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Verfallsanordnung wegen LKW-Fahrt mit Überbreite

Begrenzung des Verfallsbetrages

AG Kassel – Az.: 390 OWi 7624 Js 33677/11 – Urteil vom 18.06.2012

Gegen die Betroffene wird der Verfall in Höhe von 965,57 € angeordnet.

Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: §§ 23 I, 49 StVO, 24 StVG, 29a OWiG

Gründe

I.

Die Betroffene betreibt ein Speditionsunternehmen. Sie ist Halterin des Sattelzuges mit dem amtlichen Kennzeichen … und des Anhängers mit dem amtlichen Kennzeichen ….

Am 19.04.2011 hatte der Fahrer und Angestellte der Betroffenen, „Herr X“, als Führer der genannten Fahrzeugkombination in 01591 Riesa eine Fuhre Autoreifen, Gewicht 10,323 t, geladen, um diese unter anderem über die Bundesautobahn 5 in das 529 km entfernte Philippsburg (PLZ 76661) zu transportieren.

Anlässlich einer Verkehrskontrolle nach ca. 448 km Fahrtstrecke wurde am Kontrollort Rastanlage Taunusblick an der Bundesautobahn 5 festgestellt, dass die Breite des Sattelzuges z. T. 2,75 m betrug, Eine Ausnahmegenehmigung für ein Fahrzeugbreite von bis zu 3 m für die Zeit vom 01.04.2011 bis 31.03.2012 wurde am 20.04.2012 erteilt.

Als Entgelt für die Fahrt erhielt die Betroffene 965,57 €. Die mit Geldbuße bedrohte Handlung des Fahrers wurde nicht geahndet.

II.

Vorstehende Feststellungen konnten auf Grund der ausweislich des Sitzungsprotokolls durchgeführten Beweisaufnahme sowie der Einlassung des die Betroffene vertretenen Verteidigers getroffen werden.

Die mit Geldbuße bedrohte Handlung und die ihr zu Grunde liegenden Tatsachen stehen fest auf Grundlage der Aussage des Zeugen „Y“ sowie der in Augenschein genommenen Lichtbilder (Bl. 7-13 d. A.).

Die Betroffene hat sich zunächst nicht zur mit Geldbuße bedrohten Handlung eingelassen, später jedoch eingeräumt, dass der Verstoß selbst „nicht bestritten“ werde.

Der Zeuge „Y“ hat bekundet, dass das vom Mitarbeiter „X“ der Betroffenen geführte Fahrzeug mit Autoreifen dergestalt beladen gewesen sei, dass die Ladung die Plane ausgebeult und so dass verfahrensgegenständliche Fahrzeug stellenweise eine Breite von 2,75 m aufgewiesen habe. Diese Breite sei mittels Lot, durch das Markierungen auf dem Boden aufgebracht wurden und geeichter Messvorrichtung bestimmt worden.

Diese Aussage des Zeugen „Y“ ist glaubhaft, weist mehrere Realkennzeichen auf. So berichtete der Zeuge ausführlich, nachvollziehbar – insbesondere hinsichtlich der Messung -, schlüssig und widerspruchsfrei, was die Verteidigung am Ende Vernehmung zu der Aussage dazu veranlasste, die verfahrensgegenständliche Messung nicht in Zweifel zu ziehen. Inhaltliche, strukturelle oder sprachliche Brüche traten bei der Aussage nicht hervor. Eine Belastungstendenz oder ein solches Motiv waren nicht erkennbar. Der Zeuge schilderte das Geschehen sachlich und ohne Übertreibungen.

Die in Augenschein genommenen, vom Zeugen am Tattag gefertigten Lichtbilder lassen die Fahrzeugkennzeichen sowie die Ausbeulung an der Plane deutlich erkennen. Wegen Einzelheiten der Abbildungen wird auf die zuvor genannten Blätter der Akten – mit den darauf befindlichen Abbildungen – gemäß § 267 I 3 StPO i. V. m. § 71 I OWiG verwiesen. Anlass, an der Authentizität der Bilder zu zweifeln, besteht nicht.

Die auszugsweise verlesenen Urkunden, der Frachtbrief, die unter Ziff. I genannte Ausnahmegenehmigung und der Abrechnungsbeleg, welcher für den verfahrensgegenständlichen Transport einen Erlös von 965,57 € ausweist, sind echt. Die ihnen entnehmbaren Angaben über die geplante Fahrtstrecke, Erlös der Fahrt und Zeitpunkt, Gegenstand und Umfang der Genehmigung (vgl. Ziff. I zu den Daten) sind den Feststellungen zu Grunde zu legen.

III.

