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Fahrerlaubnisentziehung – mehrere angeordnete Gutachten mit unterschiedlichen Ergebnissen

VG Gelsenkirchen – Az.: 9 L 347/20 – Beschluss vom 04.05.2020

1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Einzelrichter ist zuständig, nachdem ihm der Rechtsstreit mit Beschluss der Kammer vom 30. April 2020 zur Entscheidung übertragen worden ist, § 6 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Das Gericht legt den gemäß Schriftsatz vom 10. März 2020 unter Ziffer 3. gestellten Antrag,

im Wege der einstweiligen Anordnung zu erkennen, dass die aufschiebende Wirkung anlässlich der Ordnungsverfügung vom 27.02.2020 wiederhergestellt wird,

gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend aus, dass hinsichtlich der in Ziffer 1. des Bescheides der Antragsgegnerin vom 27. Februar 2020 verfügten Entziehung der Fahrerlaubnis die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der im Verfahren   am 11. März 2020 erhobenen Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 VwGO und hinsichtlich der in Ziffer 2. dieses Bescheides enthaltenen Zwangsgeldandrohung die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und § 112 Justizgesetz NRW – JustG NRW – begehrt wird. Das Gericht legt den Antrag weiter dahingehend aus, dass hinsichtlich der Gebührenfestsetzung nicht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht wird. Bezüglich der Gebührenfestsetzung entfällt die aufschiebende Wirkung ebenfalls kraft Gesetzes, nämlich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, so dass ebenfalls die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt werden müsste. Ein darauf gerichteter Antrag ist aber unzulässig, wenn vor Antragstellung bei Gericht kein Antrag nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO bei der Behörde gestellt worden ist. Allerdings verbietet sich eine Auslegung, die zu einem unzulässigen Antrag führt. Da der Antragsteller ersichtlich noch keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß § 80 Abs. 6 VwGO bei der Antragsgegnerin gestellt hat, geht das Gericht davon aus, dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes die Gebührenfestsetzung nicht umfasst.

Der in dieser Auslegung zulässige Antrag ist nicht begründet.

Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder zumindest eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollziehungsinteresses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kommt nicht in Betracht.

Formelle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanordnung ist, dass für das besondere Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung eine schriftliche Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben worden ist. Der Sinn und Zweck dieses Begründungserfordernisses besteht darin, dass sich die Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst macht und mit besonderer Sorgfalt prüft, ob vorrangige öffentliche Interessen eine Vollziehung bereits vor Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes notwendig erscheinen lassen. Pauschale, formelhafte und für eine beliebige Vielzahl von Fallgestaltungen anwendbare Formulierungen genügen deshalb den gesetzlichen Anforderungen im Regelfall nicht. Bei gleichartigen Tatbeständen können allerdings auch typisierte Begründungen ausreichen. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen fehlender Fahreignung ist die zu beurteilende Interessenlage in der großen Mehrzahl der Fälle gleich gelagert. In diesen Fällen ist stets zwischen den Gefahren für herausragend wichtige Schutzgüter wie Leib, Leben und Gesundheit von Verkehrsteilnehmern und dem Interesse des Betroffenen abzuwägen, bis zur Hauptsacheentscheidung im Besitz seiner Fahrerlaubnis zu bleiben. In solchen Fällen ist es nicht zwingend geboten, eine ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Begründung zu geben. Gerade dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde darauf beschränken, die für diese Fallgruppe typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach ihrer Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt.

Vgl. Bay.VGH, Beschluss vom 13. Oktober 2006 – 11 CS 06.1724 -, juris Rn. 13; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. April 2012 – 3 M 47/12 -, juris Rn. 10.

Diesen Anforderungen wird die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung gerecht. Die Antragsgegnerin hat angeführt, bis die in der Begründung des Bescheides angeführten Bedenken an der Fahreignung durch positive Eignungsgutachten ausgeräumt seien, habe die Allgemeinheit ein Recht darauf, dass der Antragsteller sofort von der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer ausgeschlossen werde. Die sofortige Vollziehung sei somit im besonderen öffentlichen Interesse zur Sicherheit der Allgemeinheit der Verkehrsteilnehmer dringend geboten. Diese Begründung knüpft an die zuvor dargestellte Sachverhaltsschilderung und rechtliche Bewertung der Antragsgegnerin an und ist damit einzelfallbezogen.

Die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hängt ferner ab von einer Abwägung der widerstreitenden Interessen an der Suspendierung der angefochtenen Maßnahme einerseits und der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Bei der Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Ergibt die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass der sofort vollziehbare Verwaltungsakt rechtswidrig ist, überwiegt das private Aufschubinteresse des Antragstellers. Denn an der Vollziehung einer rechtswidrigen hoheitlichen Maßnahme kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist hingegen der angegriffene Bescheid rechtmäßig und besteht – für den Fall des Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung – ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung, überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Bestand der sofortigen Vollziehbarkeit.

