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Fahrerlaubnisentziehung – Einnahme von Medizinalcannabis

Fahrerlaubnisentzug bei Einnahme von Medizinalcannabis ohne medizinische Indikation: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof bestätigt Entscheidung

Das Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerde gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund der Einnahme von Medizinalcannabis abgewiesen. Die Entscheidung begründet sich darauf, dass die ärztliche Verordnung von Medizinalcannabis ohne nachgewiesene Indikation als nicht gerechtfertigter, regelmäßiger Cannabiskonsum eingestuft wurde, der die Fahreignung ausschließt. Die Antragstellerin konnte auch nicht überzeugend darlegen, dass sie ihre Fahreignung in der Zwischenzeit wiedererlangt hat.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 CS 23.1818 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Beschwerde gegen Fahrerlaubnisentziehung abgewiesen.
  2. Einnahme von Medizinalcannabis ohne medizinische Indikation führt zur Annahme regelmäßigen Cannabiskonsums.
  3. Keine Wiedererlangung der Fahreignung vor Ablauf der verfahrensrechtlichen Einjahresfrist nachweisbar.
  4. Ärztliche Verordnung muss Ultima-Ratio-Grundsatz folgen, alternative Behandlungsmethoden sind vorrangig.
  5. Compliance der Antragstellerin in Bezug auf Medikation nicht ausreichend für Wiedererlangung der Fahreignung.
  6. Medizinische und rechtliche Prüfung der Fahreignung bei Einnahme von Medizinalcannabis.
  7. Medizinische Indikation für die Verordnung von Medizinalcannabis ist entscheidend.
  8. Reine Rechtsanwendung der Fahrerlaubnisbehörde bei der Beurteilung der Fahreignung.

Fahrerlaubnisentziehung bei Medizinalcannabis: Eine komplexe Herausforderung

Medizinalcannabis
(Symbolfoto: Bukhta Yurii /Shutterstock.com)

Die Einnahme von Medizinalcannabis bei gleichzeitiger Führung eines Kraftfahrzeugs wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf. Gemäß der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) kann die Fahreignung bei regelmäßigem Cannabiskonsum entfallen, jedoch gibt es Ausnahmen für ärztlich verordnetes Medizinalcannabis. In solchen Fällen müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, um die Fahreignung zu behalten.

Die individuelle Reaktion des Patienten auf Medizinalcannabis und mögliche Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit spielen eine entscheidende Rolle. Ärzte sind verpflichtet, ihre Patienten über diese Aspekte aufzuklären und gegebenenfalls eine Fahreignungsbegutachtung zu empfehlen. In einigen Fällen kann die Fahrerlaubnisentziehung abgewendet werden, indem der Betroffene nachweist, dass er trotz der Einnahme von Medizinalcannabis fahrtüchtig ist. Hierbei können Gutachten von Verkehrsmedizinern oder Fahreignungsberatern hilfreich sein.

Die Fahrerlaubnisbehörde muss bei der Beurteilung der Fahreignung eine reine Rechtsanwendung vornehmen, wobei die medizinische Indikation für die Verordnung von Medizinalcannabis entscheidend ist. Die ärztliche Verordnung muss zudem den Ultima-Ratio-Grundsatz befolgen, wonach alternative Behandlungsmethoden vorrangig sind. Die Wiedererlangung der Fahreignung nach ärztlicher Verordnung von Medizinalcannabis ohne Indikation bedarf einer sorgfältigen Prüfung und kann unter Umständen auch vor Ablauf der verfahrensrechtlichen Einjahresfrist möglich sein.

Wenn Sie Fragen zu einem ähnlichen Fall haben, bei dem es um die Fahrerlaubnisentziehung bei Medizinalcannabis geht, fordern Sie noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Im Herbst 2022 begann der rechtliche Streit einer Antragstellerin, die sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis wehrte. Auslöser war ihre wiederholte vorläufige Unterbringung in einem Bezirkskrankenhaus nach einem psychischen Ausnahmezustand und die anschließende Einnahme von Medizinalcannabis, die vom Landratsamt Günzburg kritisch hinterfragt wurde.

