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Rechtswidrige Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wegen Divergenz

Rechtswidrige Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge

In einem aktuellen Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth (VG Bayreuth, Az.: B 1 S 21.203 Beschluss vom 16.03.2021) hat das Gericht über einen Fall entschieden, bei dem es um die rechtswidrige Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wegen Divergenz ging. Der Antragsteller wehrte sich gegen eine behördliche Anordnung, die ihm das Führen von Fahrzeugen ohne Fahrerlaubnis untersagte, obwohl ihm diese Fahrzeuge eigentlich aufgrund einer divergierenden strafrechtlichen Beurteilung zustehen sollten. Dabei ging es um die Abwägung zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung und dem Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung.

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Bindungswirkung von Strafgerichtsurteilen

Das Verwaltungsgericht betonte die Bindungswirkung von Strafgerichtsurteilen für die Verwaltungsbehörde. Diese gilt nicht nur für die Maßnahme der Entziehung der Fahrerlaubnis selbst, sondern auch für das gesamte Entziehungsverfahren, einschließlich der vorbereitenden Maßnahmen. Die Behörde darf in solchen Fällen nicht eigenmächtig die Beibringung eines Gutachtens anordnen. Allerdings ist die Bindungswirkung von Urteilsfeststellungen auf die Frage der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen beschränkt.

Grenzen der Bindungswirkung

Die strafrichterliche Eignungsbeurteilung ist nur bindend, wenn sie auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und diese von der Verwaltungsbehörde nicht in Frage gestellt werden können. Die Behörde muss den schriftlichen Urteilsgründen hinreichend sicher entnehmen können, dass das Strafgericht die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen überhaupt und mit welchem Ergebnis beurteilt hat.

Fall des Antragstellers

Der Antragsteller hatte argumentiert, dass ihm das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen zusteht, da die strafrichterliche Eignungsbeurteilung divergiert und das Verwaltungsgericht dem stattgegeben. Der Bescheid, welcher die Untersagung des Führens dieser Fahrzeuge anordnete, wurde als rechtswidrig eingestuft.

Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung

Das Gericht stellte fest, dass das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung schwerer wiegt als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des rechtswidrigen Bescheids. Daher wurde der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen stattgegeben.

Folgen für den Antragsteller

Der Antragsteller muss nun im Rahmen eines Antrags auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nachweisen. Dafür reicht der Nachweis einer dreimonatigen Abstinenz nicht aus; vielmehr muss gemäß Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV eine stabile und motivational gefestigte Verhaltensänderung nachgewiesen werden.


Das vorliegende Urteil

VG Bayreuth – Az.: B 1 S 21.203 – Beschluss vom 16.03.2021

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Nr. 2 des Bescheids der Stadt … vom 25. Januar 2021 wird wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt 3/4, die Antragsgegnerin 1/4 der Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der (alten) Klassen 3 und 1 und der Untersagung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen.

Die Polizeiinspektion … informierte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 11. August 2020 über eine Straftat des Antragstellers (Trunkenheit im Verkehr infolge Alkohol am 26. Juni 2020). Die Staatsanwaltschaft … übermittelte mit Schreiben vom 9. September 2020 einen Strafbefehl vom 14. September 2020 (Rechtskraft: 21. September 2020). Laut zugrunde gelegtem Sachverhalt fuhr der Antragsteller am 26. Juni 2020 um 23.55 Uhr ein Fahrrad, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war (Blutalkoholkonzentration der um 00.28 Uhr entnommenen Blutprobe: 1,8 Promille). Es wurde wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr (§ 316 StGB) eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen (zu je 100 EUR) festgesetzt.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2020 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, bis zum 15. Dezember 2020 ein medizinisch-psychologisches Gutachten gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 c FeV zu folgender Fragestellung vorzulegen:

„1. Ist nicht zu erwarten, dass von Herrn …das Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann?

2. Ist nicht zu erwarten, dass von Herrn… das Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann?“

In der Aufforderung wurde auf die Möglichkeit der Einsicht von Dokumenten, die der Begutachtungsstelle zur Verfügung gestellt werden, sowie darauf, dass bei Nichtvorlage auf die Nichteignung gem. § 11 Abs. 8 FeV geschlossen werden könne, hingewiesen.

