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Fahrerlaubnisentziehung nach Erreichen von acht Punkten

Fahrerlaubnisverlust nach Punkteakkumulation: Eine rechtliche Betrachtung der Fahrtauglichkeitsregister-Kontroverse

Im Fokus der gerichtlichen Auseinandersetzung stand die Entziehung der Fahrerlaubnis nach Erreichen von acht Punkten im Fahreignungsregister, wie im vorliegenden Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (Az.: 2 B 1699/22) vom 07.02.2023 festgestellt wurde. Hauptproblem des Falles war das Bestreiten des Antragstellers hinsichtlich der Existenz und Rechtmäßigkeit der Verkehrsverstöße, die zu den Eintragungen im Fahreignungsregister und folglich zum Verlust seiner Fahrerlaubnis geführt haben. Dies schafft eine komplexe juristische Problematik um Beweislast, Glaubwürdigkeit und den Schutz der Allgemeinheit vor potentiell unsicheren Fahrern.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 B 1699/22 >>>

Unzufriedenheit mit dem Fahreignungsregister

Der Antragsteller behauptete, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis nur auf derVermutung der Richtigkeit des Fahreignungsregisters beruhe. Er stellte die Existenz der Verkehrsverstöße und die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen in Frage. Der Antragsteller warf dem Verwaltungsgericht vor, die Voraussetzungen der Darlegungs- und Beweislast der Behörde verkannt zu haben. Ein Hauptargument des Antragstellers war das Fehlen von Beweisen, insbesondere in Bezug auf zwei der Verkehrsverstöße, deren zugehörige Akten vernichtet worden waren.

Glaubwürdigkeit des Antragstellers und der rechtlichen Entscheidungen

Das Verwaltungsgericht beurteilte das Vorbringen des Antragstellers als unglaubhaft und als rein prozesstaktisch motiviert. Es war der Ansicht, dass das Vorbringen des Antragstellers als pauschales Bestreiten aller acht Verstöße zu werten sei. Das Gericht fand keine durchgreifenden Zweifel an der Begehung und Ahndung der betreffenden Verkehrsverstöße sowie der rechtmäßigen Abschlüsse der Entscheidungen. Der Antragsteller konnte keine überzeugenden Argumente oder Beweise vorlegen, die die Verkehrssünden oder die Existenz rechtskräftiger Entscheidungen effektiv in Frage stellten.

Die Rolle der Gebührenbescheide

Das Gericht fand es auffällig, dass der Antragsteller die Gebührenrechnungen für die Ermahnung und die beiden Verwarnungen offenbar bezahlt hatte. Dies stand im Widerspruch zu seinem Bestreiten der Verkehrsverstöße. Hätte er tatsächlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Eintragungen gehabt, hätte er die Möglichkeit gehabt, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Gebührenbescheide die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Amtshandlung in Frage zu stellen.

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts und die Verkehrssicherheit

Trotz der Beschwerden des Antragstellers wurde die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund der Akkumulation von Punkten im Fahreignungsregister bestätigt. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des Schutzes der Allgemeinheit vor potentiell gefährlichen Fahrern. Es bleibt die gesetzgeberische Grundentscheidung, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Fahrerlaubnisentziehung wegen Punkteverstößen keine aufschiebende Wirkung haben. Damit liegt der Fokus auf der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer, auch wenn dies im Einzelfall harte Konsequenzen für den Betroffenen haben kann.


Das vorliegende Urteil

Hessischer Verwaltungsgerichtshof – Az.: 2 B 1699/22 – Beschluss vom 07.02.2023

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 13. September 2022 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die gemäß §§ 146, 147 VwGO fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 13. September 2022 ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 9. August 2022 anzuordnen und dem Antragsgegner die vorläufige Herausgabe seines Führerscheins aufzugeben.

Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen, die das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz6 VwGO allein zu prüfen hat, ergeben sich keine Gesichtspunkte, die zum Erfolg der Beschwerde führen.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes − StVG − gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis, für den sich acht oder mehr Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem ergeben, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen und die Fahrerlaubnis ist zu entziehen. Punkte ergeben sich mit der Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit mit Verkehrsbezug, sofern sie rechtskräftig geahndet wird (§ 4 Abs. 2 Satz 3 StVG). Im Zentralen Fahreignungsregister werden Daten über entsprechende rechtskräftige Entscheidungen gespeichert (§ 28 Abs. 3 StVG), die von Gerichten, Staatsanwaltschaften und anderen Behörden unverzüglich dem Kraftfahrt-Bundesamt mitzuteilen sind (§ 28 Abs. 4 StVG). Das Vorliegen von rechtskräftigen Entscheidungen über die Ahndung von Verkehrsverstößen ist mithin tatbestandliche Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG (Hess. VGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2016 − 2 B 1353/16 – und vom 26. September 2017 – 2 B 1482/17 –, VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 13 S 2057/22 –, juris Rn. 7, Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, StVG § 4 Rn. 48).

Hiervon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass der Antragsgegner die angefochtene Entziehungsverfügung vom 9. August 2022 auf die in deren Begründung aufgelisteten Verkehrsverstöße stützen durfte, obgleich der Antragsteller die Existenz und den Bestand rechtskräftiger Entscheidungen – „insbesondere“ die „vermeintlichen Verstöße vom ….05.2020, ….04.2020, ….05.2019, ….05.2019“ – bestritten hat.

Das Verwaltungsgericht hat im Anschluss an die Beschlüsse des beschließenden Senats vom 23. Juni 2016 – 2 B 1353/16 – und vom 26. September 2017 – 2 B 1482/17 –, die sich auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beziehen (Urteil vom 20. Mai 1987 − 7 C 83.84 −, BVerwGE 77, 268 ff., juris; Beschluss vom 23. Dezember 1993 − 11 B 105.93 −, juris), zutreffend ausgeführt, dass von der Eintragung im Fahreignungsregister (früher: Verkehrszentralregister) keine Bindungswirkung ausgeht, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Eintragung im Einzelfall unzutreffend ist. Eine Bindungswirkung für die Fahrerlaubnisbehörde geht nur von der rechtskräftigen Entscheidung selbst aus (§ 4 Abs. 5 Satz 4 StVG). Wird die Richtigkeit der Registereintragung bestritten, ist die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, diesen Zweifeln nachzugehen. Dies kann durch Beiziehung der Akten über die dem Registereintrag zugrunde liegenden Entscheidungen geschehen, aber auch durch Heranziehung sonstiger Unterlagen und Umstände, aus denen sich mit hinreichender Gewissheit auf das Vorliegen der im Register verzeichneten rechtskräftigen Entscheidungen schließen lässt.

Ohne Erfolg wird mit der Beschwerde geltend gemacht, die Entziehung der Fahrerlaubnis beruhe allein auf der Vermutung der Richtigkeit des Fahreignungsregisters und des darin vermittelten Punktestandes. Denn das Verwaltungsgericht habe mit seiner Wertung, es handele sich um ein prozesstaktisch motiviertes und unglaubhaftes Bestreiten der Existenz der betreffenden Verkehrsverstöße und des Vorliegens rechtkräftiger Entscheidungen, die Voraussetzungen der Darlegungs- und Beweislast der Behörde verkannt.

Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Rüge in der Beschwerdebegründung bei seiner Bewertung nicht außer Acht gelassen, dass der Antragsteller eigene Versuche unternommen hat, um das den Eintragungen im Fahreignungsregister zugrunde liegende Geschehen, die Umstände der Eintragungen und die Rechtskraft der Entscheidungen zu ermitteln. In den Gründen des angefochtenen Beschlusses ist sein Vortrag erwähnt, dass ihm auf seine Anfrage hin von der zentralen Bußgeldstelle beim Regierungspräsidium Kassel bezüglich der Verstöße vom …. Mai 2019 (Az. …) und vom …. Mai 2019 (Az. …) mitgeteilt worden sei, dass dort zu diesen genannten Aktenzeichen kein Verfahren ermittelt werden könne. Das Ergebnis seiner Anfragen bei den Bußgeldbehörden zu weiteren Aktenzeichen hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht mitgeteilt. Das Verwaltungsgericht hat das Ergebnis dieser Ermittlungsbemühungen im Rahmen der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung ausdrücklich gewürdigt und in die vorgenommene Gesamtschau einbezogen.

Aufgrund dieser Gesamtwürdigung des Vorbringen der Beteiligten und den sich aus den vorgelegten Unterlagen ergebenden tatsächlichen Anhaltspunkten ist es aus den in den Beschlussgründen dargelegten Argumenten zu der zutreffenden Einschätzung gelangt, dass das Vorbringen des Antragstellers als pauschales Bestreiten aller acht Verstöße zu werten sei und keine durchgreifenden Zweifel an der Begehung und Ahndung der in Rede stehenden Verkehrsverstöße sowie dem rechtkräftigen Abschluss der diesbezüglich eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahren begründe.

Entgegen der mit der Beschwerde erneut vorgebrachten Auffassung des Antragstellers folgt aus der Nichtermittelbarkeit der Vorgänge zu den Aktenzeichen der beiden (ältesten) Eintragungen im Fahreignungsregister zu den Verstößen vom …. Mai 2019 (Az. …) und …. Mai 2019 (Az. …) keine Vermutung für die Nichtexistenz der Verkehrsverstöße und die fehlende Rechtskraft einer Ahndung. Ebenso wenig besteht eine Verpflichtung der Fahrerlaubnisbehörde, vor Ergreifen einer Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG im Regelfall von sich aus „die Aktenlage herzustellen“ und zumindest die Entscheidung und den Zustellungsnachweis der für die Ahndung der im Fahreignungsregister aufgeführten Verkehrszuwiderhandlungen bei den Bußgeldbehörden anzufordern und aufzubewahren, um die Rechtskraft der Entscheidungen darzulegen und beweisen zu können. Dies gilt auch dann, wenn nach der Vernichtung der Bußgeldakten bzw. Löschung der elektronischen Datenbestände aufgrund Ablaufs der Aufbewahrungsfristen eine Vorlage der Entscheidungen und Rechtskraftvermerke nicht mehr möglich ist.