Medizinische Cannabis-Therapie unter der Lupe

Die Antragstellerin hatte ein ärztliches Gutachten vorgelegt, welches ihre Fahreignung trotz einer zuvor diagnostizierten affektiven Psychose und der Einnahme von Medizinalcannabis bestätigte. Dieses Medikament war ihr über einen längeren Zeitraum von 2019 bis 2022 verschrieben worden, nachdem sie an einer schweren Depression erkrankt war. Nach einem psychischen Zusammenbruch im Oktober 2022 setzte sie das Cannabis ab. Das Landratsamt forderte daraufhin ein weiteres Gutachten, um die Notwendigkeit der Cannabisverordnung zu prüfen. Das Ergebnis: Es fehlte an einer medizinischen Indikation für die Cannabis-Therapie.

Der Streit um die Fahreignung

Das Landratsamt entzog der Antragstellerin daraufhin die Fahrerlaubnis mit der Begründung, die nicht indizierte Einnahme von Medizinal-Cannabis stelle einen die Fahreignung ausschließenden regelmäßigen Cannabiskonsum dar. Die Antragstellerin erhob dagegen Klage und argumentierte, dass sie das Cannabis ausschließlich auf ärztlichen Rat konsumiert habe und sich ihrer Fahreignung bewusst sei.

Rechtliche Rahmenbedingungen und gerichtliche Bewertung

Das Verwaltungsgericht Augsburg lehnte den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab. Es verwies auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, die klar definieren, unter welchen Umständen die Einnahme von Medizinalcannabis die Fahreignung nicht beeinträchtigt. Entscheidend sei dabei die ärztliche Verordnung auf Basis einer medizinischen Indikation sowie der Nachweis, dass keine alternativen Behandlungsmöglichkeiten existieren. Die Antragstellerin konnte diese Kriterien nicht erfüllen.

Tiefgreifende Fragen und die Zukunft der Fahreignungsbewertung

Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestätigte die Auffassung des Verwaltungsgerichts und wies die Beschwerde der Antragstellerin zurück. Das Gericht betonte, dass die Einnahme von Medizinalcannabis ohne nachgewiesene medizinische Indikation grundsätzlich zur Annahme eines die Fahreignung ausschließenden regelmäßigen Cannabiskonsums führt. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung medizinischer Gutachten und der strengen Anwendung des Ultima-Ratio-Prinzips bei der Verschreibung von Betäubungsmitteln wie Cannabis.

Fazit: Die Entziehung der Fahrerlaubnis bei nicht indizierter Einnahme von Medizinalcannabis bleibt ein rechtlich komplexes Feld, das eine detaillierte Betrachtung medizinischer und rechtlicher Aspekte erfordert. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs verdeutlicht die Wichtigkeit der medizinischen Indikation und der Compliance mit bestehenden Gesetzen und Richtlinien zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was ist unter Medizinalcannabis zu verstehen und unter welchen Voraussetzungen darf es verschrieben werden?

Medizinalcannabis bezieht sich auf Cannabisprodukte, die zu medizinischen Zwecken verwendet werden. Diese Produkte können verschiedene Formen annehmen, einschließlich getrockneter Cannabisblüten, Cannabisextrakte und Arzneimittel, die Cannabinoide wie Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) enthalten. Die therapeutischen Effekte von Medizinalcannabis werden hauptsächlich diesen Cannabinoiden zugeschrieben, die in der Behandlung verschiedener Erkrankungen und Symptome Anwendung finden können.

In Deutschland dürfen seit März 2017 Ärztinnen und Ärzte Medizinalcannabis unter bestimmten Voraussetzungen verschreiben. Dies gilt für Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen, bei denen andere Behandlungsmethoden entweder nicht verfügbar sind oder nicht den gewünschten Erfolg gebracht haben. Vor der erstmaligen Verordnung muss eine Genehmigung der Krankenkasse des Patienten eingeholt werden, die in der Regel die Kosten für die Therapie übernimmt.

Die Voraussetzungen für die Verschreibung von Medizinalcannabis umfassen:
1. Eine schwerwiegende Erkrankung liegt vor.
2. Andere Behandlungsmöglichkeiten stehen nicht zur Verfügung oder haben nicht zum Erfolg geführt.
3. Es besteht die begründete Aussicht, dass durch die Verwendung von Medizinalcannabis eine spürbare positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufs oder eine deutliche Linderung der Symptome erzielt werden kann.

