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Fahrtenbuchauflage – Mitwirkungsobliegenheit einer juristischen Person als Fahrzeughalterin

Fahrtenbuchauflage: Juristische Personen müssen mitwirken

Das OVG Lüneburg bestätigte in seinem Beschluss vom 23. November 2023, dass die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs für ein Fahrzeug, dessen Fahrer nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht identifiziert werden konnte, rechtmäßig ist. Die juristische Person als Fahrzeughalterin hat die Pflicht, bei der Fahrerermittlung mitzuwirken. Ihre Weigerung, dies zu tun, rechtfertigt die Fahrtenbuchauflage.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 ME 98/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Bestätigung der Fahrtenbuchauflage durch das OVG Lüneburg für das Fahrzeug der Antragstellerin.
  2. Die Antragstellerin, eine juristische Person, ist Fahrzeughalterin des betroffenen Fahrzeugs.
  3. Ursache der Auflage: Unbekannter Fahrer beging eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 42 km/h.
  4. Die Antragstellerin erfüllte ihre Mitwirkungsobliegenheit bei der Fahrerermittlung nicht.
  5. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde der Antragstellerin zurück.
  6. Diskussion über die Doppelrolle der Antragstellerin als Betroffene und Zeugin im Bußgeldverfahren.
  7. Juristische Personen können eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht täterschaftlich begehen, haben aber eine ordnungsrechtliche Mitwirkungspflicht.
  8. Die Antragstellerin trug die Kosten des Beschwerdeverfahrens; Streitwert wurde auf 3.600 EUR festgesetzt.

Fahrtenbuchauflage und Mitwirkungsobliegenheit im Verkehrsrecht

Im Kontext des Verkehrsrechts nimmt die Fahrtenbuchauflage eine wesentliche Rolle ein, insbesondere wenn es um die Identifizierung von Fahrern nach Verkehrsverstößen geht. Eine solche Auflage kann als Instrument zur Sicherstellung der Verantwortlichkeit im Straßenverkehr dienen, insbesondere wenn der Fahrer eines Fahrzeugs nicht direkt ermittelt werden kann. Eng verbunden mit der Fahrtenbuchauflage ist die Mitwirkungsobliegenheit des Fahrzeughalters, insbesondere wenn dieser eine juristische Person darstellt. Diese Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Fahrerermittlung stellt einen bedeutenden Aspekt im Zusammenspiel von Verkehrsordnung und Rechtsdurchsetzung dar.

Die Rolle von Verwaltungsgerichten in solchen Fällen ist nicht zu unterschätzen, da sie oft die letzte Instanz in Beschwerdeverfahren gegen solche Anordnungen sind. Die Entscheidungen solcher Gerichte bieten wichtige Einblicke in die Auslegung von Verkehrsrecht und Verwaltungspraxis. Im Folgenden wird ein konkretes Urteil des OVG Lüneburg näher betrachtet, welches die vielschichtigen Aspekte der Fahrtenbuchauflage und der Mitwirkungsobliegenheit beleuchtet. Es bietet einen spannenden Einblick in die rechtlichen Überlegungen und Abwägungen, die in solchen Fällen von Bedeutung sind und regt zur weiteren Auseinandersetzung mit dieser rechtlichen Materie an.

Fahrtenbuchauflage für juristische Person als Fahrzeughalterin

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat in einem jüngsten Urteil die Beschwerde einer juristischen Person abgewiesen, die als Fahrzeughalterin gegen die Anordnung zur Führung eines Fahrtenbuchs vorgegangen war. Diese Anordnung folgte, nachdem ein unbekannter Fahrer mit dem Fahrzeug der Antragstellerin eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hatte. Die Kernfrage des Falls war, ob die Antragstellerin als juristische Person ihrer Mitwirkungsobliegenheit zur Fahrerermittlung nachgekommen war.

