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Rotlichtverstoß – Anforderungen an Urteilsgründe

Das OLG Dresden hat entschieden, das Urteil des Amtsgerichts Weißwasser aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Grund hierfür sind lückenhafte Urteilsgründe, insbesondere im Hinblick auf die Beweiswürdigung der Rotlichtdauer. Die Entscheidung betont, dass auch im Bußgeldverfahren die Urteilsgründe eine ausreichende Grundlage für die rechtliche Überprüfung bieten müssen, um eine richtige Rechtsanwendung zu ermöglichen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: ORbs 21 SsBs 54/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das OLG Dresden hat das Urteil des Amtsgerichts Weißwasser aufgrund lückenhafter Urteilsgründe aufgehoben.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung präziser Urteilsgründe für die Überprüfbarkeit im Rechtsbeschwerdeverfahren.
  • Besonders die Beweiswürdigung zur Rotlichtdauer war unzureichend und bot keine tragfähige Grundlage.
  • Auch Fehlerquellen und Messungenauigkeiten wurden vom Amtsgericht nicht angemessen berücksichtigt.
  • Die Notwendigkeit eines Sicherheitsabschlags bei der Messung und eine detaillierte Darstellung der Beweiswürdigung wurden hervorgehoben.
  • Das Urteil hebt hervor, dass die Überzeugung des Tatrichters auf einer nachvollziehbaren Tatsachengrundlage beruhen muss.
  • Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, wobei auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu entscheiden ist.

Lichtzeichenmissachtung: Anforderungen an Gerichtsurteile

Bei einem Rotlichtverstoß spielt die Dauer der Rotphase eine entscheidende Rolle für die rechtliche Bewertung. Urteile in Bußgeldverfahren müssen daher präzise begründet werden, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Beweiswürdigung nachvollziehbar ist und dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung ermöglicht. Gesetzliche Anforderungen und höchstrichterliche Vorgaben stellen somit hohe Ansprüche an die Formulierung von Urteilsgründen in Rotlichtverstoßfällen.

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rote ampel
Bei Rotlichtverstößen sind die Anforderungen an die Urteilsgründe besonders hoch. Wie beeinflussen sie die Rechtssprechung? (Symbolfoto: ako photography /Shutterstock.com)

Im Mittelpunkt des Falls steht ein Betroffener, der wegen der vorsätzlichen Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot verurteilt wurde. Die Rotlichtphase dauerte länger als eine Sekunde, was zu einer strengeren Ahndung des Verstoßes führte. Der Betroffene legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Weißwasser Rechtsbeschwerde ein, woraufhin das Oberlandesgericht Dresden eine entscheidende Wendung im Fall herbeiführte.

Lücken in den Urteilsgründen führen zur Aufhebung

Das OLG Dresden stellte fest, dass das Urteil des Amtsgerichts nicht den erforderlichen Anforderungen an die Urteilsgründe genügte. Insbesondere wurde bemängelt, dass die Beweiswürdigung zur Dauer der Rotlichtphase unzureichend und die festgestellten Rotlichtdauer von 1,39 Sekunden ohne tragfähige Grundlage war. Diese Feststellung ist von besonderer Bedeutung, da im Bußgeldverfahren die Urteilsgründe die Basis für die rechtliche Überprüfung darstellen.

Die Rolle der Beweiswürdigung im Bußgeldverfahren

Eine zentrale Rolle im vorliegenden Fall spielte die Beweiswürdigung. Das Gericht muss in der Lage sein, seine Entscheidungen auf eine nachvollziehbare und schlüssige Beweisführung zu stützen. Dies schließt die Überprüfung der Messung der Rotlichtdauer ein, bei der sowohl die Eichung des Messgeräts als auch mögliche Messungenauigkeiten und Fehlerquellen berücksichtigt werden müssen. Die Entscheidung des OLG Dresden verdeutlicht, dass ohne eine solide Beweiswürdigung das Urteil auf wackeligen Füßen steht.

