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Fahrerlaubnisentziehung wegen Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad

Urteil des VG München: Rechtmäßige Fahrerlaubnisentziehung bei Trunkenheitsfahrt mit dem Rad

Das Verwaltungsgericht München hat in einem wegweisenden Urteil vom 30. September 2020 (Az.: M 6 K 18.2545) entschieden, dass die Fahrerlaubnis eines Klägers zu Recht entzogen wurde. Der Kläger hatte gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A2, AM, B, BE, C1, C1E und L geklagt, nachdem er wegen einer Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad verurteilt worden war.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: M 6 K 18.2545 >>>

Entzug der Fahrerlaubnis wegen fehlendem Gutachten

Der Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein Strafbefehl des Amtsgerichts M…… vom …. November 2013, der den Kläger wegen der Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad schuldig sprach. Die Fahrerlaubnisbehörde ordnete daraufhin die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Der Kläger versäumte es jedoch, das Gutachten fristgerecht vorzulegen.

Gutachten bestätigt Nichteignung des Klägers

Das vorliegende Gutachten kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Kläger aufgrund seines übermäßigen Alkoholkonsums zukünftig mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch mit einem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss auffällig werden könnte. Zudem wurden Beeinträchtigungen festgestellt, die seine Fahreignung in Frage stellten. Aufgrund des fehlenden Gutachtens entschied die Fahrerlaubnisbehörde, die Fahrerlaubnis des Klägers zu entziehen.

Gericht bestätigt Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung

Das Verwaltungsgericht München bestätigte die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung und entschied, dass die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt war, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen stand aufgrund der vorliegenden Tatsachen zweifelsfrei fest. Das Gericht stützte sich dabei auch auf ein vorheriges Gutachten der Begutachtungsstelle für Fahreignung (BfF), das bereits die Ungeeignetheit des Klägers bestätigt hatte.

Keine Zweifel an der Tatsachengrundlage

Der Kläger versuchte den Sachverhalt infrage zu stellen und behauptete, dass er nicht den genannten Weg befahren, sondern lediglich die danebenliegende Wiese genutzt habe. Das Gericht stellte jedoch fest, dass der Sachverhalt aufgrund des rechtskräftigen Strafbefehls als eindeutig anzusehen ist und der Kläger keine stichhaltigen Beweise für seine Behauptung vorlegen konnte.

Keine Verwirkung des Anspruchs auf Fahrerlaubnisentzug

Das Gericht wies zudem darauf hin, dass trotz des zeitlichen Verstreichens seit der Tat die Fahrerlaubnisbehörde berechtigt war, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Eine „Verwirkung“ kam nicht in Betracht, da die Tat im Verkehrszentralregister eingetragen war und Zweifel an der Fahreignung des Klägers aus Umständen resultierten, die in das Verkehrszentralregister einzutragen sind.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München verdeutlicht die Wichtigkeit der fristgerechten Vorlage geforderter Gutachten bei Alkohol-bedingten Verstößen im Straßenverkehr. Es zeigt, dass die Fahrerlaubnisbehörde im Fall der Nichteignung zur Entziehung der Fahrerlaubnis verpflichtet ist, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.


Das vorliegende Urteil

VG München – Az.: M 6 K 18.2545 – Urteil vom 30.09.2020

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A2, AM, B, BE, C1, C1E, L.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts M…… vom …. Mai 2012, rechtskräftig seit 10. Juli 2012, war gegen den Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe verhängt worden. Dem lag zugrunde, dass er am …. April 2012 gegen 07:10 Uhr mit dem Fahrrad auf einer öffentlichen Straße in …… gefahren war, obwohl eine ihm um 07:40 Uhr entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,73 Promille ergab.

Am …. Mai 2013 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung.