Vorliegend ergibt die Abwägung des Interesses des Antragstellers einerseits – vorläufig weiter ein Kraftfahrzeug führen zu dürfen – mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse andererseits – die Teilnahme des Antragstellers am motorisierten Straßenverkehr zum Schutze der anderen Verkehrsteilnehmer sofort zu unterbinden -, dass dem öffentlichen Interesse Vorrang einzuräumen ist. Denn bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung erweisen sich die Entziehung der Fahrerlaubnis mit Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins und die Zwangsgeldandrohung im Ergebnis als rechtmäßig. Ferner liegen auch keine sonstigen Umstände vor, die ein überwiegendes Aussetzungsinteresse begründen könnten.

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Entziehung der Fahrerlaubnis ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.

BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – 3 C 3/13 -, Rn. 13, juris.

Der Bescheid vom 27. Februar 2020 findet seine Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung – FeV -.

Dass die Antragsgegnerin nach Ablauf der dem Antragsteller gesetzten Frist zur Vorlage der geforderten Gutachten nicht gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Nordrhein-Westfalen – VwVfG NRW – gesondert zur Entziehung der Fahrerlaubnis angehört, sondern dem Antragsteller sofort, mit Ordnungsverfügung am 27. Februar 2020, die Fahrerlaubnis entzogen hat, führt nicht zum Erfolg der in der Hauptsache erhobenen Klage. Der Anhörungsmangel ist, sofern er nicht auf Grund des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 26. März 2020, in der diese nach ausführlicher Würdigung des Vorbringens des Antragstellers klarstellte, dessen Ausführungen führten nicht zu einer anderen Entscheidung, bereits nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW als geheilt anzusehen ist, jedenfalls im Ergebnis gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. Der Behörde wird kein Ermessen eingeräumt. Aus diesem Grund schließt § 46 VwVfG NRW grundsätzlich die auf einen Verfahrensfehler gestützte Aufhebung der Entziehung der Fahrerlaubnis aus, wenn sich der betroffene Kraftfahrer als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat, weil dann keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.

VG Düsseldorf, Urteil vom 20. August 2014 – 14 K 911/14 -, Rn. 21, juris, m.w.N.; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 24. Juli 2013 – 16 B 718/13 -, Rn. 4, juris.

Auch vorliegend ist dies der Fall, weil die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach summarischer Prüfung vorliegen und sich die Entziehung der Fahrerlaubnis damit als materiell rechtmäßig und zwingend erweist.

Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Der Antragsteller hat sich nach summarischer Prüfung im Sinne dieser Vorschrift als ungeeignet erwiesen, weil die Antragsgegnerin gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung auf die Ungeeignetheit des Antragstellers schließen durfte.

Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Straßenverkehrsbehörde auf die Ungeeignetheit des Betroffenen schließen, wenn er ein gefordertes Gutachten nicht oder nicht fristgerecht beibringt. Auch im Rahmen des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV trifft die Behörde eine gebundene Entscheidung; ihr ist kein Ermessen eröffnet.

BayVGH, Beschluss vom 5. Juli 2012 – 11 C 12.874 -, Rn. 15, juris.

Entsprechend den zu § 15b Abs. 2 StVZO a.F. aufgestellten Grundsätzen, ist der Schluss auf die Nichteignung nur zulässig, wenn die Anordnung, ein Gutachten beizubringen rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war und für die Weigerung, das Gutachten beizubringen, kein ausreichender Grund besteht.

BVerwG, Beschluss vom 05. Februar 2015 – 3 B 16/14 -, Rn. 8, juris; OVG NRW, Beschluss vom 22. November 2001 – 19 B 814/01 -, Rn. 2 ff., juris unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG zu § 15b Abs. 2 StVZO a.F., BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 – 3 C 1/97 -, Rn. 16, juris und w.N.

Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller unter dem 10. Dezember mit drei Gutachtenanordnungen auf, ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, ein Gutachten eines Facharztes für Kardiologie sowie ein Gutachten eines Facharztes für Ophtalmologie, jeweils mit verkehrsmedizinischer Qualifikation, beizubringen. Sie setzte in den Anordnungen jeweils eine Frist zur Vorlage der Gutachten bis zum 26. Februar 2020.

Die Antragsgegnerin durfte jedenfalls aus der Nichtbeibringung der geforderten neurologisch-psychiatrischen und kardiologischen Gutachten auf die Nichteignung des Antragstellers schließen, im Straßenverkehr ein Fahrzeug zu führen. Die Anordnung der Beibringung dieser Gutachten war rechtmäßig. Rechtsgrundlage der Anordnungen ist § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 4 FeV.

Die Anordnung der Beibringung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller jeweils gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV darauf aufmerksam gemacht, dass sie auf seine Nichteignung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV schließen kann, falls er die Begutachtung verweigert bzw. das erstellte Gutachten nicht fristgerecht vorlegt. Die Antragsgegnerin benannte ferner gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 Hs. 1 FeV die für die Untersuchung in Betracht kommenden Stellen, indem sie eine Liste von Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV) mitübersandte. Sie wies darauf hin, dass die Untersuchung auf Kosten des Antragstellers erfolgt. Schließlich teilte sie dem Kläger gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 Hs. 2 FeV mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann.