Anforderungen an die Messung und die technischen Details

Das Amtsgericht Weißwasser hatte in seiner ursprünglichen Entscheidung mehrere Aspekte nicht ausreichend berücksichtigt. So wurde etwa der Toleranzabzug bei der Messung mit einem nicht geeichten Gerät vernachlässigt. Ebenso mangelte es an einer detaillierten Auseinandersetzung mit den geräteeigenen Fehlerquellen und den externen Fehlermöglichkeiten, die bei der Messung auftreten können. Die Anforderungen an die technischen Details der Messung sind entscheidend, um die Genauigkeit der Feststellung der Rotlichtverstoßdauer zu gewährleisten.

Zurückverweisung an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung

Aufgrund der festgestellten Mängel in den Urteilsgründen und der Beweiswürdigung hob das OLG Dresden das Urteil des Amtsgerichts Weißwasser auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass der Fall unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte und einer angemessenen Beweiswürdigung neu bewertet wird. Es wird erwartet, dass in der neuen Verhandlung die technischen Details der Rotlichtmessung sowie die Anforderungen an die Beweiswürdigung eingehend geprüft werden.

Das Oberlandesgericht Dresden hebt mit seinem Beschluss hervor, dass die Genauigkeit der Beweiswürdigung und die Einhaltung der Anforderungen an die Urteilsgründe im Bußgeldverfahren von fundamentaler Bedeutung sind. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit einer präzisen und nachvollziehbaren Darlegung der Beweisführung, um eine gerechte und rechtssichere Verurteilung zu gewährleisten.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was sind die grundlegenden Anforderungen an Urteilsgründe im Bußgeldverfahren?

Die grundlegenden Anforderungen an Urteilsgründe im Bußgeldverfahren sind in Deutschland gesetzlich geregelt und orientieren sich an den Vorgaben für Urteile im Strafverfahren, allerdings mit gewissen Anpassungen an die Besonderheiten des Ordnungswidrigkeitenrechts. Die Urteilsgründe müssen so beschaffen sein, dass sie die alleinige Grundlage für die sachlich-rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht bilden. Dies bedeutet, dass die Urteilsgründe ausreichend detailliert und konkret sein müssen, um eine Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung zu ermöglichen.

Konkret müssen die Urteilsgründe folgende Informationen enthalten:

  • Eine Darstellung des Sachverhalts, der dem Urteil zugrunde liegt, inklusive der festgestellten Tatsachen, auf die das Gericht seine Überzeugung gestützt hat.
  • Eine Auseinandersetzung mit den Einlassungen des Betroffenen, also dessen Verteidigungsvorbringen, und wie das Gericht diese gewürdigt hat.
  • Im Falle eines Unterlassens müssen erfolgversprechende Handlungsmöglichkeiten, die nicht ergriffen wurden, aufgezeigt werden.
  • Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, auf welche Beweismittel das Gericht seine Entscheidung stützt, insbesondere bei der Beweiswürdigung.
  • Die rechtliche Bewertung des Sachverhalts, also wie das Gericht zu dem Schluss gekommen ist, dass eine Ordnungswidrigkeit vorliegt und welche Rechtsnormen angewendet wurden.

Es wird betont, dass im Bußgeldverfahren zwar keine „übertrieben hohen Anforderungen“ an die Abfassung der Urteilsgründe gestellt werden, dennoch müssen sie den Mindestanforderungen genügen, um eine effektive Überprüfung zu gewährleisten. Insbesondere müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht die tatrichterliche Beweiswürdigung auf Rechtsfehler überprüfen kann.

Zusammenfassend sind die Urteilsgründe im Bußgeldverfahren also so zu gestalten, dass sie eine vollständige und nachvollziehbare Dokumentation des Verfahrens darstellen und eine Überprüfung des Urteils in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ermöglichen.