Fahrerlaubnisentziehung wegen Trunkenheitsfahrt mit Fahrrad
(Symbolfoto: VIZ UALNI/Shutterstock.com)

Die Beklagte ordnete mit Schreiben vom 3. Juli 2013, zugestellt am 5. Juli 2013 die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an. Am 10. September 2013 ließ sich der Kläger durch die BAD Begutachtungsstelle für Fahreignung (BfF) Zentrum …… begutachten. Das der Fahreignungsbehörde vorgelegte Gutachten kam in Bezug auf Kraftfahrzeuge zu dem Ergebnis, dass zu erwarten sei, dass der Kläger zukünftig mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch mit einem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr auffällig werden wird. Außerdem lägen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs infrage stellten.

Mit Schreiben der Beklagten vom 4. November 2013 wurde der Kläger zu Entziehung der Fahrerlaubnis angehört. Die Bevollmächtigte des Klägers beantragte am …. November 2013 die Verlängerung der Anhörungsfrist zum Zwecke einer Nachbesserung des Gutachtens der BAD bis 15. Januar 2014. Die Beklagte gewährte die Fristverlängerung.

Am 25. November 2013 wurde der Beklagten ein Gutachten der F… GmbH vom 21. November 2013 vorgelegt wonach aufgrund einer am 13. November 2013 entnommenen Haarprobe eine Alkoholabstinenz des Klägers von 3 Monaten nachgewiesen werden konnte. Das BAD Gutachten wurde nicht in geänderter Form vorgelegt.

Am …. Dezember 2013 ließ der Kläger Antrag auf weitere Begutachtung stellen. Der Antrag wurde von der Beklagten zunächst abgelehnt, jedoch erging nach wiederholtem Antrag der Klägerseite am 8. Juli 2014 eine neue Gutachtensaufforderung der Fahrerlaubnisbehörde. Der Untersuchungsauftrag wurde – wie vom Kläger gewünscht – der A… GmbH zugeleitet. Am 27. August 2014 wurde die Akte wieder der Fahrerlaubnisbehörde zurückgesandt. Eine Vorlage eines Gutachtens der A… GmbH erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2017 wurde der Kläger unter Bezugnahme auf die Aufforderung vom 8. Juli 2014 ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen darauf hingewiesen, dass er weiterhin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen gelte, da er das angeordnete Gutachten nicht eingereicht habe. Mit der Begründung des mittlerweile verstrichenen längeren Zeitraums wurde ihm nochmals die Gelegenheit gegeben ein entsprechendes medizinisch-psychologisches Gutachten zur Ausräumung der Zweifel an der Fahreignung vorzulegen, das folgende Fragen klären sollte:

„Ist aufgrund der ersichtlichen Trunkenheitsfahrt mit einem fahrerlaubnisfreien Fahrzeug zu erwarten, dass die zu begutachtende Person zukünftig mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch mit einem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr auffällig werden wird, so dass dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist? Liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 und 2 infrage stellen?“

Zur Vorlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens wurde dem Kläger eine Frist von 3 Monaten ab Zustellung der Aufforderung gesetzt. Der Kläger legte kein Gutachten vor.

Nach vorheriger Anhörung wurde dem Kläger mit Bescheid vom 15. Dezember 2017, gegen Zustellungsurkunde zugestellt am 19. Dezember 2017, die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen (Ziffer 1 des Bescheids) entzogen. Zugleich wurde der Kläger aufgefordert, seinen Führerschein spätestens innerhalb einer Woche ab Bestandskraft des Bescheids abzugeben (Ziffer 2) und für den Fall der nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von 1000 EUR angedroht (Ziffer 3). Der Antrag vom …. Mai 2013 auf Verlängerung der Erlaubnis zur Fahrgastbeförderung mit Mietwagen, Pkw im Linienverkehr und Taxi wurde abgelehnt (Ziffer 4).

Gegen den Bescheid ließ der Kläger am …. Januar 2018 Widerspruch einlegen, der mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2018, zugestellt am 30. April 2018, zurückgewiesen wurde.