Die Erfassung und Sammlung der einzutragenden Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und Gerichte im Fahreignungsregister dient dazu, die Arbeit der in § 30 Abs. 1 Nr. 3 StVG genannten Stellen in tatsächlicher Hinsicht zu erleichtern, weshalb diese sich bei den in eigener Verantwortung zu treffenden Entscheidungen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG grundsätzlich auf die ihnen nach § 4 Abs. 8 Satz 1 StVG vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Eintragungen stützen dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1987 − 7 C 83.84 −, a.a.O., juris Rn. 11; Beschluss vom 15. Dezember 2006 – 3 B 49.06 –, juris Rn. 5; Urteil vom 26. Januar 2017 – 3 C 21.15 – juris Rn. 25 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 13 S 2057/22 –, juris Rn. 11). Zu Recht verweist der Antragsteller zwar mit der Beschwerdebegründung darauf, dass sich diese Stellen wegen der fehlenden Bindungswirkung der übermittelten Eintragungen im Fahreignungsregister nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit Urteil vom 20. Mai 1987 (− 7 C 83.84 −, a.a.O.) und der nachfolgenden oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung „im Zweifel“ nicht auf die übermittelten Informationen allein verlassen dürften, sondern weitere Ermittlungen anzustellen hätten, insbesondere die Akten über die den Eintragungen zugrundeliegenden Entscheidungen beiziehen müssten. Eine Verpflichtung der Fahrerlaubnisbehörde, im Vorfeld einer Entscheidung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG regelmäßig sämtliche Bußgeldakten anzufordern, folgt daraus aber nicht. Dem vorgenannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Fallkonstellation zugrunde, in der um die Erstattung von Rechtsanwaltskosten gestritten wurde, die dem dortigen Kläger anlässlich eines erfolgreichen Antrags, eine Eintragung im Verkehrszentralregister zu entfernen, entstanden waren. Bei der Frage, welcher Ermittlungsumfang für die Fahrerlaubnisbehörden vor einer Entziehung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG geboten ist, muss deren präventiv-polizeilicher Zweck berücksichtigt werden. Denn sie dient gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StVG dem Schutz der Sicherheit des Straßenverkehrs vor Gefahren, die von Inhabern einer Fahrerlaubnis ausgehen, die wiederholt gegen die betreffenden straßenverkehrsrechtlichen oder gefahrgutbeförderungsrechtlichen Vorschriften verstoßen. Mit der Effektivität der Gefahrenabwehr ist eine Verpflichtung der Fahrerlaubnisbehörde, den Sachverhalt zu den ihr vom Kraftfahrt-Bundesamt nach § 4 Abs. 8 Satz 1 StVG übermittelten Eintragungen anlassunabhängig weiter aufzuklären – etwa durch Akteneinsicht und die Speicherung von Aktenauszügen – nicht zu vereinbaren. Angesichts der Masse der Verfahren gebietet sich dies vielmehr erst, wenn konkrete Anhaltspunkten für eine Fehlerhaftigkeit der Eintragung bestehen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 13 S 2057/22 –, juris Rn. 13). Will ein Betroffener Fehler der übermittelten Eintragungen rügen, die nicht ohne weiteres erkennbar sind, so ist er grundsätzlich nach § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 des Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetzes – HVwVfG – gehalten, zu den behaupteten Fehlern so weit wie möglich vorzutragen, insbesondere die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben (vgl. zum dortigen Landesrecht: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 13 S 2057/22 –, juris Rn. 11, m.w.N).

Ob die von einem Betroffenen erhobenen Rügen Zweifel an der Richtigkeit der nach § 4 Abs. 8 Satz 1 StVG vom Kraftfahrt-Bundesamt übermittelten Eintragungen aufwerfen und damit die Fahrerlaubnisbehörde den entscheidungserheblichen Sachverhalt weiter aufklären muss, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls anhand der hierfür geltenden allgemeinen Regelungen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 13 S 2057/22 –, juris Rn. 13; Hess. VGH, Beschluss vom 26. September 2017 – 2 B 1482/17 –). § 24 Abs. 1 Satz 2 HVwVfG stellt klar, dass die Behörde im Rahmen der Amtsermittlung ein weites Ermessen hat (für das verwaltungsgerichtliche Verfahren vgl. § 86 Abs. 1 VwGO). Sie ist bei der Ermittlung des Sachverhalts nicht an Beweisregeln, wie sie etwa dem Strafprozess zugrunde liegen, gebunden, vielmehr gilt das Prinzip der freien Beweiswürdigung. Erforderlich ist die Bildung einer eigenen Überzeugung vom Vorhandensein oder Fehlen entscheidungserheblicher Tatsachen. Geboten, aber auch ausreichend ist, dass sich die Behörde bei der Würdigung der Beweismittel im Rahmen der Logik, naturgesetzlicher Gegebenheiten und der allgemeinen Lebenserfahrung bewegt. Dabei ist der in § 24 Abs. 2 HVwVfG verankerte Grundsatz der vollständigen Amtsermittlung sowohl mit dem Grundsatz einer möglichst einfachen, zweckmäßigen und zügigen Amtsermittlung (§ 10 Satz 2 HVwVfG) als auch mit dem Grundsatz der kooperativen Amtsermittlung (§ 26 Abs. 2 HVwVfG) in Ausgleich zu bringen. Deshalb muss die Fahrerlaubnisbehörde zwar das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen für das Ergreifen der Maßnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG prüfen. Die Intensität der Prüfung darf sie aber auf das im jeweiligen Fall gebotene Maß an sachlichem und zeitlichem Aufwand beschränken (so zum dortigen Landesrecht: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 13 S 2057/22 –, juris Rn. 13, m.w.N.).

Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Gesamtwürdigung der Einzelfallumstände entspricht diesen Maßgaben und gelangt zu Recht zu dem Ergebnis, dass aufgrund der vom Antragsteller vorgebrachten Zweifel an der Richtigkeit der in der Entziehungsverfügung zugrunde gelegten Eintragungen im Fahreignungsregister keine weitergehenden Ermittlungen der Behörde geboten waren. Das Beschwerdevorbringen begründet keine andere Bewertung. Es beschränkt sich weiterhin auf ein pauschales Bestreiten der Verkehrsverstöße und des Bestandes rechtskräftiger Entscheidungen und entbehrt jeder inhaltlichen Auseinandersetzung mit der ausführlichen Begründung des angefochtenen Beschlusses, weshalb der Vortrag des Antragstellers rein prozesstaktisch motiviert und insgesamt als unglaubhaft zu bewerten sei (dort ab Seite 9, dritter Absatz). Dabei hat es anhand der im Einzelnen angeführten Verfahrensabläufe hinsichtlich der Festsetzung und des Vollzugs eines einmonatigen Fahrverbotes wegen einer am …. April 2020 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung (Az. …) aufgezeigt, dass es jedenfalls in diesem Fall zur Durchführung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens und der rechtskräftigen Ahndung des Verkehrsverstoßes gekommen ist. Dass der Antragsteller aber auch diesen Fall bestritten habe, begründe Zweifel an der Glaubhaftigkeit seines gesamten Vortrags. Dem hat der Antragsteller nichts Substantielles entgegengesetzt. Es wäre ihm jedoch zumutbar, sich mit den in den Fahreignungsregisterauszügen enthaltenen – und ihm im Zuge der Akteneinsicht bekannt gewordenen – detaillierten Angaben zu allen acht Verkehrsverstößen (u.a. Tatzeit und -ort, Rechtsgrundlagen und Art der Ahndung, Bußgeldbehörde, Datum und Rechtskraft der Entscheidung) auseinanderzusetzen und ggfs. konkrete Einwände vorzubringen. Demgegenüber hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 14. September 2022 (Bl. 53 f. der Gerichtsakte) mitgeteilt, ihm sei auf eigene Rückfrage seitens der Bußgeldstellen telefonisch mitgeteilt worden, dass dem Bevollmächtigten des Antragstellers hinsichtlich der beiden Taten vom 18. Januar 2022 Akteneinsicht gewährt worden sei und dieser jeweils Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gestellt habe. In den Verfahren zu den Taten vom …. Juni 2021, …. Mai 2020 und …. April 2020 habe der Bevollmächtigte jeweils Einspruch eingelegt und – nach der Einleitung des amtsgerichtlichen Verfahrens – wieder zurückgenommen. Auch in diesen Verfahren sei jeweils Akteneinsicht beantragt und gewährt worden. Dem hat der Antragsteller wiederum nichts entgegengesetzt und ist eine Erklärung schuldig geblieben, weshalb er nach wie vor die Existenz rechtskräftig geahndeter Verstöße bestreitet. Soweit der Antragsteller in der Beschwerdebegründung sein pauschales Bestreiten lediglich dahingehend relativiert hat, dass „nach Aktenlage bezüglich zweier Eintragungen“ kein Nachweis für die Existenz rechtskräftiger Entscheidungen beigebracht worden sei, ist auffällig, dass er dabei die beiden Fällen auswählt, für welche eine Akteneinsichtnahme und die Vorlage der Entscheidungen wegen der Vernichtung der Bußgeldakten bzw. Löschung der elektronischen Datenbestände aufgrund Ablaufs der Aufbewahrungsfristen nicht mehr möglich ist.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht es als weiteres Indiz für die Unrichtigkeit der Behauptung des Antragstellers gewertet hat, dass er anlässlich der im Vorfeld der streitigen Fahrerlaubnisentziehung nachweislich ergriffenen Maßnahmen der ersten oder zweiten Eingriffsstufe nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2 StVG (Ermahnung vom …. Mai 2020, Verwarnungen vom …. Januar 2021 und vom …. Dezember 2021, Bl. 7 f., 33 f., 52 f. der Behördenakte) die angebliche Fehlerhaftigkeit nicht beanstandet hat. Denn anlässlich dieser Maßnahmen bestand für den Antragsteller jeweils frühzeitig Gelegenheit und angesichts der darin aufgezeigten Rechtsfolgen auch Anlass, die Verkehrsverstöße auf deren Richtigkeit hin zu prüfen und den Antragsgegner auf etwaige Unstimmigkeiten hinzuweisen. Anhand der ihm bei diesen Maßnahmen jeweils als Anlage übersandten Auflistung der Verkehrszuwiderhandlungen war ihm die Möglichkeit ihrer Überprüfung eröffnet. Gerade vor dem Hintergrund des gestuften Sanktionsmodells des Fahreignungs-Bewertungssystems gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG wäre es bei der Vielzahl der (pauschal) behaupteten Fehler naheliegend gewesen, dass der Antragsteller diese angeblichen Fehler gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde zumindest formlos beanstandet, um (zeitnah) eine Überprüfung und Korrektur zu erreichen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 26. September 2017 – 2 B 1482/17 –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 13 S 2057/22 –, juris Rn. 18, m.w.N.).