Der Antragsteller erteilte sein Einverständnis zur Erstellung des Gutachtens. Die Fahrerlaubnisakte wurde am 15. Oktober 2020 zur Begutachtungsstelle gesandt und kam am 15. Dezember 2020 in Rücklauf, ohne dass das Gutachten vorgelegt wurde. Daraufhin wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört und ihm eine weitere Frist zur Gutachtensvorlage bis zum 8. Januar 2021 gewährt.

Mit Schreiben vom 6. Januar 2021 äußerte der Antragsteller, dass der Schluss auf die Nichteignung bei fehlender Gutachtensvorlage nicht zwingend sei. Eine Alkoholabhängigkeit liege nicht vor. Dies ergebe sich eindeutig aus seinen dokumentierten Leberwerten. Sein Arbeitgeber habe ihm ein Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt. Die Tatsache, dass er seit 27 Jahren nicht einschlägig in Erscheinung getreten sei, spreche zudem gegen eine Alkoholabhängigkeit. Das Amtsgericht … habe davon abgesehen, eine Entziehung der Fahrerlaubnis auszusprechen. Ein weiterer Vorfall habe sich seitdem nicht ereignet. Er habe nur eine einmalige Fahrt unter Alkoholeinfluss begangen. Dabei sei er sich der schwerwiegenden Konsequenzen anlässlich einer Fahrt mit einem Fahrrad nicht bewusst gewesen. Er habe seinen seit dem Vorfall stark verringerten Alkoholkonsum bis zur Abstinenz heruntergefahren. Den Abstinenznachweis könne er ab Februar in die Wege leiten. Gerade als alleinerziehenden Vater zweier Töchter im Alter von 10 und 14 Jahren würde ihn die Entziehung der Fahrerlaubnis schwer treffen (da er diese mit dem Auto in die Schule oder zu Ärzten fahren müsse; auch komme das Auto im Freizeitbereich zum Einsatz). Der Vorbildcharakter gegenüber seinen Töchtern würde durch das Fahrverbot schwer leiden. Der Antragsteller legte Laborbefunde zu seinen Blutwerten vor.

Die Antragsgegnerin wies mit Schreiben vom 13. Januar 2021 darauf hin, dass ihr ein Ermessen nicht zustehe und räumte abermals die Möglichkeit ein, das Gutachten bis zum 22. Januar 2021 vorzulegen. Der Antragsteller vertrat die Ansicht, dass die Anordnung eines Gutachtens im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde gestanden habe. Ein medizinisch-psychologisches Gutachten könne er aus organisatorischen Gründen nicht beibringen, da bei Alkoholmissbrauch ein Abstinenznachweis von einem Jahr, mindestens aber von 6 Monaten gefordert werde. Er bitte deshalb um Fristverlängerung.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2021 (zugestellt am 27. Januar 2021) entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der (Alt-)Klassen 3 und 1, erworben am 22. Dezember 1993 bzw. am 23. Juli 1996 (Nr. 1). Das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wurde untersagt (Nr. 2). Das Führerscheindokument sei vorzulegen (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 bis 3 wurde angeordnet (Nr. 4) und ein Zwangsgeld in Höhe von 250 EUR für die nicht fristgerechte Führerscheinvorlage angedroht. Die Anordnung der Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens stütze sich auf § 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c) FeV, da der Antragsteller ein Fahrzeug mit mehr als 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration geführt habe. Die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad reiche für die Anwendung dieser Vorschrift aus. Bei § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV handele es sich um eine gebundene Vorschrift, ein Ermessen habe nicht bestanden. Die Frist sei angemessen gewesen und diene nicht dazu, dem Betroffenen die Vorlage einer positiven Zukunftsprognose zu ermöglichen, es gehe um den Nachweis der gegenwärtigen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Infolge der Nichtvorlage des Gutachtens müsse gem. § 11 Abs. 8 FeV zwingend auf die Nichteignung geschlossen werden. Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge stütze sich auf § 3 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV. Da die Tat mit einem Fahrrad begangen worden sei, habe der Bezug zu fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen vorgelegen. Gemäß § 11 Abs. 8 FeV müsse auf die Nichteignung geschlossen werden. Zwar stehe der Fahrerlaubnisbehörde hinsichtlich der Art und des Umfangs der Maßnahme grundsätzlich ein Auswahlermessen zu (Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 13 FeV Rn. 16). Das Auswahlermessen sei hier aber auf Null reduziert, da das Gutachten nicht vorgelegt worden sei und man deshalb auf die Nichteignung schließen müsse. Das Gutachten diente dazu zu klären, ob ggf. weiterhin bedingte Eignung vorliege und demzufolge Beschränkungen oder Auflagen als mildere Mittel in Betracht kämen.