Am …. Mai 2018 ließ der Kläger Klage erheben und beantragen, den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2018 aufzuheben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei vor mittlerweile rund sechseinhalb Jahren lediglich auf einer Wiese ein kurzes Stück mit dem Rad gefahren. Er habe nicht am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen. Außerdem müsse der lange Zeitablauf und der Umstand, dass es in der Zwischenzeit zu keinen weiteren Auffälligkeiten gekommen sei, berücksichtigt werden.

Ferner wird vorgetragen, die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr durch das Amtsgericht M…… habe die Beklagte nicht dazu berechtigt, eine Fahreignungsbegutachtung des Klägers anzuordnen. Der Kläger sei nicht auf dem in dem Urteil des Amtsgerichts genannten Weg gefahren, sondern ausschließlich auf der angrenzenden Wiese und damit nicht auf öffentlichem Verkehrsgrund. Die Beklagte habe es 3 Jahre lang nicht für notwendig gehalten weitere Maßnahmen gegenüber dem Kläger zu ergreifen. Aufgrund der langen Zeitspanne seit der Tat, sei es unverhältnismäßig den alten Vorfall aus dem Jahr 2012 überraschend wieder aufzugreifen.

Die Beklagte beantragte unter Vorlage der Behördenakten, die Klage abzuweisen.

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 17. Oktober 2019 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Am 30. September 2020 fand die mündliche Verhandlung statt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, die beigezogenen Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 30. September 2020 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis ist regelmäßig derjenige der letzten Behördenentscheidung, also hier der Zustellung des Widerspruchsbescheids. Die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach bei der gerichtlichen Überprüfung einer Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen ist (Bay VGH, U.v. 17.1.2020 – 11 B 19.127 – juris), ist hier nicht einschlägig, da dem Kläger mit dem streitgegenständlichen Bescheid nicht untersagt wurde fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge zu führen.

2. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht die Fahrerlaubnis entzogen, da er das geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht hat (§ 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG –, § 46 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV –) bzw. seine Nichteignung aufgrund des Gutachtens der BAD vom 10. September 2013 feststeht (§ 3 Abs. 1 StVG; § 46 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV).

2.1 Gemäß § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer das Führen von Fahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann (Alkoholmissbrauch).

Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ist zur Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, wenn der Betreffende ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr führt. Darunter fällt auch die erstmalige Fahrt mit einem Fahrrad (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 3 B 102.12 – NJW 2013, 2696 Rn. 5).

Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn er sich weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.) und für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht. Bei feststehender Ungeeignetheit ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukäme. Dies gilt ebenso bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens.

Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gem. § 11 Abs. 7 FeV auch die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens. Verbleiben Zweifel an seiner Fahreignung, sind dagegen gem. § 46 Abs. 3 FeV i.V.m. §§ 11 Abs. 8 FeV weitere Ermittlungsmaßnahmen zu ergreifen.

2.2 Die Fahrerlaubnisbehörde ist davon ausgegangen, dass der Kläger am …. April 2012 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,73 Promille im öffentlichen Straßenverkehr mit seinem Fahrrad gefahren ist und hat deshalb gem. § 13 Satz 1 Nr. 2c FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet. Da der Kläger das Gutachten vorgelegt hat, kann er nicht einwenden, die Behörde habe ihre Erkenntnisse rechtswidrig erlangt. Das Ergebnis des Gutachtens schafft eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat. Ein Verbot, diese Tatsache für die Entscheidung über die Fahrerlaubnisentziehung zu verwerten, lässt sich aus der Fahrerlaubnis-Verordnung oder sonstigem innerstaatlichen Recht nicht ableiten. Einem Verwertungsverbot steht auch das Interesse der Allgemeinheit entgegen, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die sich aufgrund festgestellter Tatsachen als ungeeignet erwiesen haben (BayVGH in st. Rspr. z.B. B.v. 5.11.2019 – 11 CS 19.1336 – juris m.w.N).

