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Fahrerlaubnisentzug – Nichtvorlage MPU-Gutachten – Verwertbarkeit einer Trunkenheitsfahrt

MPU-Entzug durch verjährte Trunkenheitsfahrt aufgehoben

Das Verwaltungsgericht Ansbach hat in seinem Beschluss vom 28.08.2023, Az.: AN 10 S 23.1022, entschieden, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis wiederherzustellen. Der Antragsteller hatte sich gegen den Sofortvollzug der Fahrerlaubnisentziehung und die Aufforderung zur Abgabe seines Führerscheins gewendet. Grundlage der behördlichen Entscheidung war die Nichtvorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) aufgrund zweier Trunkenheitsfahrten. Das Gericht stellte fest, dass die Anwendung der Fahrerlaubnisentziehung aufgrund der ersten, bereits verjährten Trunkenheitsfahrt rechtswidrig war.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: AN 10 S 23.1022 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil

  • Das VG Ansbach hebt den Sofortvollzug der Fahrerlaubnisentziehung auf.
  • Fahrerlaubnisentzug basierte auf der Nichtvorlage eines MPU-Gutachtens.
  • Eine der Trunkenheitsfahrten war zum Zeitpunkt des letzten Verwaltungsaktes verjährt.
  • Die rechtswidrige Anwendung der Fahrerlaubnisentziehung aufgrund verjährter Delikte.
  • Das Gericht betont die Wichtigkeit der aktuellen Sach- und Rechtslage für behördliche Entscheidungen.
  • Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
  • Der Streitwert wurde auf 6.250,00 € festgesetzt.
  • Das Urteil betont die Verhältnismäßigkeit und Aktualität in Fällen der Fahrerlaubnisentziehung.

Update des Fahrerlaubnisentzugs

Die Nichtvorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU) kann nach § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnisentziehung zur Folge haben. Die Verwertbarkeit von Vortaten wie Trunkenheitsfahrten ist bei fehlender MPU-Vorlage ebenfalls ein strittiges Thema. Die rechtlichen Herausforderungen liegen in der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht und der Prüfung der Beweiskraft eines mangelhaften MPU-Gutachtens. Das vorliegende Urteil des VG Ansbach wirft ein Schlaglicht auf diese Problematik und bietet einen Einblick in die aktuelle Rechtsprechung.

Im Zentrum eines juristischen Verfahrens stand der Fahrerlaubnisentzug eines Mannes, nachdem er es versäumt hatte, ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) vorzulegen. Dieser Fall, verhandelt vom Verwaltungsgericht Ansbach unter dem Aktenzeichen AN 10 S 23.1022, fand mit dem Beschluss vom 28. August 2023 seinen vorläufigen Abschluss. Der Kläger, geboren 1964 und Inhaber mehrerer Fahrerlaubnisklassen, wurde aufgrund zweier Trunkenheitsfahrten zur Abgabe eines MPU-Gutachtens aufgefordert, dessen Frist er verstreichen ließ.

Der Weg zum Fahrerlaubnisentzug

Die erste dieser Trunkenheitsfahrten ereignete sich im Februar 2012 und wurde strafrechtlich mit einem Fahrerlaubnisentzug und einer Geldstrafe geahndet. Die zweite Fahrt unter Alkoholeinfluss fand im März 2022 statt und wurde als Ordnungswidrigkeit bewertet. Auf Basis dieser Vorfälle forderte die Fahrerlaubnisbehörde ein MPU-Gutachten vom Fahrerlaubnisinhaber, welches nicht fristgerecht eingereicht wurde. Daraufhin entzog die Behörde mit Bescheid vom 3. März 2023 dem Antragsteller die Fahrerlaubnis für sämtliche Klassen und ordnete den sofortigen Vollzug an.

Die juristische Auseinandersetzung

Gegen diese Entscheidung legte der Betroffene Widerspruch ein und beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage, was letztlich Erfolg hatte. Das Gericht stellte die aufschiebende Wirkung wieder her und legte die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner auf. In der Begründung des Gerichts wurde deutlich, dass die Anforderung des Gutachtens sowie der daraus resultierende Fahrerlaubnisentzug aufgrund einer bereits verjährten Trunkenheitsfahrt von 2012 rechtswidrig war.

