Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Geblitzt: Muss die Polizei alle technischen Daten des Blitzers herausgeben?
- Der Beginn des Streits: Eine Forderung nach Transparenz
- Warum waren diese Daten so wichtig für die Verteidigung?
- Der erste Widerstand: Behörde und Amtsgericht blocken ab
- Die Beschwerde: Der Fall geht in die nächste Instanz
- Die Begründung des Landgerichts: Ein Sieg für das faire Verfahren
- Das konkrete Ergebnis: Was die Behörde nun liefern muss
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche technischen Informationen zu einem Blitzer kann ich bei einem Bußgeldverfahren anfordern?
- Warum sind umfassende technische Daten wichtig, um die Richtigkeit einer Geschwindigkeitsmessung zu überprüfen?
- Habe ich einen Rechtsanspruch darauf, die vollständigen Messdaten eines Blitzers von den Behörden zu erhalten?
- Was kann ich tun, wenn die Behörden oder das Gericht die Herausgabe der angeforderten Messdaten verweigern?
- Wie wird der Datenschutz anderer geblitzter Personen berücksichtigt, wenn ich Messdaten einfordere?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 5 Qs 107/19 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Kaiserslautern
- Datum: 20.01.2020
- Aktenzeichen: 5 Qs 107/19
- Verfahrensart: Beschwerdeverfahren (im Rahmen eines Bußgeldverfahrens)
- Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht, Strafprozessrecht, Verfassungsrecht, Datenschutzrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Die Betroffene, die einen Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung erhalten hatte und durch ihre Verteidigerin umfassende Messdaten und Unterlagen zur Überprüfung der Messung forderte.
- Beklagte: Das Polizeipräsidium Rheinpfalz, Zentrale Bußgeldstelle, das die Herausgabe der vollständigen Messdaten und Unterlagen zunächst ablehnte und dem durch das Gericht die Herausgabe nunmehr auferlegt wurde.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine Person erhielt einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Ihr Anwalt beantragte umfassende Daten und Unterlagen des verwendeten Messgeräts, um die Messung überprüfen zu können. Nachdem die Behörde die vollständige Herausgabe ablehnte, wurde der Antrag auch vom Amtsgericht abgewiesen.
- Kern des Rechtsstreits: Im Mittelpunkt stand die Frage, ob eine Person in einem Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung Anspruch auf umfassende Messdaten und Unterlagen des Messgeräts hat. Dies sollte der Verteidigung ermöglichen, die Messung zu überprüfen und sich effektiv zu verteidigen. Dabei waren auch Datenschutzbedenken und die Grundsätze des fairen Verfahrens zu berücksichtigen.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Landgericht Kaiserslautern hob die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts auf. Es wies die zuständige Bußgeldstelle an, der Verteidigerin umfangreiche digitale Falldatensätze der gesamten Messreihe, den Public Key des Messgerätes, aktuelle Wartungs- und Eichunterlagen sowie die verkehrsrechtliche Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkung zur Verfügung zu stellen.
- Begründung: Das Gericht begründete seine Entscheidung mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs. Diese erfordern, dass die Verteidigung vollen Zugang zu relevanten Messdaten und Unterlagen erhält, um die Messung überprüfen und mögliche Fehler aufzeigen zu können. Datenschutzrechtliche Bedenken stünden dem nicht entgegen, da das Recht auf ein faires Verfahren hier überwiegt und keine Gefahr der Weitergabe besteht.
- Folgen: Die Betroffene erhält die geforderten Messdaten und Unterlagen zur Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
Der Fall vor Gericht
Geblitzt: Muss die Polizei alle technischen Daten des Blitzers herausgeben?
Jeder Autofahrer kennt die Situation: Ein kurzer Blitz am Straßenrand, und wenige Wochen später liegt der Bußgeldbescheid im Briefkasten. Ein Bußgeldbescheid ist die formelle Mitteilung einer Behörde über eine Ordnungswidrigkeit und die dafür fällige Geldstrafe. Meistens zahlt man zähneknirschend. Aber was, wenn man Zweifel an der Messung hat? Was, wenn man vermutet, dass das Messgerät, umgangssprachlich Blitzer genannt, an diesem Tag nicht korrekt funktioniert hat? Um das zu beweisen, bräuchte man mehr als nur das Blitzerfoto. Man bräuchte Einblick in die Technik. Genau um diesen Einblick ging es in einer Entscheidung des Landgerichts Kaiserslautern.
Der Beginn des Streits: Eine Forderung nach Transparenz

Eine Autofahrerin, nennen wir sie Frau W., wurde außerhalb einer geschlossenen Ortschaft mit 24 km/h zu viel geblitzt. Das zuständige Polizeipräsidium schickte ihr einen Bußgeldbescheid über 70 Euro. Doch Frau W. und ihre Verteidigerin wollten sich damit nicht zufriedengeben. Sie hatten den Verdacht, dass bei der Messung mit dem Gerät vom Typ ESO ES 3.0 etwas nicht gestimmt haben könnte. Um das zu überprüfen, reichte das einzelne Blitzerfoto bei Weitem nicht aus.