Die Anordnung wahrt die weiteren formellen Vorgaben des § 11 Abs. 6 FeV. Die Antragsgegnerin legte gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV die zu klärenden Fragen der Eignung des Antragstellers dar und erörterte die Gründe für die Zweifel an der Eignung des Antragstellers hinreichend. Sie nahm Bezug auf Ziffer 6.6 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung, wonach Epilepsie die Fahreignung ausschließen kann. Sie benannte die im Wesentlichen zu Grunde gelegten Anknüpfungstatsachen. Die Antragsgegnerin nahm Bezug auf ein Unfallereignis vom 11. Juli 2017, im Zuge dessen eine Notärztin angegeben hatte, dass die Symptome vor Ort eindeutig auf einen Krampfanfall hingedeutet hätten. Die Antragsgegnerin verwies auf eine fachärztliche Bescheinigung einer den Antragsteller behandelnden neurologischen Gemeinschaftspraxis vom 17. April 2018, aus der hervorgeht, dass bei dem Antragsteller ein Zustand kleiner lakunärer Insult in der linken Kleinhirnhemisphäre sowie Epilepsie vorliegt. Zeitlich danach sollte ein Schädel-MRT mit Angiographie erfolgen. Aus der amtsärztlichen Stellungnahme vom 21. Mai 2019, die auf Grund einer Untersuchungsanordnung vom 8. Februar 2019 erfolgte, ergab sich insbesondere, dass eine ursächliche Abklärung des Unfalls aus 2017 bislang nicht erfolgt sei. Es bestehe auch keine antiepileptische Medikation. Die Stellungnahme des Amtsarztes erwähnt zudem einen gesicherten Grand-Mal-Anfall im August 2010. Die Gutachtenfrage „Ist die / der Untersuchte unter Berücksichtigung der Ausführungen des Amtsarztes zu einem gesicherten erstmaligen Grand-Mal-Anfall Ende 08/2010, fehlender ursächlicher Abklärung sowie antiepileptischer Medikation im vorliegenden Bericht über die erfolgte amtsärztliche Untersuchung vom 15.04.2019 (weiterhin) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der erteilten Klassen (Gruppe I und Gruppe II) gerecht zu werden?“ ist vor dem Hintergrund der dargelegten Anknüpfungstatsachen für das mögliche Vorliegen einer relevanten neurologischen Erkrankung, namentlich Epilepsie (Ziffer 6.6 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung) hinreichend bestimmt und eingegrenzt.

Die Anordnung zur Beibringung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens erweist sich auch als materiell rechtmäßig. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen. Die Behörde kann auch mehrere solcher Anordnungen treffen (§ 11 Abs. 2 Satz 4 FeV). Gemäß § 46 Abs. 3 FeV finden §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist. Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisinhabers bestehen gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV insbesondere dann, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach der Anlage 4 zur FeV hinweisen.

Eine Begutachtungsanordnung nach § 11 Abs. 2 FeV dient der Klärung von Eignungszweifeln, so dass für die auf § 11 Abs. 2 FeV gestützte Anordnung, ein ärztliches Gutachten vorzulegen, erforderlich aber auch ausreichend ist, dass aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des Betroffenen bestehen. Die tatsächlichen Feststellungen müssen den Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lassen. „Bedenken“ in diesem Sinne verlangen tatsächliche Hinweise auf Umstände, die für die Verkehrssicherheit in so hohem Maße bedeutsam sind, dass die bisher für die Eignungsbeurteilung zugrunde liegenden Tatsachen fachlich überprüft werden müssen. Es kommt nicht darauf an, ob die in Betracht gezogene Erkrankung tatsächlich vorliegt. Dies soll durch die angeordnete Untersuchung gerade geklärt werden. Ausreichend sind hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer entsprechenden Erkrankung.

OVG Lüneburg, Urteil vom 18. April 2016 – 12 LB 178/15 -, Rn. 24, juris; vgl. ferner OVG NRW, Beschluss vom 12. November 2014 – 16 A 2711/13 -, Rn. 10, juris, jeweils m.w.N.; Siegmund in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 2 StVG (Stand: 18.03.2020), Rn. 78.1.

Andererseits reicht ein bloß entfernter Verdacht eines körperlichen oder geistigen Mangels für die Tatbestandsmäßigkeit des § 11 Abs. 2 FeV nicht aus (keine Anordnung einer Untersuchungsmaßnahme „ins Blaue“ hinein).

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 – 3 C 13/01 -, Rn. 26, juris.

Im für die Beurteilung der Gutachtenanordnung maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses bestanden nach diesen Maßgaben hinreichend konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, die bei vernünftiger Einschätzung die ernsthafte Besorgnis begründeten, dass bei dem Antragsteller ein Mangel im Sinne der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV vorliegt, der Bedenken an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen vermochte. Die der Gutachtenanordnung zu Grunde gelegten Anhaltspunkte trugen hinreichend gewichtige Bedenken, dass der Antragsteller an einer die Fahreignung ausschließenden neurologischen Erkrankung – hier: einer Epilepsie gemäß Ziffer 6.6 der Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV – leiden könnte. Gemäß Ziffer 6.6 der Anlage 4 zur FeV besteht in den Fahrerlaubnisklassen A, A1, A2 B, BE, AM, L, T die Fahreignung bei Epilepsie ausnahmsweise – mithin: nur – dann, wenn kein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven mehr besteht, z. B. ein Jahr Anfallsfreiheit besteht. In den Fahrerlaubnisklassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, FzF besteht die Fahreignung bei Epilepsie ausnahmsweise dann, wenn kein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven mehr besteht, z. B. fünf Jahre Anfallsfreiheit ohne Therapie gegeben ist.