Die Rolle der Verjährung in der Rechtsprechung

Ein wesentlicher Punkt in der Argumentation des Gerichts war die Verjährung der ersten Trunkenheitsfahrt. Zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung war diese Tat nicht mehr verwertbar, da die Tilgungsfrist bereits abgelaufen war. Dies stellt einen entscheidenden Aspekt dar, da die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Beibringung eines MPU-Gutachtens maßgeblich von der Aktualität und Verwertbarkeit der zugrunde liegenden Verstöße abhängt.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach

Das Verwaltungsgericht Ansbach begründete seine Entscheidung damit, dass die Fahrerlaubnisbehörde nicht auf die erste Trunkenheitsfahrt für den Entzug der Fahrerlaubnis hätte zurückgreifen dürfen. Darüber hinaus wurde kritisiert, dass der Antragsteller nicht ausreichend rechtliches Gehör gefunden habe und die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Fahrerlaubnisentzugs als rechtswidrig bewertet wurde. Das Gericht sah in der Nichtvorlage des MPU-Gutachtens, aufgrund der besonderen Umstände dieses Falls, keinen ausreichenden Grund für einen Entzug der Fahrerlaubnis.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach hebt hervor, wie entscheidend die Verwertbarkeit von Verstößen und die Beachtung von Verjährungsfristen im Kontext des Fahrerlaubnisrechts sind. Es unterstreicht die Bedeutung des rechtlichen Gehörs und der korrekten Anwendung von Ermessensspielräumen durch die Fahrerlaubnisbehörden.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was passiert, wenn man ein angefordertes MPU-Gutachten nicht vorlegt?

Legt eine Person das angeforderte MPU-Gutachten nicht vor, kann von der Fahrerlaubnisbehörde auf die Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs geschlossen werden. Dies kann zum Entzug der Fahrerlaubnis führen. Die Behörde fordert ein solches Gutachten an, wenn sie Zweifel an der Eignung des Fahrers hat, beispielsweise nach schwerwiegenden Verkehrsverstößen oder bei Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Alkohol oder Drogen.

Wird das Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt, darf die Behörde nach § 11 Absatz 8 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) von der fehlenden Eignung ausgehen. Das bedeutet, dass die Fahrerlaubnis entzogen wird und der Führerschein abgegeben werden muss. Ein negatives MPU-Gutachten sollte nicht vorgelegt werden, da es als Nachweis der nicht gegebenen Fahreignung dienen kann. Wer ein negatives Gutachten erhalten hat, sollte dieses genau studieren und sich für eine erneute MPU besser vorbereiten. Es gibt keine Sperrfrist für die Wiederholung der MPU, sodass Betroffene jederzeit einen neuen Antrag stellen und die MPU erneut absolvieren können.

Wie beeinflusst Alkoholkonsum die Fahreignung und Fahrerlaubnis?

Alkoholkonsum beeinflusst die Fahreignung und kann zu schwerwiegenden Konsequenzen für die Fahrerlaubnis führen. Bereits ab einem Blutalkoholgehalt von 0,3 Promille können körperliche und geistige Fahrleistungen beeinträchtigt werden, was bei einer Verkehrsteilnahme zu einer relativen Fahruntüchtigkeit führen kann. Ab 0,5 Promille liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit Bußgeldern, Punkten in Flensburg und einem Fahrverbot geahndet werden kann.

Für Fahranfänger und Personen unter 21 Jahren gilt in Deutschland eine 0,0 Promille-Grenze. Bei Verstößen drohen neben Bußgeldern auch Punkte in Flensburg und die Verlängerung der Probezeit.

Bei einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille oder mehr liegt eine absolute Fahruntüchtigkeit vor, die als Straftat gewertet wird und zu einem Entzug der Fahrerlaubnis führen kann. Die Dauer des Entzugs kann zwischen sechs Monaten und fünf Jahren oder sogar dauerhaft sein, abhängig von der Schwere des Verstoßes und ob es sich um eine Wiederholungstat handelt.

Zudem kann ab einem Wert von 1,6 Promille von einem chronischen Alkoholmissbrauch ausgegangen werden, was zusätzlich zu den genannten Sanktionen eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) nach sich zieht.

Die Fahrerlaubnisbehörde kann bei Zweifeln an der Eignung des Fahrers, beispielsweise nach schwerwiegenden Verkehrsverstößen oder bei Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Alkohol, ein ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten anfordern. Liegt Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit vor, ist der Betroffene nicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet, was zum Entzug der Fahrerlaubnis führt.

Die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nach einem Entzug aufgrund von Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit erfordert in der Regel den Nachweis einer geänderten Trinkgewohnheit oder einer festgestellten Alkoholabstinenz, was häufig durch eine erfolgreiche MPU belegt wird.

Zusammenfassend hat Alkoholkonsum erhebliche Auswirkungen auf die Fahreignung und kann zu schweren rechtlichen Konsequenzen führen, einschließlich Bußgeldern, Punkten, Fahrverboten und dem Entzug der Fahrerlaubnis.