Darüber hinaus müssen Patienten, die Medizinalcannabis erhalten, an einer anonymisierten Begleitforschung teilnehmen. Diese Maßnahme dient dazu, mehr Daten über die Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis als Medizin zu sammeln, da die wissenschaftliche Evidenz in einigen Anwendungsbereichen noch begrenzt ist.

Die Entscheidung über die Verschreibung und die spezifische Form des Medizinalcannabis (z.B. Blüten, Extrakte, Fertigarzneimittel) trifft die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt in Absprache mit dem Patienten. Die Auswahl des geeigneten Produkts hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die spezifischen medizinischen Bedürfnisse des Patienten, die gewünschte Wirkung und mögliche Nebenwirkungen.

Die Verwendung von Medizinalcannabis ist in Deutschland streng reguliert, um eine hohe Qualität und Sicherheit der Produkte zu gewährleisten. Der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken unterliegt staatlicher Kontrolle, und alle Produkte müssen den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes sowie internationalen Abkommen entsprechen.

Inwiefern ist die ärztliche Verordnung von Medizinalcannabis für die Fahreignung relevant?

## Ärztliche Verordnung von Medizinalcannabis und Fahreignung

Die ärztliche Verordnung von Medizinalcannabis hat direkte Auswirkungen auf die Fahreignung eines Patienten. In Deutschland ist die Fahreignung eines Patienten, der Medizinalcannabis einnimmt, unter bestimmten Bedingungen gegeben. Diese Bedingungen umfassen:

1. Die Einnahme von Medizinalcannabis muss indiziert und ärztlich verordnet sein.
2. Der Patient muss das Medizinalcannabis zuverlässig nur nach ärztlicher Verordnung einnehmen.
3. Es dürfen keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sein.
4. Die Grunderkrankung oder die vorliegende Symptomatik darf keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweisen, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt.

Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Fahreignung mittels eines ärztlichen Gutachtens überprüfen, wenn ein Patient mit Medizinalcannabis behandelt wird. Dabei werden sowohl verkehrsmedizinische als auch verkehrspsychologische Aspekte berücksichtigt, wie die individuelle Leistungsfähigkeit, die Fähigkeit zur Kompensation von festgestellten Leistungseinschränkungen und die Compliance des Patienten gegenüber der Therapie.

Ein Fahrerlaubnisinhaber verliert nicht automatisch die Fahreignung durch die bestimmungsgemäße Einnahme von ärztlich verordnetem Cannabis. Die Beurteilung der Fahreignung bei medizinischer Verwendung von Cannabis erfolgt ähnlich wie bei anderen Medikamenten. Es kommt darauf an, ob es zu einer Beeinträchtigung des Leistungsvermögens unter das erforderliche Maß kommt.

Bei Verkehrskontrollen sollten Patienten, die Medizinalcannabis einnehmen, eine entsprechende Bescheinigung ihres Arztes oder eine Kopie der aktuellen Verordnung mit sich führen, um Probleme zu verhindern.

Falls ein Patient Medizinalcannabis nicht entsprechend der ärztlichen Verordnung einnimmt oder zusätzlich illegales Cannabis konsumiert, besteht keine Fahreignung. Ebenso kann die Fahreignung entzogen werden, wenn die ärztliche Verordnung von Medizinalcannabis erst nach einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz erfolgt.

Die Entscheidung über die Fahreignung wird letztlich auf der Grundlage einer individuellen Beurteilung getroffen, die die oben genannten Kriterien berücksichtigt.


Das vorliegende Urteil

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 11 CS 23.1818 – Beschluss vom 05.01.2024

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klassen B, L und M (alt).

Im Herbst 2022 war die Antragstellerin wiederholt vorläufig im Bezirkskrankenhaus Günzburg untergebracht, nachdem sie in einem psychischen Ausnahmezustand angetroffen worden war.