Vor diesem Hintergrund begründen der im Zusammenhang mit dem Unfallereignis am 11. Juli 2017 nach Einschätzung der Notärztin erlittene, aber nicht ursächlich abgeklärte Krampfanfall und die Bescheinigung der Diagnose bzw. Verdachtsdiagnose einer Epilepsie durch die den Antragsteller behandelnden Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie vom 17. April 2018 Anlass, den Antragsteller auf eine die Fahreignung beeinträchtigende oder ausschließende Epilepsie zu untersuchen. Insbesondere bedarf die Anfallsfreiheit und deren Dauer für beide Gruppen der Fahrerlaubnisklassen der Abklärung, um jeweils eine Prognose für die Fahreignung stellen zu können. Den medizinischen Abklärungsbedarf kann auch nicht der Vortrag des Antragstellers, er habe seit dem Unfallereignis am 11. Juli 2017 LKW geführt, ohne dass es zu weiteren Vorfällen gekommen sei, und er sei seit 2-3 Jahren nicht mehr und wegen Epilepsie nie in ärztlicher Behandlung gewesen, entkräften. Gemäß Abschnitt 3.9.6 der Begutachtungsleilinien zur Kraftfahreignung (dort S. 52) ist der Betroffene aufgefordert, den Verlauf seiner Erkrankung zu belegen. Danach ist die alleinige Angabe einer anfallsfreien Periode nicht per se ausreichend, fachärztliche Kontrolluntersuchungen sollten in angemessener Weise vorliegen, um den Krankheitsverlauf und das Rezidivrisiko fundiert beurteilen zu können. Zudem erscheint fraglich, weshalb die den Antragsteller behandelnden Fachärzte eine entsprechende Diagnose bzw. Verdachtsdiagnose gestellt haben sollen. Die bloße Rechtfertigung der Durchführung einer MRT-Untersuchung bei Unrichtigkeit der bescheinigten Indikation kann – zumal zu Lasten der den Antragsteller behandelnden Ärzte – bei summarischer Prüfung nicht angenommen werden. Gestützt wird die Annahme weiteren Aufklärungsbedarfs durch ein Schreiben des Antragstellers an die Antragsgegnerin vom 20. April 2018, in der er wörtlich mitteilt, dass nach Aussage seines Neurologen eventuell zurückliegende epileptische Anfälle in einer speziellen Untersuchung feststellbar seien oder aber auch nie dagewesene. Daraus folgt, dass allein der jüngere Vortrag des Antragstellers nicht Grundlage der sicheren Schlussfolgerung sein kann, er sei – insbesondere hinsichtlich der Fahrerlaubnisklassen der Gruppe I – anfallsfrei und deshalb zweifelsfrei fahrgeeignet. Es bedarf somit der Aufklärung und Prognose, ob eine epileptische Erkrankung im Sinne der Begutachtungsleitlinien und ein wesentliches Risiko für Anfallsrezidive besteht.

Auch die Anordnung zur Beibringung eines weiteren Gutachtens eines Facharztes für Kardiologie genügt den gesetzlichen Anforderungen des § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV.

Sie genügt den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 und des § 11 Abs. 8 FeV. Insbesondere legte die Antragsgegnerin in der Anordnung gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV die zu klärenden Fragen der Eignung des Antragstellers dar und erörterte die Gründe für die Zweifel an der Eignung des Antragstellers hinreichend. Die Antragsgegnerin nahm nach Schilderung des Sachverhalts seit dem Unfallgeschehen vom 11. Juli 2017 Bezug auf Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung, dort Ziffer 4., wonach Herz- und Gefäßkrankheiten unter den dort genannten Voraussetzungen die Fahreignung ausschließen können, die amtsärztliche Stellungnahme vom 21. Mai 2019 sowie den Arztbrief des B.  -L.  -Krankenhauses vom 25. Mai 2018. Aus diesem geht hervor, dass sich der Antragsteller unter anderem mit den Diagnosen kombiniertes kalzifiziertes Aortenklappenvitium mit formal hochgradiger Stenose sowie bikuspider Klappenanlage und mittelgradiger Insuffizienz, Leitsymptom Belastungsdyspnoe, sowie koronarer Herzerkrankung ohne höhergradige Stenosen in stationärer Behandlung befand. Die Gutachtenfrage „Ist die / der Untersuchte unter Berücksichtigung der Ausführungen der Ärzte des B.  L.  Krankenhauses im vorliegenden Arztbrief vom 25.05.2018 zu vorliegender Herzerkrankung sowie der Ausführungen des Amtsarztes in der erfolgten amtsärztlichen Untersuchung vom 15.04.2019 (weiterhin) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der erteilten Klassen (Gruppe I und Gruppe II) gerecht zu werden?“ ist vor dem Hintergrund der dargelegten Anknüpfungstatsachen für das mögliche Vorliegen einer relevanten Herzerkrankung hinreichend bestimmt und eingegrenzt. Vor dem Hintergrund der mehrfachen Inbezugnahme der Ziffer 4. der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (Herz- und Gefäßkrankheiten) der auf eine kardiologische Untersuchung gerichtete Gutachtenanordnung steht der Bestimmtheit der An ordnung entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht entgegen, dass die Anordnung im Rahmen der Sachverhaltsschilderung auch Aspekte des Aufklärungsbedarfs einer hinsichtlich anderer, insbesondere epileptischer Krankheitsbilder miterwähnt. Im Zusammenhang mit der Gutachtenfrage führt die Auslegung der Gutachtenanordnung eindeutig zu einem kardiologischen Begutachtungsauftrag.