Die rechtliche Herausforderung: Mitwirkungsobliegenheit im Bußgeldverfahren

Die Antragstellerin wurde in einem Bußgeldverfahren als Betroffene und Zeugin zugleich behandelt, was sie als rechtswidrig erachtete. Sie argumentierte, dass eine Person im Bußgeldverfahren nicht gleichzeitig als Betroffene und Zeugin fungieren könne. Das Verwaltungsgericht wies dieses Argument jedoch zurück, indem es feststellte, dass die Antragstellerin keine sachdienlichen Angaben gemacht habe, um ihre fehlende Mitwirkungsbereitschaft zu begründen. Das Gericht hielt fest, dass bei vollständiger Ungewissheit über die Beziehung einer Anzuhörenden zur Tat die Anhörung als Betroffene mit einer quasi hilfsweisen Anhörung als Zeugin kombiniert werden darf.

Die Entscheidung des OVG Lüneburg: Fahrtenbuchauflage bestätigt

Das OVG Lüneburg bestätigte den Beschluss des Verwaltungsgerichts und lehnte die Beschwerde der Antragstellerin ab. Es führte aus, dass die Antragstellerin die Einzelheiten des Bußgeldverfahrens nicht ausreichend berücksichtigt habe. Zudem stellte das Gericht klar, dass die Rechtmäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen im Bußgeldverfahren nicht unmittelbar die Voraussetzungen für die Anordnung einer Fahrtenbuchführungspflicht beeinflusst. Das Gericht unterstrich, dass eine juristische Person wie die Antragstellerin, die ein Fahrzeug hält, nicht automatisch von der Mitwirkungsobliegenheit bei der Fahrerermittlung befreit ist.

Konsequenzen und Kosten des Verfahrens

Die Kostenentscheidung folgte aus § 154 Abs. 2 VwGO, wonach die Antragstellerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat. Der Wert des Streitgegenstandes wurde auf 3.600 Euro festgesetzt. Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der Mitwirkungsobliegenheit von Fahrzeughaltern, insbesondere wenn diese juristische Personen sind, im Kontext der Fahrtenbuchauflage. Es zeigt auf, dass die rechtlichen Pflichten von Fahrzeughaltern in Bußgeldverfahren nicht nur komplex sind, sondern auch ernsthaft wahrgenommen werden müssen.

In diesem spezifischen Fall war es für das Gericht entscheidend, dass die Antragstellerin ihre Pflicht zur Mitwirkung bei der Fahrerermittlung nicht erfüllt hatte, was zur Bestätigung der Fahrtenbuchauflage führte. Dieses Urteil dient als ein deutliches Beispiel dafür, wie Verwaltungsgerichte die Verantwortlichkeiten und Pflichten im Verkehrsrecht auslegen und durchsetzen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet Fahrtenbuchauflage und in welchen Fällen wird sie angeordnet?

Eine Fahrtenbuchauflage ist eine Anordnung, die in Deutschland von der Verwaltungsbehörde erlassen wird, wenn nach einer Verkehrsordnungswidrigkeit der Fahrer eines Fahrzeugs nicht ermittelt werden kann. Diese Maßnahme dient der vorbeugenden Gefahrenabwehr und nicht der Sanktionierung.

Die Fahrtenbuchauflage verpflichtet den Fahrzeughalter, für einen festgelegten Zeitraum ein Fahrtenbuch zu führen, in dem alle Fahrten detailliert dokumentiert werden müssen. Dies soll sicherstellen, dass stets nachvollzogen werden kann, wer zu welchem Zeitpunkt ein Fahrzeug genutzt hat. Die Auflage kann sich auf ein bestimmtes Fahrzeug beziehen, aber auch auf alle Fahrzeuge, die auf den Halter zugelassen sind.

Die Dauer der Fahrtenbuchauflage ist abhängig von der Schwere des Verkehrsverstoßes und beträgt in der Regel mindestens sechs Monate und maximal 36 Monate. Bei Nichtbeachtung der Fahrtenbuchauflage kann eine Geldbuße verhängt werden.

Verstöße, die im Rahmen eines Bußgeldverfahrens geahndet werden, wie zum Beispiel ein Rotlichtverstoß oder eine Überschreitung des Tempolimits, können eine Fahrtenbuchauflage rechtfertigen, wenn der Verantwortliche nicht ermittelt werden kann.

Die Fahrtenbuchauflage bleibt auch bestehen, wenn das Fahrzeug verkauft wird, und kann auf Ersatzfahrzeuge ausgeweitet werden.