Deshalb forderte die Verteidigerin von der Behörde eine ganze Reihe an technischen Unterlagen. Aber was genau wollte sie haben? Stellen Sie sich das Messgerät wie einen Computer vor, der den ganzen Tag Daten sammelt. Die Verteidigerin wollte nicht nur das eine Endergebnis (das Blitzerfoto), sondern quasi das gesamte Arbeitsprotokoll dieses Computers. Dazu gehörten die digitalen Falldatensätze der gesamten Messreihe, also die Daten aller Messungen, die das Gerät an diesem Tag durchgeführt hat, nicht nur die von Frau W. Außerdem forderte sie die sogenannten Rohmessdaten, also die unverarbeiteten Basisinformationen, die das Gerät erfasst, bevor es daraus eine Geschwindigkeit berechnet.
Zusätzlich verlangte sie den „Public Key“ des Gerätes. Dies ist eine Art digitaler Sicherheitsschlüssel, mit dem man überprüfen kann, ob die gespeicherten Daten echt und nicht nachträglich manipuliert worden sind. Schließlich wollte sie die komplette „Lebensakte“ des Blitzers einsehen: Alle Nachweise über Wartungen, Reparaturen und Eichungen, also die regelmäßigen, gesetzlich vorgeschriebenen Überprüfungen der Messgenauigkeit, seit das Gerät zum ersten Mal in Betrieb genommen wurde.
Warum waren diese Daten so wichtig für die Verteidigung?
Die Verteidigerin argumentierte, dass nur mit diesen umfassenden Daten eine echte Überprüfung der Messung möglich sei. Aber warum? Der Grund liegt in einem juristischen Konzept, das sich „Standardisiertes Messverfahren“ nennt. Das bedeutet: Gerichte gehen grundsätzlich davon aus, dass solche amtlich zugelassenen und geeichten Blitzer korrekte Ergebnisse liefern. Will ein Betroffener das Gegenteil beweisen, muss er konkrete Anhaltspunkte für einen Fehler vorbringen. Ein einfaches „Ich glaube, das stimmt nicht“ reicht nicht aus.
Genau hierfür brauchte die Verteidigerin die Daten. Nur durch die Analyse der gesamten Messreihe ließe sich zum Beispiel feststellen, ob das Gerät an diesem Tag ungewöhnlich viele Messungen abbrechen oder als fehlerhaft verwerfen musste. Eine hohe Fehlerquote könnte auf einen Defekt oder eine falsche Aufstellung des Blitzers hindeuten. Mit den Rohmessdaten wiederum könnte ein Sachverständiger selbst nachrechnen, ob das Gerät die Geschwindigkeit korrekt ermittelt hat. Die Lebensakte des Geräts könnte zeigen, ob es in der Vergangenheit oft repariert oder nachjustiert werden musste, was seine Zuverlässigkeit infrage stellen würde. Ohne diese Informationen, so die Verteidigerin, sei eine effektive Verteidigung unmöglich.
Der erste Widerstand: Behörde und Amtsgericht blocken ab
Das Polizeipräsidium schickte der Verteidigerin zwar eine CD mit einigen Informationen, weigerte sich aber, die entscheidenden Daten wie die gesamte Messreihe und die Wartungsnachweise herauszugeben. Daraufhin wandte sich die Verteidigerin an das zuständige Amtsgericht Kaiserslautern. Ein Amtsgericht ist in Deutschland die erste Instanz, also das erste Gericht, das sich mit solchen Fällen befasst. Doch auch hier scheiterte sie.
Das Gericht lehnte den Antrag ab. Die Begründung war zweigeteilt. Erstens seien die geforderten Unterlagen nicht Teil der offiziellen Verfahrensakte, also der Sammlung aller für den Fall relevanten Schriftstücke. Es gäbe keine Pflicht, sie beizuziehen. Zweitens stünden datenschutzrechtliche Gründe entgegen. Schließlich würde die Herausgabe der gesamten Messreihe auch Daten anderer Autofahrer offenlegen, die an diesem Tag geblitzt wurden. Nach einigen weiteren prozessualen Schritten landete der Fall schließlich zur Hauptverhandlung wieder beim Amtsgericht. Die Verteidigerin stellte ihren Antrag erneut, doch der Richter lehnte wieder ab, diesmal nur mit einer formlosen Mitteilung.
Die Beschwerde: Der Fall geht in die nächste Instanz
Gegen diese Ablehnung legte die Verteidigerin von Frau W. eine Beschwerde ein. Eine Beschwerde ist ein Rechtsmittel, mit dem man eine Entscheidung eines Gerichts, die nicht das endgültige Urteil ist, von einer höheren Instanz überprüfen lassen kann. Diese höhere Instanz war in diesem Fall das Landgericht Kaiserslautern. Das Landgericht musste nun zwei grundlegende Fragen klären. Erstens: Durfte Frau W. überhaupt Beschwerde einlegen? Und zweitens, falls ja: Hatte sie in der Sache recht und muss die Behörde die Daten herausgeben?
Das Landgericht entschied: Ja, die Beschwerde ist zulässig, und ja, sie ist auch begründet. Es hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und wies das Polizeipräsidium an, der Verteidigerin fast alle geforderten Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Die Begründung des Landgerichts: Ein Sieg für das faire Verfahren
Aber wie kam das Gericht zu dieser weitreichenden Entscheidung? Um das zu verstehen, müssen wir der juristischen Logik Schritt für Schritt folgen.