Dass die Antragsgegnerin keine Unterfallgruppe der Ziffer 4. der Anlage 4. zur FeV näher als Anlass der Begutachtung in Bezug genommen hat, steht der Bestimmtheit der Gutachtenanordnung nicht entgegen. Von der Fahrerlaubnisbehörde kann nicht stets verlangt werden, bereits im Rahmen der Gutachtensanforderung genau die Nummer(n) der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung festzulegen, deren Tatbestandsvoraussetzungen durch das Gutachten geklärt werden sollen. Denn die verdachtsbegründenden Umstände können so unspezifisch sein, dass eine hinreichend genaue Zuordnung in diesem Verfahrensstadium unter Umständen noch nicht möglich ist.

BayVGH, Beschluss vom 15. November 2010 – 11 C 10.2329 -, Rn. 37, juris.

Es genügt deshalb, den Formenkreis des Krankheitsbildes in Übereinstimmung mit der Fachrichtung des heranzuziehenden Facharztes und den zu untersuchenden Anknüpfungstatsachen einzugrenzen. Diese Eingrenzung hat die Antragsgegnerin hier vorgenommen, indem sie unter Bezugnahme auf Anlage 4. („Herz- und Gefäßkrankheiten“) die Beibringung eines kardiologischen Gutachtens anordnete.

Die Gutachtenanordnung erweist sich auch als materiell rechtmäßig. Die genannten Anknüpfungstatsachen begründen nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 1 FeV berechtigte Zweifel an der Kraftfahreignung des Antragstellers. Eine Herzinsuffizienz (Herzleistungsschwäche) kann gemäß Ziffer 4.5 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung in Abhängigkeit vom Ergebnis der verkehrsmedizinischen Abklärung gemäß der NYHA-Klassifikation und differenziert nach den Fahrerlaubnisklassen A, A1, A2 B, BE, AM, L, T (Gruppe I) und C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, FzF (Gruppe II) zum Ausschluss der Fahreignung führen. Zudem ist die Bescheinigung der den Antragsteller behandelnden neurologischen Fachpraxis vom 17. April 2018 – entgegen der Auffassung des Antragstellers – auch im vorliegenden Zusammenhang durchaus von Bedeutung. Als indiziert wird ein Schädel-MRT mit Angiographie – der röntgenologischen Darstellung der Blutgefäße – angesehen. Auch auf diese Anknüpfungstatsache stellt die kardiologische Gutachtenanordnung im Zusammenhang mit Herz- und Gefäßkrankheiten zutreffend ab. Vor diesem Hintergrund besteht Aufklärungsbedarf, ob bei dem Antragsteller unter dem Gesichtspunkt von Herz- und Gefäßkrankheiten Beeinträchtigungen oder der Ausschluss der Fahreignung vorliegen.

Beide Gutachtenanordnungen waren verhältnismäßig, insbesondere angemessen. In Anbetracht der Gefahren, die durch nicht geeignete Kraftfahrer im Straßenverkehr entstehen können, steht die Beeinträchtigung des Antragstellers durch die Begutachtung auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Aufwands und der Kostenlast ersichtlich nicht außer Verhältnis. Ermessensfehler bei der Anordnung der Gutachten sind nicht ersichtlich.

Der von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV getragenen Schlussfolgerung kann der Antragsteller keine hinreichenden Gründe für die Nichtvorlage der geforderten Gutachten entgegenhalten.

§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV enthält eine Regelung zur Beweiswürdigung, sie nimmt die Rechtsprechung des BVerwG zur Beweisvereitelung im Rahmen der bis zum 1. Januar 1999 geltenden Vorgängervorschrift § 15b Abs. 2 StVZO auf. Der Grund für den Schluss von der Nichtbefolgung einer derartigen behördlichen Anordnung auf die Nichteignung des Kraftfahrers wurde in der Verletzung der dem Verkehrsteilnehmer nach § 15b Abs. 2 StVZO a.F. obliegenden Mitwirkungspflicht gesehen; denn er hat zur Klärung der Zweifel beizutragen, die an seiner Kraftfahreignung bestehen.

BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 2008 – 3 B 99/07 -, Rn. 5, juris; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 C 25/04 -, Rn. 19, juris; BVerwG, Urteil vom 13. November 1997 – 3 C 1/97 -, Rn. 16, juris; vgl. noch BayVGH, Beschluss vom 30. März 2020 – 11 CS 20.123 -, Rn. 22, juris vgl. zur Übernahme dieser Grundsätze in die Fahrerlaubnisverordnung BR-Drucks. 443/98, S. 257.

Der Antragsteller erklärte sich zunächst mit einer Begutachtung einverstanden und trug jeweils handschriftlich die Namen der gewählten Gutachter in das von der Antragsgegnerin übermittelte Formular „Einverständniserklärung/Beauftragung“ ein. Mit an die Antragsgegnerin gerichtetem Schreiben vom 8. Januar 2020 lehnte der beauftragte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie die Begutachtung zur – so wörtlich – Vermeidung von weiteren Konflikten ab. Er müsse den Gutachtenauftrag vermutlich negativ beurteilen. Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller unter dem 13. Januar 2020 unter erneuter Beifügung einer Gutachterliste und des Vordrucks einer Einverständniserklärung auf, das Einverständnis zur Begutachtung unter Angabe eines anderen Facharztes bezüglich der Begutachtung bis zum 22. Januar 2020 zurückzusenden und empfahl ihm, sich zwecks einer Untersuchung mit einem anderen Facharzt in Verbindung zu setzen. Mit Schreiben vom 16. Januar 2020 hob die Antragsgegnerin die in den Verfahren   und   gegenständliche Entziehung der Fahrerlaubnis vom 17. Oktober 2019 auf. Alle genannten Schriftstücke übersandte sie jeweils auch den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zur Kenntnis. Den für den 30. Januar 2020 vereinbarten kardiologischen Termin nahm der Antragsteller – nach Stellungnahme des beauftragten Kardiologen vom 3. Februar 2020 unentschuldigt – nicht wahr. Der Antragsteller legte nach nochmaliger Aufforderung am 10. Februar 2020 eine neue Einverständniserklärung bezüglich der neurologisch-psychiatrischen Begutachtung bei der Antragsgegnerin vor, ohne einen neu gewählten Gutachter zu benennen. Mit am 7. Februar 2020 eingegangenem Schreiben trug der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 16. Januar 2020 vor, „diese Sache“ sei aufgehoben worden. Nunmehr habe sein Prozessbevollmächtigter, nicht er selbst, Post erhalten, dass ein neues Verfahren eingeleitet worden sei. Auf Grund des Schreibens habe er alle Termine bei den Fachärzten abgesagt, die jetzt nicht mehr einzuhalten seien. Auf die Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2020, es bestünden ungeachtet der Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 17. Oktober 2019 weiter Zweifel an der Fahreignung (vgl. auch gerichtlicher Vermerk vom 29. November 2019 in den Verfahren   und  ), wiederholte der Antragsteller sein Vorbringen und teilte mit, er bemühe sich jetzt um Termine.

Im gerichtlichen Verfahren trägt der Antragsteller nunmehr vor, er habe im Zuge einer Kontaktaufnahme mit der Praxis des auf dem Vordruck „Einverständniserklärung / Beauftragung“ voreingetragenen Neurologen und Psychiaters erfahren, dass dieser keine Gutachten mehr erstelle. Die daraufhin von ihm gewählte Praxis habe den Gutachtenauftrag abgelehnt. Der Antragsteller habe dann die in der Auflistung aufgeführten neurologischen Ärzte angerufen und um eine Terminsvereinbarung gebeten. Keiner der dort genannten Ärzte sei bereit gewesen, ein neurologisches Gutachten unter Einbeziehung verkehrsmedizinischer Qualifikation zu erstellen. Er trägt weiter vor, er habe einen Termin mit der kardiologischen Praxis am 30. Januar 2020 vereinbart. Diesen Termin habe er jedoch nicht wahrgenommen, weil er davon ausgegangen sei, dass die Antragsgegnerin unter dem 16. Januar 2020 die Ordnungsverfügung vom 17. Oktober 2019 aufgehoben habe.

Aus diesem Vorbringen ergeben sich keine ausreichenden Gründe, die den Antragsteller an der Wahrnehmung seiner Mitwirkungsobliegenheiten und fristgerechten Beibringung der Gutachten gehindert hätten.

Der Name eines – keine Gutachtenaufträge mehr durchführenden – Facharztes für Neurologie und Psychiatrie auf einem Vordruck ist nicht maßgeblich, weil die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine insgesamt vierseitige Liste mit in Frage kommenden Fachärzten für Neurologie und Psychiatrie übermittelt hat. Wann der Antragsteller welche dieser Ärzte kontaktiert hat und weshalb sie seine Begutachtung abgelehnt haben sollen, geht aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht hervor. Der Antragsteller hätte nach der frühzeitigen Information durch die Antragsgegnerin bereits unter dem 13. Januar 2020 noch ausreichend Gelegenheit gehabt, einen Begutachtungstermin anzuberaumen und dafür Sorge zu tragen, dass bis zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt – der Entziehung der Fahrerlaubnis – ein Gutachten erstellt oder unter Darlegung konkreter Hinderungsgründe eine Fristverlängerung erbeten wird. Dass er die Zeit bis zum 10. Februar 2020 verstreichen ließ und bis zuletzt keinen Gutachter benannte, ohne im Verwaltungsverfahren auf die im gerichtlichen Verfahren angedeuteten Schwierigkeiten hinzuweisen und ggf. Fristverlängerung zu beantragen, geht im Rahmen der gesetzlichen Mitwirkungsobliegenheit zu Lasten des Antragstellers.