Die Fahrtenbuchauflage wird im zentralen Fahrzeugregister des Kraftfahrtbundesamtes in Flensburg-Mürwik eingetragen und ist somit bundesweit für alle anfragenden Behörden erkennbar.

Das Fahrtenbuch muss bestimmte Pflichtangaben enthalten und ordnungsgemäß geführt werden. Es kann in Papierform oder als elektronisches Fahrtenbuch geführt werden.

Welche Mitwirkungsobliegenheiten hat eine juristische Person als Fahrzeughalterin?

Eine juristische Person, die als Fahrzeughalterin fungiert, hat bestimmte Mitwirkungsobliegenheiten. Sie besitzt das Verfügungsrecht über das Fahrzeug und ist gegenüber der zuständigen Behörde als Halterin angegeben.

Die Mitwirkungsobliegenheiten umfassen unter anderem die Mitteilungspflicht. Diese gilt auch für Fahrzeughalter, die als juristische Personen (z.B. Firmen) in die Fahrzeugpapiere eingetragen wurden. Jede Veränderung des Fahrzeughalters ist durch Vorlage des Gewerbescheines oder des Handelsregisterauszuges der Zulassungsstelle zu belegen.

Im Falle einer Fahrtenbuchauflage, die nach einer Verkehrsordnungswidrigkeit erlassen werden kann, wenn der Fahrer eines Fahrzeugs nicht ermittelt werden kann, hat die juristische Person als Fahrzeughalterin die Pflicht, ein Fahrtenbuch zu führen. Die Behörde darf ihre Bemühungen um die Feststellung des Fahrzeugführers vorrangig an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten. Unterbleiben Angaben zum Personenkreis der möglichen Fahrzeugführer, sind weitere Ermittlungen in der Regel nicht erforderlich, so dass eine Fahrtenbuchauflage gegen den Fahrzeughalter gerechtfertigt ist.

Darüber hinaus hat die juristische Person als Fahrzeughalterin die Pflicht, für die regelmäßige Durchführung der Haupt- und Abgasuntersuchung zu sorgen und technische Änderungen am Fahrzeug der Zulassungsstelle zu melden.

Die juristische Person hat als Fahrzeughalterin die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Fahrzeug und kann regelmäßig, tatsächlich und wirtschaftlich über die Nutzung des Kraftfahrzeugs bestimmen.


Das vorliegende Urteil

OVG Lüneburg – Az.: 12 ME 98/23 – Beschluss vom 23.11.2023

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover – 15. Kammer (Einzelrichterin) – vom 10. August 2023 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.600,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin dagegen, dass es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, die sie gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. Juni 2023 (Bl. 9 ff. der Gerichtsakte – GA –) erhoben hat. Durch diesen Bescheid wurde ihr unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgegeben, für das von ihr gehaltene Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen E. (oder ein Ersatzfahrzeug) über achtzehn Monate hinweg ein Fahrtenbuch zu führen, nachdem ein unbekannt gebliebener Fahrer am 3. Dezember 2022 mit diesem Fahrzeug auf der BAB 255 in Hamburg eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 42 km/h begangen hatte. In ihrer online-Anhörung (vgl. Bl. 18 und 20 der Beiakte – BA – 1) durch die Verfolgungsbehörde hatte die Antragstellerin lediglich erklärt: „Ich gebe den Verstoß nicht zu, weil Fahrer ist nicht zu erkennen.“

Im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren hat sie unter anderem geltend gemacht, die Verfolgungsbehörde habe sich nicht bei ihr danach erkundigt, wer das in Rede stehende Fahrzeug zur Tatzeit geführt habe. Sie, die Verfolgungsbehörde, habe ihr vielmehr unter dem 27. Dezember 2022 einen Anhörungsbogen (Bl. 16 f. BA 1) übersandt, in dem sie ihr vorgeworfen habe, die Ordnungswidrigkeit selbst begangen zu haben. Der Antragsgegner vertrete zwar die Auffassung, dass diese Anhörung gleichzeitig als Zeugenanhörung anzusehen sei. Letzteres sei aber rechtlich nicht möglich: Eine Person könne in einem Bußgeldverfahren entweder Betroffene oder Zeugin sein, aber niemals beides gleichzeitig. Als Betroffene sei sie jedoch nicht verpflichtet gewesen, sich zu dem ihr gegenüber erhobenen Vorwurf zu äußern. Hieran änderten auch die Hinweise der Verfolgungsbehörde zur Anhörung im Bußgeldverfahren nichts, zumal es dort unter der Überschrift „Sie sind Zeuge?“ heiße: „Äußern Sie sich nicht, müssen Sie mit einer Vernehmung als Zeuge rechnen.“

