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Inbetriebnahme eines zulassungsfreien Fahrzeugs – Anbringungen von Versicherungskennzeichen

Motorroller-Verstoß: Freispruch wegen fehlender Inbetriebnahme

Ein Betroffener wurde in einem Bußgeldverfahren vom OLG vorliegend wegen eines Verstoßes gegen § 69 a Abs. 2 Nr. 1 a StVZO freigesprochen. Grund dafür war, dass keine hinreichenden Feststellungen getroffen wurden, ob der Motorroller tatsächlich im öffentlichen Straßenverkehr in Betrieb genommen wurde. Das Fahrzeug war nicht zugelassen und in einem offenen Hof abgestellt. Die Entscheidung zeigt, dass das Inbetriebnahmeverbot eng auszulegen ist und bloßes Vorhalten eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum nicht ausreicht, um eine Sanktion zu begründen.

Direkt zum Urteil Az: 1 OWi 2 Ss 107/20 springen.

Begriff der Inbetriebnahme

Es ist festzuhalten, dass der Begriff der „Inbetriebnahme“ gemäß § 69 a StVZO enger zu fassen ist, als das Amtsgericht annahm. Die Kommentarliteratur weist darauf hin, dass es sich bei diesem Begriff um keinen allgemeinen, sondern vielmehr um einen spezifischen Begriff handelt, der im Zusammenhang mit dem jeweiligen Verstoß auszulegen ist. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat dabei im Wesentlichen folgende Anforderungen an die Inbetriebnahme gestellt: Das Fahrzeug muss bewegt und somit aktiv in den öffentlichen Straßenverkehr eingeführt werden. Die weiteste Auslegung des Begriffs in der Rechtsprechung, etwa durch das Bayerische Oberste Landesgericht, reicht jedoch nicht aus, um ein abgestelltes Fahrzeug als in Betrieb genommen anzusehen.

Freispruch aus tatsächlichen Gründen

Da dem Betroffenen weder die Zulassung noch das fahrbereite Stehen des Fahrzeugs im Hof zur Last gelegt werden konnten, entschied der Senat für einen Freispruch aus tatsächlichen Gründen. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass das Vorhalten eines nicht zugelassenen Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum nicht ausreicht, um den Tatbestand des § 69 a Abs. 2 Nr. 1 a StVZO zu erfüllen.

Keine weiteren Feststellungen

Das Gericht ging davon aus, dass keine weiteren Feststellungen zum Sachverhalt möglich seien, da die bisherigen Feststellungen bereits ausreichten, um den Betroffenen freizusprechen. Es blieb offen, ob der festgestellte Sachverhalt ein eventuelles polizeiliches Handeln zur Gefahrenabwehr erlaubt oder gar erfordert hätte.

Fazit

Die Entscheidung des OLG zeigt, dass eine Sanktion nach § 69 a Abs. 2 Nr. 1 a StVZO nur bei einer engen Auslegung des Inbetriebnahmeverbots möglich ist. Bloßes Vorhalten eines Fahrzeugs im öffentlichen Verkehrsraum reicht nicht aus, um den Tatbestand zu erfüllen. Ist das Fahrzeug nicht zugelassen und befindet es sich lediglich fahrbereit auf einem Privatgrundstück, besteht keine Grundlage für eine Bestrafung nach § 69 a StVZO.


Das vorliegende Urteil

OLG Zweibrücken – Az.: 1 OWi 2 Ss Rs 175/20 – Beschluss vom 19.01.2021

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Landau in der Pfalz vom 25. August 2020 aufgehoben und der Betroffene freigesprochen.

2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Landeskasse.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen „vorsätzlicher Inbetriebnahme eines Fahrzeugs, obwohl die Betriebserlaubnis erloschen war, die Verkehrssicherheit war hierdurch wesentlich beeinträchtigt“ zu einer Geldbuße von 135 Euro verurteilt, ohne eine vorhandene Voreintragung im Fahreignungsregister bußgelderhöhend zu berücksichtigen.

Gegen diese Verurteilung wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde. Der Einzelrichter des Senats hat mit gesondertem Beschluss die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts zugelassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.

II.