Auch dass der Antragsteller den kardiologischen Begutachtungstermin am 30. Januar 2020 nicht wahrgenommen hat, geht zu seinen Lasten. In seiner Annahme, das Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis habe sich durch Aufhebung der Verfügung vom 17. Oktober 2019 erledigt, liegt kein Entschuldigungsgrund, der ihn von seinen Mitwirkungsobliegenheiten entlastet. Sowohl für den Antragsteller selbst als auch für seine Prozessbevollmächtigten war nach Aktenlage offensichtlich, dass die Aufhebung der Ordnungsverfügung vom 17. Oktober 2019 weiteren Aufklärungsbedarf in einem neuen Verwaltungsverfahren unberührt ließ. Mit der Aufhebung dieser Ordnungsverfügung nahm die Antragsgegnerin ersichtlich nicht von den Untersuchungsanordnungen vom 10. Dezember 2019 Abstand. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass er sich um kardiologische Ersatztermine bemüht hat. Zweifelhaft erscheint zudem der Vortrag, der Antragsteller habe alle Facharzttermine abgesagt. Zu dem Facharzttermin am 30. Januar 2020 ist der Antragsteller nicht erschienen. Darüber hinaus ist den Akten nicht zu entnehmen, dass weitere Termine anberaumt worden sind.

Es kommt vor diesem Hintergrund nicht mehr darauf an, ob auch die Anordnung zur Beibringung eines augenärztlichen Gutachtens rechtmäßig ist. Diese begründete die Antragsgegnerin mit unter dem 21. Mai 2019 amtsärztlich dargelegten Auffälligkeiten im Gesichtsfeld des linken Auges. Die Gutachtenfrage „Ist die / der Untersuchte unter Berücksichtigung der Ausführungen des Amtsarztes in der erfolgten amtsärztlichen Untersuchung vom 15.04.2019 zu entdeckten Auffälligkeiten im Gesichtsfeld des linken Auges (weiterhin) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der erteilten Klassen (Gruppe I und Gruppe II) gerecht zu werden?“ begegnet materiellrechtlichen Bedenken. Gemäß Ziffer 1.2.2 der Anlage 6 zu den §§ 12, 48 Absatz 4 und 5 der Fahrerlaubnisverordnung genügt für die Fahrerlaubnisklassen Klassen A, A1, A2, B, BE, AM, L und T das normale Gesichtsfeld eines Auges oder ein gleichwertiges beidäugiges Gesichtsfeld mit einem horizontalen Durchmesser von mindestens 120 Grad, insbesondere muss das zentrale Gesichtsfeld bis 20 Grad normal sein. Demgegenüber verlangt Ziffer 2.2.2 der Anlage 6 zur Fahrerlaubnisverordnung für die Fahreignung in den Fahrerlaubnisklassen C, C1, CE, C1E, D, D1, DE, D1E, FzF (Gruppe II) das normale Gesichtsfeld beider Augen, wenigstens normales binokulares Gesichtsfeld mit einem horizontalen Durchmesser von mindestens 140 Grad, insbesondere muss das zentrale Gesichtsfeld bis 30 Grad normal sein. Vieles spricht dafür, dass die auf Grund der amtsärztlichen Stellungnahme bestehende Anknüpfungstatsache nur einen weiteren Abklärungsbedarf hinsichtlich der Fahrerlaubnisklassen der Gruppe II, nicht jedoch einen solchen der Gruppe I trägt, weil in dieser Hinsicht ein normales Gesichtsfeld auf einem Auge genügt und weitere Anhaltspunkte für nach Ziffer 1.2.2 der Anlage 6 zur Fahrerlaubnisverordnung relevante Einschränkungen nach Aktenlage nicht ersichtlich sind.

Eine abschließende Beurteilung der Rechtmäßigkeit der augenheilkundlichen Gutachtenanordnung kann dahinstehen. Weil § 11 Abs. 2 Satz 4 FeV, hinsichtlich augenheilkundlicher Untersuchungen in Verbindung mit § 12 Abs. 8 Satz 2 FeV, der Behörde erlaubt, mehrere Gutachtenanordnungen zu treffen, vermag jede einzelne Gutachtenanordnung die Folge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV selbstständig zu begründen und zu tragen.

Zwar ist anerkannt, dass die Schlussfolgerung auf die Nichteignung gemäß § 11 Abs. 8 FeV stets eine vollständig rechtmäßige Gutachtenanordnung voraussetzt. Eine Begutachtung, in der nur bestimmte Teile einer Fragestellung in zulässiger Weise zum Gegenstand der Untersuchung gemacht werden dürften, ist dem Betroffenen im Ergebnis nicht zumutbar.

Vgl. BayVGH, Beschluss vom 4. Februar 2013 – 11 CS 13.22 -, Rn. 19, juris; vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. A., § 11 FeV Rn. 55.

