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Verbotswidrige Mobilfunktelefonnutzung bei Google-Maps-Nutzung?

AG Castrop-Rauxel – Az.: 6 OWi – 251 Js 2381/19 – 2/20 – Urteil vom 02.06.2020

Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher verbotswidriger Benutzung eines elektronischen Gerätes, dass der Kommunikation, Organisation oder Information dient oder zu dienen bestimmt ist, als Kraftfahrzeugführer zu einer Geldbuße von 100,00 € verurteilt. Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffenen (§§ 23 Abs. 1a, 49 StVO, 24 StVG, 246.1 BKat).

Gründe

I.

Der am xxxx in Y geborene Betroffene verfügt über geregelte Einkommens-und Familienverhältnissen ist.

Der Betroffene ist bislang wie folgt verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten:

– Missachtung der Vorfahrt des bevorrechtigten Fahrzeugs, wobei es zum Unfall kam; Bußgeld von 150,00 € und ein Punkt, Tat vom 07.01.2019, rechtskräftig seit 15.07.2019.

II.

Zur Überzeugung des Gerichts steht folgender Sachverhalt fest: Am 09.07.2019 gegen 9:45 Uhr befuhr der Betroffene in Castrop-Rauxel als Führer des Lastkraftwagens mit dem Kennzeichen XXX die B-Straße. In Höhe der Hausnummer XXX in Fahrtrichtung Süden hielt der Betroffene ein Mobiltelefon in der Hand und nutzte dessen Funktionen. Dies war dem Betroffenen auch bewusst.

III.

Verbotswidrige Mobilfunktelefonnutzung bei Google-Maps-Nutzung?
(Symbolfoto: Von CC7/Shutterstock.com)

Der Betroffene hat sich wie folgt zur Sache eingelassen: Er habe kein Mobiltelefon in der Hand gehalten. Er habe sein Mobiltelefon auf seinem Schoß bzw. dem Beifahrersitz liegen gehabt. Das Mobiltelefon habe über die Applikation „Google Maps“ als Navigationsgerät gedient. Er habe während der Fahrt immer wieder auf das Mobiltelefon geschaut, das Mobiltelefon aber dafür nicht in die Hand genommen. Das habe er den Polizeibeamten vor Ort auch so in seiner Einlassung mitgeteilt.

Die Verteidigerin des Betroffenen ist der Ansicht, die Zeugen hätten einen eventuellen Verstoß des Betroffenen nicht bemerken können. Der Fahrzeugaufbau der Zugmaschine sei hierfür viel zu hoch, die Zeugen hätten von ihrem Standpunkt aus keinen Blick in das Fahrzeug des Betroffenen werfen können.

1.

Die Einlassung des Betroffenen wird jedoch widerlegt durch die Aussage des Zeugen Z sowie die ihrem wesentlichen Inhalt nach bekannt gegebene Ordnungswidrigkeitenanzeige Bl. 4, 5 der Akte.

a)

Der Zeuge Z hat ausgesagt, an den konkreten Einzelfall keine Erinnerung mehr zu haben. Das Tatgeschehen liege nämlich fast ein Jahr zurück. Der Zeuge hat allerdings noch ausgesagt, aus der Ordnungswidrigkeitenanzeige und der dort genannten Örtlichkeit B-Straße schließen zu können, dass es sich um eine gezielte Verkehrsüberwachung gehandelt habe. Der Zeuge hat nämlich insoweit ausgesagt, an der besagten Örtlichkeit öfter gezielte Verkehrskontrollen mit dem Fokus Handy und Gurtverstöße beobachtet zu haben. Der Zeuge hat ferner erklärt, die Örtlichkeit sei zur Beobachtung gut geeignet, weil das Dienstfahrzeug der Polizeibeamten rechtwinklig zur Fahrbahn stehe und der Beobachtungsort im Vergleich zur Straße leicht erhöht sei. Denn das Polizeifahrzeug stehe an dem Beobachtungsort auf einem privaten Grundstück, das noch über den Bordstein befahren werden müsse. Der Grundstückseigentümer dulde, dass die Polizei diesen Ort zur Verkehrsbeobachtung nutze.

