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Abgelaufenes rotes Kennzeichen – Inbetriebnahme nicht zugelassener Fahrzeuge

Das Dilemma eines abgelaufenen roten Kennzeichens

Ein Fall, der im Mittelpunkt eines kürzlich am Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) verhandelten Falles steht, bietet ein faszinierendes Schauspiel rechtlicher Auseinandersetzungen und wirft ein Licht auf das Thema abgelaufene rote Kennzeichen. Ein Fahrzeughändler hatte es versäumt, sein temporäres rotes Kennzeichen rechtzeitig zu verlängern. Nach dem Ablaufdatum nutzte ein Mitarbeiter des Händlers dieses Kennzeichen eigenmächtig für Probefahrten mit zwei Fahrzeugen aus dem Bestand des Händlers. Das Hauptproblem hierbei ist, dass das Fahrzeug nach Ablauf des Kennzeichens nicht mehr für den Straßenverkehr zugelassen war.

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Unerlaubte Inbetriebnahme: Ein teurer Fehler

Die zentrale Frage dieses Falls drehte sich um die Inbetriebnahme von Fahrzeugen, die nicht zum Verkehr zugelassen waren. Das Amtsgericht hatte den Fahrzeughändler für schuldig befunden, fahrlässig die Inbetriebnahme von zwei Fahrzeugen auf einer öffentlichen Straße erlaubt zu haben, obwohl sie nicht zugelassen waren.

Das rote Kennzeichen war ursprünglich bis zum 10. Juli 2019 befristet, wurde jedoch auf Antrag des Händlers bis zum 10. Oktober 2019 verlängert. Nach Ablauf dieser Frist wurde das Kennzeichen nicht zurückgegeben und später von einem Mitarbeiter für Probefahrten mit zwei Fahrzeugen des Händlers verwendet.

Rechtsbeschwerde: Versuch einer Verteidigung

Der Fahrzeughändler legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Rechtsbeschwerde ein, doch das OLG Hamm ließ diese zu, nur um sie als unbegründet zu verwerfen. Die Rechtsbeschwerde wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen und der Fall wurde an den Bußgeldsenat weitergeleitet, bestehend aus drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden.

Die Entscheidung des Gerichts war klar: Der Händler hatte es versäumt, genügend Vorkehrungen zu treffen, um die unrechtmäßige Verwendung des abgelaufenen Kennzeichens zu verhindern. Dies führte zur Geldstrafe und dazu, dass der Händler die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen musste.

Eine klare Botschaft: Verantwortung und Folgen

Der Fall unterstreicht die Verantwortung, die Fahrzeughändler im Umgang mit roten Kennzeichen und der Zulassung von Fahrzeugen haben. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden, da Verstöße zu ernsthaften rechtlichen Konsequenzen führen können.

In diesem Fall hat das Gericht den Fahrzeughändler für das Vergehen verantwortlich gemacht, die Inbetriebnahme nicht zugelassener Fahrzeuge zugelassen zu haben. Der Fall dient als Erinnerung daran, dass die Einhaltung von Zulassungsbestimmungen und Fristen im Straßenverkehr von entscheidender Bedeutung ist und dass Fahrzeughändler eine besondere Verantwortung in dieser Hinsicht haben.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: III-3 RBs 79/21 – Beschluss vom 22.04.2021

Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen (Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Einzelrichters).

Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen (Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Einzelrichters).

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen. Jedoch wird der Tenor der angefochtenen Entscheidung dahin berichtigt, dass der Betroffene schuldig ist, die Inbetriebnahme „zugelassen“ zu haben.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene.

Gründe

I.

Abgelaufenes rotes Kennzeichen - Inbetriebnahme nicht zugelassener Fahrzeuge
(Symbolfoto: Bjoern Wylezich/Shutterstock.com)

Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 30. November 2020 schuldig gesprochen, fahrlässig in zwei tateinheitlichen Fällen die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs auf einer öffentlichen Straße angeordnet bzw. zugelassen zu haben, obwohl das Fahrzeug nicht zum Verkehr zugelassen war. Es hat den Betroffenen deshalb zu einer Geldbuße in Höhe von 180 EUR verurteilt.