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es spreche gegen die Richtigkeit des pauschalen Bestreitens des Antragstellers, dass er die Gebührenrechnungen für die Ermahnung und die beiden Verwarnungen offenbar bezahlt habe. Im Falle einer fälschlichen oder nicht nachvollziehbaren Eintragung hätte er im Rahmen eines gegen den jeweiligen Gebührenbescheid gerichteten Rechtsbehelfs eine inzidente Überprüfung auch der Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Amtshandlung erreichen können (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 13 S 2057/22 –, juris Rn. 18, m.w.N.).

Dass die Tatorte der bestrittenen Verkehrsverstöße sämtlich im Umfeld des Wohnortes des Antragstellers liegen, spricht auch unter diesem Gesichtspunkt für die Tatbegehung durch seine Person.

Demnach erweist sich die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 9. August 2022 wegen des Erreichens von acht Punkten voraussichtlich als rechtmäßig.

Im Interesse der Allgemeinheit an der Verkehrssicherheit verbleibt es bei der gesetzgeberischen Grundentscheidung, dass Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Fahrerlaubnisentziehung wegen Punkteverstößen keine aufschiebende Wirkung haben (§ 4 Abs. 9 StVG); ein überwiegendes Aussetzungsinteresse des Antragstellers besteht nicht.

Ein Anspruch auf vorläufige Herausgabe des Führerscheins scheidet nach alledem aus.

Der Antragsteller hat nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes − GKG − i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach Nr. 46.3 und Nr. 46.5 des Streitwertkataloges ist für die Fahrerlaubnis der Klassen B, BE sowie der Klassen C1, C1E jeweils der Auffangwert in Höhe von 5.000 Euro zugrunde zu legen. Die übrigen Fahrerlaubnisklassen wirken sich nicht streitwerterhöhend aus, da sie von den genannten Fahrerlaubnisklassen mit umfasst werden. Nach Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs ist der Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 66 Abs. 3 Satz 3 und § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).

 

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