Welche Rolle spielt die Verwertbarkeit von Trunkenheitsfahrten beim Fahrerlaubnisentzug?

Alkoholkonsum beeinflusst die Fahreignung und kann zu schwerwiegenden Konsequenzen für die Fahrerlaubnis führen. Bereits ab einem Blutalkoholgehalt von 0,3 Promille können körperliche und geistige Fahrleistungen beeinträchtigt werden, was bei einer Verkehrsteilnahme zu einer relativen Fahruntüchtigkeit führen kann. Ab 0,5 Promille liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit Bußgeldern, Punkten in Flensburg und einem Fahrverbot geahndet werden kann.

Für Fahranfänger und Personen unter 21 Jahren gilt in Deutschland eine 0,0 Promille-Grenze. Bei Verstößen drohen neben Bußgeldern auch Punkte in Flensburg und die Verlängerung der Probezeit.

Bei einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille oder mehr liegt eine absolute Fahruntüchtigkeit vor, die als Straftat gewertet wird und zu einem Entzug der Fahrerlaubnis führen kann. Die Dauer des Entzugs kann zwischen sechs Monaten und fünf Jahren oder sogar dauerhaft sein, abhängig von der Schwere des Verstoßes und ob es sich um eine Wiederholungstat handelt.

Zudem kann ab einem Wert von 1,6 Promille von einem chronischen Alkoholmissbrauch ausgegangen werden, was zusätzlich zu den genannten Sanktionen eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) nach sich zieht.

Die Fahrerlaubnisbehörde kann bei Zweifeln an der Eignung des Fahrers, beispielsweise nach schwerwiegenden Verkehrsverstößen oder bei Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Alkohol, ein ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten anfordern. Liegt Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit vor, ist der Betroffene nicht zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet, was zum Entzug der Fahrerlaubnis führt.

Die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis nach einem Entzug aufgrund von Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit erfordert in der Regel den Nachweis einer geänderten Trinkgewohnheit oder einer festgestellten Alkoholabstinenz, was häufig durch eine erfolgreiche MPU belegt wird.

Zusammenfassend hat Alkoholkonsum erhebliche Auswirkungen auf die Fahreignung und kann zu schweren rechtlichen Konsequenzen führen, einschließlich Bußgeldern, Punkten, Fahrverboten und dem Entzug der Fahrerlaubnis.


Das vorliegende Urteil

VG Ansbach – Az.: AN 10 S 23.1022 – Beschluss vom 28.08.2023

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffern I und II des Bescheids des Antragsgegners vom 3. März 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2023 wird wiederhergestellt.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 6.250,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis aller Klassen sowie der Verpflichtung zur Abgabe seines Führerscheins.

Der 1964 geborene Antragsteller ist Inhaber der Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, B, BE, L und T.

Durch Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 2. August 2022 erhielt der Antragsgegner davon Kenntnis, dass der Antragsteller am 31. März 2022, gegen 16:20 Uhr, ein Kraftfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,51 mg/l geführt hatte. Die Zuwiderhandlung wurde als Ordnungswidrigkeit geahndet. Neben einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 46 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften am 19. August 2020 ergab sich aus der Mitteilung zudem eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt im Verkehr am 25. Februar 2012, geahndet mit einer Geldstrafe, Fahrerlaubnisentzug und einer siebenmonatigen Wiedererteilungssperre durch Entscheidung des Amtsgerichts … vom 19. April 2012, rechtskräftig seit 8. Mai 2012. Die Fahrerlaubnis wurde dem Antragsteller am 15. April 2013 wiedererteilt.

Unter Bezugnahme auf diese beiden Trunkenheitsfahrten forderte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 9. November 2022 auf, bis 1. Februar 2023 ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. Dabei sei folgende Frage zu klären:

Ist zu erwarten, dass der Antragsteller zukünftig ein fahrerlaubnispflichtiges Fahrzeug unter einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss führen wird und liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppen 1 (FE-Klasse/n A, B, BE (79.06)) in Frage stellen?

Da keine fristgerechte Vorlage des angeforderten Gutachtens erfolgte, erhielt der Antragsteller mit Schreiben vom 16. Februar 2023 Gelegenheit sich zum beabsichtigten Fahrerlaubnisentzug zu äußern.

Mit Bescheid vom 3. März 2023 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis für Kraftfahrzeuge aller Klassen (Ziffer I), verpflichtete ihn, unter Androhung unmittelbaren Zwangs (Ziffer IV), den Führerschein innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids abzugeben (Ziffer II). Der Sofortvollzug der Ziffern I und II wurde angeordnet (Ziffer III). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe das zu Recht geforderte Gutachten nicht vorgelegt, weshalb auf seine Nichteignung gemäß § 11 Abs. 8 FeV zu schließen sei. Aufgrund der beiden verwertbaren Trunkenheitsfahrten sei zur Klärung der Eignungsbedenken die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13 Nr. 2 Buchst. b FeV anzuordnen gewesen.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Mittelfranken vom 13. April 2023, zugestellt am 17. April 2023, zurückgewiesen.