Auf Anforderung der Fahrerlaubnisbehörde beim Landratsamt Günzburg übersandte die Antragstellerin zunächst einen Entlassbericht des Bezirksklinikums und sodann ein ärztliches Gutachten der TÜV Süd Life Service GmbH vom 22. Februar 2023. Dieses kommt zu dem Ergebnis, die Antragstellerin sei trotz des Vorliegens einer affektiven Psychose wieder in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 gerecht zu werden. Sie sei im Oktober 2022 an einer akuten Psychose erkrankt, die im Rahmen einer bipolaren Störung (manische Episode mit psychotischen Symptomen) oder einer Schizophrenie zu sehen sei. Zwischenzeitlich habe sie sich jedoch wieder stabilisiert. Im Untersuchungsgespräch habe sich kein Anhalt für eine akute psychische Störung gefunden. Zur Krankheitsvorgeschichte heißt es, die Antragstellerin sei im Jahr 2019 schwer depressiv erkrankt, von November 2019 bis Oktober 2022 sei ihr medizinisches Cannabis verordnet worden. Nach dem psychischen Zusammenbruch im Oktober 2022 habe sie das Cannabis abgesetzt.

Mit Blick auf diese Dauerbehandlung mit Cannabis forderte das Landratsamt die Antragstellerin auf, ein weiteres ärztliches Gutachten u.a. dazu beizubringen, ob bei ihr eine Grunderkrankung gegeben war, die die Verordnung von Medizinalcannabis gerechtfertigt habe. Das daraufhin erstellte ärztliche Gutachten der TÜV Süd Live Service GmbH vom 6. Juli 2023 verneint diese Frage. Es fehle an einer Indikation, insbesondere sei – abgesehen von einem einwöchigen Therapieversuch mit einem Antidepressivum – keine weitere fachärztliche Behandlung erfolgt. Die Antragstellerin sei jedoch wieder in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden. Das Cannabismedikament werde seit Oktober 2022 nicht weiter eingenommen, so dass keine negativen fahreignungsrelevanten Auswirkungen mehr anzunehmen seien. Nach dem Ergebnis der Haaranalyse sei Cannabisabstinenz über sechs Monate belegt. Im Untersuchungsgespräch hat die Antragstellerin angegeben, sie habe in der Vergangenheit (illegales) Cannabis konsumiert, allerdings in den Jahren 2008 bis 2010, und den Konsum bei ihrer Schwangerschaft aufgegeben. Im Jahr 2019 sei sie in eine tiefe Depression geraten, die ihr Hausarzt mit Zyprexa behandelt habe. Das habe sie ebenso wenig vertragen wie das sodann verordnete Johanniskraut. Unter Hypnosetherapie habe sich die Situation verbessert. Im September 2019 habe sie ein Wochenendseminar besucht, bei dem ein Arzt u.a. die neuen Möglichkeiten von Cannabis als Medikation vorgestellt habe. Dieser habe ihr dann nach einem ersten Termin im November 2019 sogleich Cannabis verschrieben. Während der stationären Unterbringung im Herbst 2022 sei ihre Medikation auf Olanzapin umgestellt worden. Dieses nehme sie zuverlässig ein und fühle sich wohl damit. Nach Einschätzung der ärztlichen Gutachterin bestehen keine Zweifel an der Therapietreue (Compliance) der Antragstellerin.

Mit Bescheid vom 10. August 2023 entzog das Landratsamt der Antragstellerin die Fahrerlaubnis und verpflichtete sie, ihren Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Nach dem ärztlichen Gutachten vom 26. Mai 2023 sei die Verordnung von Medizinal-Cannabis nicht indiziert gewesen, so dass sich dessen tägliche Einnahme als ein die Fahreignung ausschließender regelmäßiger Cannabiskonsum darstelle.

