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Nachzahlung ungarischer Mautgebühren – internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Nachforderung ungarischer Mautgebühren: Zuständigkeit und Interpretation

Die Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte bei der Nachforderung ungarischer Mautgebühren wurde in einem Fall vor dem AG München (Az.: 191 C 8294/19) am 03.04.2020 verhandelt. Im Kern ging es um die Interpretation und Anwendung ungarischen Rechts in Deutschland.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 191 C 8294/19 >>>

Die Mautverstöße und Forderungen

Ein Fahrzeug wurde bei der Nutzung von ungarischen Straßen an zwei verschiedenen Tagen ohne gültige Vignette erwischt. Obwohl für den zweiten Tag später eine Vignette erworben wurde, erfolgte der Kauf nach der Feststellung des Mautverstoßes. Die Klägerin, gestützt auf die ungarische Mautverordnung, forderte von der Beklagten zweimal eine erhöhte Zusatzgebühr sowie zusätzliche Rechtsverfolgungskosten.

Ungarisches Recht in deutschem Gericht

Das Gericht stellte fest, dass die ungarische Mautpflicht und die daraus resultierenden Forderungen zivilrechtlicher Natur sind. Ungarn hat sich für eine zivilrechtliche Regelung entschieden, bei der sowohl die Straßennutzung als auch die Konsequenzen einer nicht genehmigten Nutzung zivilrechtlich geregelt sind. Die Beklagte hat diese Interpretation des ungarischen Rechts nicht bestritten.

Vertragsverhältnis und Haftung

Ein zentrales Thema war die Frage, ob ein Vertragsverhältnis entsteht, wenn ein Fahrzeugnutzer eine Vignette kauft. Das Gericht stellte fest, dass die ungarische Regelung nicht von einem Vertrag spricht, sondern von einer „Benutzung“. Es wurde argumentiert, dass es fiktiv wäre, einen Nutzungsvertrag mit dem Fahrzeughalter anzunehmen, insbesondere da nur der Halter, nicht der Fahrer, für Mautverstöße haftet.

Bewertung der Forderungen

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Klage nur teilweise begründet war. Während einige der Forderungen, wie die erhöhte Nachgebühr, als pauschaler Schadensersatz angesehen wurden, wurden andere, insbesondere die Rechtsverfolgungskosten, gekürzt. Das Gericht betonte, dass es das ausländische Recht anwenden muss und keine Inhaltskontrolle über die Angemessenheit dieser Beträge durchführen kann.

Schlussbemerkungen

Die Entscheidung beleuchtet die Komplexität grenzüberschreitender Rechtsfragen und die Herausforderungen, die sich aus der Anwendung ausländischen Rechts in Deutschland ergeben. Es zeigt auch die Notwendigkeit, die spezifischen Regelungen und Interpretationen des jeweiligen Landes zu verstehen und zu berücksichtigen.


Das vorliegende Urteil

AG München – Az.: 191 C 8294/19 – Urteil vom 03.04.2020

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 391,61 € sowie weitere 83,54 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 80 % und die Beklagte 20 % zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Der Streitwert wird auf 1.749,28 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der beklagten Omnibus-Halterin (amtliches Kennzeichen …) die Zahlung von zwei sog. „Nachgebühren“ für die Nutzung von ungarischen Straßen am 04.05.2017, 18:33 Uhr und am 05.05.2017, 10:31 Uhr. Allerdings wurde für den 05.05.2017, jedoch erst um 16:17 Uhr (also nach der Feststellung der Mautverletzung), für diesen Bus eine Vignette gekauft.

Die ungarische Mautverordnung (Anlage K 2) regelt die Mautpflichtigkeit auf den Straßen Ungarns. Dabei handelt es sich nach dem Recht der Republik Ungarn um eine zivilrechtliche Forderung (§ 1 MautVO). Der Kostenschuldner ist nach § 15 Abs. 2 Ung. Straßengesetz der Halter des Fahrzeugs. § 7/A Abs. 2 MautVO weist den Nutzungsanspruch der Klägerin zu.

Zur Gebührenhöhe:

Nachzahlung ungarischer Mautgebühren - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
Interpretation ungarischer Mautgebühren in Deutschland: Ein Gerichtsfall wirft Licht auf grenzüberschreitende Rechtsfragen und die Herausforderungen bei der Anwendung ausländischen Rechts. (Symbolfoto: Juergen Faelchle /Shutterstock.com)

Die Höhe der Gebühr wird in § 6 MautVO festgelegt (regelmäßige Gebühr). In § 7/A Abs. 1 (unberechtigte Straßennutzung) MautVO wird eine Zusatzgebühr festgelegt, wenn bei einer Kontrolle keine gültige Vignette vorliegt; deren Höhe beträgt nach Abs. 10 bei einer Zahlung binnen 30 Tagen (wie hier bei einem Bus) 218,00 €, danach 874,00 €.

