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Gutachtensanordnung bei Verdacht auf Alkoholmissbrauch bei wiederholten Zuwiderhandlungen

Sächsisches Oberverwaltungsgericht lehnt Berufung gegen Fahrerlaubnisentzug ab

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 15. September 2020 den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden abgelehnt. Der Kläger wurde dazu verpflichtet, die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, und der Streitwert wurde auf 10.000 € festgesetzt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 A 572/20 >>>

Klage gegen Fahrerlaubnisentzug abgewiesen

Das Verwaltungsgericht hatte zuvor die Klage des Klägers gegen die Fahrerlaubnisentziehungsverfügung des Beklagten abgewiesen. Der Beklagte hatte den Fahrerlaubnisentzug aufgrund von zwei Trunkenheitsfahrten des Klägers im Dezember 2006 und Dezember 2016 angeordnet. Der Kläger hatte das angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt. Das Verwaltungsgericht entschied, dass beide Verstöße im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanforderung noch verwertbar waren und eine einschränkende Auslegung des Wiederholungstatbestands nicht erforderlich war. Das Gutachten und die Neuerteilung der Fahrerlaubnis bildeten keine Zäsur für die Wiederholung der Zuwiderhandlung.

Kein Ermessensspielraum bei Gutachtensanforderung

Der Kläger argumentierte, dass der Beklagte bei der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einen Ermessensspielraum habe und eine einzelfallbezogene Prüfung vornehmen müsse. Das Oberverwaltungsgericht stellte jedoch fest, dass die Gutachtensanforderung gemäß § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Fahrerlaubnis-Verordnung keine Ermessensentscheidung darstelle, sondern zwingend vorgesehen sei. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Gutachtens differenzierten nicht nach der Art der Verstöße oder dem zeitlichen Abstand zwischen ihnen. Die Fahreignungsrelevanz eines Verkehrsverstoßes richte sich gemäß den Tilgungs- und Verwertungsbestimmungen des Registers. Wenn der anlassgebende Sachverhalt noch verwertbar sei, bestehe grundsätzlich kein Raum für eine zusätzliche einzelfallbezogene Prüfung.

Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils

Das Vorbringen des Klägers konnte keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils hervorrufen. Der Kläger konnte keine tragenden Rechtssätze oder Tatsachenfeststellungen in Frage stellen, die den Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheinen ließen. Das Verwaltungsgericht hatte unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung korrekt entschieden, dass die Gutachtensanforderung rechtmäßig war.

Unanfechtbarer Beschluss und Kosten

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Die Kosten des Zulassungsverfahrens sind vom Kläger zu tragen. Die Streitwertfestsetzung erfolgte gemäß den Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes.


Das vorliegende Urteil

Sächsisches Oberverwaltungsgericht – Az.: 6 A 572/20 – Beschluss vom 15.09.2020

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dres-den vom 19. Mai 2020 – 6 K 459/18 – zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen die Fahrerlaubnisentziehungsverfügung des Beklagten vom 5. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Januar 2018 mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte habe nach § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen dürfen, da dieser das auf der Grundlage von § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV zu Recht angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht habe. Der Kläger habe durch zwei Trunkenheitsfahrten am 24. Dezember 2006 und am 9. Dezember 2016 wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen. Beide Taten seien im maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanforderung am 23. März 2017 noch verwertbar gewesen, da die zehnjährige Tilgungsfrist für die erste Straftat nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG a. F. erst mit der Neuerteilung der Fahrerlaubnis am 31. März 2008 zu laufen begonnen habe. Eine über das Erfordernis einer zweiten Alkoholfahrt hinausgehende einschränkende Auslegung des Wiederholungstatbestandes auf zeitnähere Wiederholungstaten sei für die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung ebenso wenig geboten wie eine zusätzliche einzelfallbezogene Prüfung. Auch das medizinisch-psychologische Gutachten vom 4. März 2008 und die Neuerteilung der Fahrerlaubnis am 31. März 2008 bildeten keine Zäsur hinsichtlich der Wiederholung der Zuwiderhandlung.

Der Kläger wendet dagegen ein, der Beklagte habe einen Ermessensspielraum bei der Anordnung der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens und müsse immer oder zumindest dann, wenn – wie hier – kein Regelfall vorliege, eine einzelfallbezogene Prüfung vornehmen. Der Streitfall weiche vom Regelfall der Gutachtensanordnung nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV ab, weil zwischen beiden Zuwiderhandlungen äußerst unterschiedlicher Natur (Straftat nach § 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB; Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG) ein Zeitraum von ca. zehn Jahren liege und die Neuerteilung der Fahrerlaubnis aufgrund eines positiven medizinisch-psycho-logischen Gutachtens vom 4. März 2008 eine Zäsur in Gestalt einer neunjährigen Wohlverhaltensphase darstelle.

Dieses Vorbringen, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen dann, wenn der Antragsteller des Zulassungsverfahrens einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss zu beurteilen ist (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 8. Dezember 2019 – 6 A 740/19 -, juris Rn. 3; v. 16. April 2008 – 5 B 49/07 -, SächsVBl. 2008, 191, 192; st. Rspr.). Das leistet die Zulassungsbegründung nicht. Das Verwaltungsgericht hat im Anschluss an eine gefestigte höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung zutreffend entschieden, dass die Gutachtensanforderung rechtmäßig war.