Am 12. September 2023 erhob die Antragstellerin Klage und stellte zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, den das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 28. September 2023 abgelehnt hat. Bei summarischer Überprüfung sei die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig. Das Landratsamt sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV aufgrund regelmäßigen Cannabiskonsums als fahrungeeignet anzusehen sei. Solle eine Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis nicht zum Verlust der Fahreignung führen, setze das u.a. voraus, dass die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet sei. Dabei sei zu beachten, dass die Verschreibung von Medizinal-Cannabis als Betäubungsmittel nach dem Ultima-Ratio-Grundsatz des § 13 BtmG ausscheide, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise, insbesondere durch Anwendung nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterliegender Arzneimittel, erreicht werden könne. Hier sei das Gutachten nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass nicht alle alternativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft gewesen seien. Damit sei die medizinische Indikation zu verneinen. Auf Kenntnis oder Verschulden der Antragstellerin komme es insoweit im Fahrerlaubnisrecht als Sicherheitsrecht nicht an. Das Landratsamt habe auch annehmen dürfen, dass die Antragstellerin deshalb im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch fahrungeeignet gewesen sei, obgleich der letzte Konsum im Oktober 2022 stattgefunden habe. Mache eine Person geltend, sie habe die Fahreignung zwischenzeitlich wiedererlangt, sei diesem Vorbringen bereits im Entziehungsverfahren nachzugehen. Ein Entziehungsbescheid dürfe in einer solchen Fallgestaltung nur dann ohne weitere Sachaufklärung ergehen, wenn es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen sei, dass dem „Wiedererlangungseinwand“ Erheblichkeit zukomme. Letzteres sei bei vorangegangenem regelmäßigen Cannabiskonsum nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs dann der Fall, wenn bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt das eine Jahr, während dessen der Betroffene im Regelfall Drogenabstinenz geübt haben oder zu einem mit den Erfordernissen des Fahrerlaubnisrechts vereinbaren Cannabiskonsum übergegangen sein müsse (Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV), noch nicht abgelaufen sei und es deshalb – vorbehaltlich einer atypischen Fallgestaltung im Sinn der Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur FeV – keinesfalls zu einer Wiedergewinnung der Fahrerlaubnis gekommen sein könne. Diese sog. verfahrensrechtliche Einjahresfrist sei, ausgehend von einem letzten Konsum im Oktober 2022, hier bei Bescheiderlass im August 2023 noch nicht abgelaufen gewesen. Das Landratsamt sei insoweit auch nicht an die Wertung der Gutachterin gebunden, die Antragstellerin sei angesichts der Beendigung der Cannabismedikation im Oktober 2022 „aus medizinischer Sicht“ wieder fahrgeeignet. Bei dem Schluss aus der nicht indizierten Einnahme von Medizinalcannabis bis Oktober 2022 auf mangelnde Fahreignung bei Bescheiderlass handle es sich um reine Rechtsanwendung, die der Fahrerlaubnisbehörde obliege.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der der Antragsgegner entgegentritt.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen wäre. Weitergehende Fragen müssen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310,319), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. Juli 2021 (BGBl I S. 3091), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 2023 (BGBl I Nr. 56), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde.

Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei ärztlich verordneter Einnahme von Medizinalcannabis richtet sich nach Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV. Danach entfällt bei Einnahme von ärztlich verordnetem Cannabis die Fahreignung grundsätzlich nicht schon wegen regelmäßigen Cannabiskonsums (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV), wenn es sich um die bestimmungsgemäße Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels im Sinne von Nr. 3.14.2 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27. Januar 2014 (Vkbl S. 110) in der Fassung vom 17. Februar 2021 (Vkbl S. 198) handelt. Insoweit definieren Nr. 9.4 und Nr. 9.6.2 der Anlage 4 zur FeV speziellere Anforderungen für Eignungsmängel, die aus dem Gebrauch psychoaktiver Arzneimittel resultieren (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2019 – 11 B 18.2482 – ZfSch 2019, 414 Rn. 23 m.w.N.). Soll eine Dauerbehandlung mit Medizinalcannabis nicht zum Verlust der Fahreignung führen, setzt dies voraus, dass die Einnahme von Cannabis indiziert und ärztlich verordnet ist (Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, 3. Aufl. 2018, S. 303), das medizinische Cannabis zuverlässig nur nach der ärztlichen Verordnung eingenommen wird, keine dauerhaften Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit festzustellen sind, die Grunderkrankung bzw. die vorliegende Symptomatik keine verkehrsmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, die eine sichere Verkehrsteilnahme beeinträchtigt, und nicht zu erwarten ist, dass der Betroffene in Situationen, in denen seine Fahrsicherheit durch Auswirkungen der Erkrankung oder der Medikation beeinträchtigt ist, am Straßenverkehr teilnehmen wird (vgl. Handlungsempfehlung der Ständigen Arbeitsgruppe Beurteilungskriterien [StAB] zur Fahreignungsbegutachtung bei Cannabismedikation, aktualisierte Fassung vom August 2018, abgedruckt in Schubert/Huetten/Reimann/Graw, a.a.O., S. 440/443; BayVGH, B.v. 31.5.2023 – 11 ZB 23.152 – juris Rn. 16 m.w.N.; VGH BW, B.v. 16.1.2023 – 13 S 330/22 – NJW 2023, 861 Rn. 6; U.v. 27.9.2023 – 13 S 517/23 – juris Rn. 27 ff.; OVG Saarl, B.v. 8.11.2021 – 1 B 180/21 – ZfSch 2022, 57 = juris Rn. 14; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 2 StVG Rn. 62a). Fehlt es bereits an der medizinischen Indikation, führt dies in der Regel zum Verlust der Fahreignung wegen regelmäßigen Konsums nach Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2020 – 11 CS 19.1535 – Blutalkohol 57, 133 = juris Rn. 23; VGH BW, U.v. 27.9.2023 a.a.O. Rn. 27).