Die außergerichtliche Geltendmachung erfolgte durch die UAI-GmbH (Inkasso).

Die Klägerin meint, die Beklagte schulde ihr wegen der beiden festgestellten Mautverstöße zweimal den Betrag in Höhe von 874,00 € (= erhöhte Zusatzgebühr) sowie weitere 306,54 € als Rechtsverfolgungskosten nach § 7/A Abs. 7 MautVO.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.749,28 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5-%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie als Nebenforderung außergerichtliche Inkassogebühren in Höhe von 306,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5-%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat mit Verfügung vom 15.1.2019 (Bl. 47 d.A.) rechtliche Hinweise erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt verwiesen. Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.

A. Die Klage ist zulässig.

I. Die deutschen Gerichte sind nach Art. 2 EuGVO international zuständig. Der eingeklagte Anspruch auf Zahlung des ungarischen Straßenbenutzungsentgelts wird aus einem Rechtsverhältnis abgeleitet, das als Zivil- und Handelssache zu qualifizieren ist.

Nach dem unstreitigen Klagevortrag handelt es sich bei dem klageweise verfolgten Zahlungsanspruch nicht um eine öffentlich-rechtliche, sondern um eine zivilrechtliche Forderung.

Dem folgt das Gericht. Es steht den Staaten frei, wie sie ihr Recht ausgestalten. Danach lässt sich die Benutzung öffentlicher Straßen und Wege sowohl als ein hoheitliches Benutzungsverhältnis als auch als zivilrechtliches Rechtsverhältnis verstehen und gestalten. Entsprechend können damit auch Verstöße gegen vorab bestimmte Nutzungsbedingungen (wie hier die unterlassene Zahlung eines Entgelts für die Nutzung einer bestimmten Straße) innerhalb beider Systeme ausgestaltet werden. Nach dem Wortlaut des ungarischen Rechts (siehe Anlagen K 1-3) wählte Ungarn eine einheitliche zivilrechtliche Gestaltung, bei der sowohl die Nutzung als auch die Rechtsfolgen einer unzulässigen, bedingungswidrigen Straßennutzung mit den Mitteln des Privatrechts geregelt werden.

Der Beklagte ist diesem, so auch von der Klägerin näher dargestellten Verständnis des ungarischen Rechts auch nicht weiter entgegengetreten. Das Gericht sieht daher von der Einholung eines Gutachtens zum Recht Ungarns und der dortigen Einordnung des Straßenbenutzungsrechts nach § 293 ZPO ab.

Das Amtsgericht München ist nach §§ 12, 17 ZPO örtlich und nach § 23 GVG sachlich zuständig; der Rechtsweg ergibt sich aus § 13 GVG, da es sich, wie schon zur EuGVO ausgeführt, um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit handelt.

B. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines (einfach erhöhten) Nutzungsentgelts in Höhe von noch 395,61 €; die weitergehende Klage war abzuweisen.

I. Auf das eingeklagte Rechtsverhältnis findet nach Art. 2, 4 Rom-II-VO das ungarische Recht Anwendung.

1. Die Rom-I-VO ist nicht auf das Rechtsverhältnis der Parteien anzuwenden. Weder die Benutzung der ungarischen Straßen noch die Rechtsfolgen einer unterlassenen Mautzahlung werden danach durch einen Vertrag geregelt.

Allerdings wird in verschiedenen Entscheidungen (z.B. AG München Urt. vom 11.2.2018, 243 C 5183/18; AG Passau Urt. vom 0.03.2019, 15 C 476/18; AG Rosenheim Urt. vom 02.01.2019, 15 C 650/18) von einem „Vertragsverhältnis“ gesprochen. Dies überzeugt nicht und wird dort auch nicht näher begründet. Insbesondere wird nicht erklärt, wann, wo und welche Willenserklärungen abgegeben werden sollen und warum der nicht vor Ort anwesende KFZ-Halter aus einem Vertrag verpflichtet werden kann.