Das Fahreignungsgutachten der BAD aufgrund der Untersuchung vom 10. September 2013 kam zu dem abschließenden Ergebnis, dass zu erwarten ist, dass der Kläger zukünftig mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch mit einem Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr auffällig wird und als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vorliegen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs in Frage stellen. Das Fahreignungsgutachten ist auch nachvollziehbar, obwohl der Kläger bei Begehung der Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad und nicht mit dem Kraftfahrzeug unterwegs war. Auf die Frage des Gutachters, ob es durch Alkohol bisweilen zu einem Kontrollverlust oder einem Filmriss gekommen sei, hatte der Kläger verneint und angegeben, nur an diesem Abend habe er nicht mehr die Kontrolle über sein Trinkverhalten gehabt. Diesen Kontrollverlust hatte er auf die „Erzählerei“ und „Euphorie“ zurückgeführt (Seite 18 des Gutachtens; Blatt 187 der Behördenakte). Die Schlussfolgerung des Gutachtens, dass bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht von einer stabilen und dauerhaften Verhaltensveränderung ausgegangen werden könne, sodass die Gefahr für ein weiteres alkoholbedingtes Fehlverhalten im Straßenverkehr weiterhin bestehe, ist ebenso nachvollziehbar, wie die Schlussfolgerung, dass Ursache dafür, dass der Kläger seinen Vorsatz, nie mit mehr als 3 Halben Bier Fahrrad zu fahren, gebrochen habe, der Rauschzustand gewesen sei, in dem der Kläger die Durchsetzung seiner Vorsätze nicht mehr habe kontrollieren können. Deshalb erschien plausibel, dass der Kläger auch seinen Vorsatz, nie alkoholisiert Auto zu fahren, im Falle eines Rauschzustandes nicht einhalten kann. Insofern sah der Gutachter bei dem offenbar immer noch bestehenden übermäßigen Alkoholkonsum auch die Gefahr einer Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug (Seite 20 des Gutachtens, Blatt 188 der Behördenakte). Das Ergebnis des Gutachtens ist somit schlüssig hergeleitet und nachvollziehbar.

2.3 Unabhängig davon, dass das vorgelegte Gutachten eine neue selbständige Tatsache geschaffen hat, ist die Gutachtensanordnung vom 3. Juli 2013 auch zu Recht erfolgt. Das spätere Vorbringen des Klägers, er sei tatsächlich nicht auf dem genannten Fuß- und Radweg gefahren, sondern auf der daneben gelegenen Wiese überzeugt nicht. Aufgrund des rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts M…… steht der genannte Sachverhalt fest. Zwar ordnet § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 StVG eine Bindungswirkung an die Feststellung des Sachverhalts in einem Strafverfahren nur insoweit an, als nicht zum Nachteil des Fahrerlaubnisinhabers vom Inhalt des Urteils oder Strafbefehls abgewichen werden darf. Jedoch können nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (BayVGH – B.v. 19.8.2019 – 11 ZB 19.1256 – juris m.w.N.), der sich das erkennende Gericht anschließt, die Fahrerlaubnisbehörde oder das Verwaltungsgericht auch sonst grundsätzlich von den für die fahreignungsrelevanten strafrichterlichen Feststellungen ausgehen. An diesen Feststellungen muss sich der Betroffene festhalten lassen, sofern nicht ausnahmsweise gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen, insbesondere neue Tatsachen oder Beweismittel als Wiederaufnahmegründe im Sinne des § 359 Nr. 5 Strafprozessordnung – StPO – vorliegen, die für die Unrichtigkeit der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil sprechen. Der Vortrag des Klägers, er habe den genannten Weg nicht befahren, sondern lediglich die Wiese neben dem Weg, genügt hierfür ebenso wenig, wie die von ihm filmisch nachgestellte Szene, die er dem Gericht mittels USB-Stick zukommen ließ.

