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Fahrtenbuchauflage – Unverhältnismäßigkeit nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums

Fahrtenbuchauflage nach langer Verzögerung für rechtswidrig erklärt

Im Urteil des VG Freiburg (Breisgau) mit dem Aktenzeichen 4 K 1025/15 vom 10. Juni 2015 geht es um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen eine Fahrtenbuchauflage, die nach einem Verkehrsverstoß angeordnet wurde. Das Gericht hat entschieden, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrtenbuchauflage hinter dem privaten Interesse der Antragstellerin zurücksteht, da sich die Anordnung aufgrund des erheblichen Zeitablaufs zwischen Verstoß und Bescheid als wahrscheinlich rechtswidrig darstellt. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, und der Streitwert wird auf 7.200 EUR festgesetzt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 K 1025/15 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Fahrtenbuchauflage.
  2. Die Fahrtenbuchauflage wird als wahrscheinlich rechtswidrig betrachtet.
  3. Entscheidender Faktor für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit ist der lange Zeitraum zwischen Verkehrsverstoß und Anordnung der Fahrtenbuchauflage.
  4. Die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage kann nach einem erheblichen Zeitraum als unverhältnismäßig angesehen werden.
  5. Spezialpräventiver Zweck der Fahrtenbuchauflage: Erhöhung der Verkehrsdisziplin und Ermöglichung der Fahreridentifizierung bei Verstößen.
  6. Übersteigung der Zeitspanne von 21 Monaten nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens als unverhältnismäßig betrachtet.
  7. Trotz zehn Geschwindigkeitsverstößen in 2014 keine Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Fahrzeugführers.
  8. Die personelle Unterbesetzung des zuständigen Fachbereichs rechtfertigt nicht die Verhältnismäßigkeit der Fahrtenbuchauflage.

Die Fahrtenbuchauflage ist ein Instrument zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit. Sie dient dazu, die Identifizierung des Fahrzeugführers bei Verkehrsverstößen zu ermöglichen. Insbesondere bei Firmenfahrzeugen mit wechselnden Fahrern kann so die Ermittlung der verantwortlichen Person erleichtert werden.

Allerdings unterliegt die Anordnung einer solchen Auflage dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es muss ein angemessenes Verhältnis zwischen dem angestrebten Zweck und den Belastungen für den Betroffenen gewahrt bleiben. Daher kann eine Fahrtenbuchauflage nach einem erheblichen Zeitablauf als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig angesehen werden.

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Zeitlicher Abstand zur Tat bringt Fahrtenbuchauflage zu Fall

In einem aufsehenerregenden Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg (Az.: 4 K 1025/15) vom 10. Juni 2015 wurde die Fahrtenbuchauflage für ein Fahrzeug nach einem erheblichen Zeitablauf zwischen dem Verkehrsverstoß und der Anordnung als unverhältnismäßig bewertet. Die Antragstellerin legte gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21. April 2015 Widerspruch ein, woraufhin das Gericht entschied, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen und die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen. Der Streitwert wurde auf 7.200 EUR festgesetzt.

Rechtsgrundlage und Entscheidungsfindung im Detail

Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der zulässigen und begründeten Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO. Im Kern der Auseinandersetzung stand die im Bescheid geforderte Fahrtenbuchauflage, welche bei einer vorläufigen Prüfung der Sach- und Rechtslage als wahrscheinlich rechtswidrig eingestuft wurde. Ein zentraler Aspekt der Urteilsfindung war der lange Zeitraum zwischen dem ursprünglichen Verkehrsverstoß am 2. April 2013 und der Anordnung der Fahrtenbuchauflage am 21. April 2015. Dieser Zeitraum überstieg die bisher in der Rechtsprechung als noch verhältnismäßig erachteten Zeiträume deutlich.