Damit liegt seitens des Fahrers eine mit Geldbuße bedrohte Handlung vor, nämlich eine Ordnungswidrigkeit nach den §§ 23 I, 49 StVO, derentwegen eine Geldbuße nicht festgesetzt wurde. Die Ausnahmegenehmigung für den Zeitraum 01.04.2011 bis 31.03.2012 wurde erst am 20.04.2011 und damit nach dem Tattag erlassen und ist deshalb wegen der im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht tatsächlichen Betrachtungsweise ebenso unbeachtlich wie die Frage der Vorwerfbarkeit hinsichtlich der Betroffenen.

Der Fahrer der Fahrzeugkombination führte dieses für seine Arbeitgeberin, die Betroffene.

Gemäß § 29a OWiG kann ein Geldbetrag bis zur Höhe des Wertes desjenigen, was die Betroffene hieraus erlangt hat, abgeschöpft werden. Dies führt nach Ausübung des dem Gericht zustehenden Ermessens zu einem Abschöpfungsbetrag von 965,57 €.

Die ordnungswidrige Fahrt war unmittelbar kausal für den Erlös der Betroffenen für diese Fahrt. Das Erlangte beträgt danach hier 965,57 €. Das Erlangte ist nach der Entscheidung des Gesetzgebers für das Bruttoprinzip ohne Abzug etwaig entstandener Kosten vollständig abzuschöpfen. Allerdings sieht das Gesetz in § 29a OWiG ein gerichtliches Ermessen vor, in dem es die Abschöpfung „bis zu“ diesem Erlangten vorsieht. Der Ermessensentscheidung des erkennenden Gerichts liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Die gesetzgeberische Konzeption sieht in bewusster Abkehr vom „Nettoprinzip“ das „Bruttoprinzip“ vor: Das gesamte Erlangte kann ohne Abzug gewinnmindernder Kosten abgeschöpft werden (vgl. nur OLG Celle 322 SsBs 175/11; Göhler § 29a, Rn. 4 jeweils m. w. N.). Bei dem Verfall handelt es sich nicht um ein pönales, sondern präventiv-ordnendes, kondiktionsähnliches Mittel (BVerfG NJW 2004, 2073).

Der Umstand, dass ausweislich der nachträglichen Genehmigung für den vorliegenden Transport dieser genehmigungsfähig war, führt im Rahmen der gerichtlichen Ermessensausübung nicht zu einer Reduzierung des abzuschöpfenden Betrages, etwa auf die ersparten Genehmigungskosten (a. A. OLG Koblenz, 1 Ss 247/06 (zit. nach iuris)). Der mitunter in der Rechtsprechung vertretenen Gegenansicht (OLG Koblenz a. a. O.), das Erlangte für den Fall der Genehmigungsfähigkeit auf ersparte Aufwendungen, wie die Genehmigungskosten, zu begrenzen, vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Die Verfallsanordnung setzt gem. § 29a OWiG eine unmittelbare Kausalbeziehung zwischen der Tat und dem aus dieser oder für diese erlangten Etwas, dem Vorteil, voraus (vgl. nur OLG Celle 322 SsBs 175/11). An diesem unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen Ordnungswidrigkeit und Nichteinholung einer Genehmigung und den dadurch ersparten Genehmigungskosten fehlt es. Der ordnungswidrige Transport war nicht ursächlich dafür, dass die Betroffene zuvor (!) keine Ausnahmegenehmigung für den Transport einholte und dadurch Genehmigungskosten ersparte. Vielmehr besteht ein umgekehrter Kausalzusammenhang: Die unterbliebene Ausnahmegenehmigung führt zur Ordnungswidrigkeit des vorliegenden Transportes. Dieser Zusammenhang ist jedoch für die Bestimmung des Verfallsbetrages unerheblich.