Das Verwaltungsgericht hat die in der Ermächtigungsgrundlage des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO für eine Fahrtenbuchanordnung vorausgesetzte Unmöglichkeit der Fahrerfeststellung bejaht und die Ermittlungspflicht der Verfolgungsbehörde als durch die mangelnde Mitwirkung der Antragstellerin reduziert angesehen. Zu deren Vorbringen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Einwand, sie sei als Betroffene statt als Zeugin angehört worden, stehe der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides nicht entgegen. Werde der Halter in dem Anhörungsbogen sowohl als Beschuldigter als auch als Zeuge angesprochen und mache dort keine sachdienlichen Angaben, sei seine förmliche Befragung als Zeuge der Behörde in aller Regel nicht mehr zuzumuten. Aus dem Anhörungsschreiben gehe eindeutig hervor, dass die Antragstellerin als Betroffene und als Zeugin angehört worden sei. Da sie keine sachdienlichen Angaben gemacht habe, stehe ihre fehlende Mitwirkungsbereitschaft fest.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 10. August 2023 hat keinen Erfolg.

Die in der Beschwerdebegründungsschrift vom 29. August 2023 (Bl. 58 GA) dargelegten Beschwerdegründe, die der Senat hier gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss in der begehrten Weise zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.

Die Antragstellerin kritisiert, das Verwaltungsgericht habe die Auffassung des Antragsgegners geteilt, dass die Verfolgungsbehörde sie gleichzeitig sowohl als Betroffene als auch als Zeugin habe anhören dürfen. Soweit ersichtlich, werde dies jedoch nicht weiter begründet. Daher werde um Überprüfung der gegenteiligen Rechtsauffassung durch das Beschwerdegericht gebeten. Nach ihrer, der Antragstellerin, Auffassung könne weder eine natürliche noch eine – wie hier – juristische Person gleichzeitig Betroffene und Zeugin sein. Die gegenteilige Annahme verstoße gegen die Logik. Solange sie von der Verfolgungsbehörde als Betroffene behandelt worden sei, gegen die sich die Ermittlungen gerichtet hätten, sei sie zu keiner Mitwirkung an der Fahrerermittlung verpflichtet gewesen. Anders wäre dies gewesen, wenn die Verfolgungsbehörde sie ausschließlich als Zeugin angeschrieben hätte. In diesem Fall hätte sie unabhängig von der schlechten Qualität des Fahrerfrontfotos auch an der Fahrerermittlung mitgewirkt.

Dieses Vorbringen führt nicht zum Erfolg des Rechtsmittels. Allerdings scheitert die Beschwerde nicht bereits an einer fehlenden Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung.