Möglicherweise kommt ein Vertragsverhältnis zustande, wenn ein KFZ-Nutzer (vorab) eine Vignette erwirbt. Die Klägerin trägt aber nicht vor, ob und welche Erklärungen anlässlich des Erwerbs einer Vignette (an einem Automaten oder an einem Schalter) von dem Handelnden abgegeben werden oder ob sonst anhand einer (klaren) Beschilderung entlang der Straßen das Vorliegen einer konkludenten Willenserklärung angenommen werden kann. Aus den mitgeteilten Vorschriften zum ungarischen Recht lässt sich dazu nichts entnehmen. Insbesondere spricht § 1 Satz 1 des ung. Gesetzes (Anlage K 1) nicht von einem Vertrag, sondern von einer „Benutzung“. Das Recht Ungarns knüpft danach sowohl die regulären Benutzungsentgelte als auch die erhöhten Entgelte für den Fall festgestellter Mautverstöße an einen Realakt, nämlich die Straßenbenutzung und die Feststellung von Mautverstößen an. Die gegenteilige Behauptung der Klägerin im Schriftsatz vom 06.12.2019, Seite 3 (= Bl. 55 d.A.) findet in deren eigenen Vortrag zum ungarischen Recht keine Stütze.

Hier geht es zudem ausschließlich um die tatsächliche Straßennutzung, ohne dass zuvor eine Vignette erworben wurde. Auch ist es eine reine Fiktion, einen Nutzungsvertrag mit dem Halter des jeweiligen Fahrzeugs anzunehmen. Die Klägerin führt selbst aus, dass wegen Mautverstößen immer nur der Halter des Fahrzeugs haftet, nicht aber der Fahrer (Schriftsatz vom 24.02.2020, Seite 2 = Bl. 77 d.A.). Es gibt aber keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, dass der Halter dem Fahrer „konkludent sein Einverständnis“ gibt, beim Befahren der ungarischen Straßen auf seine Kosten zu handeln. Diese Behauptung ist eine reine Fiktion und zeigt, dass eine vertragliche Grundlage für den Abschluss eines Benutzungsvertrages allenfalls zwischen dem Fahrer und dem Träger des Straßennetzes denkbar erscheint (zum deutschen Recht: BGH, Urt. vom 18.12.2019, XII ZR 13/19). Es steht dem ungarischen Gesetzgeber auch nicht zu, unbegrenzte Vollmachten zur vertraglichen Verpflichtung eines im Ausland befindlichen Dritten vorzusehen.

Die hier eingeklagte erhöhte Nachgebühr nach § 7/A Abs. 1 MautVO wird dadurch ausgelöst, dass bei einer Kontrolle keine gültige Berechtigung festgestellt werden kann. Es ist für das Gericht nicht erkennbar, wie bei diesem Sachverhalt ein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien dieses Prozesses entstanden sein soll. Die eingeklagte „Nachgebühr“ wird vielmehr aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis, das an den Realakt der Straßennutzung ohne vorherige Mautzahlung anknüpft, abgeleitet.

Die ROM-I-VO ist daher nicht anzuwenden.

2. Der sachliche Anwendungsbereich der ROM-II-VO ist eröffnet.

Die mit der Klage verfolgte (wegen der Nichtzahlung der regelmäßigen (Vorab-)Gebühr) massiv erhöhte „Nachgebühr“ (hier wegen zweier Maut-Verstöße des Busses der Beklagten am 04.05.2017 und am 05.05.2017) wird aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis, das durch das ungarische Straßenrecht begründet wird, abgeleitet.

Das Gericht lässt es offen, ob dieses Schuldverhältnis als eine „ungerechtfertigte Bereicherung“ (Art. 10 ROM-II-VO) zu qualifizieren ist, da das ungarische Recht bei einer Straßennutzung ohne Vignette von einer „unberechtigten Straßenbenutzung“ spricht und daraus einen Zahlungsanspruch ableitet oder ob bei diesem Sachverhalt das Vorliegen einer „unerlaubten Handlung“ (Art. 4 ff Rom-II-VO) gegeben ist, zumal der Schadensbegriff in der VO weit zu verstehen ist (Art. 2 Abs. 1).

Danach wäre jeweils wegen der Nutzung ungarischer Straßen das Recht Ungarns (als Tatortrecht) heranzuziehen.

II. In Anwendung des ungarischen Rechts hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch wegen der Benutzung des ungarischen Fernstraßennetzes mit dem auf die Beklagte zugelassenen Bus am 04.05. und am 05.05.2017 in Höhe von (noch) 395,61 € (= 218,00 € + 218,00 € – 40,39 €).

