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Neuerteilung Fahrerlaubnis nach strafgerichtlicher Entziehung – Gutachtenanordnung

VG Leipzig – Az.: 1 K 352/20 – Urteil vom 31.03.2021

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Neuerteilung der Fahrerlaubnis für die Klassen A1, A2, A, B, BE, AM und L nach vorangegangener Entziehung.

Dem Kläger wurde mit Urteil des Amtsgerichts Torgau vom 28.8.2017, Az.: 2 Ds 251 Js 30074/17, rechtskräftig seit dem 18.9.2017, die Fahrerlaubnis entzogen. Es wurde eine Sperre von 18 Monaten für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis ausgesprochen. Dem Urteil lagen folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde: Der Kläger sei am 12.4.2017 gegen 15:41 Uhr mit einem VW-Transporter, amtliches Kennzeichen …, auf der Schlossstraße in D… gefahren, obwohl er infolge vorrangegangen Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen sei. Eine bei ihm am Tattag um 16:50 Uhr entnommene Blutprobe habe eine Blutalkoholkonzentration von 1,33 ‰ ergeben. Seine Fahruntüchtigkeit hätte der Kläger bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen. Damit habe sich der Kläger der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr schuldig gemacht, strafbar gemäß § 316 Abs. 1 und Abs. 2, §§ 69, 69a Strafgesetzbuch – StGB -. Bei der Strafzumessung wurde zu Lasten des Klägers berücksichtigt, dass er einschlägig vorbestraft sei, wenngleich dies 11 Jahre zurückliege. Insoweit fand eine Verurteilung durch das Amtsgericht Oschatz wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr vom 7.11.2006 Erwähnung.

Ausweislich des Polizeiberichts zum Geschehen am 12.4.2017 wurde der Kläger im Zusammenhang mit einer allgemeinen Verkehrskontrolle wegen überhöhter Geschwindigkeit als Fahrer des VW-Transporters festgestellt. Im Fahrzeug habe ein Beifahrer gesessen. Der Kläger habe nervös gewirkt und in der Atemluft sei Alkoholgeruch wahrzunehmen gewesen. Der Kläger habe einem Atemalkoholtest zugestimmt, der um 16:08 Uhr einen Wert von 0,72 mg/l ergeben habe. Der Kläger habe in eine Blutentnahme eingewilligt, wobei Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit nicht bestanden hätten, weil der Kläger gegenüber den Polizeibeamten Ort, Datum und Uhrzeit sowie die ihm gegenüber zuvor erfolgte Belehrung sinngemäß habe wiedergeben können. Alkoholbedingte Ausfallerscheinungen wurden nicht dokumentiert. Die Blutentnahme sei am 12.4.2017 um 16:50 Uhr in der …-Klinik O… durchgeführt worden. Der Führerschein des Klägers sei sichergestellt worden.

Aus dem ärztlichen Untersuchungsbericht zur Blutentnahme am 12.4.2017 ergibt sich u. a., dass der Gang des Klägers und eine plötzliche Kehrtwende sicher gewesen seien. Ebenso sei die Finger-Finger-Probe und die Nasen-Finger-Probe sicher gewesen. Das Bewusstsein des Klägers sei klar gewesen, der Denkablauf sprunghaft und das Verhalten beherrscht. Nach ärztlicher Einschätzung habe der Kläger den Anschein erweckt, leicht unter Alkoholeinfluss zu stehen.

Bei der Beschuldigtenvernehmung des Klägers am 10.5.2017 gab der Kläger gegenüber der Polizei an, dass er am 12.4.2017 vor Fahrtantritt keinen Alkohol getrunken habe. Er habe Unterleibsschmerzen gehabt und deshalb Medikamente eingenommen. Er sei direkt von L… aus gefahren. Die Blutalkoholkonzentration von 1,33 ‰ sei auf zwei Schlucke Tee mit Alkohol zurückzuführen, die er während der polizeilichen Maßnahme wegen seiner Unterleibsschmerzen getrunken habe. Er habe aus einer Flasche seinen Tee mit Alkohol getrunken. Das Getränk habe in etwa zu zwei Drittel aus weißem Rum und im Übrigen aus Pfefferminztee und Zucker bestanden. Auf Nachfrage zum Trinkverhalten erklärte der Kläger, dass er nur abends, meist gegen 21:00 Uhr, ein bis zwei Flaschen Bier trinke. Im Übrigen habe er sich vor Fahrtantritt eigentlich fit gefühlt, nur etwas schlapp wegen der Tabletten und des Stresses.