Der Führerschein des Antragsstellers wurde durch die Polizei sichergestellt.

Der Antragsteller ließ am 17. Mai 2023 Klage erheben und einen Eilantrag stellen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dem Antragsteller sei nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden. Die Vorlage eines Gutachtens hätte nicht gefordert werden dürfen. Selbst wenn der Antragsteller am 31. März 2022 unter Alkoholeinfluss gestanden haben sollte, so hätte dies die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigt. Eine strafgerichtliche Verurteilung sei wegen des Vorfalls nicht erfolgt. Die Fahrerlaubnisentziehung stelle für den Antragsteller eine unzumutbare Härte dar, da er auf die Fahrerlaubnis dringend angewiesen sei. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei rechtswidrig, da eine Gefährdung der Verkehrssicherheit durch den Antragsgegner zu Unrecht angenommen werde. Es liege ein fehlerhafter Ermessensnichtgebrauch vor, da der Fahrerlaubnisentzug nicht zwingend gewesen sei. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit wären gegebenenfalls Auflagen als milderes Mittel anzuordnen gewesen. Gestützt werde der Fahrerlaubnisentzug auf einen Vorfall vom 31. März 2022. Der Antragsgegner habe über ein halbes Jahr nichts unternommen. Daher könne nicht damit argumentiert werden, andere Verkehrsteilnehmer würden durch den Antragsteller gefährdet. Für eine Alkoholabhängigkeit gebe es keine Belege. Der angefochtene Bescheid sei nicht verhältnismäßig, da der Antragsteller nur vier Punkte im Fahreignungsregister habe. Die Trunkenheitsfahrt aus dem Jahr 2012 sei über zehn Jahre her und dürfe nicht mehr verwertet werden. Dem Antragsteller sei es finanziell nicht möglich, eine Begutachtung zu bezahlen.

Der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung anzuordnen bzw. wiederherzustellen.

Der Antragsgegner beantragt, Antragsablehnung.

Auf die Ausführungen des Antragsgegners in der Antragserwiderung wird verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Eilantrag ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

1.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig.

Der nach sachgerechter Auslegung (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Ablieferungspflicht des Führerscheins verstandene Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO ist aufgrund des angeordneten Sofortvollzugs (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) statthaft.

Der Antrag wird weiter dahingehend ausgelegt, dass er sich nicht auf die Zwangsmittelandrohung in Ziffer II des angefochtenen Bescheids bezieht. Der Führerschein des Antragstellers wurde polizeilich sichergestellt, sodass sich die Zwangsmittelandrohung erledigt hat.

2.

Der zulässige Antrag ist begründet.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Falle der Anordnung des Sofortvollzugs durch die Behörde (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) ganz oder teilweise wiederherstellen.

Das Gericht überprüft dabei, ob die Anordnung des Sofortvollzugs durch die Behörde den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt und nimmt sodann eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs und dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug des Bescheids vor. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgeblich. Ergibt die summarische Prüfung, dass der zugrundeliegende Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist, ein Hauptsacherechtsbehelf also voraussichtlich erfolglos wäre, so überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug. Ergibt die Prüfung umgekehrt, dass der angefochtene Bescheid offensichtliche Rechtsmängel aufweist und der Hauptsacherechtsbehelf damit voraussichtlich Erfolgsaussichten hätte, so überwiegt regelmäßig das private Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Vollstreckung bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben. Bei offenen Erfolgsaussichten findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.

a)

Die Begründung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entspricht den formalen Erfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug ausreichend begründet wurde.

An den Inhalt der schriftlichen Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1436 – juris Rn. 20). Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2021 – 11 CS 21.1965 – juris Rn. 14; B.v. 14.9.2016 – 11 CS 16.1467 – juris Rn. 13). Bei dieser häufig wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltung, der eine typische Interessenlage zugrunde liegt, reicht es aus, diese Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde auch im konkreten Fall vorliegt (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2021, a.a.O.; B.v. 23.5.2013 – 11 CS 13.785 – juris Rn. 7; B.v. 5.9.2008 – 11 CS 08.1890 – juris Rn. 18). Dem hat der Antragsgegner genügt, indem er – ausgehend von einer fehlenden Fahreignung – den sofortigen Ausschluss des Antragstellers vom Straßenverkehr im Interesse der Verkehrssicherheit und des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer für erforderlich erklärt hat. Die behördliche Annahme, dass einem nicht fahrgeeigneten Kraftfahrer im Hinblick auf die damit für die Allgemeinheit verbundenen erheblichen Gefahren die Fahrerlaubnis ungeachtet des Gewichts seines persönlichen Interesses an der Teilnahme am individuellen Straßenverkehr nicht bis zum Eintritt der Bestandskraft des Entziehungsbescheids belassen werden kann, begegnet keinen Bedenken (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2021 a.a.O. m.w.N.; OVG NW, B.v. 22.1.2001 – 19 B 1757/00 u.a. – juris Rn. 17).