Wie wird die Beweiswürdigung im Kontext von Bußgeldverfahren gehandhabt?

Die Beweiswürdigung ist ein zentraler Bestandteil des Bußgeldverfahrens und bezieht sich auf die Beurteilung der Beweise durch das Gericht. Im Bußgeldverfahren, wie auch im Strafverfahren, ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Das Rechtsbeschwerdegericht überprüft lediglich, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, beispielsweise wenn die Beweiswürdigung lückenhaft ist und somit nicht erkennen lässt, ob sie auf einer tragfähigen Grundlage beruht.

Anforderungen an die Beweiswürdigung

Die Urteilsgründe müssen im Bußgeldverfahren so beschaffen sein, dass sie die alleinige Grundlage für die sachlich-rechtliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht bilden. Dies bedeutet, dass die Urteilsgründe ausreichend detailliert und konkret sein müssen, um eine Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung zu ermöglichen.

Konkret müssen die Urteilsgründe folgende Informationen enthalten:

  • Eine Darstellung des Sachverhalts, der dem Urteil zugrunde liegt, inklusive der festgestellten Tatsachen, auf die das Gericht seine Überzeugung gestützt hat.
  • Eine Auseinandersetzung mit den Einlassungen des Betroffenen und wie das Gericht diese gewürdigt hat.
  • Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, auf welche Beweismittel das Gericht seine Entscheidung stützt, insbesondere bei der Beweiswürdigung.
  • Die rechtliche Bewertung des Sachverhalts, also wie das Gericht zu dem Schluss gekommen ist, dass eine Ordnungswidrigkeit vorliegt und welche Rechtsnormen angewendet wurden.

Es wird betont, dass im Bußgeldverfahren zwar keine „übertrieben hohen Anforderungen“ an die Abfassung der Urteilsgründe gestellt werden, dennoch müssen sie den Mindestanforderungen genügen, um eine effektive Überprüfung zu gewährleisten. Insbesondere müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht die tatrichterliche Beweiswürdigung auf Rechtsfehler überprüfen kann.

Praktische Umsetzung

In der Praxis bedeutet dies, dass das Gericht in den Urteilsgründen detailliert darlegen muss, welche Beweise es wie gewürdigt hat und zu welchen Schlussfolgerungen es dabei gekommen ist. Dies schließt die Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Betroffenen und den Beweismitteln ein. Bei der Verwendung von Sachverständigengutachten muss das Gericht beispielsweise die Ausführungen des Sachverständigen in einer zusammenfassenden Weise wiedergeben, die zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist.

Zusammenfassend ist die Beweiswürdigung im Bußgeldverfahren ein komplexer Vorgang, der eine sorgfältige und transparente Darstellung in den Urteilsgründen erfordert, um eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht zu ermöglichen.

Welche Rolle spielt die Messung der Rotlichtdauer bei der Feststellung eines Rotlichtverstoßes?

Die Messung der Rotlichtdauer spielt eine entscheidende Rolle bei der Feststellung eines Rotlichtverstoßes, da sie maßgeblich darüber entscheidet, ob es sich um einen einfachen oder einen qualifizierten Rotlichtverstoß handelt. Ein einfacher Rotlichtverstoß liegt vor, wenn die Ampel zum Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie weniger als eine Sekunde Rot zeigte. Wird die Ampel hingegen überfahren, nachdem sie bereits länger als eine Sekunde Rot angezeigt hat, handelt es sich um einen qualifizierten Rotlichtverstoß, der in der Regel strenger geahndet wird, insbesondere mit höheren Bußgeldern und Punkten in Flensburg.

