Skip to content
Menü

Geschwindigkeitsmessung entgegen der Erlassvorgaben

Geschwindigkeitsmessungen im Rechtsschatten: Erlassvorgaben im Fokus

In einem Verfahren vor dem Amtsgericht Büdingen wurde eine Person aufgrund einer fahrlässigen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h zu einer Geldbuße von 180 Euro verurteilt. Die Geschwindigkeitsmessung, die zu dieser Verurteilung führte, wurde mit einem digitalen Messgerät durchgeführt, dessen Einsatz, Eichung und Handhabung vom Gericht als ordnungsgemäß angesehen wurden. Trotz Einwänden bezüglich des Messverfahrens und der technischen Details des Gerätes bestätigte das Gericht die Zuverlässigkeit der Messung und wies die Argumentation der Verteidigung zurück.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 60 OWi 902 Js-OWi 29931/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Eine Person wurde wegen zu schnellen Fahrens innerhalb einer Ortschaft zu einer Geldstrafe verurteilt.
  2. Die Geschwindigkeit wurde mit einem PoliScan FM1-Gerät gemessen, das ordnungsgemäß geeicht war.
  3. Der Messbereich endete 94 m vor der Ortstafel, was als geringfügige Abweichung von der Regel angesehen wurde.
  4. Die ordnungsgemäße Schulung des Messpersonals und die Integrität der Messung wurden vom Gericht bestätigt.
  5. Technische Einwände gegen das Messverfahren wurden vom Gericht nicht anerkannt.
  6. Das Gericht sah keinen Grund für eine weitere Beweisaufnahme zur Messung.
  7. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen wurden bei der Festlegung der Geldbuße nicht berücksichtigt.
  8. Die Kosten des Verfahrens sowie die Auslagen müssen von der Betroffenen getragen werden.

Geschwindigkeitsmessungen im Fokus – Wenn Richtlinien nicht befolgt werden

Die Überprüfung der Geschwindigkeit im Straßenverkehr ist ein wichtiges Mittel zur Sicherheit und Unfallvermeidung. Doch was passiert, wenn die Geschwindigkeitsmessungen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden, etwa bei Nichtbeachtung von Erlassvorgaben? In solchen Fällen kann es zu rechtlichen Konsequenzen für Betroffene und sogar zur Unverwertbarkeit von Messungen kommen. Umstritten sind dabei Fragen der technischen Ausstattung von Messgeräten, der Ausbildung des Messpersonals sowie der korrekten Durchführung der Messungen. Ein genauer Blick auf die Einhaltung der geltenden Vorschriften und Routinen ist also unerlässlich, um die Rechtmäßigkeit von Geschwindigkeitsüberschreitungen zu klären.

Detailanalyse einer Geschwindigkeitsmessung und deren Folgen

In Büdingen wurde eine Person wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h über dem Limit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft zu einer Geldstrafe von 180 Euro verurteilt. Die Messung erfolgte durch ein PoliScan FM1-Gerät, welches von einem geschulten Ordnungspolizeibeamten bedient wurde. Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die Praxis der Geschwindigkeitsüberwachung und die rechtlichen Rahmenbedingungen, die bei solchen Messungen zu beachten sind.

Die Rolle der Eichung und Schulung im Messprozess

Die Gültigkeit der Messung stand im Mittelpunkt der gerichtlichen Überprüfung. Das Gerät wurde laut Protokoll ordnungsgemäß geeicht, und die Eichfrist war zum Zeitpunkt der Messung noch nicht abgelaufen. Der verantwortliche Beamte hatte zudem die vorgeschriebenen Schulungen absolviert, um das Messgerät korrekt zu bedienen. Diese Faktoren trugen maßgeblich dazu bei, dass das Gericht die Messung als verlässlich und die daraus resultierende Geschwindigkeitsüberschreitung als erwiesen ansah.