1. Unstreitig befuhr der Bus der Beklagten an beiden Tagen die von der Mautregelung erfassten Straßen, ohne dass zuvor eine Vignette gelöst worden war.

a) Schuldner des mit dieser gesetzlichen Regelung ausgelösten Entgelts/Gebühr ist der Halter des Fahrzeugs, hier die Beklagte. Auf eine Vollmacht zugunsten des Fahrers kommt es nicht an, da sich die Haftung der Beklagten schon aus ihrer Haltereigenschaft ergibt.

Diese gesetzliche Regelung muss nach der Rom-II-VO angewandt werden. Das Gericht sieht darin auch keinen Verstoß gegen den ordre public.

aa) Allerdings ist das zwingende Anknüpfen der „Gebühren“-Schuld beim Halter des KFZ (ohne Entlastungsmöglichkeit) nicht unproblematisch. Diese Ausgestaltung erweitert seine allgemeine Gefährdungshaftung, ohne dass sich in diesem Vorgang die besondere Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugs (die sonst deren Rechtfertigung bildet) abbildet. Vielmehr dürfte es allein der Verwaltungsvereinfachung dienen, die erhöhten Nutzungsentgelte bei dem leicht ermittelbaren Fahrzeughalter und nicht beim (meist unbekannten) Fahrer anzuknüpfen. Damit widerspricht das ungarische Recht in seiner konkreten Ausgestaltung dem Schuldprinzip, insbesondere wenn man als Kontrollmaßstab eine vergleichbare Verletzung der StVO heranzieht.

Gleichwohl verneint das Gericht einen ordre public Verstoß, solange die damit anknüpfende Sanktion noch verhältnismäßig und angemessen ist. Es ist einem Gesetzgeber zuzugestehen, typische Vorfälle, die an die Nutzung des KFZ anknüpfen, haftungsrechtlich dem Halter zuzuordnen. Dazu zählen auch Entgelte, die sich aus der Nutzung von öffentlichen Straßen ergeben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Halter in der Regel eine ihm auferlegte – vermeidbare – Zahlungspflicht im Innenverhältnis auf den Fahrer abwälzt.

b) Die Beklagte schuldet der Klägerin das nach § 7/A i.V.m. Anlage 1 Ziffer 1 zur Mautordnung einfach erhöhte Mautentgelt in Höhe von 436,00 € (= 2 x 218,00 €; „einfache Zusatzgebühr“).

Die gesetzliche Zahlungspflicht für die Nutzung der Schnellstraße zusammen mit der gesetzlichen Halterhaftung ist nach Art. 26 Rom-II-VO nicht zu beanstanden.

Dies gilt auch noch für die (einfach) erhöhte Nachgebühr (hier 218,00 €). Insoweit stellt dies noch eine pauschale Schadensersatzregelung dar, die den Mehraufwand abbildet, der in der Verfolgung von Mautverstößen liegt.

Eine Inhaltskontrolle, die nach der Angemessenheit dieser Beträge fragt, durch das angerufene Gericht findet nicht statt, da das ausländische Recht als solches anzuwenden ist; eine Verletzung des ordre public liegt darin (noch) nicht, da diese Regelungen an sich auch dem deutschen Recht der Leistungsstörung und den Grundgedanken des Schadensersatzrechts nicht völlig fremd sind.

2. Dagegen ist der von der Klägerin verlangte Betrag von 874,00 € für eine nicht innerhalb von 30 Tagen bezahlte „Nachgebühr“ mit dem deutschen ordre public nicht mehr vereinbar (im Folgenden: „erhöhte Nachgebühr“). Die zugrunde liegende Bestimmung des ungarischen Rechts ist deshalb von deutschen Gerichten nicht anzuwenden.

Das anzuwendende (Sach-)Recht darf nicht gegen den Ordre Public verstoßen (Art 26 Rom-II VO).

Dies ist hier der Fall, indem das Recht Ungarns die erhöhte Nachgebühr allein wegen des Zeitablaufs (Nichtzahlung der einfachen Nachgebühr innerhalb von 30 Tagen) nochmals massiv erhöht (von 218,00 € auf 874,00 €). Diese Regelung stellt einen Strafschadensersatz dar, der gegen den ordre public verstößt (vgl. Palandt/Thorn, Rom-II-VO, Art. 26 Rdnr. 2).