Am 3. Februar 2021 gab der Antragsteller seinen Führerschein bei der Antragsgegnerin ab.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2021, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid erheben und beantragen,

die aufschiebende Wirkung der hier erhobenen Klage bezüglich der Ziff. 1 bis 3 des Bescheides der Beklagten vom 25. Januar 2021, Az. …, wiederherzustellen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Antragsteller am 26. Juni 2020 ein einmaliges durch eine Ausnahmesituation begründetes Fehlverhalten im Straßenverkehr gezeigt habe, indem er bei einem Blutalkoholwert von 1,8 Promille im Stadtgebiet von … ein Fahrrad gefahren habe, wobei er von Beamten der Polizeiinspektion … angehalten und kontrolliert worden sei. Die vom Amtsgericht … ausgesprochene Geldstrafe wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr von 40 Tagessätzen zu je 100 EUR habe der Antragsteller akzeptiert. Rechtskraft sei entgegen den Darstellungen der Antragsgegnerin erst Ende September 2020 eingetreten. Weder die Staatsanwaltschaft noch das Amtsgericht … seien bei Erlass des Strafbefehls davon ausgegangen, dass sich der Kläger durch die Tat als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe, da ihm ansonsten gem. § 69 StGB der Führerschein entzogen oder ein Fahrverbot angeordnet worden wäre. Von beiden Möglichkeiten sei ausweislich des Strafbefehls vom 14. September 2020 kein Gebrauch gemacht worden. Es habe sich um ein einmaliges Fehlverhalten in Form eines Augenblickversagens gehandelt. Der Antragsteller habe durch Dokumentation seiner Leberwerte medizinisch belegt, dass er kein Alkoholproblem habe. Der Antragsteller werde nun auch Abstinenznachweise erbringen. Nachdem die einmalige Alkoholfahrt bereits 6 Monate zurückliege und es im Leben des Antragstellers weder vorher nach nachher jemals irgendwelche alkoholbedingten Tathandlungen im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr gegeben habe, sei der Entzug der Fahrerlaubnis völlig unverhältnismäßig, umso mehr als ihm auch das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge untersagt worden sei.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2021 wurde ein Befundbericht der MVZ … vom 17. Februar 2021 vorgelegt. Dem Antragsteller wurde am 9. Februar 2021 eine drei Zentimeter lange Haarprobe entnommen. Der fehlende Nachweis von Ethylglucuronid deute auf eine Alkoholabstinenz oder äußerst seltene Alkoholaufnahme in dem Zeitraum der untersuchten Haarlänge hin.

Mit Schreiben vom 1. März 2021 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Frist für die Begutachtung ausreichend gewesen sei. Der Strafbefehl habe am 21. September 2020 Rechtskraft erlangt. Dass weder die Staatsanwaltschaft … noch das Amtsgericht … die Fahrerlaubnis entzogen hätten, läge daran, dass der Entzug der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB nur dann möglich sei, wenn die Tat bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs begangen worden sei. Die Dokumentation der Leberwerte sei nicht streitentscheidend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Behördenakte ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend).

II.

Der zulässige Antrag ist teilweise begründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen.

Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.

1. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag hinsichtlich der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Nr. 1 und der Nr. 3 des Bescheids abzulehnen, da die Klage des Antragstellers diesbezüglich nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nrn. 1 und 3 des angefochtenen Bescheids wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.

a) Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2012 – 11 CS 12.201 – juris Rn. 22). Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (Schmidt, a.a.O. § 80 Rn. 36). Ein solcher Fall lag hier aus Sicht der Antragsgegnerin vor. Sie hat vor diesem Hintergrund das besondere Interesse am sofortigen Vollzug unter Bezug auf den Einzelfall hinreichend begründet.