Am 23.9.2019 beantragte der Kläger bei der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten die Neuerteilung der Fahrerlaubnis für die Klassen A1, A2, A, B, BE, AM und L. Dem Antrag war u. a. ein Führungszeugnis nach § 30 Abs. 5 Bundeszentralregistergesetz – BZRG – vom 23.4.2019 beigefügt, das u. a. die Verurteilung durch das Amtsgericht Torgau vom 28.8.2017 (Az.: 2 Ds 251 Js 30074/17) auflistete.

Am 23.9.2019 ordnete der Beklagte gegenüber dem Kläger unter Verweis auf § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. d) Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Zur Begründung nahm er auf das Geschehen vom 12.4.2017 und das hierzu ergangene Urteil des Amtsgerichts Torgau vom 28.8.2017 (Az.: 2 Ds 251 Js 30074/17) Bezug. Sinngemäß erläuterte der Beklagte, dass in der Gesamtschau begründete Tatsachen vorlägen, die erhebliche Zweifel an der Fahreignung des Klägers begründen und die Abklärung durch medizinisch-psychologische Begutachtung rechtfertigen würden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es dem Kläger trotz der bei ihm bereits am Nachmittag festgestellten hohen Blutalkoholkonzentration von 1,33 ‰ gelungen sei, ein Fahrzeug zu führen und die Polizei den Kläger lediglich wegen überhöhter Geschwindigkeit kontrolliert habe. Bei nicht an Alkohol gewöhnten Personen würde es hingegen bereits bei einer Alkoholisierung ab 1,1 ‰ zu körperlichen Reaktionen kommen, die den Fahrantritt verhindert hätten. Dies deute auf einen Alkoholmissbrauch hin. Außerdem sei zu würdigen, dass ein Beifahrer im Fahrzeug gesessen habe, was für ein außergewöhnlich gering ausgeprägtes Risikobewusstsein spreche. Darüber hinaus gebe die Formulierung des Strafrichters einen Hinweis darauf, dass eine erfolgreiche Aufarbeitung vorangegangener Trunkenheitsfahrten nicht stattgefunden habe und ein ungelöstes Alkoholproblem vorliege. In der hierzu vom Beklagten zitierten Formulierung des Strafrichters ist von vorangegangenen Trunkenheitsfahrten des Klägers und einer erst im Jahr 2019 erfolgten Wiedererteilung der Fahrerlaubnis die Rede, wobei dies offensichtlich nicht auf den Kläger eingewirkt habe und es deshalb eines längeren Zeitraums bedürfe, um seine charakterliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiederherzustellen. Des Weiteren führte der Beklagte aus, dass das vom Kläger beizubringende Gutachten dazu Stellung zu nehmen habe, ob zu erwarten sei, dass der Kläger in Zukunft erneut ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinwirkung führen werde und ob bei ihm infolge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorliegen, die ein sicheres Führen eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 1 (Fahrerlaubnis der Klassen A, BE sowie aller eingeschlossenen Klassen) infrage stellten. Das Gutachten solle von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung erstellt und bis zum 18.12.2019 vorgelegt werden. Darüber hinaus wurde der Kläger u. a. darauf hingewiesen, dass er die Begutachtungsstelle auf seine Kosten zu beauftragen habe und er die zu übersendenden Unterlagen einsehen könne. Außerdem wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden dürfe, wenn er das Gutachten nicht fristgemäß vorlege bzw. sich weigern würde, die Untersuchung durchführen zu lassen.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 9.10.2019 wandte sich der Kläger gegen die Anordnung der medizinisch-psychologischen Begutachtung. Sinngemäß erläuterte er, dass die Blutalkoholkonzentration von 1,33 ‰ und die Verurteilung durch das Amtsgericht Torgau vom 28.8.2017 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 6.4.2017 – 3 C 24.15 -) für die Gutachtenanordnung nicht ausreichten. Die Blutalkoholkonzentration habe unter 1,6 ‰ gelegen, so dass die Gutachtenanordnung nicht auf § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. c) FeV gestützt werden könne. Es liege auch keine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss i. S. v. § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. b) FeV vor. Die Verurteilung des Klägers durch das Amtsgerichts Oschatz im Jahr 2006 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr liege bereits mehr als 10 Jahre zurück, sei getilgt und dürfe daher nicht mehr für die Eignungsbeurteilung verwertet werden. Vor diesem Hintergrund werde sich der Kläger keiner MPU unterziehen, sondern erwarte bis zum 30.10.2019 die Erteilung der Fahrerlaubnis.