2. Davon ausgehend greift der Einwand der Antragstellerin, sie habe das medizinische Cannabis allein auf ärztlichen Rat konsumiert und könne nichts dafür, dass dies wohl nicht die ultima ratio gewesen sei, nicht durch.

Wann die Verschreibung von Cannabis, das nach Anlage III zu § 1 Abs. 1 BtMG zu den verkehrs- und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln gehört, zu medizinischen Zwecken indiziert ist, ergibt sich u.a. aus § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BtMG. Danach darf es ärztlich nur verschrieben werden, wenn seine Anwendung am oder im menschlichen Körper begründet ist (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BtmG). Dies ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, insbesondere dann nicht der Fall, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BtmG). Kommen andere Maßnahmen in Betracht, die zur Erreichung des Ziels geeignet sind, wie eine Änderung der Lebensweise, physiotherapeutische Behandlungen, eine Psycho- oder Verhaltenstherapie oder die Anwendung nicht den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes unterliegender Arzneimittel, ist diesen der Vorrang zu geben. Dementsprechend hat der Arzt in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Betäubungsmittelverschreibung ultima ratio ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2020 – 11 CS 19.1535 – juris Rn. 23; B.v. 3.7.2023 – 11 C 23.363 – juris Rn. 23 f.; VGH BW, U.v. 27.9.2023 – 13 S 517/23 – juris Rn. 35, Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl. 2022, § 13 Rn. 20 ff.; Handlungsempfehlung der Ständigen Arbeitsgruppe Beurteilungskriterien, a.a.O. S. 440/441).

Hier ist, wie auch die Beschwerde nicht ernsthaft in Zweifel zieht, nicht erkennbar, dass die Behandlung der Antragstellerin mit Medizinalcannabis dem Ultima-Ratio-Grundsatz entsprochen hätte.

Anders als die Antragstellerin meint, kommt es auch nicht darauf an, ob sie auf die Ordnungsgemäßheit der ärztlichen Verordnung vertrauen durfte. Das Privileg, trotz regelmäßigen Konsums von (Medizinal-)Cannabis und sogar unter dessen Einfluss ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen, ist auch dann, wenn der Betroffene verantwortungsvoll damit umgeht, mit einer Erhöhung der Gefahr im Straßenverkehr verbunden (vgl. dazu AG Trier, U.v. 15.12.2021 – 36 Owi 8041 Js 35254/20 – Blutalkohol 59, 149 = juris Rn. 24; Wagner/Brenner-Hartmann/Kirsten/Löhr-Schwaab, Blutalkohol 59, 412/414 f., 423). Dies rechtfertigt es, die Privilegierung jedenfalls in dem der Gefahrenabwehr dienenden Fahrerlaubnisrecht allein von der objektiven Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen abhängig zu machen.