Um sich im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, muss ein Beschwerdeführer von der Begründungsstruktur dieser Entscheidung ausgehen und das Entscheidungsergebnis in Frage stellen (Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 8. Aufl. 2021, § 146 Rn. 31). Die erforderliche Dichte seiner eigenen Ausführungen hat sich dabei an der Dichte der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu orientieren (Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 22a). Je intensiver die gerichtliche Entscheidung begründet ist, umso eingehender muss er die sie tragende Argumentation entkräften. Es reicht deshalb grundsätzlich nicht aus, wenn er lediglich eine eigene Würdigung der Sach- und Rechtslage vorträgt, die im Ergebnis von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweicht. Vielmehr muss er in der Regel den einzelnen tragenden Begründungselementen der angefochtenen Entscheidung geeignete Gegenargumente konkret gegenüberstellen und – soweit möglich – deren Vorzugswürdigkeit darlegen (Nds. OVG, Beschl. v. 16.11.2016 – 12 ME 132/16 -, ZNER 2017, 70 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 56, und Beschl. v. 10.2.2014 – 7 ME 105/13 -, juris, Rn. 26). Hieraus folgt zwar, dass es regelmäßig nicht genügt, wenn er sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt (vgl. Stuhlfauth, in: Bader u. a., VwGO, 8. Aufl. 2021, § 146 Rn. 31, m. w. N.). Anderes gilt aber dann, wenn das Verwaltungsgericht auf dieses Vorbringen argumentativ nicht eingegangen ist. So liegt es im vorliegenden Falle, obwohl die Vorinstanz den wiederholten Einwand der Antragstellerin durchaus zur Kenntnis genommen, erwogen und – zutreffend – für im Ergebnis unerheblich erklärt hat. Denn es bleibt anhand der Gründe des angefochtenen Beschlusses unklar, weshalb der Einwand fehlgeht.

Fehl geht er deshalb, weil die Antragstellerin Einzelheiten des Bußgeldverfahrens nicht differenziert genug in den Blick nimmt und außerdem rechtliche Anforderungen dieses Verfahrens in unzutreffender Weise zu Voraussetzungen der Anordnung einer Fahrtenbuchführungspflicht erhebt.

Es ist ihr allerdings einzuräumen, dass eine Betroffene in dem gegen sie geführten Bußgeldverfahren nicht zugleich als Zeugin vernommen werden kann (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 19.8.2020 – 12 ME 114/20 -, juris, Rn. 17). Die Übersendung eines Anhörungsbogens ist aber noch keine Zeugenvernehmung, sodass jedenfalls bei vollständiger Ungewissheit über die tatsächliche Beziehung einer Anzuhörenden zur Tat (alternativ als Tatverdächtige oder Zeugin) schon deshalb die Anhörung als Betroffene mit einer quasi hilfsweisen Anhörung als Zeugin kombiniert werden darf (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14.1.2019 – 12 ME 170/18 -, NJW 2019, 1013 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 20, m. w. N.).

Eine juristische Person – wie die Antragstellerin – kann die Ordnungswidrigkeit einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit allerdings weder täterschaftlich begehen, noch ist für juristische Personen in Anknüpfung an die Haltung des Tatfahrzeugs die Ahndung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch eine Art „Verbandssanktion“ vorgesehen (vgl. § 30 OWiG). Deshalb dürfte es rechtsfehlerhaft sein, einer juristischen Person – wie hier der Antragstellerin (vgl. Bl. 16 f. BA 1) – einen Betroffenenanhörungsbogen zuzusenden, in dem ihr selbst eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wird.