Am 28.10.2019 nahm die Beklagte telefonisch Rücksprache mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und erläuterte, dass an der Gutachtenanordnung festgehalten werde. Es bestand Einigkeit der Beteiligten, dass ohne weiteren Schriftwechsel ein Bescheid erlassen würde.

Mit Bescheid vom 7.11.2019 lehnte der Beklagte die Neuerteilung der Fahrerlaubnis ab (Ziffer 1). Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt, die auf 66,95 Euro festgesetzt wurden (Ziffer 2 und 3). Zur Begründung erläuterte der Beklagte im Wesentlichen, dass durch das Geschehen am 12.4.2017 und die Verurteilung des Klägers durch das Amtsgerichts Torgau vom 28.8.2017 (Az.: 2 Ds 251 Js 30074/17) begründete Tatsachen vorliegen würden, die eine Aufklärung hinsichtlich eines Alkoholmissbrauchs rechtfertigen würden. Die Tat belege einen Alkoholmissbrauch, weil der Kläger erwiesenermaßen nicht zwischen einem die Fahreignung ausschließenden Alkoholkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges getrennt habe. Wegen weiterer Zusatztatsachen würden erhebliche Fahreignungszweifel bestehen. Die Gutachtenanordnung vom 23.9.2019 sei daher zu Recht auf § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. d) FeV gestützt worden und nicht – wie vom Prozessbevollmächtigten des Klägers dargelegt – auf § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. b) oder lit. c) FeV. Mit Schreiben vom 9.10.2019 habe der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass er zur Mitwirkung an der Aufklärung der Fahreignungszweifel nicht bereit sei. Dies lege die Vermutung nahe, dass der Kläger uneinsichtig sei und Fahreignungsmängel verbergen wolle. Aufgrund der Verweigerung könne die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Klägers schließen, so dass die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 2 Abs. 4 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – i. V. m. § 20 und § 11 Abs. 1 Satz 1 FeV nicht in Betracht komme. Der Bescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Postzustellungsurkunde am 11.11.2019 zugestellt.

Am 11.12.2019 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch. Eine Begründung erfolgte nicht.

Mit Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr vom 14.2.2020 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde vertiefend dargelegt, dass sich aus dem Geschehen vom 12.4.2017 und der Verurteilung durch das Amtsgerichts Torgau vom 28.8.2017 (Az.: 2 Ds 251 Js 30074/17) ein Alkoholmissbrauch des Klägers ableiten lasse. Die erreichte Blutalkoholkonzentration liege mit 1,33 ‰ außerhalb eines gesellschaftlichen Trinkens und erheblich über dem Wert von 1,1 ‰, ab dem von einer absoluten Fahruntüchtigkeit auszugehen sei. Hinzukomme, dass die Alkoholisierung bereits am Nachmittag gegen 15:41 Uhr erreicht worden sei. Hierzu sei eine exzessive Alkoholzufuhr erforderlich und es könne von einem chronischen Alkoholkonsum sowie vom Verlust der kritischen Einschätzung des Verkehrsrisikos ausgegangen werden. Die am 23.9.2019 erfolgte Gutachtenanordnung sei angesichts der Hinweise auf einen Alkoholmissbrauch zu Recht erfolgt. Insoweit habe für die Fahrerlaubnisbehörde kein Ermessen bestanden. Zudem wurde vertiefend dazu ausgeführt, inwieweit Alkoholmissbrauch der Fahreignung entgegenstehe und dass die vom Kläger angeführte Rechtsprechung nicht einschlägig sei.