Die spezialpräventive Intention der Fahrtenbuchauflage

Die Fahrtenbuchauflage verfolgt primär einen spezialpräventiven Zweck, indem sie die Verkehrsdisziplin der Fahrzeugführer durch die Möglichkeit der Identifizierung bei Verkehrsverstößen erhöhen soll. Dieser Zweck bedingt, dass die Auflage in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Verkehrsverstoß stehen muss. Im vorliegenden Fall wurde jedoch festgestellt, dass eine effektive Verkehrsdisziplinierung nach mehr als zwei Jahren nicht mehr gewährleistet und die Maßnahme somit unverhältnismäßig sei.

Verfahrensverzögerungen und ihre Auswirkungen

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis des Gerichts auf Verzögerungen im Verfahren, die durch personelle Unterbesetzungen im zuständigen Fachbereich entstanden sein könnten. Das Gericht stellte klar, dass solche internen Verzögerungen nicht zu Lasten der Betroffenen gehen dürfen und nicht die Rechtmäßigkeit einer sonst rechtswidrigen Maßnahme begründen können.

In Summe bestätigt das Urteil die Notwendigkeit einer abgewogenen und verhältnismäßigen Anwendung der Fahrtenbuchauflage. Es verdeutlicht, dass die spezialpräventiven Ziele dieser Maßnahme innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens nach dem Verkehrsverstoß realisiert werden müssen, um ihre Rechtmäßigkeit zu wahren.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Unter welchen Umständen kann eine Fahrtenbuchauflage als unverhältnismäßig bewertet werden?

Eine Fahrtenbuchauflage kann als unverhältnismäßig bewertet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt sind oder besondere Umstände vorliegen. Hier sind einige Beispiele, unter denen eine Fahrtenbuchauflage als unverhältnismäßig angesehen werden könnte:

  • Kein nachweisbarer Verstoß: Wenn kein (nachweisbarer) Verstoß gegen das Verkehrsrecht vorliegt, kann eine Fahrtenbuchauflage unverhältnismäßig sein.
  • Bagatellverstöße: Liegt lediglich ein Verkehrsrechtsverstoß im ruhenden Verkehr oder eine nur unwesentliche Übertretung vor, kann dies als Bagatellfall angesehen werden, bei dem eine Fahrtenbuchauflage unverhältnismäßig wäre.
  • Unverhältnismäßige Dauer: Die Dauer der Pflicht zum Führen eines Fahrtenbuchs ist zeitlich begrenzt und sollte nicht unbestimmt oder unverhältnismäßig lang sein. Gewöhnlich darf die Auflage nicht länger als ein Jahr bestehen.
  • Zeitlicher Abstand zum Verstoß: Wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und der Anordnung der Fahrtenbuchauflage ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist, kann dies die Maßnahme als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Dabei sind die Dauer der notwendigen Ermittlungen, die Geschäftsbelastung der Behörde und das Verhalten des Fahrzeughalters zu berücksichtigen.
  • Fehlende Mitwirkungsbereitschaft: Wenn der Fahrzeughalter nachweislich an der Aufklärung eines Verkehrsverstoßes mitgewirkt hat, kann die Ausweitung der Fahrtenbuchauflage auf den gesamten Fuhrpark als unverhältnismäßig betrachtet werden.
  • Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Täterfeststellung: Eine Fahrtenbuchauflage kommt nur dann in Betracht, wenn die Täterfeststellung nach einem Verkehrsverstoß unmöglich oder unzumutbar ist.
  • Veräußerung des Fahrzeugs: Die Fahrtenbuchauflage erlischt, sobald das entsprechende Fahrzeug veräußert wird, es sei denn, die Behörde bezieht mögliche Ersatzfahrzeuge in die Anordnung mit ein.
  • Erst- oder Wiederholungstäter: Bei der Begründung einer Fahrtenbuchauflage muss auch berücksichtigt werden, ob es sich um einen Erst- oder Wiederholungstäter handelt.
  • Schwerwiegende Verkehrsverstöße: Schwerwiegende Verkehrsverstöße können eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigen, während dies bei weniger schweren Verstößen nicht der Fall sein könnte.

Wenn eine dieser Bedingungen zutrifft, kann ein Einspruch gegen die Fahrtenbuchauflage mit den üblichen verwaltungsrechtlichen Rechtsmitteln wie Widerspruch oder Anfechtungsklage erfolgversprechend sein.