b) Nr. 1 des Bescheids erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

aa) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV fehlt die Fahreignung in Fällen des Alkoholmissbrauchs, d.h. wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zwingend (ohne dass der Behörde ein Ermessen zusteht) die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde. Dies gilt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht nur für eine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug, sondern auch für eine Fahrt mit einem nicht motorisierten Fahrzeug, also auch bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad (stRspr, BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 3 B 102.12 – NJW 2013, 2696 Rn. 5; BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 11 CS 19.24 – juris Rn. 16). Die Teilnahme am Straßenverkehr in erheblich alkoholisiertem Zustand stellt mit jedem Fahrzeug eine gravierende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs dar. Eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr begründet den Verdacht eines die Fahreignung ausschließenden Alkoholmissbrauchs (BayVGH, B.v. 19.8.2019 – 11 ZB 19.1256 – BeckRS 2019, 19743 Rn. 10 f.).

Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Fahrerlaubnisbehörde steht dabei kein Ermessen zu (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2011 – 11 CS 11.2349 – juris Rn. 47 m.w.N.). Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 19).

bb) Unstreitig hat der Antragsteller mit einer BAK von 1,8 Promille mit einem Fahrrad am Straßenverkehr teilgenommen, weshalb die Anordnung eines Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV materiell rechtmäßig war.

cc) Nicht durchdringen kann der Antragsteller mit dem Einwand, dass im Strafbefehl kein Fahrverbot ausgesprochen worden sei und die Antragsgegnerin an diese Wertung gebunden sei. Gemäß § 3 Abs. 4 StVG kann die Fahrerlaubnisbehörde vom Inhalt eines Urteils (oder Strafbefehls) insoweit nicht abweichen als es sich auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Die dort angeordnete Bindungswirkung gilt nicht nur für die Maßnahme der Entziehung selbst, sondern nach ihrem Sinn für das gesamte Entziehungsverfahren unter Einschluss der vorbereitenden Maßnahmen, sodass in derartigen Fällen die Behörde schon die Beibringung eines Gutachtens nicht anordnen darf (BVerwG, U.v. 15.7.1988 – 7 C 46/87 – NJW 1989, 116,117).

Während die Behörde allerdings die Kraftfahreignung aufgrund einer umfassenden Würdigung der Gesamtpersönlichkeit des Kraftfahrers zu beurteilen hat, darf der Strafrichter nur eine Würdigung der Persönlichkeit vornehmen, soweit sie in der jeweiligen Straftat zum Ausdruck gekommen ist. Deshalb ist die Verwaltungsbehörde an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung auch nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und wenn die Behörde von demselben und nicht von einem anderen, umfassenderen Sachverhalt als der Strafrichter auszugehen hat. Die angeordnete Bindungswirkung lässt sich auch nur rechtfertigen, wenn die Behörde den schriftlichen Urteilsgründen hinreichend sicher entnehmen kann, dass überhaupt und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Kraftfahreignung beurteilt hat. Ist dies nicht der Fall oder bestehen auch nur Unklarheiten, so wäre es mit der den Fahrerlaubnisbehörden im Interesse der Verkehrssicherheit übertragenen Ordnungsaufgabe nicht zu vereinbaren, ihnen die Möglichkeit zu nehmen, durch Anordnungen Klarheit über die zweifelhaft gebliebene Eignung des verurteilten Kraftfahrers zu schaffen. Die Vorschrift des § 3 Abs. 4 StVG darf im Ergebnis nicht dazu führen, dass in keinem der beiden in Betracht kommenden Verfahren die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ordnungsgemäß überprüft und beurteilt wird (BVerwG, U.v. 15.7.1988 – 7 C 46/87 – NJW 1989, 116,117).

Dass im Strafbefehl wegen der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr keine Fahrerlaubnismaßnahmen bzw. kein Fahrverbot ausgesprochen wurden, bedeutet vorliegend nicht, dass die Fahreignung geprüft worden wäre.