Am 13.3.2020 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben. Zur Begründung nimmt er auf seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren Bezug, die er wiederholt und vertieft. Die festgestellte Blutalkoholkonzentration habe unter 1,6 ‰ gelegen und eine wiederholte Zuwiderhandlung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss liege nicht vor, so dass die Gutachtenanordnung vom 23.9.2019 zu Unrecht ergangen sei und seine Fahreignung nicht in Zweifel stehe. Das Geschehen aus April 2017 weiche auch in keiner Weise vom üblichen Geschehensbild einer Trunkenheitsfahrt ab. Frühere Verstöße, die sehr lange zurückliegen und nicht mehr vorwerfbar seien, dürften nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen führt der Kläger zu Ermittlungs- und Strafverfahren der jüngeren Vergangenheit aus, die den Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis betroffen hätten.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst), den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7.11.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr vom 14.2.2020 zu verpflichten, dem Kläger die Fahrerlaubnis für die Fahrzeugklassen A1, A2, A, B, BE, AM und L zu erteilen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wiederholt er die Ausführungen des Bescheides und Widerspruchsbescheides. Hiernach sei der Kläger nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet, weshalb die Neuerteilung der Fahrerlaubnis zu Recht abgelehnt worden sei. Vertiefend legt der Beklagte dar, dass dem Kläger wegen des Vorfalls am 12.4.2017 vom Amtsgericht Torgau die Fahrerlaubnis im Hinblick auf einen Alkoholmissbrauch entzogen worden sei. Damit würden Tatsachen vorliegen, die i. S. v § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. a) Alt. 2 FeV die Annahme eines Alkoholmissbrauchs begründeten. Damit sei die Gutachtenanordnung vom 23.9.2019 zutreffend auf § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. d) FeV gestützt worden. Im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 6.4.2017 – 3 C 24/15 -) würden auch zusätzliche Tatsachen vorliegen, die trotz einmaliger Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 ‰ die Annahme eines Alkoholmissbrauchs stützten. Aus den Unterlagen des Ermittlungs- und Strafverfahrens zum Geschehen vom 12.4.2017 ergebe sich, dass der Kläger eine vollkommen verzerrte Wahrnehmung seines Alkoholkonsums habe und dessen Auswirkungen verkenne. Auch habe er trotz der hohen Blutalkoholkonzentration keine Ausfallerscheinungen gezeigt und sei sicher aufgetreten. Gerade dieser Aspekt sei als Zusatztatsache nach der jüngsten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.3.2021 (BVerwG, Pressemittteilung Nr. 18/2021) bedeutsam. Außerdem sei zu betrachten, dass dem Kläger bereits am 7.11.2006 wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen worden sei und ihn dies – ausgehend von den Entscheidungsgründen im Urteil des Amtsgerichts Torgau vom 28.8.2017 (Az.: 2 Ds 251 Js 30074/17) – nicht von einer erneuten Trunkenheitsfahrt abgehalten habe. Die Tilgung dieser Tat stehe der Heranziehung als zusätzlichen Anhaltspunkt für die Annahme eines Alkoholmissbrauchs nicht entgegen. Darüber hinaus sei der Kläger am 12.3.2020 als Halter und Beifahrer bei einer Verkehrskontrolle erneut unter Alkoholeinfluss aufgefallen.

Der Beklagte verzichtete mit Schriftsatz vom 16.2.2021 auf die mündliche Verhandlung. Der Kläger erklärte den Verzicht auf die mündliche Verhandlung mit Schriftsatz vom 1.3.2021.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung waren.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu jeweils ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Neuerteilung der Fahrerlaubnis für die Fahrzeugklassen A1, A2, A, B, BE, AM und L. Der Bescheid des Beklagten vom 7.11.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr vom 14.2.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis, die gemäß § 20 Abs. 1 FeV auch für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach vorausgegangener Entziehung gelten, bestimmen sich nach § 2 Abs. 2, Abs. 8 StVG i. V. m. § 20 Abs. 1, §§ 11 und 14 FeV. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist in der hier vorliegenden Konstellation die letzte mündliche Verhandlung (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.2.2014 – 3 C 1.13 -, BVerwGE 149,74; VGH BW, Urt. v. 3.9.2015 – 10 S 778/14 -, juris Rn. 15) bzw. hier die Entscheidung des Gerichts.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG müssen Fahrerlaubnisbewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Die Eignung besitzt nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG sowie § 11 Abs. 1 Satz 1 und 3 FeV derjenige, der die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Die Anforderungen sind insbesondere dann nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung vorliegt, wodurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird (§ 11 Abs. 1 Satz 2 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Bewerbers begründen, so kann die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 2 Abs. 8 StVG anordnen, dass der Antragsteller ein Gutachten oder Zeugnis eines Facharztes oder Amtsarztes, ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung oder eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr innerhalb einer angemessenen Frist beizubringen hat. Gemäß § 11 Abs. 3 FeV kann die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln angeordnet werden. Bei der Neuerteilung der Fahrerlaubnis ist dies gemäß § 11 Abs. 3 Nr. 9 b FeV der Fall, wenn der Entzug der Fahrerlaubnis auf einem Grund nach § 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV beruht, mithin bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht. § 13 FeV konkretisiert dabei die Fälle, in denen die Fahrerlaubnisbehörde im Zusammenhang mit einer Alkoholproblematik die Fahreignung durch ein ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten zu klären hat. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV ist die Eignung bei Alkoholmissbrauch ausgeschlossen. Alkoholmissbrauch liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Gemäß Nr. 8.2 Anlage 4 FeV kann von einer Eignung erst dann wieder ausgegangen werden, wenn der Missbrauch beendet und die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist.