2.4 Zwar stand die Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen (wie oben dargelegt) bereits aufgrund des BAD Gutachtens fest, so dass die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 11 Abs. 7 FeV hätte erfolgen müssen. Jedoch wollte die Fahrerlaubnisbehörde dem Kläger aufgrund des mittlerweile verstrichenen Zeitraums erneut Gelegenheit geben, die Zweifel an seiner Nichteignung auszuräumen. Dass die Behörde die Fahrerlaubnisentziehung letztlich auf § 11 Abs. 8 FeV stützte ist unschädlich, da im Ergebnis keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können (vgl. auch BayVGH, B.v. 21.01.2019 – 11 ZB 18.2066 – juris).

2.5 Die Beklagte, die weder hinsichtlich der erstmaligen Anordnung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens noch hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis einen Ermessensspielraum hatte, war auch nicht durch Zeitablauf an der Entziehung der Fahrerlaubnis gehindert.

Eine „Verwirkung“ kommt zum einen solange nicht in Betracht, solange die Tat im Verkehrszentralregister bzw. Fahreignungsregister eingetragen ist. Resultieren Zweifel an der Fahreignung einer Person aus Umständen, die in das Verkehrszentralregister einzutragen sind, so beantwortet sich die Frage, innerhalb welcher Zeitspanne dieser Sachverhalt zum Anlass für die Forderung nach Beibringung eines Fahreignungsgutachtens gemacht werden darf, grundsätzlich nach den für dieses Register geltenden Tilgungs- und Verwertungsvorschriften. Ist der anlassgebende Sachverhalt danach noch verwertbar, ist für eine weitere einzelfallbezogene Prüfung dahingehend, ob die gegebenen Verdachtsmomente noch einen Gefahrenverdacht begründen, im Regelfall kein Raum mehr (BayVGH – 6.5.2008 – 11 CS 08.551). Die fahrlässige Trunkenheit im Verkehr war sowohl zum Zeitpunkt der Gutachtensanordnungen wie auch noch zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids zur Entziehung der Fahrerlaubnis im Verkehrszentralregister/Fahreignungsregister eingetragen.

Überdies setzt Verwirkung neben dem Zeitmoment zusätzlich ein Umstandsmoment voraus, aus dem der Betroffene schließen durfte, dass die Behörde nunmehr nicht mehr tätig werden würde. Zwar war die Beklagte nach Rücksendung der Akten durch die … GmbH annähernd 3 Jahre untätig geblieben und hat das Verfahren nicht mit dem gebotenen Nachdruck betrieben, das bedeutet jedoch nicht, dass sie hierdurch gehalten wäre, zum Schutz der Verkehrssicherheit gebotene fahrerlaubnisrechtliche Maßnahmen zu unterlassen. Es kann dahinstehen, ob eine Verwirkung im Rahmen sicherheitsrechtlicher Befugnisse, die nicht im Ermessen der Behörde stehen, überhaupt in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2014 – 11 C 14.386 – juris Rn. 20). Voraussetzung für eine Verwirkung wäre jedenfalls, dass neben dem Verstreichen eines längeren Zeitraums weitere Umstände hinzukommen, die ein schutzwürdiges Vertrauen darauf begründen, die Behörde werde von ihrer Befugnis auch künftig keinen Gebrauch mehr machen (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2014 – 11 CS 13.2005 – DAR 2014, 281 Rn. 7). Letzteres ist hier nicht der Fall. Die Beklagte hatte den Kläger auf dessen eigene Anträge hin mit Schreiben vom 8. Juli 2014 zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert und die Akten der … GmbH zugeleitet. Darauf hat der Kläger nicht mehr reagiert und die Akten trafen am 27. August 2014 wieder bei der Behörde ein. Ein von der Behörde im Folgenden geschaffener Vertrauenstatbestand ist nicht ersichtlich. Von der Möglichkeit, seine Fahreignung durch Beibringung des zuletzt mit Schreiben vom 29. Juni 2017 geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens nachzuweisen und hierdurch die Entziehung der Fahrerlaubnis zu vermeiden, hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht.

3. Da die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig war, ist auch die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins §§ 3 Abs. 2 StVG, § 47 Abs. 1 FeV nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung wird auf die Begründung des behördlichen Bescheids verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 15.000.- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

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