Technische und rechtliche Aspekte der Messung

Ein wichtiger Punkt in der Auseinandersetzung war die ordnungsgemäße Platzierung des Messgeräts sowie die Einhaltung der vorgeschriebenen Prozeduren bei der Messung. Die Verteidigung hinterfragte die Genauigkeit der Messung, insbesondere die Einhaltung der eichrechtlichen Vorgaben und die korrekte Anwendung des Messverfahrens. Das Gericht wies jedoch alle Einwände zurück, da sowohl die Eichung des Geräts als auch die Qualifikation des Messpersonals den gesetzlichen Anforderungen entsprachen.

Rechtliche Bewertung und Urteilsbegründung

Die rechtliche Würdigung des Falls durch das Gericht basierte auf der Feststellung, dass die Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit fahrlässig überschritten hatte. Dies führte zur Verurteilung und zur Auferlegung der Geldbuße. Das Gericht betonte dabei, dass die geringfügige Unterschreitung des Mindestabstands zur Ortstafel, in diesem Fall 94 statt 100 Meter, keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Messung oder die Schwere des Verstoßes hatte.

In diesem Fall zeigt sich, wie die Kombination aus technischer Präzision, rechtlicher Klarheit und der Qualifikation des Personals zur Durchsetzung von Verkehrsregeln beiträgt. Die Entscheidung des Gerichts bestätigt die Wichtigkeit einer genauen Einhaltung der Vorschriften bei Geschwindigkeitsmessungen und unterstreicht die Verantwortung der Fahrzeugführer, die Verkehrssicherheit durch Beachtung der Geschwindigkeitslimits zu gewährleisten.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  1. § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 StVO – Regelt die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten auf deutschen Straßen und die entsprechende Beschilderung. Im Urteil relevant für die Feststellung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit am Tatort.
  2. § 49 StVO – Beschreibt die Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, die bei Verstößen gegen die StVO, wie Geschwindigkeitsübertretungen, geahndet werden können. Grundlage für die Ahndung der Geschwindigkeitsüberschreitung.
  3. § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG – Definiert allgemein die Verantwortlichkeit für Verkehrsordnungswidrigkeiten und die Möglichkeit der Ahndung mit Geldbußen. Spezifiziert im Urteil die rechtliche Grundlage für die Verurteilung wegen der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung.
  4. Nr. 11.3.5 BKat – Bezieht sich auf den Bußgeldkatalog, der die Regelsätze für Geldbußen bei bestimmten Verkehrsordnungswidrigkeiten festlegt, hier speziell für Geschwindigkeitsüberschreitungen innerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h.
  5. § 37 Abs. 4 Mess- und Eichgesetz – Stellt sicher, dass Messgeräte, die im öffentlichen Verkehr eingesetzt werden, geeicht und somit ihre Messergebnisse als zuverlässig betrachtet werden können. Im Urteil relevant für die Gültigkeit der Geschwindigkeitsmessung.
  6. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO – Regelungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln in Ordnungswidrigkeitenverfahren bzw. Strafprozessen. Im Urteil herangezogen zur Bestätigung der Identität der Betroffenen und der Zulässigkeit der Geschwindigkeitsmessung als Beweismittel.


Das vorliegende Urteil

AG Büdingen – Az.: 60 OWi 902 Js-OWi 29931/22 (29931/22) – Urteil vom 27.02.2023

Die Betroffene wird wegen fahrlässiger Höchstgeschwindigkeitsüberschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h zu einer Geldbuße i.H.v. 180 € verurteilt.

Die Betroffene hat die Kosten des Verfahrens und ihre Auslagen zu tragen.

Angewandte Vorschriften: § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; Nr. 11.3.5 BKat

Gründe

I.

Die 59 Jahre alte Betroffene ist deutsche Staatsangehörige und in … wohnhaft. Das Fahreignungsregister enthält über die Betroffene keine Eintragungen.

II.

Am 15.03.2022 nahm der Zeuge …, der Ordnungspolizeibeamter bei dem Ordnungsbehördenbezirk … ist, für die Gemeinde … Geschwindigkeitsmessungen vor. Gemessen wurden an diesem Tag mit dem digitalen Geschwindigkeitsmessgerät Polyscan FM 1 im Zeitraum von 11:50 Uhr bis 17:00 Uhr die in Fahrtrichtung … fahrenden Fahrzeuge. Die Messstelle befand sich in … in der …, in Höhe der Hausnummer …. Der Messbereich endete 94 m vor der Ortstafel (Zeichen 311 StVO).