Die genaue Dauer der Rotlichtphase muss daher präzise ermittelt werden. Dies kann durch verschiedene Methoden erfolgen, wie beispielsweise durch den Einsatz von Rotlichtüberwachungsanlagen, die eine genaue Zeitmessung ermöglichen, oder durch die Schätzung von Zeugen, insbesondere von Polizeibeamten. Bei der Messung durch Polizeibeamte mit einer Stoppuhr oder durch Schätzung müssen jedoch Toleranzzeiten berücksichtigt werden, um mögliche Messfehler auszugleichen.

Die Rechtsprechung verlangt, dass bei der Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes ein Sicherheitsabschlag von 0,3 Sekunden von der gemessenen Rotlichtdauer abgezogen wird, um mögliche Messungenauigkeiten zu berücksichtigen. Dieser Sicherheitsabschlag soll gewährleisten, dass nur eindeutige Fälle als qualifizierte Rotlichtverstöße geahndet werden.

Zudem ist es wichtig, dass die Messung der Rotlichtdauer unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände erfolgt und dass die Beweisführung den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Beweiswürdigung genügt. Fehler bei der Messung oder bei der Dokumentation der Messergebnisse können dazu führen, dass die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nicht aufrechterhalten werden kann.

Zusammengefasst ist die präzise Messung der Rotlichtdauer von zentraler Bedeutung für die rechtliche Bewertung eines Rotlichtverstoßes. Sie entscheidet darüber, ob ein einfacher oder ein qualifizierter Rotlichtverstoß vorliegt und beeinflusst somit die Höhe der zu verhängenden Sanktionen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG: Dieser Paragraph regelt die Aufhebung eines Urteils im Ordnungswidrigkeitenrecht, wenn das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde erfolgreich ist. Im Kontext des Urteils bedeutet dies, dass das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts Weißwasser aufgrund festgestellter Mängel aufgehoben wurde.
  • § 353 StPO: Bestimmt die allgemeinen Voraussetzungen für die Aufhebung eines Urteils im Strafverfahren, die analog im Verfahren der Rechtsbeschwerde im Ordnungswidrigkeitenrecht angewandt werden. Im vorgegebenen Urteil begründet dieser Paragraph die rechtliche Basis für die Aufhebung des Urteils durch das Oberlandesgericht Dresden.
  • § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG: Legt fest, dass das Gericht, welches über die Rechtsbeschwerde entscheidet, die Sache an eine untere Instanz zurückverweisen kann, wenn es das angefochtene Urteil aufhebt. Dies erklärt die Rückverweisung des Falls zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Weißwasser.
  • § 79 Abs. 6 OWiG: Ergänzt Absatz 5 durch weitere Bestimmungen zur Rückverweisung, insbesondere bezüglich der Zuständigkeiten und des Verfahrensablaufs nach einer Aufhebung. Dieser Paragraph untermauert die Anweisung zur Neuaufnahme des Verfahrens am Amtsgericht Weißwasser.
  • § 71 OWiG: Definiert die Anforderungen an die schriftlichen Urteilsgründe in Bußgeldverfahren. Die Notwendigkeit, dass die Urteilsgründe eine richtige Rechtsanwendung ermöglichen müssen und für die rechtliche Überprüfung des Urteils ausreichen, ist ein zentraler Punkt der Rechtsbeschwerde gewesen, wie im Urteil dargestellt.
  • StPO § 353 in Verbindung mit OWiG § 79 Abs. 3 Satz 1: Diese Verbindung der Paragraphen aus der Strafprozessordnung und dem Ordnungswidrigkeitengesetz bildet die Grundlage für die Aufhebung des Urteils und die Rückverweisung des Falls. Sie zeigt, wie Grundsätze des Strafverfahrensrechts auf das Ordnungswidrigkeitenrecht übertragen und angewendet werden, um eine gerechte Verfahrensweise sicherzustellen.


Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: ORbs 21 SsBs 54/23 – Beschluss vom 25.05.2023

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Weißwasser vom 28. Juli 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Weißwasser zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Weißwasser verurteilte den Betroffenen am 28. Juli 2022 wegen vorsätzlicher Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage, wobei die Rotphase länger als 1 Sekunde andauerte, zu einer Geldbuße von 200,00 € und verhängte ein Fahrverbot von 1 Monat mit der Maßgabe, dass dieses erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Rechtskraft.