Der Zeuge hat ferner erklärt, er ahnde Verstöße nur dann, wenn sowohl er selbst als auch sein Kollege oder seine Kollegin den Verstoß gleichzeitig beobachtet hätten. Insgesamt übernehme er die volle Verantwortung für den Inhalt der Ordnungswidrigkeitenanzeige Bl. 4 und 5 der Akte.

Das Gericht hat den Zeugen ferner auf die Einlassung des Betroffenen in der Hauptverhandlung hingewiesen. Der Zeuge Z hat hierzu erklärt, falls der Betroffene vor Ort dieselbe Einlassung abgegeben hätte, hätte er dies auch so aufgenommen. Wenn in der Einlassung in der Ordnungswidrigkeitenanzeige nun enthalten sei, der Betroffen habe zunächst den Verstoß bestritten, anschließend aber eingeräumt, an seinem Mobiltelefon des Navigationsgerät eingestellt zu haben, so gehe er davon aus, dass dies auch vor Ort so gesagt worden sei.

b)

Die Ordnungswidrigkeitenanzeige Bl. 4 und 5 der Akte enthält neben der Beobachtungsörtlichkeit B-Straße und der Tatzeit 9:45 Uhr die Information, der Betroffene sei mit einem Lkw gefahren. Zum eigentlichen Tatvorwurf heißt es in der Ordnungswidrigkeitenanzeige: „Der Betroffene befuhr in seinem Lkw die B-Straße in Richtung Süden. Dabei konnte deutlich beobachtet werden, dass der Betroffene mit der linken Hand ein Mobiltelefon verwendete (Brusthöhe). Tippbewegungen waren deutlich erkennbar.“

Zur Einlassung des Betroffenen enthält die Ordnungswidrigkeitenanzeige folgende Inhalte: „Der Betroffene bestritt zunächst den Verstoß. Später räumte er ein, an seinem Mobiltelefon das Navi eingestellt zu haben.“

Das Gericht ist nach der Aussage des Zeugen und der Bekanntgabe der Ordnungswidrigkeitenanzeige davon überzeugt, dass der Betroffene tatsächlich vor Ort ein Mobiltelefon in der Hand gehalten und auch dessen Funktion genutzt hat.

Dabei darf sich der Tatrichter nicht damit begnügen, dass der Polizeibeamte, der sich ihr den Vorfall nicht erinnert, lediglich auf die Anzeige Bezug nimmt. Vielmehr muss der Tatrichter klären, ob der Polizeibeamte die volle Verantwortung für den Inhalt der Anzeige übernimmt, in welcher Weise er bei der Anzeigeerstattung beteiligt gewesen und ob und inwieweit ein Irrtum ausgeschlossen ist, und warum es verständlich erscheint, dass der Polizeibeamte den Vorfall nicht mehr in Erinnerung hat, falls insoweit Zweifel einsetzen können (OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2015, 56). Dabei wird auch vertreten, dass zum Beispiel bei qualifizierten Rotlichtverstößen eine bloße Bezugnahme auf die Ordnungswidrigkeitenanzeige ausscheidet, wenn sich in der Anzeige nur stichwortartige Umschreibungen des gesetzlichen Tatbestands und die Tatbestandsnummer befinden (AG Dortmund, Beschluss vom 08.10.2018, BeckRS 2018, 27559 = SVR 2019, 33). Befinden sich aber konkrete und detaillierte Beschreibungen des äußeren Geschehens in der Ordnungswidrigkeitenanzeige, ist die Bezugnahme weiterhin zulässig (AG Castrop-Rauxel Urt. v. 29.1.2019 – 6 OWi 313/18, BeckRS 2019, 1915 Rn. 15, beck-online).

Diesen Anforderungen genügen die Aussage des Zeugen Z und der Inhalt der Ordnungswidrigkeitenanzeige.