Schritt 1: Warum die Beschwerde zulässig war
Normalerweise kann man nicht jede einzelne Entscheidung eines Richters während eines laufenden Verfahrens anfechten. Das soll verhindern, dass Prozesse durch ständige Beschwerden endlos in die Länge gezogen werden. Das Gesetz sieht vor, dass man solche Fehler in der Regel erst zusammen mit dem Endurteil anfechten kann. Das Landgericht argumentierte hier jedoch, dass dieser Fall eine Ausnahme darstellt. Würde man Frau W. die Daten verweigern und sie würde am Ende verurteilt, könnte dieser Fehler später möglicherweise nicht mehr korrigiert werden. Ihr Recht auf eine effektive Verteidigung wäre dann unwiederbringlich verletzt. Um dieses Risiko zu vermeiden, muss eine Überprüfung sofort im Beschwerdeverfahren möglich sein.
Schritt 2: Das Recht auf „Waffengleichheit“
Der wichtigste Punkt in der Begründung des Landgerichts waren zwei Grundrechte: das Recht auf ein faires Verfahren und das Recht auf rechtliches Gehör. Das Recht auf ein faires Verfahren beinhaltet den Grundsatz der „Waffengleichheit“. Das klingt kompliziert, lässt sich aber einfach erklären: Stellen Sie sich einen Wettkampf vor, bei dem ein Teilnehmer alle nötigen Informationen und Werkzeuge hat, der andere aber fast nichts. Das wäre unfair. Im Gerichtssaal bedeutet Waffengleichheit, dass die Verteidigung denselben Zugang zu entscheidenden Informationen haben muss wie die Anklagebehörde. Die Behörde hat alle Messdaten, also muss auch die Verteidigung sie bekommen können, um die Vorwürfe auf Augenhöhe prüfen zu können.
Schritt 3: Nur mit Informationen kann man sich verteidigen
Eng damit verbunden ist das rechtliche Gehör. Dieses Grundrecht sichert jedem zu, sich vor Gericht zu den Vorwürfen äußern zu können. Aber, so das Landgericht, dieses Recht wäre wertlos, wenn man dem Betroffenen die Informationen vorenthält, die er für seine Argumentation benötigt. Wie soll Frau W. konkret darlegen, was an der Messung falsch war, wenn sie nicht einmal die Daten sehen darf, aus denen sich der Fehler ergeben könnte? Das Gericht machte klar: Die Verteidigung darf nicht auf einen reinen „Informationsblindflug“ angewiesen sein.
Schritt 4: Was ist mit dem Datenschutz?
Und was ist mit den Daten der anderen geblitzten Autofahrer? Das Landgericht wog hier die verschiedenen Interessen gegeneinander ab. Auf der einen Seite steht das Recht der anderen Fahrer auf den Schutz ihrer Daten (Foto und Kennzeichen). Auf der anderen Seite steht das Recht von Frau W. auf ein faires Verfahren. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das Recht auf ein faires Verfahren hier Vorrang hat. Der Eingriff in den Datenschutz der anderen Fahrer sei vergleichsweise gering, da keine Namen oder Adressen weitergegeben werden. Zudem sei ein Anwalt als Organ der Rechtspflege zur Verschwiegenheit verpflichtet und werde die Daten nicht missbrauchen.
Das konkrete Ergebnis: Was die Behörde nun liefern muss
Das Landgericht ordnete daher an, dass das Polizeipräsidium folgende Unterlagen auf einem Speichermedium an die Verteidigerin übergeben muss:
- Die digitalen Falldatensätze der gesamten Messreihe, um Fehler im Messbetrieb aufzudecken.
- Den Public Key, um die Echtheit der Daten zu verifizieren.
- Die Wartungs- und Reparaturunterlagen, allerdings nur seit der letzten Eichung. Eine Pflicht, alle Unterlagen seit der ersten Inbetriebnahme aufzubewahren, sah das Gericht nicht.
- Die Eichscheine, also die offiziellen Zertifikate der Messgenauigkeit, seit der ersten Inbetriebnahme. Aus der Häufigkeit von Eichungen könnten sich Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit des Geräts ergeben.
- Die verkehrsrechtliche Anordnung, also das offizielle Dokument, das die Geschwindigkeitsbegrenzung an dieser Stelle anordnet. So kann die Verteidigung prüfen, ob das Tempolimit überhaupt rechtmäßig war.
Die Schlüsselerkenntnisse
Autofahrer haben das Recht, bei Zweifeln an einer Blitzermessung umfassende technische Daten des Messgeräts einzusehen, um ihre Unschuld zu beweisen. Das Landgericht Kaiserslautern entschied, dass Polizeibehörden nicht nur das Blitzerfoto herausgeben müssen, sondern auch alle Messdaten des Tages, Wartungsunterlagen und digitale Sicherheitsschlüssel zur Verfügung stellen müssen. Das Gericht begründete dies mit dem Recht auf ein faires Verfahren – Betroffene dürfen nicht im „Informationsblindflug“ gegen Bußgeldbescheide vorgehen müssen. Diese Entscheidung stärkt die Position von Autofahrern erheblich, da sie nun mit konkreten Daten mögliche Messfehler nachweisen können, statt auf bloße Vermutungen angewiesen zu sein.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche technischen Informationen zu einem Blitzer kann ich bei einem Bußgeldverfahren anfordern?