In der Sache hat das Amtsgericht festgestellt, dem Betroffenen sei für seinen Kraftfahrzeughandel mit Bescheid vom 27. März 2019 befristet bis zum 10. Juli 2019 ein „rotes Kennzeichen“ gem. § 16 Abs. 2 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) zugeteilt worden. In dem Bescheid sei er darauf hingewiesen worden, dass er vor Ablauf der Frist einen formlosen Antrag auf Verlängerung stellen müsse. Auf einen solchen Antrag sei die Befristung mit Bescheid vom 4. Juli 2019 bis zum 10. Oktober 2019 verlängert worden. Der Betroffene habe seine Mitarbeiter darauf hingewiesen, dass die Fristen zu beachten seien. Diesen Hinweis habe er nach jeder Verlängerung erteilt. Weitergehende Vorkehrungen, um eine Benutzung des Kennzeichens zu verhindern, habe er nicht getroffen. Mit Ablauf des 10. Oktober 2019 habe er das Kennzeichen nicht zurückzugeben, was ihm möglich gewesen sei. Am 12. Oktober 2019 habe ein Mitarbeiter des Betroffenen aus eigenem Entschluss das Kennzeichen aus einer Mappe in der Firma entnommen, in der sich auch die Unterlagen und die beiden genannten Bescheide befunden hätten, und habe mit dem Kennzeichen zwei Probefahrten mit Fahrzeugen, deren Halter der Betoffene war, durchführen lassen.

Gegen die Entscheidung wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und erhebt die Sachrüge. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung des Zulassungsantrags als unbegründet beantragt.

II.

Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des materiellen Rechts gem. § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zuzulassen und die Sache gem. § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen. Die Frage, welche Anforderungen in Fällen wie dem hier vorliegenden an die Sorgfaltspflicht des Halters zu stellen sind, ist – soweit ersichtlich – noch nicht höchstrichterlich entschieden und erscheint klärungsbedürftig.

III.

Die zugelassene und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Das angefochtene Urteil hält einer sachlich-rechtlichen Prüfung stand. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen belegen, dass es der Betroffene gem. § 48 Ziffer 2 FZV entgegen § 3 Abs. 4 FZV zugelassen hat, dass ein zulassungspflichtiges Fahrzeug in Betrieb genommen wird. Dass das Amtsgericht dabei von Fahrlässigkeit des Betroffenen ausgegangen ist, überspannt – entgegen der Auffassung des Betroffenen – die an seine Sorgfalt zu stellenden Anforderungen nicht. Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der festgestellte Hinweis des Betroffenen an seine Mitarbeiter nicht ausreichend war. Die Auffassung des Betroffenen, für ein vorwerfbares Fehlverhalten bedürfe es der Feststellung konkreter Umstände, die für den Betroffenen die Befürchtung eines Missbrauchs begründeten – etwa die Kenntnis von früheren Missachtungen seiner Anweisungen – teilt der Senat nicht. Dies folgt daraus, dass gem. § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV „rote Kennzeichen“ nur an zuverlässige Händler ausgegeben werden dürfen und gem. § 16 Abs. 2 Satz 7 FZV mit der Zuteilung eines roten Kennzeichens die gesetzliche Pflicht verbunden ist, das Kennzeichen nach Fristablauf unverzüglich an die Zulassungsbehörde zurückzugeben. Erstgenannte Regelung macht deutlich, dass im Umgang mit roten Kennzeichen generell erhöhte Sorgfalt gilt. Letztgenannte Regelung soll eine Inbetriebnahme nicht zugelassener Fahrzeuge mit abgelaufenen Kennzeichen verhindern. Hatte der Betroffene nach Fristablauf das Kennzeichen entgegen seiner Pflicht nicht zurückgegeben, obwohl ihm dies möglich war, entsprach schon dies nicht der vom Gesetzgeber erwarteten, erhöhten Sorgfalt. Folglich lag es nunmehr erst Recht an ihm, die Inbetriebnahme der nicht zugelassenen Fahrzeuge mit dem abgelaufenen Kennzeichen ebenso effektiv zu verhindern wie durch eine Rückgabe. Dazu reichte, wie das festgestellte Tatgesehen zeigt, der bloße Hinweis des Betroffenen an seine Mitarbeiter offenkundig nicht aus.

2.

Der Rechtsfolgenausspruch weist ebenfalls keine Rechtsfehler auf.

3.

Soweit mit dem Zulassungantrag beanstandet wird, das angefochtene Urteil lasse offen, ob die Tatbestandsalternative des „Anordnens“ oder „Zulassens“ verwirklicht sei, hat der Senat den Tenor der angefochtenen Entscheidung entsprechend klarstellend berichtigt. Eine sachliche Änderung der angefochtenen Entscheidung ist damit nicht verbunden. Sowohl aus dem festgestellten Sachverhalt als auch aus der rechtlichen Würdigung in dem angefochtenen Urteil ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass das Amtsgericht von der Tatbestandsvariante des „Zulassens“ ausgegangen ist.

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG.

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