3. Wenn die Beschwerde einwirft, die Antragstellerin habe zuletzt im Oktober 2022 Cannabis konsumiert, verhält sie sich nicht näher zu der eingehenden Begründung, mit der das Verwaltungsgericht eine Wiedererlangung der Fahreignung im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses verneint hat. Insoweit wird sie den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, die eine Prüfung, Sichtung sowie rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses erfordern (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 11 CS 19.1837 – juris Rn. 10; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 76 ff.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 22a f.), nicht gerecht. Folglich ist darauf im Beschwerdeverfahren nicht näher einzugehen.

4. Im Hauptsacheverfahren bedarf die Frage der Wiedererlangung der Fahreignung aus Sicht des Senats allerdings voraussichtlich der weiteren Vertiefung.

In seiner älteren Rechtsprechung, auf die das Verwaltungsgericht Bezug genommen hat, hat der Senat zwar angenommen, die Wiedererlangung der Fahreignung nach Aufgabe eines Drogenkonsums setze auch ohne Abhängigkeit – vorbehaltlich atypischer Fallgestaltungen – einen Mindestabstinenzzeitraum von einem Jahr voraus. Denn die Regelung in Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV sei insoweit jedenfalls entsprechend anwendbar (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2004 – 11 CS 04.2814 – Blutalkohol 43, 414 = juris Rn. 8; B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – VRS 109, 64 = juris Rn. 22; B.v. 8.2.2008 – 11 CS 07.3017 – juris Rn. 33 ff.). Diese Frist war hier, wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt, noch nicht abgelaufen. In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der Senat jedoch entschieden, dass dem „Wiedererlangungseinwand“ unter Umständen auch schon vor Ablauf eines Jahres Bedeutung zukommen kann. Die Fahrerlaubnisbehörde darf danach zwar in der Regel von einer notwendigen Mindestabstinenz von einem Jahr ausgehen. Zugleich hat der Senat aber hervorgehoben, dass sich die Länge der Mindestabstinenz nach fachlichen Kriterien bemisst und dazu auch die für die Begutachtungsstellen entwickelten Beurteilungskriterien (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie [DGVP]/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin [DGVM], mittlerweile 4. Aufl. 2022) mit in den Blick zu nehmen sind. Ergibt sich daraus ohne Weiteres ein Abstinenzerfordernis von weniger als einem Jahr, hat die Fahrerlaubnisbehörde der Frage der Wiedererlangung der Fahreignung daher auch schon vor Ablauf eines Jahres nach Aufgabe des Konsums nachzugehen (vgl. dazu BayVGH, B.v. 5.10.2023 – 11 CS 23.1413 – juris Rn. 19 ff.).

Hier stellt sich mit Blick auf die Beurteilungskriterien zunächst die Frage, nach welchen medizinischen bzw. medizinisch-psychologischen Maßstäben sich die inmitten stehende Problematik – Wiedererlangung der Fahreignung nach ärztlicher Verordnung von Medizinalcannabis ohne Indikation – beurteilt. In Betracht kommen insoweit die Kriterien für die Prüfung der Fahreignung bei Drogenkonsum (sog. D-Hypothesen, Beurteilungskriterien S. 142 ff.), aber auch die Kriterien für die Beurteilung der Fahreignung im Fall der Dauermedikation und des Medikamentenmissbrauchs (sog. M-Hypothesen, Beurteilungskriterien S. 226 ff.).

Dazu lässt sich den Beurteilungskriterien entnehmen, dass eine Verordnung psychoaktiver Arzneimittel in Zusammenhang mit der zugrundeliegenden Drogenproblematik, also nach den D-Hypothesen, zu bewerten ist, wenn sie auf die Absicht des Betroffenen zurückzuführen ist, die Arzneimittel als Ersatzstoff bzw. Ausweichmittel zu verwenden (Beurteilungskriterien, S. 142). Zudem sind danach etwaige zusätzliche Fragestellungen hinsichtlich einer früheren Missbrauchsproblematik mit Verkehrsauffälligkeit, wie sie bei Cannabismedikation häufig vorliegen (vgl. dazu auch Wagner/Brenner-Hartmann/Kirsten/Löhr-Schwaab, Blutalkohol 59, 412/419, 423), nach den D-Kriterien zu bewerten (Beurteilungskriterien, S. 229). Demnach liegt es nicht fern, dass die Wiedererlangung der Fahreignung nach ärztlicher Verordnung von Medizinalcannabis ohne Indikation zumindest in Anlehnung an die Hypothese D3 (Drogengefährdung ohne Anzeichen einer fortgeschrittenen Drogenproblematik) zu beurteilen ist, wenn der Betroffene in zeitlichem Zusammenhang mit der Verschreibung auch illegal Cannabis konsumiert hat. In diesem Fall wäre bei einem regelmäßigen Cannabiskonsum über mehrere Jahre, wie er bei der Antragstellerin vorlag, wohl ein Abstinenzzeitraum von einem Jahr zu fordern, wie das Verwaltungsgericht ihn hier zugrunde gelegt hat (vgl. Beurteilungskriterien, Nr. 2 des Kriteriums D3.4 N).