Wenn Sie in einem Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung beschuldigt werden, können Sie nicht nur das Blitzerfoto anfordern. Um die Messung umfassend überprüfen zu können, sind weitere technische Informationen und Dokumente relevant. Der Anspruch auf diese Informationen ergibt sich aus Ihrem Recht auf Akteneinsicht. Dieses Recht ermöglicht es Ihnen, alle für das Verfahren wichtigen Unterlagen einzusehen. Es geht dabei darum, die Messung auf mögliche Fehler oder Unstimmigkeiten zu überprüfen.
Daten zur Messung selbst
Besonders wichtig sind die Daten, die direkt mit der Geschwindigkeitsmessung zusammenhängen. Dazu gehören:
- Rohmessdaten: Das sind die ursprünglichen, unverarbeiteten Daten, die das Messgerät während des gesamten Messvorgangs erfasst hat. Stellen Sie sich vor, ein Blitzergerät zeichnet nicht nur den einen Moment auf, in dem die Geschwindigkeit bestimmt wird, sondern eine ganze Reihe von Datenpunkten über einen bestimmten Zeitraum. Die Rohmessdaten zeigen diese gesamte Messreihe, also den kompletten Ablauf der Messung. Sie können Aufschluss darüber geben, ob die Messung korrekt durchgeführt wurde und ob es möglicherweise Störungen oder Abweichungen gab.
- Vollständige Messreihen: Dies bezieht sich darauf, dass nicht nur ein einzelner Wert, sondern die gesamte Abfolge der aufgezeichneten Datenpunkte, aus denen die Geschwindigkeitsberechnung abgeleitet wurde, zugänglich gemacht wird. Sie ermöglichen eine Nachvollziehbarkeit des gesamten Messvorgangs.
- Public Key des Messgerätes: Viele moderne Messgeräte verwenden digitale Signaturen, um die Echtheit und Unveränderlichkeit der Messdaten zu gewährleisten. Der Public Key ist ein digitaler Schlüssel, der zur Überprüfung dieser Signatur dient. Er kann helfen zu kontrollieren, ob die Daten unverfälscht sind.
Dokumente zum Messgerät
Neben den reinen Messdaten sind auch Unterlagen zum Gerät selbst wichtig, die seine Funktionsfähigkeit und Genauigkeit belegen sollen:
- Eichnachweise: Jedes Geschwindigkeitsmessgerät muss regelmäßig geeicht werden. Die Eichung ist eine staatliche Prüfung, die bestätigt, dass das Gerät innerhalb der zulässigen Fehlergrenzen misst. Der Eichschein weist aus, wann das Gerät zuletzt geeicht wurde und ob es für den Messzeitpunkt gültig geeicht war. Ein abgelaufener Eichschein kann die Messung unbrauchbar machen.
- Wartungs- und Reparaturnachweise: Diese Dokumente geben Auskunft darüber, ob das Messgerät regelmäßig gewartet wurde und ob gegebenenfalls Reparaturen durchgeführt wurden. Sie können Hinweise auf mögliche technische Probleme geben, die die Genauigkeit der Messung beeinflusst haben könnten.
Die Anforderung dieser Informationen dient dazu, die Plausibilität und Richtigkeit der Ihnen vorgeworfenen Geschwindigkeitsmessung zu überprüfen.
Warum sind umfassende technische Daten wichtig, um die Richtigkeit einer Geschwindigkeitsmessung zu überprüfen?
Eine Geschwindigkeitsmessung, die zu einem Bußgeld oder anderen Konsequenzen führt, basiert oft auf sogenannten „standardisierten Messverfahren“. Das bedeutet, die eingesetzten Geräte und deren Bedienung sind in der Regel behördlich geprüft und als zuverlässig eingestuft. Für Sie als Betroffene kann es dennoch entscheidend sein, umfassende technische Daten zur Messung anzufordern und zu verstehen, warum diese für eine gründliche Überprüfung unverzichtbar sind.
Das „standardisierte Messverfahren“ und der Bedarf an konkreten Anhaltspunkten
Das Konzept des „standardisierten Messverfahrens“ ist für die Gerichte wichtig: Wenn eine Messung nach einem solchen Verfahren durchgeführt wurde, wird ihre Richtigkeit zunächst angenommen. Dies vereinfacht die Beweisführung für die Behörden. Es bedeutet jedoch nicht, dass Fehler ausgeschlossen sind oder die Messung unantastbar ist. Im Gegenteil: Gerade weil die Gerichte von einer grundsätzlichen Richtigkeit ausgehen, sind konkrete und fundierte Anhaltspunkte für mögliche Fehler notwendig, um eine Messung erfolgreich in Frage zu stellen. Ohne diese konkreten Hinweise bleibt die Annahme der Richtigkeit bestehen. Diese Anhaltspunkte können sich nur aus der detaillierten Analyse der technischen Daten ergeben.