Eine schon als Strafe ausgestaltete erhöhte Schuld (wegen des Nicht-Lösens der Vignette im Wert von (hier) 40,39 € wird bereits die einfach erhöhte Nachgebühr (hier: 218,00 €) erhoben) wird allein wegen des Zeitablaufs nochmals pauschal und massiv verschärft, ohne dass sich der durch die unerlaubte Handlung des Täters (Benutzung der Straße ohne Vignette) feststellbare Schaden erhöht oder sonst verändert hat. Hinzu kommt, dass Rechtsverfolgungskosten nach der gesetzlichen Regelung zusätzlich verlangt werden, diese also nicht zur Rechtfertigung der (zweiten) Erhöhung herangezogen werden können. Diese Regelung widerspricht dem Kern des deutschen Schadensersatzrechts, das auch im Falle des Verzugs des deliktischen Schuldners nur den dadurch ausgelösten Verzugsschaden als weitere Schadensposition anerkennt.

Die zur Rechtfertigung dieser Bestimmung von der Klägerin vorgebrachten Argumente überzeugen nicht. Der Vergleich mit dem OWi-Recht hinkt, weil nach dem ungarischen Recht bewusst keine hoheitliche Lösung und keine echte Strafsanktion gewählt wurde. Wählt der Gesetzgeber eine zivilrechtliche Ausgestaltung der Straßennutzung, muss er sich innerhalb dieses Systems bewegen. Die Stringenz der Regelung muss eingehalten werden, ein Rosinenpicken verbietet sich.

3. In Höhe von 40,39 € ist der unter Ziffer B. II. 1. festgestellte Anspruch der Klägerin durch Zahlung der Beklagten erloschen.

Für den zweiten Tag wurde noch eine Vignette zum Preis von 40,39 € gelöst, der auf die schon angefallene erhöhte Nachgebühr anzurechnen ist.

Aufgrund der am 05.05.2017 um 10:31 Uhr ausgelösten (erhöhten) Zusatzgebühr konnte der Beklagten für diesen Tag keine weitere Nutzungsgebühr mehr auferlegt werden (§ 7/A Abs. 4 Maut-VO). Danach hatte die Beklagte mit der Lösung der Vignette am 05.05.2017 um 16:17 Uhr für eine Leistung der Klägerin nochmals bezahlt, die sie schon zuvor „zwangsweise“ erworben hatte.

4. Rechtsverfolgungskosten

Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten ergibt sich dem Grunde nach aus dem anzuwendenden ungarischen Sachrecht.

Die Höhe der aufgewandten Inkassokosten für die beiden Verstöße ist zunächst wegen der teilweise unberechtigten Forderungshöhe zu kürzen (Gegenstandswert: bis 500,00 €; 1,3 Gebühr nach VV 2300; Auslagen VV 7001).

Weiter war der Anspruch zu kürzen, da die Klägerin die beiden an zwei unmittelbar aufeinander folgenden Tagen begangenen Mautverstöße auch mit zwei getrennten Mahnschreiben vom selben Tag bei der Beklagten geltend machte (Anlagen K 5 und K 6: jeweils vom 28.06.2017). Hier liegt gebührenrechtlich eine Angelegenheit vor, was zu Anfall nur einer 1,3 Gebühr aus dem erhöhten Gesamtstreitwert (395,61 €) führt (83,54 €).

5. Die Zinsforderung war abzuweisen.

Die Vorschrift des § 291 BGB findet auf die eingeklagte Forderung keine Anwendung. Der Zinsanspruch gem. § 291 BGB ist ein materiell-rechtlicher Anspruch, der lediglich durch die Rechtshängigkeit ausgelöst wird. § 291 BGB ist daher nur dann anwendbar, wenn das deutsche Recht als (Forderungs-)Statut für die Forderung berufen ist (siehe OLG München, Urteil vom 25.03.2015 – 15 U 458/14 -, juris mit zust. Anm. Mankowski EWiR 2015, 703).

Zum Zinsanspruch nach ungarischem Recht trägt die Klägerin nicht vor. Ein rechtlicher Hinweis dazu war nicht veranlasst (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Eine Entscheidung über die Zulassung der Berufung ist nicht veranlasst, da die Beschwer der Klägerin über 600,00 € liegt. Zugunsten der Beklagten war eine Zulassungsentscheidung nicht geboten, da die hier erfolgte Abweichung in der rechtlichen Bewertung des Mautsystems (Ordre-Public-Verstoß) von den Entscheidungen anderer Amtsgerichte nicht zum Nachteil der Beklagten abweicht.

 

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