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Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes – Police-Pilot-System

OLG Celle, Az.: 3 Ss (OWi) 27/91 (I), Beschluss vom 12.03.1991

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Die Rechtsbeschwerde wird verworfen.

Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Nichteinhaltens des erforderlichen Abstands von einem vorausfahrenden Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von mehr als 80 km/h zu einer Geldbuße von 200 DM verurteilt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Sachrüge.

Der Senat läßt die Rechtsbeschwerde zu, weil es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG).

Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes - Police-Pilot-System
Symbolfoto: Heiko Barth/bigstock

Der Betroffene befuhr am 1.2.1990 um 11.26 Uhr mit seinem Pkw die vierspurig ausgebaute Bundesstraße … in der Gemarkung B in Richtung N. Mit einer Geschwindigkeit von mindestens 129 km/h folgte er, auf der Überholspur fahrend, einem voranfahrenden Fahrzeug in einem Abstand, der – durch Videoaufnahme mit dem Police-Pilot-System festgehalten – auf einer Strecke von mindestens 224 m höchstens 16 m betrug. Der Betroffene hat die Fahrgeschwindigkeit und den zu geringen Sicherheitsabstand eingeräumt und sich damit verteidigt, durch ein plötzliches Ausscheren des anderen Fahrzeugs in diese Situation geraten zu sein.

Das Amtsgericht hat seine Feststellungen mit Hilfe der Aussagen zweier Polizeibeamten, die dem Betroffenen mit ihrem Fahrzeug gefolgt waren, und der in der Hauptverhandlung abgespielten Videoaufnahme gewonnen, die von dem Beifahrer mit dem Police-Pilot-System aufgenommen worden war. Der Betroffene hat in gleichbleibendem Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug eine Strecke von 224 m in 5,92 Sekunden zurückgelegt, woraus sich nach Abzug von 5 % Toleranz eine Geschwindigkeit von mindestens 129 km/h ergab. Den Abstand der beiden vorausfahrenden Fahrzeuge zueinander hat das Amtsgericht anhand der Schattenbildung beider Fahrzeuge danach errechnet, daß die Markierungen der Fahrstreifenbegrenzung jeweils 4 m und die Zwischenräume jeweils 8 m lang sind. Dem so errechneten Abstand von 12 m hat das Amtsgericht zur Sicherheit noch einen Abstand von weiteren 4 m hinzugezählt.

Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen begründen den Schuldspruch nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 StVO, § 24 StVG zum äußeren Tatgeschehen. Messungen mit dem Police-Pilot-System sind zuverlässig und als Beweismittel verwertbar (vgl. Senatsbeschl. Nds.Rpfl. 1989, 258 = VRS 77, 464). Möglichen Fehlerquellen hat das Amtsgericht durch Berücksichtigung einer Toleranz von 5 % hinreichend Rechnung getragen (vgl. auch OLG Frankfurt DAR 1990, 272 und OLG Stuttgart DAR 1990, 392). Zwar teilen die Urteilsgründe nicht mit, daß während der Messung der Abstand zwischen dem Polizeifahrzeug und dem Pkw des Betroffenen gleich geblieben war. Dessen hätte grundsätzlich bedurft, weil die Fahrgeschwindigkeit des Betroffenen hier aus der des Polizeifahrzeugs errechnet worden sein muß. Ob das Amtsgericht Nachprüfungen, etwa Größenvergleiche vorgenommen hat (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.), ist nicht ersichtlich. Indessen ist nach Lage dieses Falles ein möglicher Fehler auszuschließen, weil der Betroffene die festgestellte Geschwindigkeit eingeräumt hat.

Auch die Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes ist zweifelsfrei festgestellt worden. Von der früheren Sach- und Rechtslage unterscheiden sich die mit dem Videogerät gewonnenen Kenntnisse dadurch, daß der Tatrichter sich nicht mehr auf die Bekundungen der Polizeibeamten als Beweismittler zu verlassen braucht, sondern deren Beobachtungen im Wege des Augenscheinsbeweises unmittelbar und in Anwesenheit der Prozeßbeteiligten nachvollziehen kann. Menschliche Unzulänglichkeiten bei der Wahrnehmung des Tatgeschehens „vor Ort“ und technische Fehlerquellen dabei spielen keine Rolle mehr. Darum genügt es, wenn der Tatrichter die Feststellungen, die er im Wege des Augenscheins im Gerichtssaal getroffen hat, in den Urteilsgründen klar, lückenlos und widerspruchsfrei wiedergibt. Seiner Verantwortung bleibt es überlassen, im Einzelfall zu prüfen, ob der Verkehrsverstoß so zuverlässig ermittelt ist, daß er als Grundlage für die richterliche Überzeugungsbildung geeignet ist (vgl. Stuttgart a.a.O.). Er muß in seinem Urteil nur deutlich machen, daß er sich der möglichen Fehlerquellen bewußt gewesen ist und diese zugunsten des Betroffenen genügend berücksichtigt hat. Die Höhe des gebotenen Sicherheitsabschlags hat der Tatrichter unter Berücksichtigung der im jeweiligen Einzelfall in Betracht kommenden Fehler eigenverantwortlich zu bemessen; ihre Festsetzung ist nicht Sache des Revisions- oder Rechtsbeschwerdegerichts (vgl. Senatsbeschl. VRS 52, 58). Daß der Tatrichter mit Hilfe der Fahrstreifenbegrenzung und der Fahrzeugschatten einen gleichbleibenden Abstand von 12 m festgestellt hat, verstößt weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze oder wissenschaftliche Grundsätze. Der Sicherheitszuschlag von weiteren 4 m beweist, daß der Tatrichter Fehlerquellen im eigenen Wahrnehmungsbereich für möglich gehalten hat; dies beschwert den Betroffenen jedenfalls nicht.

Zwar hat das Amtsgericht ein Unterschreiten des Sicherheitsabstandes auf einer Streckenlänge von 400 m angenommen. Sichere Feststellungen hat es jedoch nur für den Regelverstoß auf einer Länge von 224 m getroffen (vgl. OLG Düsseldorf VRS 68, 229; Senatsbeschl. Nds.Rpfl. 1986, 163). Das reicht als nicht nur vorübergehend aus (vgl. BGHSt 22, 341; Senatsbeschluß VRS 55, 448). Im vorliegenden Fall waren mit Hilfe der Videoaufnahmen nicht nur exaktere Feststellungen möglich, sondern hatte der Betroffene vor Beginn der Videoaufnahme durch sein dichtes Auffahren die Polizeibeamten auf sich aufmerksam gemacht. Dem durfte das Amtsgericht insoweit Rechnung tragen, auch wenn exakte Feststellungen in diesem Vorfeld nicht getroffen worden sind.

Daß das Amtsgericht den Betroffenen nicht auch wegen eines Verstoßes nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StVO (§ 1 Abs. 1 StVO) verurteilt hat, obwohl der Betroffene auch den 0,8 Sekunden- Abstand von 28,67 m erheblich unterschritten und den Vordermann konkret gefährdet hat (§ 1 Abs. 4 BKatV), beschwert den Betroffenen nicht ebensowenig wie die Annahme fahrlässigen Zuwiderhandelns. Die Rechtsbeschwerde erweist sich damit zum Schuldspruch als unbegründet. Auch der Rechtsfolgenausspruch enthält keinen den Betroffenen benachteiligenden Rechtsfehler.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG.

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