Auch bezüglich der Abgabe des Führerscheins wurde der Sofortvollzug ausreichend im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet, indem ausgeführt wird, dass bei Nichtabgabe des Führerscheins die nicht auszuschließende Gefahr des Missbrauchs durch das Vorzeigen bei möglichen Verkehrskontrollen besteht.

Der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit steht auch nicht der Zeitablauf zwischen der letzten Trunkenheitsfahrt am 31. März 2022 und dem Erlass der Anordnung zur Gutachtensbeibringung vom 9. November 2022 entgegen. Da der Antragsgegner erst durch Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 2. August 2022, Eingang bei der Fahrerlaubnisbehörde am 11. August 2022, von der weiteren Trunkenheitsfahrt des Antragstellers Kenntnis erhielt, ist die Annahme des Bevollmächtigten, dass die Behörde über ein halbes Jahr nichts unternommen habe, nicht zutreffend. Die tatsächliche Bearbeitungszeit von drei Monaten ist nicht als unangemessen lang einzustufen und steht der Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht entgegen.

b)

Die in dem angefochtenen Bescheid verfügte Fahrerlaubnisentziehung und die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins sind nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage rechtswidrig und verletzen den Antragsteller damit in seinen Rechten, sodass die erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich erfolgreich sein wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Entziehung der Fahrerlaubnis war rechtwidrig, da im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung die Annahme der Ungeeignetheit des Antragstellers wegen Nichtbeibringung des Fahreignungsgutachtens nicht zulässig war.

aa)

Der Einwand des Bevollmächtigten, dem Antragsteller sei nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt worden, verfängt allerdings nicht. Insbesondere hörte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 16. Februar 2023 vor Erlass des Entzugsbescheids gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG an. Soweit der Bevollmächtigte vorträgt, der angefochtene Bescheid sei unverhältnismäßig, da der Antragsteller nur vier Punkte im Fahreignungsregister habe, dringt er hiermit ebenfalls nicht durch. Denn im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss ordnet § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV als Spezialregelung zu § 4 StVG die Klärung der Eignung durch Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ohne Rücksicht auf dem Punktestand zwingend an (vgl. BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 3 C 9/21 – juris Rn. 32: Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 4 StVG Rn. 35). Auch der Einwand der fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Antragstellers, der in keiner Weise substantiiert wurde, verfängt nicht. Fehlende finanzielle Mittel stellen keinen Grund dar, von notwendigen Aufklärungsmaßnahmen abzusehen. Von einem zur Vorlage eines Eignungsgutachtens verpflichteten Verkehrsteilnehmer ist zu fordern, dass er alle ernsthaft in Betracht kommenden Möglichkeiten ausschöpft, um die einer Begutachtung entgegenstehenden finanziellen Hemmnisse auszuräumen. Allenfalls dann, wenn der Betroffene entsprechende noch nicht abgeschlossene Bemühungen, wie z.B. die Abklärung einer etwaigen Ratenzahlung mit dem Gutachter oder einer etwaigen Finanzierungsmöglichkeit geltend und glaubhaft macht, kann die Fahrerlaubnisbehörde gehalten sein, ihre abschließende Entscheidung vorübergehend zurückzustellen, soweit die dadurch eintretende Verzögerung auch unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit vertretbar erscheint (zum Ganzen BayVGH, B.v. 7.2.2022 – 11 CS 21.2385 – juris Rn. 24). Diese Voraussetzungen sind hier augenscheinlich nicht gegeben. Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten kamen Auflagen als milderes Mittel vorliegend nicht in Betracht, da die fahrerlaubnisrechtlichen Vorschriften die Anordnung von Auflagen insoweit nicht vorsehen. Ferner stellte der Antragsgegner nicht auf eine Alkoholabhängigkeit des Antragstellers ab, weshalb auch dieser Einwand nicht verfängt.

bb)

Gleichwohl war die Entziehung der Fahrerlaubnis im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung nicht rechtmäßig, da die erste Trunkenheitsfahrt vom 25. Februar 2012 hierfür nicht mehr herangezogen werden durfte.