Das Amtsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

„Der Betroffene war am 27.08.2019, und davor, Eigentümer eines Kleinkraftrades, Roller, Peugeot Speedfight 2, Versicherungskennzeichen …. Zum genannten Tattag befand sich das Fahrzeug im Hof des Anwesens …. Das Hoftor war geöffnet. Die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs war wesentlich beeinträchtigt. Das Fahrzeugheck wurde nachträglich höher gelegt, wodurch die Betriebserlaubnis des Fahrzeuges erloschen war.“

Zur rechtlichen Würdigung hat das Amtsgericht ausgeführt: „Er hat sein Fahrzeug ca. eine Woche nach dem Erwerb am 3.8.2020 [gemeint ist wohl 2019] zugelassen und somit in Betrieb genommen, obwohl die Höherlegung nicht eingetragen war. […] Die tatbestandlich erforderliche Gefährdung des Straßenverkehrs lag nicht nur prognostisch, was bereits ausreicht, sondern schon konkret vor. Denn durch die Höherlegung des Fahrzeughecks, besteht die konkrete Gefahr, dass das Fahrzeug während der Fahrt nicht mehr beherrscht werden kann. […] Aufgrund der Tatsache, dass das Fahrzeug betriebsbereit und zugelassen im Hof des Anwesens stand, das der Betroffene zum Tatzeitpunkt auch bewohnt hat, liegt auch die Tatbestandsvoraussetzung der Inbetriebnahme vor. […] Es handelt sich um eine lebensfremde Schutzbehauptung des Betroffenen, der behauptet, das Fahrzeug habe 2 oder 3 Wochen unbenutzt im Hof gestanden.“

III.

Das angefochtene Urteil unterliegt auf die als Sachrüge zu verstehenden Ausführungen der Rechtsbeschwerde hin der Aufhebung. Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung nicht.

1. Das Amtsgericht hat in dem festgestellten Verhalten einen vorsätzlichen Verstoß gegen §§ 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 5, 69 a StVZO, § 24 StVG gesehen. Durch diese Normen wird eine Ordnungswidrigkeit beschrieben, die – vorsätzlich oder fahrlässig – dadurch begangen wird, dass ein Fahrzeug auf öffentlichen Straßen in Betrieb genommen wird (§ 69 a Abs. 2 Nr. 1 a iVm. § 19 Abs. 5 StVZO), dessen Betriebserlaubnis erloschen ist (§ 19 Abs. 2 StVZO), weil Veränderungen an ihm vorgenommen wurden, durch die eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist.

Das Amtsgericht hat bereits die „Zulassung“ des Rollers als Inbetriebnahme angesehen. Leichtkrafträder wie der verfahrensgegenständliche Motorroller bedürfen indes nicht der Zulassung, § 16 Abs. 1 StVZO, § 3 Abs. 2 Nr. 1 c FZV. Zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr brauchen sie lediglich eine Haftpflichtversicherung, die durch ein Versicherungskennzeichen nachgewiesen wird. In welcher Handlung das Amtsgericht die „Zulassung“ und damit nach seiner Ansicht die „Inbetriebnahme“ sieht, bleibt insofern offen.

Entscheidend ist jedoch, dass der Begriff der „Inbetriebnahme“ sowohl in § 69 a Abs. 2 Nr. 1 a StVZO als auch in § 19 Abs. 5 Satz 1 StVZO, die aufeinander bezogen sind, verwendet wird und deshalb enger zu verstehen ist, als das Amtsgericht meint. Eine allgemeine Definition des Begriffes ist zwar nach der Kommentarliteratur nicht möglich, vielmehr sei danach der Begriff jeweils im Sinnzusammenhang mit dem Verstoß auszulegen auf den § 69 a StVZO verweist (vgl. Bachmeier/Müller/Rebler, Verkehrsrecht, 3. Auflage 2017, § 69 a StVZO Rn. 3; BeckOK StVR/Semrau, 9. Ed. 1.10.2020, StVZO § 69a Rn. 4 f.; Krumm, in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, § 69 a StVZO Rn. 3). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Begriff nicht abschließend definiert. Jedoch setzt der Bundesgerichtshof dabei – im Zusammenhang mit einer unzureichenden Bereifung eines Fahrzeugs – jedenfalls ein Bewegen des betroffenen Fahrzeugs voraus, wenn er unter den Begriff der Inbetriebnahme nicht nur das Ingangsetzen des Fahrzeugs zum Zwecke der Teilnahme am Straßenverkehr subsumiert, sondern auch dessen weitere Fortbewegung im Verkehr (BGHSt 25, 338; BGHSt 27, 66). Zu dem in dieser Hinsicht vergleichbaren Begriff des Inbetriebnehmens im Rahmen des § 69 a Abs. 3 OWiG hat das Bayerische Oberste Landesgericht entschieden, dass selbst ein im öffentlichen Verkehrsraum abgestelltes Fahrzeug, das nicht technisch in Gang gesetzt ist, auch bei weitester Auslegung nicht in Betrieb genommen ist (vgl. BayObLGSt 1981, 129). Aus § 19 Abs. 5 Satz 1 StVZO, auf den § 69 a Abs. 2 Nr. 1 a StVZO verweist, ergibt sich ebenfalls, dass die Inbetriebnahme einen unmittelbaren Bezug zur Teilnahme am Straßenverkehr aufweisen muss, denn dort ist von der Inbetriebnahme „auf öffentlichen Straßen“ die Rede.