Wie wird der Zeitraum zwischen Verkehrsverstoß und Fahrtenbuchauflage bewertet?

Der Zeitraum zwischen einem Verkehrsverstoß und der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage ist für die Rechtmäßigkeit der Auflage von Bedeutung. Grundsätzlich gilt, dass die Behörden den Fahrzeughalter innerhalb von zwei Wochen nach dem Verkehrsverstoß anhören müssen, damit dieser sich erinnern und gegebenenfalls den Fahrer benennen kann. Diese Frist beginnt mit dem Datum der Absendung des Anhörungsbogens und nicht mit dem Erhalt.

Wird diese Zwei-Wochen-Frist überschritten, kann die Anordnung einer Fahrtenbuchauflage als nicht mehr legitim angesehen werden, da es dem Fahrzeughalter unzumutbar ist, sich nach einem längeren Zeitraum noch an Details zu erinnern. Allerdings gibt es Ausnahmen, bei denen auch nach einer längeren Zeit eine Fahrtenbuchauflage angeordnet werden kann, insbesondere wenn es sich um Firmenfahrzeuge handelt, da von der Betriebsleitung erwartet wird, dass sie auch später noch Auskunft über den Fahrer zum Tatzeitpunkt geben kann.

In der Rechtsprechung wird der verstrichene Zeitraum zwischen Verkehrsverstoß und Fahrtenbuchauflage im Einzelfall bewertet, wobei die Dauer der notwendigen Ermittlungen, die Geschäftsbelastung der Behörden und das Verhalten des Fahrzeughalters zu berücksichtigen sind. Nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens ist der Zeitpunkt der Einstellung maßgeblich für die Berechnung des Zeitraums. Eine Fahrtenbuchauflage kann als unverhältnismäßig angesehen werden, wenn nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums keine Gefahrenabwehr mehr gegeben ist.

Welche Rolle spielt die spezialpräventive Intention bei der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage?

Die spezialpräventive Intention bei der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage bezieht sich auf das Ziel, den Fahrzeughalter dazu zu bewegen, in Zukunft für eine ordnungsgemäße Nutzung des Fahrzeugs zu sorgen und weitere Verkehrsverstöße zu verhindern. Es geht also darum, den Halter zu veranlassen, sein Verhalten zu ändern und sicherzustellen, dass er oder die Fahrer seines Fahrzeugs sich an die Verkehrsregeln halten.

Die Fahrtenbuchauflage dient somit nicht nur der Ermittlung des Fahrers im Falle eines Verkehrsverstoßes, sondern auch der Prävention weiterer Verstöße. Sie soll den Halter dazu anhalten, seine Verantwortung ernst zu nehmen und gegebenenfalls seine Fahrzeugnutzungspraxis zu überdenken und anzupassen. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass der Halter genauer darauf achtet, wem er sein Fahrzeug überlässt, oder dass er Maßnahmen ergreift, um die Einhaltung der Verkehrsregeln durch die Fahrer zu gewährleisten.