Die Rechtmäßigkeit der im Bußgeldverfahren ergriffenen Ermittlungsmaßnahmen zählt aber nicht als solche zu den Voraussetzungen der Anordnung einer Fahrtenbuchführungspflicht. Sie spielt vielmehr grundsätzlich nur insoweit eine Rolle, als gerade solche Rechtsverstöße bei (erforderlichen) Ermittlungsmaßnahmen in Rede stehen, die ursächlich für einen Misserfolg bei der Ermittlung des für die Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften verantwortlichen Fahrzeugführers geworden sind. Diese Ursächlichkeit macht die Antragstellerin zwar vorliegend geltend, indem sie behauptet, wenn die Verfolgungsbehörde sie ausschließlich als Zeugin angeschrieben hätte, hätte sie auch an der Fahrerermittlung mitgewirkt. Es ist bei den insoweit erforderlichen Kausalitätsbetrachtungen aber zwischen verschiedenen „Wirkungspfaden“ von Rechtsverstößen der Verfolgungsbehörde zu unterscheiden. Wird – wie hier – geltend gemacht, ein Rechtsverstoß sei gerade über eine seinetwegen unterlassene Mitwirkung des Halters an der Ermittlung des Fahrzeugführers kausal geworden, ist dies nur dann beachtlich, wenn der Rechtsverstoß bewirkt hat, dass auch und gerade die spezifisch ordnungsrechtliche Obliegenheit des Halters, bei der Fahrerermittlung mitzuwirken, entfiel oder eingeschränkt wurde. Ob die Mitwirkung eines Fahrzeughalters ordnungsrechtlich ausreicht, hängt indessen nicht entscheidend davon ab, ob er im Bußgeldverfahren durchsetzbare Rechtspflichten verletzt (Nds. OVG, Beschl. v. 14.1.2019 – 12 ME 170/18 -, a. a. O., juris, Rn. 17). Deshalb ist im vorliegenden Zusammenhang auch nur maßgeblich, inwieweit sich der Halter durch einen Rechtsverstoß der Verfolgungsbehörde veranlasst sehen durfte, von einer ihm ordnungs-, nicht bußgeldverfahrensrechtlich obliegenden Mitwirkung Abstand zu nehmen. Eine solche Veranlassung kann beispielsweise gegeben sein, wenn er im Text des behördlichen Anhörungsbogens unrichtig über eine ihn treffende Zeugnispflicht (als nicht bestehend) belehrt wurde. Sie ist aber nicht bereits dann anzunehmen, wenn eine juristische Person in dem ihr als Fahrzeughalterin übersandten Anhörungsbogen nicht nur als Zeugin, sondern in erster Linie als Betroffene angesprochen wird. Denn es darf davon ausgegangen werden, dass namentlich dem Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ein Kraftfahrzeug hält, kraft Parallelwertung in der Laiensphäre klar ist, dass ein der Gesellschaft gegenüber erhobener Vorwurf täterschaftlicher Begehung einer Geschwindigkeitsüberschreitung offensichtlich fehlgeht und sie daher – aus einem späteren ordnungsrechtlichem Blickwinkel betrachtet – aufgerufen bleibt, in anderer Verfahrensrolle als derjenigen einer Betroffenen bei der Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers mitzuwirken. Eine Reaktion auf den Anhörungsbogen, die darin besteht, darauf aufmerksam zu machen, dass man als juristische Person die Ordnungswidrigkeit (selbstverständlich) nicht selbst begangen habe, aber Angaben über den Täterkreis machen könne (oder eben nicht könne), bleibt daher zumutbar und eine ordnungsrechtliche Obliegenheit. Es hilft also einer juristischen Person als Halterin nichts, sich insoweit unverständig zu zeigen oder zu stellen. So lag es auch hier. Im Übrigen würde eine Mitwirkungsobliegenheit auch dann bestehen, wenn es einer juristischen ebenso wie einer natürliche Person möglich wäre, die Ordnungswidrigkeit einer Geschwindigkeitsüberschreitung täterschaftlich zu begehen. Denn es gibt kein „doppeltes Recht“ des Fahrzeughalters, nach einem mit seinem Kraftfahrzeug begangenen Verkehrsverstoß zur Täterschaft (unter Berufung auf ein ihm zustehendes Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht) keine Angaben zu machen, aber gleichwohl eine Fahrtenbuchanordnung abzuwehren (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 14.1.2019 -12 ME 170/18 -, a. a. O., juris, Rn. 17).

Der bloße Hinweis der Antragstellerin auf die fehlende Möglichkeit, den Fahrer anhand des übersandten Fotos zu identifizieren, reichte als Mitwirkung nicht aus; vielmehr hat bereits das Verwaltungsgericht (auf der S. 6 f. des angefochtenen Beschlusses) zutreffend ausgeführt, dass die Antragstellerin eigene Vorkehrungen zu treffen hatte, damit festgestellt werden kann, welches ihrer Firmenfahrzeuge zu einem bestimmten Zeitpunkt von welcher Person gefahren wurde (vgl. auch Dauer, in: Hentschel/König/ Dauer, StVR, 47. Aufl. 2023, § 31a StVZO, Rn. 32, m. w. N.). Weiterführende Angaben über den Benutzerkreis dürften ihr im Übrigen selbst ohne solche Vorkehrungen möglich gewesen sein. Denn das in Rede stehende Tatfahrzeug ist ein Lamborghini (vgl. Bl. 15 BA 1), der nur wenigen Personen zu Verfügung gestellt worden sein wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an den Vorschlägen unter den Nrn. 1.5 Satz 1 und 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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