Warum umfassende technische Daten entscheidend sind
Die umfassenden technischen Daten ermöglichen es, die Messung aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und potenzielle Fehlerquellen zu identifizieren. Sie sind das Herzstück einer detaillierten Analyse, die über das reine Blitzerfoto und die angezeigte Geschwindigkeit hinausgeht:
- Geräteeignung und -zustand:
- Eichscheine und Kalibrierungsnachweise: Jedes Messgerät muss regelmäßig geeicht werden, um sicherzustellen, dass es innerhalb der vorgegebenen Toleranzen misst. Eine abgelaufene oder fehlerhafte Eichung kann die gesamte Messung ungültig machen. Diese Dokumente belegen, wann und wie das Gerät zuletzt überprüft wurde.
- Wartungs- und Reparaturprotokolle: Sie geben Aufschluss darüber, ob das Messgerät regelmäßig gewartet wurde und ob in der Vergangenheit technische Probleme auftraten, die die Genauigkeit beeinflussen könnten.
- Korrekte Bedienung und Umgebungsfaktoren:
- Schulungsnachweise des Messpersonals: Nicht nur das Gerät, sondern auch die Person, die es bedient, muss qualifiziert sein. Fehler bei der Bedienung sind eine häufige Fehlerquelle, zum Beispiel durch falsche Ausrichtung des Geräts oder das Nichtbeachten von Umgebungsbedingungen. Die Nachweise zeigen, ob das Personal entsprechend geschult war.
- Messprotokolle und Rohmessdaten: Dies sind die eigentlichen „Arbeitsblätter“ der Messung. Sie enthalten oft detaillierte Informationen zum Messvorgang, den genauen Geräteeinstellungen, den erfassten Messreihen und manchmal sogar zur Umgebung (z.B. Wetter). Anhand der Rohmessdaten, also der unverarbeiteten Basisinformationen, kann ein Sachverständiger eventuelle Unregelmäßigkeiten, Störsignale oder Abweichungen erkennen, die auf eine fehlerhafte Messung hinweisen. Stellen Sie sich vor, Sie überprüfen eine Rechnung – Sie wollen nicht nur das Endergebnis sehen, sondern auch die einzelnen Posten, die zu diesem Ergebnis geführt haben. Genauso sind die Rohmessdaten die einzelnen Posten der Geschwindigkeitsmessung.
- Aufdeckung von Fehlern und Unstimmigkeiten:
- Durch die detaillierte Prüfung dieser Daten können Sachverständige herausfinden, ob ein Gerätefehler vorlag (z.B. durch Defekte, unzureichende Kalibrierung), ob die Bedienung unsachgemäß erfolgte (z.B. falscher Messwinkel, nicht beachtete Reflexionen) oder ob es andere technische Unstimmigkeiten gab (z.B. fehlerhafte Software, Signalüberlagerungen), die das Messergebnis verfälscht haben könnten. Ohne diese Daten ist eine solche Überprüfung in der Regel nicht möglich.
Habe ich einen Rechtsanspruch darauf, die vollständigen Messdaten eines Blitzers von den Behörden zu erhalten?
Ja, grundsätzlich haben Sie einen Rechtsanspruch darauf, die vollständigen Messdaten eines Blitzers von den Behörden zu erhalten, wenn Sie von einer Geschwindigkeitsüberschreitung betroffen sind und diese Daten zur Überprüfung der Messung erforderlich sind. Dieser Anspruch ist eng mit grundlegenden Prinzipien unseres Rechtsstaates verbunden.
Warum gibt es diesen Anspruch?
Dieser Rechtsanspruch ergibt sich aus mehreren wichtigen rechtlichen Grundsätzen, die ein faires Verfahren gewährleisten sollen:
- Grundsatz des fairen Verfahrens: Jeder Bürger hat das Recht auf ein faires Verfahren. Das bedeutet, dass Sie die Möglichkeit haben müssen, sich angemessen gegen einen Vorwurf zu verteidigen. Um eine Geschwindigkeitsmessung zu überprüfen und mögliche Fehler aufzudecken, sind die zugrundeliegenden Daten unerlässlich.
- Waffengleichheit: Dieses Prinzip besagt, dass die Behörden und der betroffene Bürger im Verfahren ähnliche Möglichkeiten haben sollten, ihre Standpunkte zu vertreten. Die Behörden stützen sich auf die Messdaten, um den Vorwurf zu begründen. Ohne Zugang zu diesen Daten wäre der betroffene Bürger im Nachteil, da er die Messung nicht wirksam überprüfen oder widerlegen könnte.
- Rechtliches Gehör: Das rechtliche Gehör ist ein grundlegendes Recht, das besagt, dass Sie zu einem Vorwurf Stellung nehmen und alle relevanten Beweise einsehen dürfen, die gegen Sie verwendet werden. Die Messdaten sind ein zentraler Beweis. Für Sie bedeutet das, dass Sie die Gelegenheit bekommen müssen, die Richtigkeit der Messung zu prüfen.
Welche Daten sind gemeint und wozu dienen sie?
Wenn von „vollständigen Messdaten“ die Rede ist, sind damit in der Regel die Rohmessdaten gemeint. Das sind die unverarbeiteten, ursprünglichen Daten, die das Messgerät aufgezeichnet hat, bevor sie ausgewertet wurden. Dazu können je nach Blitzertyp auch Bilder, Videoausschnitte oder andere technische Aufzeichnungen gehören.