Die spezialpräventive Wirkung ist ein wesentlicher Aspekt der Fahrtenbuchauflage und rechtfertigt diese Maßnahme aus Sicht der Verkehrsbehörden, insbesondere wenn es sich um schwerwiegende oder wiederholte Verkehrsverstöße handelt. Die Auflage soll also nicht nur vergangene Verstöße aufklären, sondern auch zukünftige Verstöße verhindern.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 80 Abs. 5 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung): Erlaubt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs. Im Kontext der Fahrtenbuchauflage bedeutet dies, dass die Anordnung vorübergehend nicht umgesetzt werden muss, bis über den Widerspruch entschieden wurde. Diese Regelung ist zentral, da sie die rechtliche Grundlage für das Gericht darstellt, die Vollziehung des angeordneten Fahrtenbuchs auszusetzen.
  • Rechtsprechung zu Fahrtenbuchauflagen: Verweist auf Entscheidungen, die den zeitlichen Abstand zwischen Verkehrsverstoß und der Anordnung einer Fahrtenbuchauflage als Kriterium für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit heranziehen. Hier wird der spezielle Präventionszweck der Fahrtenbuchauflage betont, der eine zeitnahe Anordnung voraussetzt, um wirksam die Verkehrsdisziplin des Fahrzeugführers zu beeinflussen.
  • Verhältnismäßigkeitsprinzip: Ein fundamentales Prinzip des deutschen Rechts, das besagt, dass die Schwere einer Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen muss. Im Fall der Fahrtenbuchauflage nach einem erheblichen Zeitraum seit dem Verkehrsverstoß wird die Maßnahme als unverhältnismäßig angesehen, da der spezialpräventive Zweck nicht mehr gegeben ist.
  • §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG (Gerichtskostengesetz): Grundlage für die Kostenentscheidung und die Streitwertfestsetzung im gerichtlichen Verfahren. Die Regelungen sind relevant für die Bestimmung der finanziellen Verantwortung und des wirtschaftlichen Interesses im Rahmen eines Rechtsstreits über Fahrtenbuchauflagen.
  • Rechtsgrundsatz der spezialpräventiven Wirkung von Fahrtenbuchauflagen: Zielt darauf ab, die Verkehrsdisziplin des Fahrzeugführers durch die Androhung, bei Verkehrsverstößen identifiziert und zur Verantwortung gezogen zu werden, zu verbessern. Dieser Grundsatz unterstreicht die Notwendigkeit, dass Fahrtenbuchauflagen zeitnah zum Verkehrsverstoß angeordnet werden, um ihre präventive Wirkung zu entfalten.
  • Ordnungswidrigkeitenrecht: Rahmen, innerhalb dessen Verkehrsverstöße geahndet werden und Fahrtenbuchauflagen als Sanktionen verhängt werden können. Im Kontext des analysierten Textes spielt das Ordnungswidrigkeitenrecht eine zentrale Rolle, da es die rechtliche Grundlage für die Auferlegung der Fahrtenbuchauflage darstellt, deren Verhältnismäßigkeit nach einem erheblichen Zeitablauf in Frage gestellt wird.


Das vorliegende Urteil

VG Freiburg (Breisgau) – Az.: 4 K 1025/15 – Beschluss vom 10.06.2015

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.04.2015 wird wiederhergestellt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 7.200 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 VwGO zulässig und begründet. Das private Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres (am 07.05.2015 erhobenen) Widerspruchs gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 21.04.2015 unter II. verfügte Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs (Fahrtenbuchauflage) überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung. Dies ergibt sich daraus, dass sich die angegriffene Verfügung der Antragsgegnerin bei der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sehr wahrscheinlich als rechtswidrig erweist.

Das folgt hier bereits aus dem langen Zeitraum, der seit dem Verkehrsverstoß, der Anlass für die Fahrtenbuchauflage ist, bzw. seit der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens wegen dieses Verkehrsverstoßes vergangen ist. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass für die Rechtmäßigkeit einer Fahrtenbuchauflage der zwischen der Begehung der Verkehrsordnungswidrigkeit und der Anordnung der Fahrtenbuchauflage verstrichene Zeitraum relevant sein kann und eine Fahrtenbuchauflage als Mittel der Gefahrenabwehr nach Ablauf eines erheblichen Zeitraums als unverhältnismäßig anzusehen sein kann (Nieders. OVG, Urteil vom 08.07.2014 – 12 LB 76/14 -, m.w.N. auch aus der Rspr. des BVerwG´s). Diese Auffassung beruht auf dem vor allem spezialpräventiven Zweck der Fahrtenbuchauflage. Das Führen eines Fahrtenbuchs soll nicht nur die Ermittlung begangener Verkehrsverstöße fördern, sondern vor allem auch dazu beitragen, dass etwaige Verstöße künftig unterbleiben, weil es sich positiv auf die Verkehrsdisziplin eines Fahrzeugführers auswirkt, wenn er damit rechnen muss, dass er wegen der durch das Fahrtenbuch feststellbaren Fahreridentität für begangene Verkehrsverstöße zur Verantwortung gezogen wird. Gerade auch dieser im Hinblick auf die Verkehrssicherheit besonders wichtige Aspekt verlangt es, dass das Fahrtenbuch in aller Regel in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem wegen fehlender Ermittlung des Fahrers nicht geahndeten Verkehrsverstoß zu führen ist (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 17.11.1997, VBlBW 1998, 189). Welche Fristen hierfür in Erwägung zu ziehen sind, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten. Da bei der Berechnung des Zeitraums diejenigen Zeiten außer Acht zu bleiben haben, in denen der Fahrzeughalter etwa die sich aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht ergebenden Rechtsschutzmöglichkeiten ausschöpft und dadurch selbst Anlass zu einer Verzögerung des Erlasses der Fahrtenbuchauflage bietet, ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens abzustellen (Nieders. OVG, Urteil vom 08.07.2014, a.a.O., m.w.N.).