Der Zeuge … führte die Messungen mit dem Messgerät PoliScan FM1 durch. Das Messgerät wurde am 14.01.2022 durch die Hessische Eichdirektion geeicht. Dabei wurde festgestellt, dass das Messgerät den Anforderungen des § 37 Abs. 4 des Mess- und Eichgesetzes entspricht. Die Eichfrist endet am 31.12.2023. Der Zeuge … wurde für dieses Messverfahren am 16.04.2019 und erneut vom 11.02.2021 bis 12.02.2021 geschult. Gegenstand der Schulung waren Vorstellung der Gerätekomponenten, Aufbau und Funktion des Messgerätes, Auswahl und Anforderung von Messplätzen, Einrichten und Messen, mobile Verwendung, Eichung, Auswertung der Falldaten mit POLISCAN Tuff-Viewer, schriftliche und praktische Erfolgskontrolle.

Seit Beginn der Eichfrist sind an dem Messgerät keine Reparaturen oder Wartungen vorgenommen worden. Der Zeuge … stellte vor Beginn der Messung sicher, dass die gerätespezifischen eichrechtlichen Sicherungs- und Eichkennzeichen vollständig, aktuell und unbeschädigt waren. Auch kontrollierte er, dass das Messgerät äußerlich unbeschädigt war. Weiterhin überprüfte er vor und nach der Messung das Verkehrszeichen (310 StVO). Der Zeuge nahm das Gerät als Fahrzeugeinbau in Betrieb. Die Aufbauhöhe betrug zwischen 0,5 und 1,8 m. Der seitliche Abstand wurde manuell bestimmt. Die Schenkelwinkelbestimmung erfolgte automatisch.

Als die Betroffene diese Messstelle am 15.03.2022 um 13:27 Uhr passierte, wurde die Geschwindigkeit ihres Fahrzeuges mit 80 km/h gemessen. Nach Abzug einer Toleranz i.H.v. 3 km/h betrug die von der Betroffenen gefahrene Geschwindigkeit 77 km/h, so dass sich eine Geschwindigkeitsüberschreitung i.H.v. 27 km/h ergab.

Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte die Betroffene erkennen können, dass sie sich innerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 310 StVO) befand und die Geschwindigkeit auf maximal 50 km/h drosseln können.

III.

Die Angaben zur Person beruhen auf den Angaben des Verteidigers. Da die Betroffene an der Hauptverhandlung nicht teilnahm und dem Verteidiger keine weiteren Informationen vorlagen, konnten keine weitere Feststellung getroffen werden. Weitere Feststellung waren allerdings im Hinblick auf den Tatvorwurf auch nicht erforderlich.

Die Feststellungen im Übrigen beruhen auf den in der Hauptverhandlung verwerteten Beweismitteln, die sich aus dem Protokoll ergeben

Dass die Betroffenen das Fahrzeug steuerte, hat diese über ihren Verteidiger eingeräumt. Darüber hinaus hat die Betroffene keine Angaben gemacht.

Daran, dass die Betroffene das Fahrzeug zur Tatzeit steuerte, bestehen auch keine Zweifel. Ein Abgleich der Messbilder Bl. 6 und 7 der Akte mit dem Personalausweisfoto der Betroffenen, dass auf Bl. 41 Rückseite der Akte zu sehen ist, bestätigt dies. Auf diese Bilder wird gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen und sie werden zum Gegenstand des Urteils gemacht.

Nach der Beweisaufnahme bestehen auch keine Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung. Das Messgerät PoliScan FM1 ist als standardisiertes Messverfahren anerkannt (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.01.2022 – 1 OWi 2 SsBs 109/21 -, Rn. 7). Der gemessene Wert von 80 km/h konnte aus dem Messbild Bl. 6 unten einwandfrei abgelesen werden.