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene mit Verteidigerschriftsatz vom 4. August 2022 Rechtsbeschwerde erhoben und diese nach Zustellung des Urteils am 27. September 2022 mit weiterem Verteidigerschriftsatz vom 11. Oktober 2022, welcher am 27. Oktober 2022 einging, begründet. Gerügt wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat schon auf die Sachrüge (zumindest vorläufigen) Erfolg, weil sich die Urteilsgründe als lückenhaft erweisen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat in ihrer Antragsschrift vom 26. April 2023 Folgendes ausgeführt:

„Auch wenn im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind und sich der Begründungsaufwand auf das rechtsstaatlich unverzichtbare Maß beschränken kann, so kann für deren Inhalt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren gelten. Denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Dies gilt auch für die Beweiswürdigung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand versetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen (Göhler/Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 71 Rn. 42, 43 m.w.N.). Zwar muss das Rechtsbeschwerdegericht die subjektive Überzeugung des Tatrichters von dem Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts grundsätzlich hinnehmen und ist es ihm verwehrt, seine eigene Überzeugung an die Stelle der tatrichterlichen Überzeugung zu setzen. Allerdings kann und muss vom Rechtsbeschwerdegericht überprüft werden, ob die Überzeugung des Tatrichters in den getroffenen Feststellungen und der ihnen zugrundeliegenden Beweiswürdigung eine ausreichende Grundlage findet. Die Urteilsgründe des Tatgerichts müssen mithin erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. v. 22.08.2013 – 1 StR 378/13 = NStZ-RR 2013, 387, 388). Daher müssen die Urteilsgründe, wenn nicht lediglich ein sachlich und rechtlich einfach gelagerter Fall von geringer Bedeutung vorliegt, regelmäßig erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat. Nur so ist gewährleistet, dass das Rechtsbeschwerdegericht die tatrichterliche Beweiswürdigung auf Rechtsfehler überprüfen kann (KK/Senge OWiG 5. Aufl. § 71 Rn. 115; Göhler/Seitz/Bauer a.a.O. Rn. 43, 43a jeweils m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht hinreichend gerecht. Der Beweiswürdigung fehlt hinsichtlich der festgestellten Rotlichtdauer von 1,39 Sekunden eine tragfähige Grundlage.

a)

Zwar ist die Messung nicht schon deshalb unverwertbar, weil die verwendete Stoppuhr des privaten Mobiltelefons – offensichtlich – nicht geeicht war (vgl. BayObLG, Beschluss vom 19.08.2019 – 201 ObOWi 238/19 m.w.N., Beck-Online). Die Eichpflicht garantiert eine besondere qualitative Sicherheit der Messung. Diesem Zweck wird aber auch dann entsprochen, wenn die qualitätsmäßigen Bedenken an der Messqualität dadurch ausgeräumt werden, dass zum Ausgleich möglicher Messungenauigkeiten und sonstiger Fehlerquellen (z.B. auch Reaktionsverzögerungen beim Bedienen des Messgeräts) bestimmte Sicherheitsabschläge vorgenommen werden. Insofern ist die Rechtslage nicht anders als bei Geschwindigkeitsmessungen mit einem ungeeichten Tachometer, die von der Rechtsprechung jedenfalls dann als beweisverwertbar anerkannt werden, wenn und soweit zum Ausgleich von Messungenauigkeiten und sonstigen Fehlerquellen ein bestimmter Sicherheitsabschlag vorgenommen wird. Der Tatrichter muss aber in einem solchen Fall auch darlegen, welche mögliche geräteeigenen Fehler der Uhr (z. B. verzögerte Reaktionszeiten des Geräts, mögliche Ungenauigkeiten bei der Zeitanzeige) und welche externen Fehlerquellen (z. B. Ungenauigkeit hinsichtlich der Fahrtzeit von der Haltelinie bis zum Bedienen der Stoppuhr) er berücksichtigt hat. Bei der Prüfung interner Fehlerquellen wird auch der Typ des eingesetzten Gerätes eine Rolle spielen. Selbst bei geeichter Stoppuhr hat der Tatrichter von dem gemessenen Wert einen über den Toleranzabzug von 0,3 Sekunden hinausgehenden Sicherheitsabzug vorzunehmen, der dem Ausgleich etwaiger Gangungenauigkeiten dient (vgl. zu alledem BayObLG, a.a.O.).