Der mit dem Fahrzeug der Antragstellerin begangene Verkehrsverstoß datiert vom 02.04.2013, die angegriffene Verfügung vom 21.04.2015; dazwischen liegen mehr als zwei Jahre. Die Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens erfolgte am 02.07.2013, noch am selben Tag stellte das Landratsamt … bei der Antragsgegnerin den Antrag auf Erlass einer Fahrtenbuchauflage gegenüber der Antragstellerin; zwischen diesem Datum und dem Erlass der angegriffenen Fahrtenbuchauflage liegen mehr als 21 Monate. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin dürfte im vorliegenden Fall nicht auf eine bereits am 17.12.2014 („nur“ mehr als 20 Monate nach dem Verkehrsverstoß bzw. mehr als 17 Monate nach Einstellung der Ordnungswidrigkeitenverfahrens) erlassene Fahrtenbuchauflage abzustellen sein, mit der die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin bereits eine Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs oder mehrerer Fahrtenbücher für ein Fahrzeug oder für sämtliche Fahrzeuge der Antragstellerin erlassen hatte. Denn diese Fahrtenbuchauflage hat die Antragsgegnerin unter I. ihres Bescheids vom 17.04.2015 ersatzlos aufgehoben, nachdem die Kammer zuvor mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 26.01.2015 – 4 K 3109/14 – die aufschiebende Wirkung des Widerspruch der Antragstellerin gegen diesen Bescheid (vom 17.12.2014) wiederhergestellt hatte, weil die dort ausgesprochene(n) Fahrtenbuchauflage(n) nicht hinreichend bestimmt war(en). Ob dann etwas anderes gölte, wenn die Antragsgegnerin durch eine den Bescheid vom 17.12.2014 nachträglich ergänzende Verfügung eine Klarstellung und/oder eine Konkretisierung der im Bescheid vom 17.12.2014 ausgesprochenen Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs bzw. von mehreren Fahrtenbüchern auf eine Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuchs nur für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen …, das sowohl im hier angegriffenen Bescheid vom 17.04.2015 als auch – neben anderen – bereits in dem Bescheid vom 17.12.2014 genannt war, vorgenommen und es dabei ggf. bei der im Bescheid vom 17.12.2014 bestimmten Geltungsdauer (Frist) belassen hätte, kann hier dahingestellt bleiben, weil die Antragsgegnerin so nicht verfahren ist. Vielmehr hat sie den Bescheid vom 17.04.2015 ersatzlos aufgehoben und in der neuerlich erlassenen Fahrtenbuchauflage eine neue, am 24.04.2015 beginnende Geltungsdauer von 18 Monaten verfügt.