Der Zeuge Z nachvollziehbar begründet, aufgrund des langen Zeitablaufs nicht mehr in der Lage zu sein, sich an den Tattag zu erinnern. Dass der Zeuge vor Ort einem Wahrnehmungsirrtum unterlag, ist für das Gericht nicht erkennbar. Der Zeuge konnte anhand des Standortes erläutern, es habe sich um eine gezielte Verkehrsüberwachung gehandelt. Insoweit muss das Gericht davon ausgehen, dass der Zeuge seine volle Aufmerksamkeit der Beobachtung des Straßenverkehrs gewidmet hat.

Der Zeuge hat darüber hinaus erklärt, die volle Verantwortung für den Inhalt der Ordnungswidrigkeitenanzeige zu übernehmen. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die Ordnungswidrigkeitenanzeige in der Regel unmittelbar nach dem Vorfall gefertigt wird, sodass das Gericht berechtigt davon ausgehen darf, dass die Erinnerung des Zeugen jedenfalls bei Abfassung der Ordnungswidrigkeitenanzeige noch frisch und damit weniger fehleranfällig, als wenn die Anzeige erst deutlich später verfasst worden wäre.

Darüber hinaus enthält die Ordnungswidrigkeitenanzeige konkrete Beschreibungen des Tatvorwurfs und auch der Einlassung. Die Anzeige enthält die handschriftliche Information, der Betroffene habe das Mobiltelefon mit der linken Hand in Brusthöhe gehalten und die Bewegungen seien erkennbar gewesen. Die Anzeige erhält darüber hinaus die Informationen, der Betroffene sei mit seinem Lkw in Fahrtrichtung Süden gefahren. Darüber hinaus enthält die Anzeige konkrete Einzelheiten zur Einlassung des Betroffenen vor Ort. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum der Zeuge Z die Einlassung des Betroffenen falsch aufgenommen haben sollte.

Der Beweisantrag der Verteidigung war nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zurückzuweisen, weil die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich erschienen. Eine weitere Beweiserhebung drängte sich nach dem bisherigen Beweisergebnis nämlich nicht auf. Dem Zeuge wurde ausdrücklich der Vorhalt gemacht, der Betroffene sei in einem Lkw gefahren und er selber habe in einem Polizeifahrzeug der Marke BMW 3er gesessen. Der Zeuge hat aber erklärt, aufgrund der leicht erhöhten Sitzposition der Beobachtungssituation definitiv ein Mobiltelefon in der Hand des Betroffenen gesehen zu haben. Der Zeuge hat auf Nachfrage ebenfalls erklärt, Situationen, in denen Betroffene den Blick nach unten wenden und nach menschlichem Ermessen davon auszugehen sei, sie hielten an Mobiltelefon in der Hand, diese Situationen nicht zu ahnden, wenn er nicht auch deutlich einen Gegenstand in der Hand der Betroffenen sehe, der unter den Tatbestand des §§ 23 Abs. 1a StVO falle.

c)

Dass der Betroffene ein Mobiltelefon in der Hand hielt und dessen Funktionen nutzte, war ihm bewusst.

IV.

Damit hat sich der Betroffene eines vorsätzlichen Verstoßes nach §§ 23 Abs. 1a, 49 StVO, 24 StVG, 246.1 BKat schuldig gemacht. Anders als vorsätzlich ist ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO wegen des bewussten Aufnehmens des elektronischen Gerätes (hier des Mobiltelefones) nicht denkbar.

Die Tatbestandsnummer 123624 sieht für den Regelfall ein Bußgeld von 100,00 € vor. Der Betroffene verfügt über geregelte Einkommens- und Familienverhältnisse und ist ausweislich des verlesenen Fahreignungsregisterauszuges einmal wegen eines Verkehrsverstoßes vorbelastet. Dieser ist auch rechtskräftig. allerdings hat die Rechtskraft der vor Eintragung erst nach der hier abgeurteilten Tat in Kraft, sodass diese Voreintragung nicht zulasten des Betroffenen verwertet werden durfte. das Gericht hat es daher bei der Regelgeldbuße belassen, was angesichts der geregelten Einkommensverhältnisse des Betroffenen ausreichend und angemessen ist.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1, 465 StPO.

Tatbestandsnummer: 123624

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