag geraucht, dann eine Zeit lang nur einmal in der Woche und ab 2014 wieder regelmäßig. Damit wird ausgedrückt, dass der Antragsteller nach einer Phase des nur gelegentlichen, d.h. nur einmal wöchentlichen Konsums in den Jahren 2012/2013 wieder zu einem dem vorherigen Konsummuster entsprechenden Gebrauch zurückgekehrt ist und ein wesentlich häufigerer und daher regelmäßiger Konsum stattgefunden hat. Sollten die tatsächlich gemachten Angaben des Antragstellers vom Gutachter nicht zutreffend wiedergegeben worden sein, wäre es seine Sache gewesen, vor der Vorlage des Gutachtens beim Landratsamt auf eine Korrektur hinzuwirken. Dies ist aber nicht geschehen. Aus der Anordnung des Landratsamts zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens vom 23. Februar 2017 war auch erkennbar, dass auch ein früherer Cannabiskonsum eine Entziehung der Fahrerlaubnis zur Folge haben kann.

Soweit der Antragsteller darüber hinaus geltend macht, er sei noch nie unter Drogeneinfluss im Verkehr auffällig geworden, ist dies offensichtlich unzutreffend. Mit Strafbefehl vom 24. Februar 2017 wurde ein von ihm am 14. Dezember 2016 begangener Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG mit einem Bußgeld und einem Fahrverbot geahndet. An diesem rechtskräftig festgestellten Sachverhalt und der Beurteilung der Schuldfrage muss er sich festhalten lassen (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2017, § 3 StVG Rn. 26).

Das Landratsamt war auch nicht gehalten, zur weiteren Aufklärung eine medizinisch-psychologische Untersuchung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV anzuordnen. Grundsätzlich ist im Entziehungsverfahren zwar zu berücksichtigen, ob die Kraftfahreignung wieder hergestellt ist. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 30. Mai 2017 hatte der Antragsteller die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen aber offensichtlich noch nicht wiedererlangt und Aufklärungsmaßnahmen waren nicht veranlasst. Nach Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Begutachtungsleitlinien – Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen vom 27.1.2014 [VkBl S. 110] in der Fassung vom 31.3.2017 [VkBl S. 226], anwendbar seit 14.8.2017 gemäß Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV), können die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Drogenkonsum erst wieder als gegeben angesehen werden, wenn der Nachweis geführt wird, dass kein Konsum mehr besteht. Diese Vorgabe ist auf einen regelmäßigen Cannabiskonsumenten grundsätzlich anzuwenden.

Bei Anwendung der mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27. Januar 2014 (VkBl S. 132) als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführten 3. Auflage von „Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien“ (Beurteilungskriterien – Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie [DGVP]/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin [DGVM], 3. Auflage 2013) war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses eine positive Begutachtung ausgeschlossen. Danach ist bei einer Drogengefährdung ohne Anzeichen einer fortgeschrittenen Drogenproblematik nach dem Kriterium D 3.4 N der Beurteilungskriterien (S. 190) die Wiedererlangung der Fahreignung frühestens nach einem durch die Ergebnisse geeigneter polytoxikologischer Urin- oder Haaranalysen bestätigten Drogenverzicht von mindestens sechs Monaten (Nr. 1 des Kriteriums D 3.4 N) und zahlreichen weiteren Voraussetzungen möglich. Bei einer fortgeschrittenen Drogenproblematik ist nach Nr. 4 des Kriteriums D 2.4 N (S. 184) in der Regel erst nach einem Jahr nachgewiesener Drogenabstinenz und weiteren Voraussetzungen eine positive Begutachtung zu erwarten. Dass bei dem langjährigen und erheblichen Drogenkonsum des Antragstellers eine sechsmonatige Abstinenzzeit ausreichend sein könnte, ist nicht ersichtlich und ein einjähriger Abstinenzzeitraum ist noch nicht gegeben. Darüber hinaus hat der Antragsteller seine weitere Abstinenz nach der Erstellung des Gutachtens vom 19. April 2017 auch nicht durch geeignete Urin- oder Haaranalysen nachgewiesen.

Für die Anordnung eines Abstinenzprogramms durch das Landratsamt (vgl. grundlegend BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – VRS 109, 64 = juris Rn. 34 ff.) war bisher ebenfalls kein Raum, da der Antragsteller eine einjährige Drogenabstinenz nicht behauptet hat, sondern vorträgt, erst seit Januar 2017 keine Drogen mehr einzunehmen.

Auch die Widerspruchsbehörde ist angesichts der noch nicht ausreichenden Abstinenzzeit und des fehlenden Nachweises der Abstinenz seit April 2017 derzeit nicht gehalten, eine medizinisch-psychologische Untersuchung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV oder ein Drogenabstinenzkontrollprogramm anzuordnen.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Anh. § 164 Rn. 14).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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