Diese Daten ermöglichen es Ihnen oder einem von Ihnen beauftragten Sachverständigen, die Richtigkeit der Messung zu überprüfen. So kann festgestellt werden, ob es möglicherweise:
- Technische Defekte am Messgerät gab,
- Bedienungsfehler durch das Personal vorlagen,
- die vorgeschriebenen Eichfristen des Geräts eingehalten wurden,
- oder andere Umstände die Messung beeinflusst haben könnten.
Die Gerichte, insbesondere das Bundesverfassungsgericht, haben in den letzten Jahren die Bedeutung dieses Zugangs zu den Daten immer wieder betont, um die Rechtsschutzmöglichkeiten der Betroffenen zu stärken. Es ist entscheidend, dass Sie als betroffene Person nicht nur auf die Aussage der Behörden vertrauen müssen, sondern die Möglichkeit haben, die Grundlage des Vorwurfs selbst zu überprüfen.
Was kann ich tun, wenn die Behörden oder das Gericht die Herausgabe der angeforderten Messdaten verweigern?
Wenn Behörden oder Gerichte die Herausgabe von angefragten Messdaten ablehnen, bedeutet dies nicht unbedingt das Ende der Möglichkeiten. Es gibt in solchen Situationen unterschiedliche rechtliche Wege, die je nach Kontext – ob es sich um eine Behörde oder ein Gericht handelt – beschritten werden können.
Vorgehen bei Verweigerung durch eine Behörde
Verweigert eine Behörde die Herausgabe von Messdaten, zum Beispiel im Zusammenhang mit einem Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder Umweltmessungen, stehen Ihnen in der Regel Rechtsbehelfe zur Verfügung. Der erste Schritt ist oft der Widerspruch. Das ist ein formaler Einspruch gegen die Entscheidung der Behörde, der schriftlich und fristgerecht bei der gleichen Behörde oder der nächsthöheren Instanz einzulegen ist. Die Behörde muss dann ihre Entscheidung erneut überprüfen. Wird der Widerspruch ebenfalls abgelehnt, kann als nächster Schritt eine Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht eingereicht werden. Dort wird die behördliche Entscheidung dann von einem Gericht unabhängig geprüft.
Vorgehen bei Verweigerung durch ein Gericht
Im Rahmen eines bereits laufenden Gerichtsverfahrens – sei es im Zivilrecht, Strafrecht oder Verwaltungsrecht – kann es vorkommen, dass ein Gericht die Heranziehung oder Herausgabe bestimmter Messdaten als Beweismittel ablehnt. Solche Entscheidungen eines Gerichts können oft mit Rechtsmitteln angefochten werden. Die genaue Art des Rechtsmittels hängt dabei von der Art des Verfahrens und dem jeweiligen Stadium ab. Beispiele für solche Rechtsmittel sind die Beschwerde gegen bestimmte richterliche Entscheidungen, die Berufung oder die Revision, wenn das Urteil in einer höheren Instanz überprüft werden soll. Mit diesen Rechtsmitteln wird die Entscheidung des Gerichts, bestimmte Messdaten nicht zu berücksichtigen oder nicht anzufordern, von einer höheren Gerichtsinstanz überprüft.
Es ist in solchen Fällen wichtig zu wissen, dass das Rechtssystem Wege vorsieht, Entscheidungen von Behörden oder Gerichten überprüfen zu lassen. Das Ziel ist stets, eine korrekte und umfassende Sachverhaltsklärung sicherzustellen.
Wie wird der Datenschutz anderer geblitzter Personen berücksichtigt, wenn ich Messdaten einfordere?
Wenn Sie Messdaten zu einem Geschwindigkeitsverstoß anfordern, beispielsweise um die Richtigkeit der Messung zu überprüfen, spielt der Datenschutz anderer Personen, die eventuell auf denselben Messbildern oder in denselben Messprotokollen erscheinen, eine wichtige Rolle. Behörden führen den Datenschutz oft als Argument an, um die Herausgabe dieser Daten zu verweigern. Die Rechtsprechung hat hierzu jedoch klare Vorgaben gemacht.
Abwägung der Interessen: Ihr Recht auf faires Verfahren vs. Datenschutz Dritter
Gerichte müssen in solchen Fällen zwei grundlegende Interessen gegeneinander abwägen: Ihr Grundrecht auf ein faires Verfahren (oder auch Ihr Recht auf effektive Verteidigung) und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Datenschutz) der anderen abgebildeten Personen.
- Ihr Recht auf faires Verfahren: Dieses Recht besagt, dass Sie die Möglichkeit haben müssen, sich angemessen gegen einen Vorwurf zu verteidigen. Dazu gehört auch, die Grundlagen der Beweismittel (hier: die Messung) umfassend prüfen zu können. Dies kann die Einsicht in Messprotokolle, Eichscheine oder sogar die originalen Messdaten erforderlich machen.
- Datenschutz Dritter: Die auf Messfotos oder in Logdateien enthaltenen Daten anderer Personen sind persönliche Daten, die schutzwürdig sind.
Die Rechtsprechung hat entschieden, dass Ihr Recht auf ein faires Verfahren in der Regel Vorrang hat, wenn die angefragten Messdaten unabdingbar sind, um die Richtigkeit der Messung in Ihrem konkreten Fall zu überprüfen und somit eine effektive Verteidigung zu ermöglichen. Für Sie bedeutet das: Die Notwendigkeit, die Messung zu überprüfen, wiegt schwerer als der abstrakte Datenschutz Dritter, wenn entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden.