Des Weiteren nähme man dem Verfall seine präventiv-ordnende Funktion, beschränkte man den Verfallsbetrag auf die ersparten Genehmigungskosten. Denn dann beliefe sich für die Betroffene der Verfallsbetrag im Falle der Genehmigungsfähigkeit stets auf die ersparten Genehmigungskosten. Es wäre ihr dadurch möglich, zuverlässig vorherseh- und kalkulierbar das wirtschaftliche Risiko ordnungswidriger Transporte – auch über einen längeren Zeitraum – zu begrenzen. So könnte eine Spedition über Monate in Ermangelung einer entsprechenden Genehmigung ordnungswidrige Transporte durchführen, daraus zig Tausende von Euro erlösen und das wirtschaftliche Risiko für den Fall der Entdeckung beliefe sich stets auf die – im Hinblick auf die Erlöse minimalen – ersparten Genehmigungskosten. Demgegenüber kann der Verfall nur dann eine präventive Funktion ausüben, wenn jedenfalls grundsätzlich zumindest das aus der ordnungswidrigen Fahrt selbst Erlangte abgeschöpft wird und dieses nicht stets automatisch auf die deutlich niedrigeren Kosten einer hypothetisch möglich gewesenen Genehmigung begrenzt wird. Die Berücksichtigung der ersparten Aufwendungen zeitigte dagegen axiologisch fragwürdige Ergebnisse (so aber OLG Koblenz a. a. O.). So wäre es einer Betroffenen beispielsweise möglich, über Monate mit in Folge nicht in Stand gesetzter Bremsen nicht verkehrstauglichen Fahrzeugen – für die Übrigen Verkehrsteilnehmer äußerst gefährliche – Transporte durchzuführen und der Betroffenen drohte allenfalls das „Abschöpfen“ der ersparten Reparaturkosten. Eine dahingehende Ermessensausübung würde dem präventiv-ordnenden Charakter des Verfalls ebenfalls nicht gerecht. Das beabsichtigte Überbürden des Risikos irregulärer Vermögenszuordnungen in Folge von Ordnungswidrigkeiten auf die Betroffene (BVerfGE 110, 1 ff.) würde für diese sicher kalkulierbar begrenzt und liefe letztlich weitgehend leer.

Im Übrigen hätte das Gericht die Frage der Genehmigungsfähigkeit dann stets von Amtswegen wegen im Verfallsverfahren zu prüfen. Dies führte aber im Ergebnis genau zu dem Aufklärungsaufwand und den Beweisschwierigkeiten, die der Gesetzgeber mit Einführung des Bruttoprinzips zu vermeiden versuchte (BT-Drucks. 12/989 S. 23). Insofern begäbe man sich auch in Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers mit seiner Entscheidung für dieses Bruttoprinzip. Zum identischen Ergebnis führt eine weitergehende Betrachtung der Verfallskonzeption mit ihrem Bruttoprinzip: Wenn danach tatsächliche Aufwendungen gerade nicht im Sinne des Nettoprinzips berücksichtigt werden sollen, so muss dies – a maiore ad minus – erst recht für bloß hypothetische Aufwendungen wie die Genehmigungskosten gelten.

Darüber hinaus würde die Berücksichtigung der Tatsache, dass der Transport auch legal, also genehmigt hätte durchgeführt werden können, abstrahiert zum Beachten eines hypothetischen rechtmäßigen Kausalverlaufs führen. Ein solches Vorgehen begegnet jedoch erheblichen, durchgreifenden Bedenken (zusammenfassend, zutreffend und instruktiv bereits: OLG Celle 322 SsBs 175/11).

Dem bürgerlich-rechtlichen Kondiktionsrecht ist die Berücksichtigung der hypothetischen Möglichkeit des rechtmäßigen Erlangens des Vermögensvorteils fremd. Die Möglichkeit beispielsweise, dass das Erlangte auch mit Rechtsgrund hätte erlangt werden können, führt nicht zu einer Reduzierung des Umfangs des Bereicherungsanspruches. Da der Verfall ein kondiktionsähnliches Mittel darstellt (BVerfG NJW 2004, 2073), erscheint hier eine Beachtung dieser hypothetischen Möglichkeit ebenfalls nicht angezeigt (vgl. bereits AG Kassel 390 OWi – 7624 Js 14492/11).

Die Frage, ob im Rahmen der gerichtlichen Ermessensausübung die bis zum Kontrollpunkt zurückgelegte Strecke im Verhältnis zur geplanten und entgoltenen Gesamtstrecke, hier 448 km zu 529 km, zu berücksichtigen ist, hat das Gericht im Rahmen seiner Ermessensausübung ebenfalls verneint. Abzuschöpfen ist das Erlangte nach dem Bruttoprinzip. Dieses Erlangte richtet sich grundsätzlich nach dem tatsächlich der Betroffenen zugeflossenen Erlös. Für dieses Erlangte ist es aber grundsätzlich bedeutungslos, an welchem Punkt der Fahrtstrecke die Kontrolle des Transportes erfolgt (im Ergebnis ebenso Thole NZV 2009, S. 64, die von der „einheitlichen Natur des Entgeltanspruchs“ spricht). Der Auftraggeber der Betroffenen zahlt dieser nicht ein Entgelt in Abhängigkeit vom Ort einer etwaigen Kontrolle. Im Übrigen wäre es auch hier axiologisch fragwürdig, wollte man den abzuschöpfenden Betrag von der Länge der bereits gefahrenen Teilstrecke abhängig machen, da dieser Umstand eine Zufälligkeit darstellt.

Sonstige Anhaltspunkte für eine Reduzierung des Verfallsbetrages im Rahmen des gerichtlichen Ermessens sind nicht ersichtlich.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 465 StPO, 46 OWiG.

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