2. Da im Bußgeldrecht, ebenso wie im Strafrecht der Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot gelten (§ 3 OWiG iVm. Art. 103 Abs. 2 GG; hier: nulla poena sine lex certa et stricta, vgl. Senatsbeschluss vom 24.11.2020 – 1 OWi 2 Ss 107/20, juris Rn. 12; Bülte NZV 2020, 12), kommt eine ausweitende Auslegung des ohnehin gesetzlich nur schwach konturierten Begriffs der Inbetriebnahme nicht in Frage. Es genügen deshalb weder die „Zulassung“ des verfahrensgegenständlichen Motorrollers noch dessen fahrbereites Stehen im Hof des Betroffenen, um den Betroffenen wegen eines Verstoßes gegen § 69 a Abs. 2 Nr. 1 a StVZO zu belangen. Ob der festgestellte Sachverhalt ein eventuelles polizeiliches Handeln zur Gefahrenabwehr erlaubt oder gar erfordert, ist im Bußgeldverfahren nicht von Belang.

IV.

Der Senat macht, da weitere Feststellung nicht zu erwarten sind, von der Möglichkeit Gebrauch gemäß § 79 Abs. 6 OWiG nach Aufhebung des angefochtenen Urteils in der Sache selbst zu entscheiden, was zum Freispruch des Betroffenen aus tatsächlichen Gründen führt (vgl. BeckOK StVR/Lay, 9. Ed. 1.10.2020, OWiG § 79 Rn. 340, 344 mwN.; Krumm in Gassner/Seith, OWiG, 2. Aufl. 2020; § 79 Rn. 72; BeckOK OWiG/Bär, 28. Ed. 1.10.2020, OWiG § 79 Rn. 135).

Soweit das Amtsgericht ausgeführt hat, es sei eine lebensferne Schutzbehauptung, wenn der Betroffene behaupte, das Fahrzeug habe 2 oder 3 Wochen unbenutzt im Hof gestanden, liegt darin kein Ansatz für ergänzende Feststellungen. Es ist im Übrigen nicht nachvollziehbar, woraus das Amtsgericht den Schluss zieht, der Betroffene habe am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen. Allein die festgestellten Tatsachen, nämlich, dass sich der Roller im Hof des Wohnhauses des Betroffenen befand und dass das Hoftor geöffnet war, tragen diesen Schluss nicht. Der Hofbereich eines Privatanwesens stellt auch bei geöffneten Toren grundsätzlich keinen öffentlichen Straßenraum dar (vgl. Senatsbeschluss vom 11.11.2019 – 2 Ss 77/19, DAR 2020, 153). Für ein Starten oder Bewegen des Rollers durch den Betroffenen auf öffentlichen Straßen fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten, die Gegenstand des Bußgeldbescheids gewesen wären. Insofern kommt es auf den im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgebrachten Einwand des Betroffenen, der Motorroller sei gar nicht fahrbereit gewesen, nicht mehr an. Ebensowenig ist noch zu klären, welcher Art der Umbau genau war und ob tatsächlich – im Falle einer Teilnahme am Straßenverkehr – eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu erwarten gewesen ist.

V.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 467 StPO (vgl. KK-OWiG/Hadamitzky, 5. Aufl. 2018, OWiG § 79 Rn. 165).

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