Wie der Datenschutz dennoch gewahrt wird
Auch wenn Gerichte die Herausgabe von Daten anordnen, wird der Datenschutz Dritter nicht ignoriert, sondern durch bestimmte Maßnahmen gewährleistet:
- Vertraulichkeit durch einen Rechtsanwalt: Eine wichtige Rolle spielt die besondere Schweigepflicht von Rechtsanwälten. Wenn ein Rechtsanwalt die Messdaten für Sie einfordert und einsehen möchte, kann die Behörde die Daten oft direkt an den Anwalt übermitteln oder ihm die Einsicht gewähren. Der Anwalt ist berufsrechtlich und strafrechtlich dazu verpflichtet, die Vertraulichkeit dieser Daten zu wahren. Er darf Informationen über andere Personen, die auf den Messbildern oder in den Protokollen zu sehen sind, nicht an Sie oder Dritte weitergeben. Er nutzt die Informationen ausschließlich zur Prüfung Ihres Falles und zur Vorbereitung Ihrer Verteidigung.
- Anonymisierung und Schwärzung: Oft werden die Daten in einer Form bereitgestellt, die die Identifikation anderer Personen unmöglich macht. Gesichter auf Fotos können geschwärzt oder andere identifizierende Merkmale unkenntlich gemacht werden. Bei digitalen Messdaten werden oft nur anonymisierte Auszüge oder Statistiken bereitgestellt, die keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen zulassen.
- Keine direkte Herausgabe an Sie: Die vollständigen Originaldaten, insbesondere solche, die Rückschlüsse auf Dritte zulassen, werden Ihnen als Betroffenem in der Regel nicht direkt ausgehändigt, sondern eben nur Ihrem rechtlichen Vertreter oder einem gerichtlich bestellten Sachverständigen zur Verfügung gestellt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einwand des Datenschutzes Dritter von Gerichten zwar ernst genommen wird, aber in der Regel überwunden werden kann, wenn die Daten für Ihre Verteidigung notwendig sind und der Zugang zu diesen Daten über sichere und vertrauliche Wege (wie einen Rechtsanwalt) erfolgt.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Bußgeldbescheid
Ein Bußgeldbescheid ist eine formelle schriftliche Mitteilung einer Behörde, die eine Ordnungswidrigkeit – etwa eine Geschwindigkeitsüberschreitung – feststellt und eine Geldstrafe oder Sanktion verhängt. Er hat rechtliche Bedeutung als Entscheidung im Verwaltungsverfahren und kann bei Akzeptieren die Angelegenheit abschließen, oder bei Einwand zum Streitfall führen. Nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) stellt der Bußgeldbescheid den Bescheid dar, mit dem die Behörde das Bußgeld verhängt.
Beispiel: Sie werden geblitzt und erhalten einige Wochen später einen Bußgeldbescheid mit Strafe und Punkten, der erklärt, warum und wie viel Sie zahlen müssen.
Rohmessdaten
Rohmessdaten sind die ursprünglichen, unverarbeiteten Messwerte, die ein Blitzer oder Messgerät unmittelbar bei der Geschwindigkeitsmessung erfasst. Diese Daten wurden noch nicht ausgewertet oder in eine fertige Geschwindigkeit umgerechnet und enthalten alle Messpunkte, die während des Messvorgangs aufgezeichnet wurden. Sie sind wichtig zur Überprüfung, ob das Gerät korrekt gemessen hat und können Anhaltspunkte für Fehler liefern.
Beispiel: Ähnlich wie ein digitales Thermometer, das nicht nur die Endtemperatur anzeigt, sondern ständig Werte speichert, zeigen Rohmessdaten nicht nur das finale Messergebnis, sondern den gesamten Messverlauf.
Standardisiertes Messverfahren
Ein standardisiertes Messverfahren ist ein von staatlicher Stelle anerkanntes und vorgeschriebenes Verfahren zur Messung von Verkehrsverstößen, wie Geschwindigkeitsüberschreitungen. Solche Verfahren und die verwendeten Messgeräte sind amtlich zugelassen und geeicht, sodass die Gerichte grundsätzlich von der Richtigkeit der Messergebnisse ausgehen (Beweislastumkehr). Möchte ein Betroffener Fehler nachweisen, muss er konkrete und fundierte Anhaltspunkte vorlegen, die Zweifel an der Messung begründen.
Beispiel: Ein Blitzer, der nach festgelegtem Verfahren eingesetzt wurde, gilt als zuverlässiger Zeuge – das „standardisierte Messverfahren“ ist die Basis dafür.
Beschwerde (als Rechtsmittel)
Die Beschwerde ist ein formelles Rechtsmittel, mit dem eine Person eine gerichtliche Entscheidung anfechten kann, die noch nicht das endgültige Urteil darstellt. Sie dient dazu, Fehler zu korrigieren, die die Rechte der Person während des Verfahrens beeinträchtigen könnten. Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde gegen die Weigerung eingelegt, technische Messdaten herauszugeben, um eine effektive Verteidigung zu ermöglichen.
Beispiel: Wenn ein Richter nicht erlaubt, wichtige Beweismittel einzusehen, kann man mit einer Beschwerde bei einer höheren Instanz prüfen lassen, ob das fair war.