§ 3 Abs. 4 StVG ist nicht anwendbar, wenn die Straftat nicht mit einem Kfz begangen wurde (Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 3 StVG Rn. 51). Die Vorschrift kommt nur zum Tragen, wenn „die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen (will), der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist.“ Ein „Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis“ liegt nur dann vor, wenn eine Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kommt (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 StVG). Daran fehlt es, wenn – wie hier – die Straftat (Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB) als Radfahrer begangen wurde. Die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 Satz 1 StGB setzt eine rechtswidrige Tat, die „bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen“ wurde, voraus (vgl. BVerwG, B.v. 24.1.1989 – 7 B 9.89 – juris Rn. 4; VG Bayreuth, B.v. 16.3.2012 – B 1 S 12.136 – juris Rn. 24). Die Bindungswirkung nach § 3 Abs. 3 und 4 StVG greift nur dann ein, wenn auch im strafgerichtlichen Verfahren die ggf. fehlende Kraftfahreignung inmitten steht, um der Gefahr widersprechender Entscheidungen von Strafgericht und Fahrerlaubnisbehörde vorzubeugen (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 16.8.2016 – OVG 1 S 52.16 – juris Rn. 5; VG München, G.v. 3.1.2018 – M 26 K 17.3911 – juris Rn. 24).

Das Strafgericht konnte demzufolge gar nicht darüber entscheiden. Im Strafbefehl fehlt es an einer Beurteilung der Kraftfahreignung, die die Fahrerlaubnisbehörde hätte binden können.

dd) Auch die formellen Voraussetzungen § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV sind eingehalten, die Gutachtensanordnung war anlassbezogen und verhältnismäßig.

Die Fragestellung war in Bezug auf das Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugen (Fragestellung Nr. 2) klar verständlich. Der Antragsteller konnte ihr entnehmen, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Ob auch die Fragstellung und die Anordnung der Beibringung eines Gutachtens hinsichtlich der Frage Nr. 1 in Bezug auf fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge ordnungsgemäß war, ist an dieser Stelle nicht zu prüfen, da die Gutachtensanordnung insofern zwei thematisch abgegrenzte Fragestellungen enthält, die unterschiedliche Rechtsfolgen auslösen (zum einen Entziehung der Fahrerlaubnis – zum anderen Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier (Kraft-)Fahrzeuge). Insoweit ist auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 30. Juni 2011 – 10 S 2785/10 – (juris Rn. 12) zu verweisen, der nach ständiger Rechtsprechung zwar einerseits darauf hinweist, dass die Sanktion des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV eine vollständige rechtmäßige Gutachtensanordnung voraussetzt (jedenfalls dann, wenn sich die Fragen inhaltlich überschneiden). Andererseits führt er aber aus, dass etwas anderes gelten könne „wenn im Falle mehrfacher Fragestellungen diese ohne inhaltliche Überschneidungen jeweils selbständig tragend Gutachtensaufträge konkretisieren (z.B. betreffend Drogenkonsum einerseits und auf Behinderung beruhende Leistungseinschränkungen andererseits), der Betroffene sich also klar unterscheidbaren getrennten Fragestellungen gegenübersieht; in einer solchen Konstellation kann von ihm eine differenzierte Entschließung erwartet werden, ob und ggf. welchen Untersuchungen bzw. Fragestellungen er sich stellen oder im Verweigerungsfall die Sanktion des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV riskieren will.“

Unabhängig davon geht die Kammer auch von der formellen Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung in Frage 1 (bezogen auf fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge) aus (vgl. Ausführungen unter 2.b).

Die Anlassbezogenheit ist ebenfalls gegeben. Die Tat wurde am 26. Juni 2020 begangen. Die Antragsgegnerin hat unmittelbar nach Kenntnis von der Rechtskraft des Strafbefehls (21. September 2020) die Gutachtensanordnung erlassen.

Das Gericht schließt sich zur Frage der Verhältnismäßigkeit bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad folgenden Erwägungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 5. Februar 2021 – 11 ZB 20.2611 – (juris Rn. 27) an:

„Für die Frage der Rechtmäßigkeit der Anforderung ist das aufgrund eines vergangenen Verhaltens zu erwartende zukünftige Gefährdungspotential maßgebend, das sich ohne sachverständige Hilfe nicht ermitteln lässt (vgl. OVG RhPf, U.v. 17.8.2012 – 10 A 10284/12 – DAR 2012, 601 = juris Rn. 29). Ein solches Gefährdungspotential ist nach der Wertung des Verordnungsgebers in den Fällen des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV gegeben. Eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr deutet auf chronischen Alkoholkonsum und damit auf ein Alkoholproblem hin, das die Gefahr weiterer Alkoholauffälligkeit im Straßenverkehr in sich birgt (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2019 – 11 ZB 19.187 – juris Rn. 14 m.w.N.) bzw. begründet den Verdacht eines die Fahreignung ausschließenden Alkoholmissbrauchs (vgl. BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 3 B 102.12 – NJW 2013, 2696 = juris Rn. 7). Daher musste der Beklagte diesen Eignungszweifeln durch die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nachgehen, nachdem der Kläger mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,75 ‰ im Straßenverkehr aufgefallen war. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV werden durch die Fahrt am … ungeachtet der Länge oder Art der gefahrenen Strecke, der Art des Fahrzeugs, der Uhrzeit, des Ausmaßes der Überschreitung der 1,6 ‰-Grenze oder einer konkreten Gefährdung erfüllt. Besondere Umstände des Einzelfalles sind nicht zu berücksichtigen (Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 21.1.2021, § 13 FeV Rn. 64). Ist der Tatbestand des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV gegeben, sind behördliche Ermittlungen, mit denen die Fahreignung geklärt werden soll, auch verhältnismäßig. Die in solchen Fällen anzunehmende Alkoholproblematik rechtfertigt im Hinblick auf die Gefahren für den Straßenverkehr den für eine solche Untersuchung erforderlichen Aufwand (BayVGH, B.v. 15.5.2013 – 11 ZB 13.450 u.a. – juris Rn. 25).“

ee) Da der Antragsteller das von ihm zu Recht geforderte Gutachten innerhalb der hierfür gesetzten Frist nicht beigebracht hat, war die Antragsgegnerin berechtigt, daraus gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Ungeeignetheit zu schließen und ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die für die Beibringung des Gutachtens einzuräumende Frist ist lediglich nach der Zeitspanne zu bemessen, die eine Begutachtungsstelle zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigen wird, nicht etwa auch danach, ob der Betroffene noch einen längeren Abstinenzzeitraum bis zur positiven Eignungsprognose zu absolvieren hat (Siegmund in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. Stand: 21.01.2021, § 11 FeV Rn. 104). Die Frist wurde mehrmals verlängert und war in jedem Fall ausreichend im vorgenannten Sinne.

ff) Nach Beendigung des Missbrauchs besteht die Fahreignung gemäß Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV für alle Fahrerlaubnisklassen erst dann wieder, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist, was durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten nachzuweisen ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2015 – 11 CS 15.1204 – juris Rn. 13; B.v. 18.1.2016 – 11 ZB 15.2025 – juris Rn. 16). Bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses hat der Antragsteller seine Fahreignung auch nicht wiedergewonnen, denn dafür reicht der Nachweis einer dreimonatigen Abstinenz nicht aus, sondern es muss gemäß Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV eine stabile und motivational gefestigte Verhaltensänderung nachgewiesen werden. Umstände, die nach der letzten behördlichen Entscheidung eintreten, können nur in einem Wiedererteilungsverfahren Berücksichtigung finden. Der Antragsteller ist daher darauf zu verweisen, im Rahmen eines Antrags auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis seine Eignung zu belegen (BayVGH, B.v. 6.4.2020 – 11 CS 20.432 – juris Rn. 9 f.).

c) Nachdem dem Antragsteller die Fahrerlaubnis nach summarischer Prüfung zu Recht entzogen worden ist, ist die Abgabeverpflichtung (Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids) als begleitende Anordnung, die ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt wurde, geboten, um die Ablieferungspflicht nach § 47 Abs. 1 FeV durchzusetzen.

d) Aufgrund der nicht hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage gegen die Nrn. 1 und 3 des streitgegenständlichen Bescheids überwiegt das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs und dessen Verkehrsteilnehmer das private Interesse des Antragstellers, d.h. seine beruflichen und privaten Interessen an der Nutzung eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs.

2. Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge (Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids) ist nach summarischer Prüfung rechtswidrig. Hierbei ist auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen, da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt (BayVGH, U.v. 17.1.2020 – 11 B 19.1274 – juris Rn. 20 f.). Dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 2 des Bescheids ist stattzugeben, da das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung schwerer wiegt als das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen (insoweit rechtswidrigen) Bescheids.

a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen oder Tieren zu untersagen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet dafür erweist. Gemäß der Verordnungsbegründung zu § 3 FeV gilt diese Vorschrift für Personen, die kein fahrerlaubnispflichtiges Kfz führen, sondern in anderer Weise am Straßenverkehr teilnehmen (vgl. BR-Drs. 443/98, S. 237; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2019, § 3 FeV Rn. 10 somit für das Führen von nicht motorisierten Fahrzeugen, z.B. Fahrräder, Fuhrwerke, und für den Verkehr mit fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen, z.B. Mofas, Segways, bestimmte Kleinkrafträder, Fahrräder mit elektromotorischer Tretunterstützung i.S.v. § 1 Abs. 3 StVG). Es gilt der Eignungsbegriff des § 2 Abs. 4 StVG, allerdings mit der Einschränkung, dass für die Anwendung des § 3 nur solche Mängel relevant sind, die sich auf das Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen beziehen. Die Ungeeignetheit oder bedingte Eignung zum Führen von Fahrzeugen bestimmt sich somit grundsätzlich nach den Vorschriften, die auch für das Führen von fahrerlaubnispflichtigen Kfz gelten. Danach ist geeignet, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat. Die §§ 11 – 14 FeV finden gemäß § 3 Abs. 2 FeV entsprechende Anwendung, um Eignungszweifel zu klären bzw. eine behördliche Entscheidung über die Untersagung, Beschränkung oder die Anordnung von Auflagen vorzubereiten. Entsprechend anwendbar ist damit auch die Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV, jedenfalls soweit sich Mängel auch auf das Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen beziehen. Im Hinblick auf die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften auf die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist zu prüfen, ob die in Bezug genommenen Regelungen nach ihrem Sinn und Zweck Anwendung finden können. Das ist bei der Regelung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV, die allgemein auf eine unter erheblichem Alkoholeinfluss stattfindende Fahrt mit einem Fahrzeug abstellt, der Fall (BayVGH, U.v. 1.10.2012 – 11 BV 12.771 – juris). Auch in Bezug auf die Überprüfung der Fahreignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist deshalb gem. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzufordern, wenn der Antragsteller ein Fahrzeug (Fahrrad) im Straßenverkehr mit einer Alkoholkonzentration von (deutlich) über 1,6 Promille geführt hat (vgl. HessVGH, U.v. 6.10.2010 − 2 B 1076/10 – NJW 2011, 1753; VG Würzburg, B.v. 4.2.2020 – W 6 S 20.203 – juris Rn. 37).

Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.) und kein Grund gegeben ist, ein Gutachten nicht vorzulegen (vgl. Dauer a.a.O § 11 FeV Rn. 51 m.w.N.).

b) Die formellen Voraussetzungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV lagen vor.

Die Gutachtensfrage war aus sich heraus verständlich und der Antragsteller konnte ihr entnehmen, was konkret ihr Anlass ist und ob das in ihr Verlautbarte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Die Fragestellung bezog sich darauf, ob der Antragsteller das Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum sicher trennen kann. Maßgeblich für die Umgrenzung des Begriffs „Kraftfahrzeug“ sind die in § 1 Abs. 2 StVG enthaltene Legaldefinition und die hiervon in § 1 Abs. 3 StVG enthaltenen Ausnahmen. Diese legen den Begriff des Kraftfahrzeuges im Sinne „des Gesetzes“ fest; er gilt daher für das StVG und für alle untergesetzlichen Normen, die auf der Grundlage des StVG erlassen worden sind, also auch die FeV (Trésoret in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. Stand: 1.7.2019, § 4 FeV, Rn. 35). Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 2 StVG gelten als Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein. Ein Fahrzeug wird durch Maschinenkraft bewegt, wenn es einen eigenen maschinellen Antrieb besitzt. Abzugrenzen ist der Begriff der Maschinenkraft von der Bewegung durch menschliche oder tierische Kraft oder durch Naturkräfte wie Wasser, Wind oder die Schwerkraft. Auch Fahrräder mit elektromotorischem Hilfsantrieb sind trotz der Möglichkeit des Pedalantriebs vom Grundsatz her Kraftfahrzeuge; für sie gelten aber die besonderen Bestimmungen des § 1 Abs. 3 StVG (Garloff in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. Stand: 17.08.2016, § 1 StVG, Rn. 19). Gemäß § 1 Abs. 3 StVG sind bestimmte Fahrzeuge mit elektromotorischem Hilfsantrieb nicht wie Kraftfahrzeuge, sondern wie Fahrräder zu behandeln (vgl. zu den den Unterscheidungen von Fahrrad und Kraftfahrzeug ausführlich Trésoret in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. Stand: 1.7.2019., § 4 FeV Rn. 47-52). Die Fahrerlaubnispflicht für Kraftfahrzeuge und die Ausnahmen davon sind in § 4 FeV geregelt. Die Begriffe der Gutachtenfrage sind somit eindeutig bestimmbar. Die Fragestellung unterscheidet explizit zwischen der Eignung für fahrerlaubnispflichtige und der Eignung für fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge.