Die ordnungsgemäße Eichung des Messgerätes ergibt sich aus dem Eichschein, Bl. 9 der Akte. Darüber hinaus lagen auch die Konformitätserklärung (Bl. 9 Rückseite der Akte ) sowie die Konformitätsbescheinigung (Bl. 10 der Akte) vor, wenngleich es auf diese, aufgrund der wirksamen Eichung, nicht ankommt. Denn der Umstand, dass das Messgerät geeicht war, impliziert, dass der Eichbehörde die Konformitätsbescheinigung und die Konformitätserklärung vorgelegen haben und das Messgerät ordnungsgemäß in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.01.2021 – 2 RBs 1/21 -, BeckRS 2021, 476 Rn 11 ff.).

Die oben festgestellte und hinreichende Schulung des Zeugen …, ergibt sich aus den Zertifikaten, Bl. 13, 13 Rückseite, 14,14 Rückseite, 15,15 Rückseite, 16 der Akte. Daraus ist ersichtlich, dass der Betroffene nicht nur für das verwendete Messgerät sondern darüber hinaus auch zum Thema WLAN und Netzwerkanbindung sowie zu „Polyscan Office Pro“ geschult worden ist.

Der Zeuge … hat in seiner Vernehmung glaubhaft bekundet, dass er die Messung entsprechend der Gebrauchsanweisung durchgeführt hat und dass die Angaben im Messprotokoll (Bl.12, 12 Rückseite der Akte) zutreffend sind. Auch hat er bestätigt, dass er umfangreich für das Messgerät geschult worden ist, zuletzt im Jahr 2021. Insbesondere hat er auch bekundet, dass keine Reparaturen seit der letzten Eichung vorgenommen worden sind.

Er habe aus dem VW … herausgemessen. Zur Verdeutlichung der Messstelle hat der Zeuge in der Hauptverhandlung einen Kartenausdruck (Anl. 1 zum Protokoll), auf dem er mit einem Kreuz die Messstelle markiert hat sowie eine Übersichtsaufnahme (Anl. 2 zum Protokoll) und darüber hinaus Bilder von dem VW … am Messtag an der Messstelle (Anl. 3 und 4 zum Protokoll) zur Akte gereicht, die in Augenschein genommen wurden sind. Darüber hinaus hat der Zeuge eine Skizze von der Messstelle am Tattag vorgelegt (Anl. 4 zum Protokoll), die auch in Augenschein genommen worden ist. Schließlich hat der Zeuge noch bekundet, auch das Messgerät mit den eichrechtlichen Sicherungs- und Eichkennzeichen am Tattag fotografiert zu haben, wobei er die Fotografien ebenfalls zur Akte gereicht hat (Anl. 5 und Anl. 6 zum Protokoll). Die plausible Aussage des Zeugen wird durch diese Lichtbilder und Skizzen bestätigt.

Auch erläuterte der Zeuge, dass entlang der Straße, an der gemessen wurde, Schulkinder laufen. Dort gehe der offizielle Schulweg entlang. Diesen, grün markierten, Weg hat er auf der Übersichtskarte (Anl. 1 zum Protokoll), aufgezeigt. Weiterhin hat er anhand dieser Übersichtskarte erläutert, wo sich Bushaltestelle, Schule etc. befinden. Weiter hat der Zeuge bekundet, dass die Aufbauhöhe des Gerätes etwa 1,35 gewesen sei. Er habe zum ersten Mal aus dem … dort gemessen. Es habe keinerlei Probleme oder Auffälligkeiten gegeben, ansonsten hätte er die ganze Messreihe verworfen.

Deshalb ist von einer standardisierten, ordnungsgemäßen Messung auszugehen.

Zweifel an der Messung oder die Erforderlichkeit für eine weitere Beweisaufnahme hinsichtlich der Messung ergeben sich auch nicht aus der vom Verteidiger vorgelegten privatgutachterlichen Stellungnahme vom 07.11.2022.