Bei der Antragstellerin ist allerdings fraglich, ob ein relevanter zeitlicher Zusammenhang zwischen Konsum von illegalem Cannabis und der Einnahme von Medizinalcannabis bestand. Ihren Angaben nach, die das Gutachten vom 6. Juli 2023 nicht in Zweifel zieht, lagen zwischen der Verordnung von Medizinalcannabis und dem illegalen Konsum mehr als 8 Jahre und hat sie letzteren aufgrund einer Schwangerschaft aufgegeben. Somit war die Einnahme des Medizinalcannabis möglicherweise ausschließlich gesundheitlich bzw. medizinisch motiviert.

In diesem Fall läge aber nicht nur eine vollkommen andere Motivation, sondern auch eine geringere Rückfallgefahr vor als bei einem gewöhnlichen regelmäßigen Cannabiskonsumenten. Bei diesem dient das Cannabis typischerweise dazu, die Stimmung zu regulieren, also insbesondere Anspannungen abzubauen und sozialen Hemmungen oder Langeweile entgegenzuwirken (vgl. dazu Tossmann/Soellner/Kleiber in Jahrbuch Sucht 1994, 143/150). Daher könnte es fachlich geboten sein, die Wiedererlangung der Fahreignung in dieser Konstellation nach den bzw. in Anlehnung an die Kriterien zur Fahreignung bei Dauermedikation und Medikamentenmissbrauch (M-Hypothesen) zu beurteilen. Dafür könnte auch sprechen, dass die Beurteilungskriterien eine Verordnung durch den Arzt außerhalb der zugelassenen Indikation (sog. Off-Label-Use), wie sie hier vorlag, unter den Begriff der missbräuchlichen Einnahme bzw. des nicht bestimmungsgemäßen Gebrauchs fassen (Beurteilungskriterien, S. 228 unter Verweis auf die S3-Leitlinien „Medikamentenbezogene Störungen“). Von Interesse erscheint in diesem Zusammenhang insbesondere die Hypothese M2, die u.a. darauf abstellt, dass kein Fehlgebrauch psychoaktiver Arzneimittel mehr vorliegt, der Betroffene die Ursachen des Fehlgebrauchs erkannt und aufgearbeitet hat, aufgeklärt ist und die Arzneimittel entsprechend der ärztlichen Verordnung einnimmt (Compliance). Ferner fällt auf, dass die Beurteilungskriterien insoweit nur einen Zeitraum von in der Regel sechs Monaten fordern, in denen der Verzicht auf die Einnahme des Arzneimittels, bei dem der Fehlgebrauch bestand, belegt werden muss (Nr. 4 des Kriteriums M2.4N).

In diesem Zusammenhang kommt auch der Beurteilung in dem Gutachten vom 6. Juli 2023, das von einer sehr guten Compliance und wiedererlangter Fahreignung ausgeht, Bedeutung zu. Ggf. bietet es sich an, die ärztliche Gutachterin – mit Einverständnis der Antragstellerin – nach § 98 VwGO i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO (vgl. dazu Geiger, NZV 2002, 20/22) um eine schriftliche oder mündliche Erörterung ihres Gutachtens und um Vertiefung, nach welchen medizinischen Kriterien sich die Wiedererlangung der Fahreignung in der vorliegenden Konstellation ihres Erachtens bemisst, zu bitten.

5. Die Beschwerde war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

 

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