Gemessen daran besitzt der Kläger nach derzeitiger Sach- und Rechtslage nicht die gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG erforderliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, sodass er keinen Anspruch auf die begehrte Neuerteilung der Fahrerlaubnis hat.

Das Vorliegen der Fahreignung wird vom Gesetz positiv als Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis gefordert; die Nichtfeststellbarkeit der Fahreignung geht also zu Lasten des Fahrerlaubnisbewerbers. Ein Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis besteht nicht, solange Eignungszweifel vorliegen, welche die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigen (vgl. VGH BW., Urt. v. 3.9.2015 – 10 S 778/14 -, juris Rn. 16 f.; VG Leipzig, Urt. v. 17.2.2016 – 1 K 804/15 -, bestätigt durch SächsOVG, Beschl. v. 29.9.2016 – 3 A 222/16 -). Hat die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Aufklärung der Eignungszweifel angeordnet und weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung – wie hier geschehen – gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen und hat die Neuerteilung der Fahrerlaubnis zu versagen. Die Regelung des § 11 Abs. 8 FeV beruht dabei auf der Überlegung, dass bei grundloser Weigerung der Vorlage eines angeordneten Gutachtens die Vermutung begründet ist, der Betroffene wolle einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 8.11.2001, SächsVBl. 2002, 94 f.). Die Norm räumt der Fahrerlaubnisbehörde deshalb auch kein Ermessen ein, sondern stellt einen Grundsatz der Beweiswürdigung dahingehend auf, dass ein Eignungsmangel für den Zeitpunkt der Gutachtensverweigerung bzw. des Ablaufs der Vorlagefrist als nachgewiesen gilt (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 13.10.2009 – 3 B 314/09 -, juris Rn. 5). Die Schlussfolgerung aus der Nichtbeibringung oder der nicht fristgerechten Beibringung des geforderten Gutachtens auf die Nichteignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen darf aber nur dann gezogen werden, wenn die Beibringung eines Gutachtens zu Recht angeordnet wurde (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.5.2012 – 3 B 65/11 -, juris Rn. 7).

Die Anordnung des Beklagten vom 23.9.2019 zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens begegnet hier keinen Bedenken. Die Voraussetzungen hierfür nach § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. d) i. V. m. § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. a) Alt 2. und Nr. 8.1 Anlage 4 FeV lagen vor. Auch ist die Gutachtenanordnung im Hinblick auf den Begutachtungsumfang, die Fristsetzung und die hiermit verbundenen Belehrungen nicht zu beanstanden.

Gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. d) FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn die Fahrerlaubnis aus einem der in § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. a) bis c) FeV genannten Gründe entzogen war. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Entziehung der Fahrerlaubnis im Sinne dieser Norm auch eine strafgerichtliche Entziehung auf der Grundlage von § 69 StGB sein kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.6.2013 – 3 B 71.12 -, juris Rn. 6). Allein eine strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis erfüllt die Anforderungen an die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens allerdings nicht. Aus der in § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. d) FeV normierten Rückbindung zu § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. a) bis c) FeV folgt, dass die insoweit genannten Gründe in ihrer Systematik und Wertung im Zusammenhang mit dem Tatbestand des § 13 Satz 1 Nr. 2 lit d) FeV zu beachten sind. Mit der Vorschrift wäre es daher unvereinbar, sich hiervon zu lösen und gewissermaßen allein die strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt zum eigenständigen Sachgrund für die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.4.2017 – 3 C 24/15 -, juris Rn. 17-18). Aus dem Grund genügt unter Berücksichtigung der in § 13 Satz 1 Nr. 2 lit b) und c) FeV zum Ausdruck kommenden Wertung auch eine strafgerichtliche Fahrerlaubnisentziehung wegen einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von unter 1,6 ‰ für sich genommen nicht, um als sonstige Tatsache i. S. v. § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. a) Alt. 2 FeV die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen. Anders liegt der Fall indes, wenn zusätzliche aussagekräftige Umstände im Sinne von Zusatztatsachen vorliegen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch stützen (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.4.2017 – 3 C 24/15 -, juris Rn. 14-16). Solche Umstände liegen vor, wenn der Betroffene bei einer Trunkenheitsfahrt trotz hoher Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ oder mehr keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen aufgewiesen hat (vgl. ThürOVG, Beschl. v. 15.1.2021 – 2 EO 147/20 -, juris Rn. 16; OVG LSA, Beschl. v. 22.4.2020 – 3 M 30/20 -, juris Rn. 6; OVG MV, Beschl. v. 19.3.2019 – 3 M 291/18 -, juris Rn. 25; BayVGH, Beschl. v. 11.3.2019 – 11 ZB 19.448 -, juris Rn. 11; VGH BW, Urt. v. 7.7.2015 – 10 S 116/15 – juris Rn. 46 f.). Eine solche aussagekräftige Zusatztatsache i. S. v. § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. a) Alt. 2 FeV weist auf eine außergewöhnliche Alkoholgewöhnung bzw. „Giftfestigkeit“ hin, begründet die Annahme von Alkoholmissbrauch und rechtfertigt es, auch bei einer unterhalb von 1,6 ‰ liegenden Blutalkoholkonzentration im Falle der Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach vorangegangener strafgerichtlicher Fahrerlaubnisentziehung ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzufordern. Die Regelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. c) FeV, wonach eine Gutachtenanordnung zu erfolgen hat, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ geführt wurde, entfaltet insoweit keine Sperrwirkung (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.3.2021 – 3 C 3.20 -, Pressemitteilung, PM 18/2021). Weitere bedeutsame Zusatztatsachen für die Annahme eines Alkoholmissbrauchs können im Übrigen in einem aggressiven Verhalten, in regelmäßigen Trinkgewohnheiten, sowie darin erblickt werden, dass eine hohe Blutalkoholkonzentration bereits am Nachmittag oder am frühen Abend erreicht wurde (vgl. vgl. BayVGH, Beschl. v. 10.3.2021 – 11 CS 20.2474 -, juris Rn. 23 f.; OVG MV, Beschl. v. 19.3.2019 – 3 M 291/18 -, juris Rn. 26, VG Leipzig, Urt. v. 22.8.2005 – 1 K 1629/03 -; SächsOVG, Beschl. v. 20.11.2007 – 3 B 716/05 -).