(1)

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder nur bedingt geeignet ist, finden gemäß § 2 Abs. 8 StVG i.V.m. § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann (Alkoholmissbrauch). Missbrauch liegt nach Ziffer 3.13.1 der Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung vor, wenn ein Fahrerlaubnisinhaber das Führen eines Kraftfahrzeuges und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann, ohne bereits alkoholabhängig zu sein. In einem solchen Fall ist der Betroffene nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu entsprechen. Aus Ziffer 8.2 der Anlage 4 zur FeV ergibt sich, dass Eignung und bedingte Eignung nach Beendigung des Missbrauchs wieder bejaht werden können, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist.

Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden. Ein Ermessen steht der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu, vielmehr hat sie bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ein solches Gutachten anzuordnen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Fall der Nichtbeibringung des Gutachtens ist nur zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung formell und materiell rechtmäßig erfolgte. Voraussetzung ist insbesondere, dass die Anordnung des Gutachtens anlassbezogen und verhältnismäßig war (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2020 – 11 CS 20.1061 – juris Rn. 16). Bei feststehender Ungeeignetheit ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukäme. Dies gilt auch bei der Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2020 – 11 CS 20.1061 – juris Rn. 16). Billigkeitserwägungen wie das Angewiesensein auf den Führerschein – auch zur Berufsausübung – können nicht entgegengebracht werden.

Die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV setzt mindestens zwei verwertbare Zuwiderhandlungen voraus, wobei Zuwiderhandlungen im Sinne dieser Norm nicht nur Straftaten, sondern auch Ordnungswidrigkeiten sind (vgl. Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 13 FeV Rn. 22). Es reichen also bereits zwei Trunkenheitsfahrten mit einem Kraftfahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,5 Promille oder einer Atemalkoholkonzentration von mindestens 0,25 mg/l (Koehl in: Haus/Krumm/ Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Auflage 2021, FeV § 13 Rn. 14). Wie lang dem Inhaber einer Fahrerlaubnis ein in der Vergangenheit liegendes Fehlverhalten entgegengehalten werden darf, beantwortet sich nach Maßgabe gesetzlicher Tilgungs- und Verwertungsbestimmungen (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2007 – 11 CS 06.1634 – juris Rn. 21).

Der Antragsteller hat sowohl am 25. Februar 2012 als auch am 31. März 2022 ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr geführt, wobei die erste Trunkenheitsfahrt strafrechtlich und die zweite Trunkenheitsfahrt ordnungswidrigkeitenrechtlich geahndet wurde. Da Zuwiderhandlungen im Sinne des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV nicht nur Straftaten, sondern auch Ordnungswidrigkeiten sind, ist grundsätzliche eine Anwendbarkeit der Norm gegeben. Der Antragsteller muss sich auch die mit Bußgeldbescheid vom 28. April 2022, rechtskräftig seit 27. Juni 2022, geahndete Trunkenheitsfahrt entgegenhalten lassen. Rechtskräftige Bußgeldbescheide entfalten Bindungswirkung für die Fahrerlaubnisbehörde (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 4 FeV) in gleicher Weise wie gerichtliche Entscheidungen auch dann, wenn sie selbst keiner gerichtlichen Überprüfung unterzogen wurden. Sie dürfen auch einer Anordnung zur Gutachtensbeibringung zugrunde gelegt werden (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2014 – 11 CS 14.1627 – juris Rn. 14). Dabei stand der Fahrerlaubnisbehörde – entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten – weder im Rahmen der Entscheidung betreffend die Gutachtensbeibringung noch im Zusammenhang mit dem Schluss auf die Nichteignung gemäß § 11 Abs. 8 FeV ein Ermessen zu.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Entziehung der Fahrerlaubnis ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 3 C 9/21 – juris Rn. 13), hier der Erlass des Widerspruchsbescheids (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2011 – 11 ZB 10.2620 – juris Rn. 29). Die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens ist demgegenüber nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Ergehens zu beurteilen. Dies gilt jedoch nur für die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens, nicht für die hierauf gestützte Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5/20 – juris Rn. 14). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtfertigt der Umstand, dass die Zuwiderhandlung im Zeitpunkt der Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens noch verwertbar war, keine andere Beurteilung. Zwar darf die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er ein von ihr zu Recht gefordertes Fahreignungsgutachten nicht beigebracht hat; zugleich ist nach ständiger Rechtsprechung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beibringungsaufforderung auf den Zeitpunkt ihres Ergehens abzustellen. Doch lässt sich weder § 11 Abs. 8 FeV noch anderen Regelungen im Straßenverkehrsgesetz oder in der Fahrerlaubnis-Verordnung entnehmen, dass damit auch ein im Straßenverkehrsgesetz angeordnetes Verwertungsverbot für im Fahreignungsregister zu tilgende und zu löschende oder aus anderen Gründen, etwa gemäß § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG a.F. oder § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG nicht berücksichtigungsfähige Eintragungen, durchbrochen wird (zum Ganzen BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3C5/20 – juris Rn. 25; vgl. auch BayVGH, U.v. 17.1.2020 – 11 B 19.1274 – juris Rn. 26, 33).