Dies gilt zunächst, soweit der Privatsachverständige grundsätzliche, allgemeine Bedenken hinsichtlich des Messverfahrens hat, weil in Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung von einem verwertbaren standardisierten Messverfahren auszugehen ist (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13.01.2022 – 1 OWi 2 SsBs 109/21 -, Rn. 7). Dass die Stellungnahme erst in der Hauptverhandlung und erst nach der Entlassung des Zeugen vorgelegt worden ist, verwundert allerdings. Sofern darin gerügt wird, das falsche Token (zur Signaturprüfung) übersandt worden seien, hätte dies früher geltend gemacht werden können und müssen. Das Gericht hatte hierauf keinen Einfluss und sieht keine Veranlassung, das Verfahren durch Einholung weiterer (nicht notwendigen) Informationen zu verzögern. Die verwerteten Beweismittel sind ausreichend und belegen eine ordnungsgemäße Messung.

Fehlende Reparatur- oder Wartungsnachweise sind ebenfalls unerheblich. Aus den Feststellungen im Messprotokoll sowie der Zeugenaussage ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass seit der letzten Eichung keine Reparaturen oder Wartungen stattgefunden haben. Das Führen einer Lebensakte ist nicht zwingend.

Ein Beschilderungsplan ist überflüssig. Wie sich aufgrund der Beweisaufnahme, insbesondere der Zeugenvernehmung sowie der Inaugenscheinnahme der Lichtbilder gezeigt hat, befindet sich die Messstelle innerhalb geschlossener Ortschaften (weit hinter dem Zeichen 310 StVO und) 94 m vor dem Zeichen 311 StVO. Sofern gerügt wird, dass im Messprotokoll die Aufstellhöhe des Messgerätes nicht angegeben sei, ist dies ebenfalls unbeachtlich. Die Feststellungen im Messprotokoll, wonach die Aufbauhöhe zwischen 0,5 m 1,8 m lag, ist ausreichend. Es handelt sich um ein Musterprotokoll, das nicht zu beanstanden ist. Darüber hinaus hat der Zeuge in der Hauptverhandlung plausibel bekundet, dass die Aufbauhöhe etwa 1,35 m betrug. Dies ist auch plausibel, da aus dem VW … heraus gemessen worden ist.

Die Rüge unter 4.3.9 der privatgutachterlichen Stellungnahme, dass im System nicht eingetragen sei, dass die Messung als Linksmessung durchgeführt worden sei, ist ebenfalls unbeachtlich. Denn wie der Privatsachverständige ebenfalls festgestellt hat, ergibt sich bereits aus dem Messfoto, dass es sich um eine so genannte Linksmessung handelt. Aus dem bloßen Fehlen dieser Angabe im Messsystem erfolgen keine Zweifel hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Messung.

Sofern es unter 4.3.10 der privatgutachterlichen Stellungnahme heißt, dass zur Verfahrensweise beim Einrichten das Messpersonal zu befragen sei, hätte und hat der Verteidiger ausreichend Gelegenheit in der Hauptverhandlung gehabt. Anhaltspunkte für eine unsachgemäße Messung haben sich aber nicht gezeigt.

Entgegen der Auffassung des Privatsachverständigen bestehen auch keine Zweifel hinsichtlich der Integrität und Authentizität der Falldatei. Regelmäßig genügt der in der Akte befindliche Ausdruck, so wie er hier auf Bl. 6 vorhanden ist. Der Verteidiger bzw. der Sachverständige hätten auch hinreichend Gelegenheit gehabt, die signierte Falldatei in Augenschein zu nehmen. Sofern erstmals in der Hauptverhandlung gerügt worden ist, dass die Signaturprüfung wegen des veralteten Tokens fehlgeschlagen sei, ist daran zu erinnern, dass die Verwaltungsbehörde bei früherer Nachfrage (oder ggfs. nach Antrag auf gerichtliche Entscheidung) die signierte Falldatei mit aktuellen Token zugänglich gemacht hätte. Sofern der Privatsachverständige ausführt, dass für Messgeräte andere Hersteller gravierende Lücken im Signierungsverfahren demonstriert werden konnten, ist auch dies ohne Relevanz. Eine konkrete Sicherheitslücke bei dem hier in Einsatz gekommenen Messverfahren wurde nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich.