Hieran gemessen hat der Beklagte am 23.9.2019 zu Recht vom Kläger die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert. Die Anforderung des Gutachtens war gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. d) i. V. m. § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. a) Alt. 2 FeV geboten, weil dem Kläger zuvor wegen des Geschehnisses vom 12.4.2017 durch das Amtsgericht Torgau am 28.8.2017 (Az.: 2 Ds 251 Js 30074/17) die Fahrererlaubnis entzogenen worden war und neben der insoweit festgestellten Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,33 ‰ Zusatztatsachen vorlagen, die die Annahme von Alkoholmissbrauch i. S. v. Nr. 8.1 Anlage 4 FeV rechtfertigen. Diese Zusatztatsachen sind vor allem darin zu erblicken, dass der Kläger bei der Polizeikontrolle und auch bei der ärztlichen Untersuchung zur Blutentnahme am 12.4.2017 trotz der weit über 1,1 ‰ liegenden Alkoholisierung keine signifikanten alkoholbedingten Ausfallerscheinungen aufgewiesen hat, sondern orientiert und sicher auftrat. Aus dem ärztlichen Untersuchungsbericht ergibt sich, dass der Kläger bei klarem Bewusstsein gewesen ist, der Gang und eine plötzliche Kehrtwende sicher gewesen seien und der Kläger auch die Finger-Finger-Probe sowie die Nasen-Finger-Probe sicher absolvierte. Nach ärztlicher Einschätzung habe der Kläger den Anschein erweckt, nur leicht unter Alkoholeinfluss zustehen. Diese Umstände sprechen angesichts der hohen Blutalkoholkonzentration von 1,33 ‰ ohne Weiteres für eine überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung bzw. Giftfestigkeit des Klägers infolge eines über dem gesellschaftlichen Durchschnitt liegenden Trinkverhaltens. Hinzukommt, dass der Kläger die hohe Blutalkoholkonzentration bereits am späten Nachmittag des 12.4.2017 um 15:41 Uhr bzw. 16:50 Uhr aufgewiesen hatte und gleichwohl dazu im Stande gewesen ist, den von ihm geführten VW-Transporter über eine längere Strecke zu fahren – nach eigenen Angaben in der Beschuldigtenvernehmung vom 10.5.2017 von L… aus nach D…. Soweit der Kläger bei seiner Beschuldigtenvernehmung hierzu angab, er habe vor Fahrtantritt keinen Alkohol konsumiert, sich eigentlich fit gefühlt und er trinke meist nur abends gegen 21:00 Uhr ein bis zwei Bier, vermag dies die bei der Verkehrskontrolle bzw. der Blutentnahme festgestellte Alkoholisierung zwar nicht ansatzweise zu erklären, legt aber nahe, dass sich der Kläger eine regelmäßige Trinkgewohnheit angeeignet hat und den Grad der tatsächlichen Alkoholisierung sowie die hieraus resultierenden Risiken einer Verkehrsteilnahme als Kraftfahrzeugführer nicht mehr einzuschätzen vermag. Dabei ist auch zu würdigen, dass der Kläger einen Beifahrer beförderte und bei der Beschuldigtenvernehmung des Weiteren angab, er habe sich Tee mit Alkohol gemischt (d. h. zwei Drittel Rum und im Übrigen Pfefferminztee und Zucker) und dieses Getränk während der Polizeikontrolle zur Linderung seiner bereits mit Medikamenten behandelten Unterleibsschmerzen konsumiert. Zwar ist die auf ein Nachtrunkgeschehen abzielende Einlassung des Klägers – wie das Amtsgericht Torgau im o. g. Urteil festgestellt hat – unglaubhaft, lässt aber erkennen, dass der Kläger völlig den Bezug zu einem gesellschaftlichen Alkoholgenuss und der verantwortungsvollen Verkehrsteilnahme als Kraftfahrzeugführer verloren hat. In der Gesamtschau dieser Begleitumstände zur strafgerichtlichen Fahrerlaubnisentziehung durch das Amtsgericht Torgau am 28.8.2017 lagen damit zusätzliche Tatsachen vor, die die Annahme eines Alkoholmissbrauchs in dem Sinne begründen, dass der Kläger nicht in der Lage ist, das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum hinreichend sicher zu trennen. Zur Aufklärung der hieraus folgenden Fahreignungszweifel bedurfte es vor der Neuerteilung der Fahrerlaubnis der medizinisch-psychologischen Begutachtung (§ 13 Satz 1 Nr. 2 lit. d) i. V. m. § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. a) Alt. 2 und Nr. 8.1 Anlage 4 FeV).

Vor diesem Hintergrund kann der Einschätzung des Klägers, das hier maßgebende Geschehen aus April 2017 weiche in keiner Weise vom üblichen Geschehensbild einer Trunkenheitsfahrt ab, nicht gefolgt werden. Es kommt auch nicht auf den Einwand an, dass die beim Kläger am 12.4.2017 festgestellte Blutalkoholkonzentration unter 1,6 ‰ lag und die Voraussetzungen von § 13 Satz 1 Nr. 2 lit c) FeV damit nicht gegeben waren. Ebenso kann dahinstehen, ob vom Kläger wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss i. S. v. § 13 Satz 1 Nr. 2 lit. b) FeV begangen worden waren und ob insbesondere die Verurteilung durch das Amtsgericht Oschatz im Jahr 2016, auf das im Urteil des Amtsgerichts Torgau vom 28.8.2017 (Az.: 2 Ds 251 Js 30074/17) Bezug genommen wird, überhaupt noch zur Beurteilung der Fahreignung des Klägers herangezogen werden darf. Soweit der Beklagte sinngemäß meint, er dürfe (mittelbar) auch bereits getilgte Taten würdigen, wenn diese in der strafgerichtlichen Entscheidung zur Fahrerlaubnisentziehung erwähnt werden, führt diese Einschätzung vorliegend jedenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der am 29.3.2018 erlassenen Gutachtenan-ordnung. Denn diese durfte bereits aus den dargelegten Gründen auf § 13 Satz 1 Nr. 2 d) i. V. m. § 13 Satz 1 Nr. 2 a) Alt. 2 FeV und die Tat am 12.4.2017 gestützt werden und stand auch nicht im behördlichen Ermessen. Aus diesem Grund wirkt es sich auch nicht aus, wenn der Beklagte etwaige Geschehnisse der jüngeren Vergangenheit heranzieht, die sich erst nach dem Erlass der Gutachtenanordnung zugetragen haben, um die beim Kläger bestehende Alkoholproblematik zu verdeutlichen, obwohl es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Gutachtenanordnung – wie bereits dargelegt – auf den Zeitpunkt des Erlasses der Gutachtenanordnung ankommt.