(2)

Bei Anwendung diese Maßgaben konnte der Antragsgegner für den Entzug der Fahrerlaubnis nicht mehr auf die Zuwiderhandlung vom 25. Februar 2012 zurückgreifen, da die Eintragung im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids tilgungsreif war und nicht mehr verwendet werden durfte.

Die Trunkenheitsfahrt des Antragstellers vom 25. Februar 2012 wurde mit strafgerichtlicher Entscheidung vom 19. April 2012, rechtskräftig seit 8. Mai 2012, geahndet. Zugleich wurde die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist von sieben Monaten angeordnet (§§ 69, 69a StGB). Da diese Entscheidung vor Ablauf des 30. April 2014 im Verkehrszentralregister gespeichert wurde, erfolgt gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 StVG die Tilgung und Löschung bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.); nach § 65 Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 Buchst. a StVG gilt ab dem 1. Mai 2019 für die Berechnung der Tilgungsfrist § 29 Abs. 1 bis 5 in der ab dem 1. Mai 2014 anwendbaren Fassung mit der Maßgabe, dass die nach Satz 1 bisher abgelaufene Frist angerechnet wird (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 7.4.2022 – 3 C 9/21 – Rn. 50). Danach betrug im vorliegenden Fall die Tilgungsfrist für die eingetragene Zuwiderhandlung zehn Jahre (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 a.F.), wobei die Tilgungsfrist gemäß § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG a.F. erst mit der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, hier am 15. April 2013, zu laufen begann und am 15. April 2023 endete.

Demzufolge war die erste Trunkenheitsfahrt zwar im Zeitpunkt des Ergehens der Aufforderung zur Gutachtensbeibringung am 9. November 2022 und auch im Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids vom 3. März 2023 noch verwertbar, nicht mehr jedoch im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Erlasses des Widerspruchsbescheids. Dabei ist nicht auf das (nur interne) Bescheidsdatum 13. April 2023, sondern auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe und damit der Wirksamkeit gegenüber dem Betroffenen (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) abzustellen, d.h. das Datum der Zustellung des Widerspruchsbescheids am 17. April 2023 (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2011 – 11 ZB 10.2620 – juris Rn. 29), also zwei Tage nach Ablauf der Tilgungsfirst am 15. April 2023.

Eine Verwendbarkeit der eingetragenen ersten Trunkenheitsfahrt – trotz Tilgungsreife – folgt auch nicht aus § 29 Abs. 6 StVG. Gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1 StVG wird nach Eintritt der Tilgungsreife eine Eintragung vorbehaltlich der Sätze 2 und 4 gelöscht. Eine Eintragung nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 StVG, wie vorliegend, wird nach Eintritt der Tilgungsreife erst nach einer Überliegefrist von einem Jahr gelöscht (§ 29 Abs. 6 Satz 2 StVG). Während dieser Überliegefrist darf der Inhalt dieser Eintragung für die Durchführung anderer als der in § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 oder 2 StVG genannten Verfahren zur Entziehung einer Fahrerlaubnis verwendet werden, wenn die Tat als Grundlage in einer noch gespeicherten Maßnahme nach § 28 Abs. 3 Nr. 5, 6 oder 8 StVG genannt ist (§ 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 4 StVG). Der Wortlaut der Vorschrift sieht damit eine Tat vor, die zeitlich weiter zurückliegt und einer eigenen Tilgungsfrist unterfällt. Diese Tat muss in der Folge von der Fahrerlaubnisbehörde als Grundlage einer – weiteren – Maßnahme herangezogen worden sein und soll nunmehr – also nach Ablauf der eigenen Tilgungsfrist der Tat, aber noch innerhalb der Tilgungsfrist der auf sie gestützten nachfolgenden fahrerlaubnisbehördlichen Maßnahme – erneut für ein Verfahren zur Erteilung oder Versagung der Fahrerlaubnis genutzt werden (vgl. VG Karlsruhe, B.v. 3.12.2021 – 2 K 2745/21 – juris Rn. 41). Nach der Gesetzesbegründung soll durch § 29 Abs. 6 Satz 3 StVG klargestellt werden, dass eine Tat, die zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hat, trotz Ablaufs der Tilgungsfrist (d.h. in der Überliegefrist) verwendet werden kann. Voraussetzung ist, dass die Tat in der Entziehungs- oder Versagungsentscheidung genannt ist und diese Entscheidung noch gespeichert ist und daher ihrerseits (mit ihren Gründen) noch verwendet werden darf. Es geht dabei um die Verwertung von Kenntnissen über Verstöße, die im Entziehungsbescheid vorgehalten werden, da die Verstöße als eigener Eintrag aus dem Register insbesondere nach Löschung gar nicht mehr hervorgehen (vgl. BT-Drs 19/28684, S.53 f.).