Auch soweit der Sachverständige ausgeführt hat, dass die Auswertung der XML-Daten ergebe, dass ein verspäteter Erfassungsbeginn bei 43,55 m statt der typischen 60-70 m und somit ein verkürzter Erfassungsbereich vorliege, was erfahrungsgemäß auf Hindernisse im Erfassungsbereich zurückzuführen sei, führt dies zu keinen Zweifeln hinsichtlich der konkreten Messung. So hat der Privatsachverständige in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt, dass im Messfoto keine Hindernisse zu erkennen seien. Dies wird auch aus den in Augenschein genommenen weiteren Bildern und Übersichtsaufnahmen bestätigt. Darüber hinaus hat der Sachverständige selbst den Inhalt der Gebrauchsanweisung (7.1.1) diesbezüglich in seiner Stellungnahme wie folgt zitiert: „Hindernisse im Messbereich können zu Unterbrechung oder erhöhte Anzahl von annullierten Messungen führen. Hindernisse im Erfassungsbereich das Messgerät sind daher zu vermeiden.“ Aus der Vernehmung des Zeugen hat sich jedoch ergeben, dass es an diesem Tag gerade keine Unterbrechung oder erhöhte Anzahl von Annullierung gegeben hat.

Schließlich ist auch die Tatsache, dass dem Privatsachverständigen bzw. dem Verteidiger nicht die gesamte Messreihe des Tattages zur Verfügung gestellt worden ist, ohne Relevanz. Aufgrund der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine Fehlmessung oder für weitere Beweiserhebungen. Auch wird der Grundsatz des fairen Verfahrens nicht tangiert. Der Verteidiger hätte, da die privatgutachterliche Stellungnahme vom 07.11.2022 datiert, ohne weiteres Einsicht in die Messreihe beantragen und gegebenenfalls Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen können.

Die Ansicht des Verteidigers, dass die Messung nicht verwertbar sei, da das Messerverfahren keine hinreichenden Rohmessdaten speichert, folgt das Gericht, in Anlehnung an die herrschende obergerichtliche Rechtsprechung hierzu, nicht, weshalb diese Beanstandung in der Hauptverhandlung durch Beschluss gemäß § 238 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG zurückgewiesen wurde. Die oft herangezogene Entscheidung Lv 7/17 des Saarländischen Verfassungsgerichtshofs vom 05.07.2919 (NZV 2019, 414 ff.) betrifft die Verwertbarkeit von Geschwindigkeitsmessgeräten, die überhaupt keine Rohmessdaten speichern und dem Betroffenen also keine Möglichkeit geben, die Plausibilität des Messergebnisses nachträglich zu überprüfen. Dies ist auf Messungen mit dem Geschwindigkeitsmessgerät Poliscan Speed der Firma … nicht zu übertragen (OLG Koblenz, Beschluss vom 09.07.2020 – 3 OWi 6 SsRs 189/20 -, BeckRS 2020, 20132 Rn. 9).

Im Ergebnis steht deshalb die Ordnungsgemäßheit der Messung fest. Eine weitere Beweiserhebung, die im Übrigen auch nicht beantragt worden ist, war deshalb nicht geboten.

Die Betroffene hätte auch ohne weiteres erkennen können, dass sie sich noch innerhalb der geschlossenen Ortschaft befindet und die gefahrene Geschwindigkeit auch entsprechend auf unter 50 km/h beschränken können. Zwar befand sich der Messbereich lediglich 94 m vor dem Zeichen 311 StVO (Ortstafel). Jedoch befanden sich auf der rechten Fahrbahnseite noch Häuser, so dass es sich für die Betroffene aufdrängte, dass sie sich noch innerhalb der geschlossenen Ortschaft befindet.

IV.

Nach den getroffenen Feststellungen hat sich die Betroffene wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h gemäß § 41 Abs. 1 i.V.m. Anl. 2, § 49 StVO; § 24 StVG; 11.3.5 BKat schuldig gemacht.