Zwar wurde die Rechtsgrundlage für die Untersagung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 FeV) nicht genannt. Zu den formellen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer Gutachtensanordnung zählt es aber nicht, dass sich die Fahrerlaubnisbehörde in der Begründung der Anordnung bereits abschließend zu der herangezogenen Ermächtigungsgrundlage für ihr Handeln äußert (VGH BW, B.v. 24.6.2002 – 10 S 985/02 – juris Rn. 14).

Aus der Begründung der Anordnung geht deutlich hervor, dass die Behörde den Vorfall vom 26. Juni 2020 zum Anlass genommen hat, die Fahreignung des Antragstellers im Hinblick auf seine Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien und –pflichtigen Kraftfahrzeugen zu überprüfen. Für beide Fragen gilt § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV (für die Untersagung durch Verweisung in § 3 Abs. 2 FeV).Die fehlende Zitierung von § 3 Abs. 1 und Abs. 2 FeV war für den Antragsteller kein berechtigter Anlass, die Anordnung als für ihn als unbeachtlich anzusehen.

Hinsichtlich Anlassbezogenheit, Verhältnismäßigkeit und Frist für die Anordnung wird auf die Ausführungen unter 1.b.dd und ee verwiesen.

c) In materieller Hinsicht war die Antragsgegnerin befugt, von dem Antragsteller ein Gutachten hinsichtlich der Eignung für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu fordern. Die Antragsgegnerin hatte hier hinsichtlich der Entscheidung, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, nach dem Gesetz kein Entschließungsermessen (Dauer in Hentschel/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 3 FeV Rn. 12), da der Antragsteller mit über 1,6 Promille ein Fahrrad im Straßenverkehr geführt hat (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV). Die Antragsgegnerin hat hier allerdings nur ein Gutachten hinsichtlich der Eignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen angefordert. Dies ist aber bezogen auf die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung unschädlich, weil sie sogar befugt gewesen wäre, ein Gutachten hinsichtlich aller fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge anzuordnen, mithin also eine weiterreichende Anordnung (als die vom 2. Oktober 2020) hätte erlassen können. Der Antragsteller wurde durch die Gutachtensanordnung somit sogar besser gestellt.

d) Allerdings hätte sich die Untersagung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids nur auf das Führen fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge beziehen dürfen und nicht auf das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen, da die Antragsgegnerin auch nur die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zum Umfang der Prüfung machte. An keiner Stelle der Anordnung vom 2. Oktober 2020 findet sich ein Hinweis darauf, dass der Gutachter auch die Fahreignung zum Führen von Fahrzeugen, die keine Kraftfahrzeuge sind, prüfen soll. Da der Gutachter an die Fragstellung gebunden ist, hätte er die Frage der Eignung zum Führen von Fahrzeugen (allgemein – also auch bezogen auf ein Fahrrad) nicht beantworten dürfen. Der Schluss von der Nichtvorlage des Gutachtens auf die Nichteignung konnte sich somit nur auf das Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen und nicht auf das Führen von (allen) fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen beziehen, da die Divergenzen in Fragestellung und Bescheid nicht nur sprachlicher Art sind, sondern den Inhalt der von der Begutachtungsstelle für Fahreignung erwarteten Leistung betreffen können (vgl. auch BayVGH, B.v. 15.5.2008 – 11 CS 08.616 – juris Rn. 33).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO und entspricht dem Anteil am Obsiegen bzw. Unterliegen der Parteien.

4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 1.5, 46.1, 46.3, 46.5 und 46.14 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, Anh. § 164 Rn. 14).

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