Die dadurch entstandene Zeitspanne von gut 21 Monaten nach Einstellung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens übersteigt alle Zeiträume, die nach der der Kammer bekannten Rechtsprechung jemals als noch verhältnismäßig angesehen worden sind (vgl. hierzu Nieders. OVG, Beschluss vom 08.07.2014, a.a.O., aus dessen Nachweisen sich ergibt, dass ein Zeitraum von längstens 18 Monaten noch als tolerabel angesehen wurde). Bei einer Fortgeltung der Fahrtenbuchauflage vom 17.04.2015 wäre die Antragstellerin verpflichtet, wegen eines Verkehrsverstoßes vom 02.04.2013 noch bis Ende Oktober 2016 ein Fahrtenbuch zu führen. Das erscheint der Kammer bei der im vorliegenden Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung als zu lang. Denn der Sinn und Zweck einer Fahrtenbuchauflage besteht vor allem darin, die Verkehrsdisziplin des jeweiligen Fahrzeugführers zu erhöhen, indem ihm verdeutlicht wird, dass er nicht im Schutz fehlender Ermittlungsmöglichkeiten folgenlos Verkehrsverstöße begehen kann (siehe oben). Eine solche Disziplinierung ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit immer nur für eine gewisse Zeit zulässig. Zeigt sich jedoch, dass auch ohne Erlass eines Fahrtenbuchs innerhalb eines längeren Zeitraums mit dem betreffenden Fahrzeug keine Verkehrsverstöße mehr begangen wurden oder dass zwar Verkehrsverstöße begangen wurden, bei der Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers aber keine Schwierigkeiten aufgetaucht sind, dann dürfte der spezialpräventive Zwecke für eine Fahrtenbuchauflage entfallen sein.

So liegt der Fall offenkundig bei der Antragstellerin. In der Begründung des angegriffenen Bescheids vom 17.04.2015 behauptet die Antragsgegnerin zwar (ohne weiteren Nachweis), dass im Jahr 2014 „allein zehn Geschwindigkeitsverstöße“ mit Fahrzeugen der Antragstellerin begangen worden seien. Doch lässt sich aus dieser Behauptung ebenfalls entnehmen, dass es offenbar in keinem dieser Fälle Schwierigkeiten bei der Ermittlung des jeweils verantwortlichen Fahrzeugführers und damit einen Grund für den Erlass einer Fahrtenbuchauflage gegeben hat, was bei einer regelmäßigen Verfolgungsverjährung von Verkehrsordnungswidrigkeiten von drei Monaten im April 2015, knapp vier Monate nach Ende des Jahres 2014, voraussichtlich feststellbar gewesen wäre. Auch in ihrer Antragserwiderung vom 20.05.2015 hat die Antragsgegnerin nicht von der Einleitung eines Verfahrens gegen die Antragstellerin mit dem Ziel der Anordnung eines (weiteren) Fahrtenbuchs berichtet.

Soweit die Antragstellerin die Verzögerung bei der Bearbeitung von Fahrtenbuchauflagen im Jahr 2013 und zu Beginn des Jahres 2014 mit einer personellen Unterbesetzung des zuständigen Fachbereichs begründet, mag das das verantwortliche Amt innerhalb der städtischen Gesamtverwaltung entlasten. In der Regel kann mit dieser Begründung jedoch nicht die Verhältnismäßigkeit und Rechtmäßigkeit einer den Bürger belastenden, ansonsten rechtswidrigen Maßnahme herbeigeführt werden. Ob dann etwas anderes gilt, wenn der betreffende Fachbereich während eines überschaubaren Zeitraums durch Krankheit oder durch unerwartet hohe Eingangszahlen „abgesoffen“ ist, kann hier dahingestellt bleiben, weil die Antragsgegnerin Derartiges nicht vorgetragen hat. Abgesehen davon hat sie auch nicht vorgetragen, ob der personelle Engpass in dem betreffenden Fachbereich zwingende Folge fehlender Möglichkeiten zur Stellenbesetzung war oder ob er ggf. Folge einer personalpolitischen Priorisierung anderer Fachbereiche innerhalb der Gesamtverwaltung war.

Ob die angegriffene Fahrtenbuchauflage auch aus anderen Gründen rechtswidrig ist und/oder ob sich aus dieser Zeitverzögerung auch Gründe ergeben, die gegen das Vorliegen eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung der angeordneten Fahrtenbuchauflage sprechen, kann hiernach offen bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2014 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (siehe dort Nr. 46.11).

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