Die Ermächtigungsgrundlage für die Gutachtensanforderung bei Verdacht auf Alkoholmissbrauch nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV räumt der Fahrerlaubnisbehörde auf der Rechtsfolgenseite („ordnet … an, dass“) im Unterschied zu § 11 Abs. 2 FeV („kann … anordnen“) keinerlei Ermessen ein, sondern sieht die Anordnung zwingend vor. Auch die Voraussetzungen, unter denen die Fahrerlaubnisbehörde nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen hat, differenzieren nicht in dem vom Kläger gewünschten Sinn zwischen der Art von „Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss“ oder nach dem zeitlichen Abstand zwischen ihrer Begehung. Hätte der Normgeber Ordnungswidrigkeiten ganz oder bis zu einer bestimmten Atem- oder Blutalkoholkonzentration als Gefahrengrenzwert ausnehmen wollen, so hätte er § 13 Satz 2 FeV, wonach Verstöße gegen § 24c StVG nicht als Zuwiderhandlungen nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV zu berücksichtigen sind, um derartige Fälle erweitert (vgl. im Ergebnis ebenso OVG NRW, Beschl. v. 5. November 2014 – 16 B 1128/14 -, juris Rn. 3; Dauer in: Hentschel/König/Ders., Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 13 FeV Rn. 22). Zu Recht hat auch das Verwaltungsgericht bereits darauf hingewiesen, dass der Normgeber ohne weiteres eine Eingrenzung der Zuwiderhandlungen auf Wiederholungstaten innerhalb eines kürzeren Begehungszeitraums hätte vorsehen können, wenn dies seinem Willen entsprochen hätte. Statt dessen geht der Normgeber davon aus, dass sich die Fahreignungsrelevanz eines Verkehrsverstoßes dann, wenn er zu einer registerpflichtigen Ahndung geführt hat, in aller Regel ausschließlich nach den für dieses Register geltenden Tilgungs- und Verwertungsbestimmungen richtet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. Mai 2002 – 3 B 65.11 -, juris Rn. 7; SächsOVG, Beschl. v. 30. April 2019 – 3 B 74/19 -, juris Rn. 9 und v.24. November 2015 – 3 B 280/15 -, juris Rn. 6; BayVGH, Beschl. v. 14. November 2016 – 11 C 16.2116 u. a. -, juris Rn. 15; OVG NRW, Beschl. v. 27. November 2013 – 16 B 1031/13 -, juris Rn. 5; OVG M-V, Beschl. v. 1. September 2014 – 1 M 89/14 -, juris Rn. 13). Ist der anlassgebende Sachverhalt danach – wie hier – noch verwertbar, ist für eine zusätzliche einzelfallbezogene Prüfung, ob die gegebenen Verdachtsmomente unter dem zeitlichen Aspekt noch Anlass für eine weitere Aufklärung bieten, grundsätzlich kein Raum mehr. Die gegenteilige Auffassung des Klägers würde die vom Gesetzgeber selbst festgelegten Fristen unterlaufen, innerhalb derer Wiederholungsgefahren, die alkoholbedingten Verkehrszuwiderhandlungen typischerweise eigen sind, durch Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens begegnet werden muss (OVG NRW, Beschl. v. 27. November 2013 a. a. O.).

Sollte nach dem Vorstehenden überhaupt noch Raum für eine von diesen Grundsätzen abweichende Beurteilung sein, so bildet dafür jedenfalls der vom Kläger hervorgehobene Umstand, dass ihm die Fahrerlaubnis nach der Entziehung infolge der ersten Trunkenheitsfahrt aufgrund eines günstigen medizinisch-psychologischen Gutachtens im Jahr 2008 neu erteilt worden sei, keinen Anhaltspunkt. Wie auch der Kläger nicht verkennt, findet die Annahme, ein positives Gutachten vor Neuerteilung stelle eine Zäsur dar, in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV keine Stütze (vgl. auch BayVGH, Beschl. v. 18. Oktober 2016 – 11 ZB 16.1493 -, juris Rn. 11; Beschl. v. 7. Dezember 2015 – 11 ZB 15.2271 -, juris Rn. 18 und Beschl. v. 22. Juni 2012 – 11 ZB 12.837 -, juris Rn. 15). Ein Gutachten, dessen Prognose sich im Übrigen durch eine neuerliche Tat nicht bestätigt hat, ist kein besonderer Umstand, sondern in allen Fällen, in denen es aufgrund einer ersten Straftat zur Fahrerlaubnisentziehung kam, notwendige Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Wiederholungstat nach Neuerteilung begangen werden kann. Wollte man gerade für diese Fälle statt einer zwingenden Gutachtensanordnung eine besondere Einzelfallprüfung fordern, hätte das die vom Verwaltungsgericht in ähnlicher Weise beschriebene absurde Konsequenz, dass die Anordnung nur bei „leichteren“ wiederholten Trunkenheitsfahrten, die keine Fahrerlaubnisentziehung zur Folge haben, zwingend wäre.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und 1, § 52 Abs. 1 GKG (vgl. Nummer 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit; abgedruckt z. B. in: SächVBl. 2014, Heft 1, Sonderbeilage, sowie Senatsbeschluss vom heutigen Tage – 6 E 68/20 -).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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