Die Gutachtenanordnung vom 29.3.2018 erweist sich nach all dem auch nicht als unverhältnismäßig. Der vorliegende Fall ist nicht atypisch gelagert und § 13 FeV trägt den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit gerade dadurch Rechnung, dass ein abgestuftes System von fachärztlichen und medizinisch-psychologischen Untersuchungen vorgesehen ist.

Auch genügte der Inhalt der Gutachtenanordnung vom 23.9.2019 den Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV. Insbesondere war die Anordnung hinsichtlich der klärungsbedürftigen Frage und des Hinweises auf die Rechtsfolge nach § 11 Abs. 8 FeV nicht zu beanstanden. Die Frist zur Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens bis zum 18.12.2019 war angemessen. Gegenteiliges hat der Kläger auch nicht behauptet. Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV wurde der Kläger zudem auf die Möglichkeit hingewiesen, in die Unterlagen, die der Begutachtungsstelle übersandt werden, Einsicht zu nehmen. Da der Kläger bereits mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 9.10.2019 erklärt hatte, dass er sich der medizinisch-psychologischen Begutachtung nicht unterziehen werde und hieran auch im Telefonat der Beteiligten vom 28.10.2019 festhielt, war ein Abwarten der mit der Gutachtenanordnung gesetzten Frist zur Vorlage des Gutachtens nicht erforderlich. Es lag i. S. v. § 11 Abs. 8 FeV eine Verweigerung des vom Beklagten zu Recht geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens vor. Damit war sowohl der Schluss auf das Fehlen der Fahreignung des Klägers gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV als auch die hieraus gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG, § 20 FeV folgende Versagung der Neuerteilung der Fahrerlaubnis zwingend.

Vor dem Hintergrund ist auch die Kostenentscheidung des Bescheides vom 7.11.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.2.2020 nicht zu beanstanden. Sie basiert auf § 6a Abs. 1 Nr. 1 lit. a), Abs. 2 StVG i. V. m. § 1 Abs. 1, § 2 und § 4 Abs. 1 Nr. 1 Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr – GebOSt – i. V. m. Nr. 206, 399, 400 Gebührentarifs für Maßnahmen im Straßenverkehr – GebTSt – und § 9 Abs. 1 Verwaltungskostengesetz – VwKG -. Die festgesetzte Verwaltungsgebühr i. H. v. 64,00 Euro bewegt sich innerhalb des Gebührenrahmens von 33,20 Euro bis 256,00 Euro, wobei das damit eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt wurde. Hieran wurde nach Nr. 400 GebTSt zutreffend die Widerspruchsgebühr bemessen. Die Auslagenerhebung i. H. v. 2,95 Euro für die Postzustellung ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt und ist ebenso nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Höhe der Kosten im Übrigen auch keine konkreten Einwände erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Gericht hat im Rahmen seines Ermessens davon abgesehen, das Urteil hinsichtlich der Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da die Kosten des Beklagten nicht sonderlich ins Gewicht fallen (§ 167 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung war nicht gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen, da die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.

BESCHLUSS vom 31. März 2021

Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – unter Berücksichtigung von Nr. 46 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Fassung 11/2013 (SächsVBl. 2014, Heft 1, Sonderbeilage). Bei der demnach vorzunehmenden Ermittlung des Werts der Fahrzeugklassen, die von der begehrten Neuerteilung der Fahrerlaubnis umfasst sind, sind nur diejenigen zu berücksichtigen, denen im Hinblick auf § 6 Abs. 3 FeV eine eigenständige wertmäßige Bedeutung zukommt (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 15.9.2020 – 6 E 66/20 -, juris Rn. 6 ff. m. w. N.; Beschl. v. 3.6.2014 – 3 B 67/14 -, juris). Vorliegend sind das die Klassen A, B und BE. Die hiervon eingeschlossenen Fahrerlaubnisklassen bleiben außer Betracht. Nach Nr. 46.1 und 46. 3 des Streitwertkatalogs sind für die Klasse A 5.000,00 Euro und für die Klassen B und BE weitere 5.000,00 Euro anzusetzen. Der Streitwert beläuft sich damit auch insgesamt auf 10.000,00 Euro.

 

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