b)

Das Amtsgericht hat hier schon den selbst bei geeichten Stoppuhren erforderlichen Toleranzabzug von 0,3 Sekunden der gemessenen Zeit – als Ausgleich für etwaige Reaktionsverzögerungen bei der Bedienung – nicht vorgenommen. Überdies hat es auch den erforderlichen Abzug eines weiteren Sicherheitsabschlages bei ungeeichten Messgeräten unterlassen. Es fehlen auch Angaben zum Gerätetyp des verwendeten Mobiltelefons. Zudem hätte das Amtsgericht einen weiteren Zeitabschlag aufgrund der gewählten Messmethode erörtern müssen, bei der der messende Polizeibeamte die Lichtzeichenanlage offenbar nicht selbst im Blick hatte, sondern den Messvorgang erst auf ein Signal des beobachtenden Polizeibeamten auslöste. Denn damit liegt eine zweifache Reaktionsverzögerung vor, die zu weiteren Messungenauigkeiten führen dürfte. Es ist auch nicht hinreichend ersichtlich, dass diese Ungenauigkeit bei beginn der Messung durch eine entsprechend umgesetzte Beendigung des Messvorganges wieder ausgeglichen worden ist. Zum einen fehlt eine hinreichend klare Darstellung zur Beendigung der Messung. Zum anderen können menschliche Reaktionszeiten nicht immer als identisch unterstellt werden, insbesondere wenn sich – wie hier – rechtliche Auswirkungen aus dem Größenbereich von Hundertstel- oder Zehntelsekunden ergeben können.

c)

Soweit das Gericht davon ausgegangen ist, dass selbst bei – nicht erfolgtem – Abzug von 0,3 Sekunden eine Rotlichtdauer von über einer Sekunde vorgelegen habe, weil das Auto des Betroffenen von der Haltelinie vor der Lichtzeichenanlage bis zum Kreuzungsbereich noch eine weitere Strecke zurücklegen musste, liegen keine prüfbaren Feststellungen vor. Denn es fehlt an näheren Angaben zur nach Beendigung der Messung zurückgelegten Wegstrecke bis in den unmittelbaren Kreuzungsbereich. Ebenso ist nicht dargelegt welchen etwaigen „Zuschlag“ auf das Messergebnis das Gericht aufgrund dieser Umstände angenommen hat.

II.

Da nicht auszuschließen ist, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht, ist es insgesamt mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 353 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG). Es ist auch nicht auszuschließen, dass das Amtsgericht durch eine ergänzende Befragung der in Betracht kommenden Zeugen und gegebenenfalls durch weitere Beweiserhebungen (Sachverständigengutachten) zu zuverlässigen Schlussfolgerungen hinsichtlich der tatsächlichen Dauer der Rotlichtphase zum maßgebenden Zeitpunkt gelangen kann.“

Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.

III.

Aufgrund der sachlich-rechtlichen Mängel ist auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin das Urteil des Amtsgerichts Weißwasser mit den Feststellungen aufzuheben, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO. Die Sache wird gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 OWiG durch Beschluss an das Amtsgericht Weißwasser zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. In der neuen Verhandlung wird auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden sein (Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage, § 79 Rdnr. 165).

 

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