Der Verstoß ist der Betroffenen auch vorwerfbar. Sie handelte hierbei fahrlässig. Bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte sie Die Beschilderung (Zeichen 310 StVO) wahrnehmen und ihre Geschwindigkeit auf die innerhalb geschlossener Ortschaften zulässige maximale Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h einrichten können.

Das sich der Messbereich nicht wie im einschlägigen Erlass in der Regel vorgesehen, mindestens 100 m vor der Ortstafel, sondern 94 m davor befand, ändert hieran nichts. Zum einen handelt es sich nur um eine ganz geringfügige Unterschreitung und zum anderen liegt eine nicht unerhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vor, so dass auszuschließen ist, dass die festgestellte Höchstgeschwindigkeitsüberschreitung maßgeblich hierauf beruht. Im Übrigen heißt es unter 4.1 im einschlägigen Erlass vom 05.02.2015 wie folgt:

„Messstellen sollen in der Regel so eingerichtet werden, dass Beginn beziehungsweise Ende des gerätespezifischen Messbereichs mindestens 100 Meter vom Beginn beziehungsweise Ende einer vorhandenen Geschwindigkeitsbeschränkung oder vorhandenen Ortstafeln (Zeichen 310 beziehungsweise 311 StVO) entfernt sind. Diese Entfernung kann aus besonderem Grund (zum Beispiel Unfallhäufungspunkt, besonders schutzwürdige Örtlichkeiten, vorhandene vorgelagerte Geschwindigkeitstrichter) unterschritten werden.“

Insbesondere da der Schulweg parallel zur Straße in Höhe der Messstelle führt, ist die Unterschreitung der 100 m vorliegend nicht zu beanstanden, zumal es sich nur um eine ganz geringfügige Unterschreitung handelt. Weil Schulkinder erfahrungsgemäß nicht immer auf den vorbeifahrenden Autoverkehr achten und sich auch mal gegenseitig auf die Straße schubsen, ist es besonders wichtig, dass auch im Bereich der Messstelle die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten und auch kontrolliert wird. Dass sich in unmittelbarer Nähe zur Messstelle keine Schule oder Ähnliches befindet, ist insofern unbeachtlich. Denn auch der Weg dorthin ist im vorliegenden Fall besonders schutzwürdig.

Sie hat die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt, zu der sie nach den Umständen und ihren persönlichen Fähigkeiten als Inhaberin einer Fahrerlaubnis verpflichtet und in der Lage war, außer Acht gelassen.

Für ein vorsätzliches Handeln der Betroffenen liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor.

V.

Gemäß § 24 Abs. 2 StVG i. V. m. § 17 OWiG kann die von der Betroffenen begangene fahrlässige Verkehrsordnungswidrigkeit im Höchstmaß mit einer Geldbuße bis zu 1.000 Euro geahndet werden. Zur Ahndung der Tat und zur Einwirkung auf die Betroffene hat das Gericht eine Geldbuße in Höhe von 180 € für tat- und schuldangemessen erachtet.

Gemäß Ziffer 11.3.5 des zur Tatzeit gültigen Bußgeldkataloges, Tabelle 1 Buchstabe c) des Anhangs ist in Fällen, in denen die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft um 27 km/h überschritten wird, regelmäßig eine Geldbuße in Höhe von 180 Euro zu verhängen. Faktoren, die zu einer Erhöhung oder Verringerung der Geldbuße führen, sind nicht ersichtlich. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sind bei einer Geldbuße in dieser Höhe ohne Belang. Deshalb war es angemessen, diese Regelbuße zu verhängen.

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 465 Abs. 1 StPO. Da der Betroffene verurteilt worden ist, hat er die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen zu tragen.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Haben Sie einen Bußgeldbescheid erhalten?

Mit unserer Hilfe teure Bußgelder und Fahrverbote vermeiden!

Wir überprüfen Ihren Bußgeldbescheid kostenlos und unverbindlich auf Fehler und die Möglichkeit eines Einspruchs.
Blitzer Bußgeld prüfen

Rechtstipps aus dem Verkehrsrecht

Urteile über Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!