Waffengleichheit
Waffengleichheit ist ein grundlegendes Prinzip des fairen Verfahrens, das sicherstellt, dass alle Beteiligten im Prozess die gleichen Chancen haben, ihre Rechte wahrzunehmen und sich zu verteidigen. Im Kontext des Bußgeldverfahrens bedeutet das, dass die Verteidigung Zugang zu denselben relevanten Informationen und Beweismitteln erhalten muss wie die Behörden, beispielsweise zu den vollständigen Messdaten, um den Vorwurf auf Augenhöhe überprüfen zu können.
Beispiel: In einem Wettkampf wäre es unfair, wenn nur eine Seite die Spielregeln kennt und Werkzeuge zur Verfügung hat, während die andere mit verschlossenen Augen kämpft.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Recht auf faires Verfahren und der Grundsatz der Waffengleichheit (Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG): Das Recht auf ein faires Verfahren ist ein grundlegendes Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und in Deutschland als Verfassungsrecht verankert. Es garantiert jedem Bürger einen gerechten und objektiven Prozess vor Gericht. Ein zentraler Pfeiler ist dabei der Grundsatz der Waffengleichheit, der besagt, dass Anklage und Verteidigung im Verfahren die gleichen prozessualen Mittel und Zugänge zu relevanten Informationen haben müssen, um auf Augenhöhe agieren zu können. Ziel ist es, ein Ungleichgewicht zugunsten der Staatsmacht zu verhindern und eine effektive Verteidigung zu ermöglichen. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieses Prinzip war die tragende Säule für die Entscheidung des Landgerichts, da die fehlenden Messdaten die Verteidigerin daran hinderten, die Messung auf gleicher Basis wie die Behörde zu überprüfen.
- Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG)): Das Recht auf rechtliches Gehör ist ein fundamentales Verfahrensgrundrecht, das im Grundgesetz verankert ist und jedem das Recht zusichert, sich vor Gericht zu den erhobenen Vorwürfen und entscheidungserheblichen Tatsachen äußern zu dürfen. Es stellt sicher, dass keine Entscheidung getroffen wird, ohne dass die betroffene Person die Möglichkeit hatte, ihre Sichtweise einzubringen und Argumente vorzubringen. Dieses Recht umfasst auch den Zugang zu Informationen, die für eine sachgerechte Äußerung erforderlich sind. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht betonte, dass Frau W. ihr Recht auf rechtliches Gehör nicht effektiv ausüben konnte, da ihr die notwendigen technischen Daten für eine fundierte Stellungnahme verwehrt wurden.
- Standardisiertes Messverfahren: Als standardisiertes Messverfahren wird in der Rechtsprechung ein Messvorgang bezeichnet, der so gestaltet ist, dass gleiche Ergebnisse unter gleichen Bedingungen erzielt werden und die Fehlerquellen weitgehend ausgeschlossen oder kontrolliert sind. Bei amtlich zugelassenen und geeichten Messgeräten wie Geschwindigkeitsmessgeräten wird grundsätzlich von deren Richtigkeit ausgegangen. Um eine solche Messung anzufechten, muss die Verteidigung daher konkrete Anhaltspunkte für Fehler in der Messung oder am Gerät darlegen, ein bloßes Bestreiten genügt nicht. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die geforderten Daten waren für die Verteidigung unerlässlich, um überhaupt konkrete Anhaltspunkte für Messfehler im Rahmen dieses standardisierten Verfahrens finden und beweisen zu können.
- Akteneinsichtsrecht (§ 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) i.V.m. § 147 Strafprozessordnung (StPO)): Das Akteneinsichtsrecht gewährt dem Verteidiger in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren das Recht, die Ermittlungsakten und weitere für die Verteidigung relevante Unterlagen einzusehen. Dies ist entscheidend, um die Grundlagen der Anklage zu verstehen, Beweismittel zu prüfen und eine effektive Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Obwohl das OWiG spezielle Regelungen hat, verweist es für viele Verfahrensfragen auf die allgemeine Strafprozessordnung. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Weigerung der Behörde und des Amtsgerichts basierte ursprünglich darauf, dass die geforderten technischen Daten nicht Teil der „Verfahrensakte“ seien; das Landgericht dehnte jedoch den Kreis der zugänglichen Dokumente für eine faire Verteidigung aus.
- Datenschutzrecht (insb. Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)): Das Datenschutzrecht schützt das Recht einer Person auf informationelle Selbstbestimmung, also das Recht, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung ihrer persönlichen Daten zu bestimmen. Es ist in Deutschland verfassungsrechtlich im allgemeinen Persönlichkeitsrecht verankert und europarechtlich durch die Datenschutz-Grundverordnung umfassend geregelt. Es erfordert eine strenge Abwägung der Schutzbedürfnisse von Daten mit anderen öffentlichen oder privaten Interessen, wenn Daten verarbeitet oder weitergegeben werden sollen. → Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht musste das Schutzinteresse der Daten anderer geblitzter Autofahrer gegen das Recht von Frau W. auf ein faires Verfahren abwägen und entschied, dass im konkreten Fall das Recht auf effektive Verteidigung überwog.
Das vorliegende Urteil
Landgericht Kaiserslautern – Az.: 5 Qs 107/19 – Beschluss vom 20.01.2020
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