Im vorliegenden Fall wurde die Trunkenheitsfahrt des Antragstellers vom 25. Februar 2012 durch die strafgerichtliche Entscheidung des Amtsgerichts … vom 19. April 2012 geahndet, mit welcher dem Antragsteller auch der Führerschein gemäß § 69 Abs. 1 StGB entzogen wurde. Diese Tat wurde damit nicht zur Grundlage einer nachfolgenden behördlichen Entzugsentscheidung, so dass nicht die oben dargestellte Konstellation vorliegt, die von der Regelung des § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 4 StVG erfasst werden soll. Weiter handelt es sich bei der strafgerichtlichen Entscheidung vom 19. April 2012 nicht um eine solche nach § 28 Abs. 3 Nr. 5, 6 oder 8 StVG mit der Folge, dass die Voraussetzungen des § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 4 StVG auch deshalb nicht gegeben sind. Als Maßnahmen nach § 28 Abs. 3 Nr. 5, 6 oder 8 StVG, welche im Sinne von § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 4 StVG noch gespeichert sind, kommen verwaltungsbehördliche Entscheidungen, nicht jedoch strafgerichtliche Entscheidungen in Betracht. Die genannten Entscheidungen sind spezifisch verwaltungsaktstypisch formuliert und sprechen von unanfechtbaren oder sofort vollziehbaren Maßnahmen. Dass unter die in § 28 Abs. 3 Nr. 5, 6 oder 8 StVG genannten Maßnahmen nicht auch strafgerichtliche Entscheidungen fallen sollen, ergibt sich ferner aus dem Verhältnis zu § 28 Abs. 3 Nr. 1 und 2 StVG. Denn darin sind Entscheidungen des Strafgerichts über Entziehungen der Fahrerlaubnis und hiermit verbundene oder verwandte Entscheidungen, wie die isolierte Verhängung einer Sperre für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis, explizit geregelt (vgl. zum Ganzen VG Karlsruhe, B.v. 3.12.2021 – 2 K 2745/21 – juris Rn. 44). Da § 29 Abs. 7 StVG für gelöschte Eintragungen gilt, scheidet eine Anwendung des § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG aus und würde im Übrigen aufgrund des Gleichlaufs der Tatbestandsvoraussetzungen zu § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 4 StVG zu keinem anderen Ergebnis führen. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen kommt auch eine Auslegung dahingehend nicht in Betracht, dass die gegenständliche Entziehung der Fahrerlaubnis mit Ausgangsbescheid vom 3. März 2023, die als sofort vollziehbare Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 28 Abs. 3 Nr. 6 Buchst. a) StVG einzutragen ist, als eine noch gespeicherte Maßnahme im Sinne von § 29 Abs. 6 Satz 3 Nr. 4 StVG oder § 29 Abs. 7 Satz 2 StVG einzustufen ist. Denn mit einer noch gespeicherten Maßnahme ist nicht die hier streitgegenständliche Maßnahme gemeint, deren Grundlage durch Tilgung der eingetragenen Zuwiderhandlung weggefallen ist, sondern eine „frühere“ fahrerlaubnisbehördliche Maßnahme, die noch im Fahreignungsregister gespeichert ist, deren Anlasstat jedoch bereits aus dem Register gelöscht ist und die nun für eine fahrerlaubnisbehördliche Maßnahme herangezogen werden soll.

Aufgrund der sich mit dem streitgegenständlichen Bescheid (im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids) voraussichtlich als rechtswidrig erweisenden Entziehung der Fahrerlaubnis ist auch die unter Ziffer II dieses Bescheids verfügte Abgabeverpflichtung des Führerscheins gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV voraussichtlich ebenfalls rechtswidrig.

Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen Ziffer I und II des angefochtenen Bescheids ist daher wiederherzustellen, was zur Folge hat, dass dem Antragsteller der Führerschein wieder auszuhändigen oder ihm ein Ersatzdokument auszustellen ist (§ 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO).

3.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5, 46.1, 46.3 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

 

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