Ferner dürfte eine Gutachtenanordnung rechtswidrig sein, wenn die in ihr enthaltene Fragestellung aus mehreren sich inhaltlich überschneidenden Teilen besteht, die sich nicht hinreichend eindeutig differenzieren lassen. Anderes könnte nur gelten, wenn im Falle mehrfacher Fragestellungen diese ohne inhaltliche Überschneidungen jeweils selbständig tragend Gutachtensaufträge konkretisieren, der Betroffene sich also klar unterscheidbaren getrennten Fragestellungen gegenübersieht; in einer solchen Konstellation kann von ihm eine differenzierte Entschließung erwartet werden, ob und ggf. welchen Untersuchungen bzw. Fragestellungen er sich stellen oder im Verweigerungsfall die Sanktion des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV riskieren will.

VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juni 2011 – 10 S 2785/10 -, Rn. 12, juris; Beschluss vom 8. März 2013 – 10 S 54/13 -, Rn. 14, juris; vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. A., § 11 FeV Rn. 55.

Die Schlussfolgerung nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV kann jedenfalls zu ziehen sein, wenn zu Recht die Beibringung mehrerer Gutachten aus unterschiedlichen Gründen angeordnet worden ist und eines davon nicht fristgerecht beigebracht wurde.

So BayVGH, Beschluss vom 29. November 2019 – 11 CS 19.2069 -, Rn. 22, juris – dort: zu unterschiedlichen Zeitpunkten angeordnete Gutachten.

Auch im vorliegenden Fall, dass die Behörde zeitgleich nach § 11 Abs. 2 Satz 4 FeV mehrere Gutachtenanordnungen voneinander unabhängig zur Aufklärung unterschiedlicher fachlicher Fragenkomplexe erlässt, kann nichts anderes gelten. Sofern der Betroffene auf Grund auch nur einer rechtmäßig ergangenen Gutachtenanordnung nicht nach Maßgabe des § 11 Abs. 6 FeV an der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt, ist die Schlussfolgerung gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV zu ziehen. Denn im Umfang der rechtmäßig ergangenen Gutachtenanordnung besteht berechtigter Sachaufklärungsbedarf und eine damit einhergehende, auf Grund rechtmäßiger Anordnung begründete Mitwirkungsobliegenheit des Betroffenen. Weil vorliegend zwei von drei selbstständigen und thematisch voneinander unabhängigen Gutachtenanordnungen keinen rechtlichen Bedenken begegnen und die Nichtbeibringung der geforderten Gutachten bereits jeweils für sich den Schluss auf die Nichteignung des Antragstellers, ein Kraftfahrzeug zu führen, zulässt, genügt es für die Schlussfolgerung nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV jedenfalls, dass der Antragsteller die von der Antragsgegnerin geforderten neurologisch-psychiatrischen und kardiologischen Gutachten bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nicht beigebracht hat.

Es sind keine Umstände substantiiert vorgetragen oder sonst ersichtlich, aus denen eine Wiedererlangung der Fahreignung im entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung am 27. Februar 2020 geschlossen werden kann oder die der Antragsgegnerin Anlass zu weiterer Sachaufklärung gegeben hätten. Weiterer Sachvortrag und andere Erkenntnisse sind bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens zu berücksichtigen.

BayVGH, Beschluss vom 7. August 2018 – 11 CS 18.1270 -, Rn. 16, juris; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 10. Juli 2002 – 19 E 808/01 -, juris.

Vor diesem Hintergrund stellt das Vorbringen des Antragstellers im gerichtlichen Verfahren, er habe nach Entziehung der Fahrerlaubnis weitere, vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie erfolglose Versuche unternommen, fachärztliche Begutachtungstermine zu erhalten, unabhängig von dessen Erheblichkeit für die Nichtwahrnehmung von Mitwirkungsobliegenheiten die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis im Zeitpunkt ihres Ergehens am 27. Februar 2020 nicht in Frage.

Bei der Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, die nicht im Ermessen der Behörde steht. Es liegen auch keine Gründe vor, die hier ausnahmsweise trotz der fehlenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache ein überwiegendes Aussetzungsinteresse begründen könnten; diese erscheinen im vorliegenden Fall sogar fernliegend. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen und im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen. Im Hinblick auf das von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehende besondere Risiko für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz – GG – ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben muss dies der Antragsteller hinnehmen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2015 – 16 B 74/15 – juris Rn. 12.

Die Aufforderung, den Führerschein unverzüglich bei der Antragsgegnerin vorzulegen, findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 und 4 StVG. Die Zwangsgeldandrohung beruht auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW) und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sollte vor dem Hintergrund des § 63 Abs. 6 VwVG NRW in der Aushändigung des Bescheides vom 27. Februar 2020 an den Antragsteller am 2. März 2020 im Hinblick auf das Erfordernis eines Empfangsbekenntnisses bei offener Aushändigung mit Vermerk auf dem Dokument (§ 5 Abs. 1 Sätze 2, 5 LZG NRW) oder das etwaige Erfordernis der Zustellung des Bescheides an seine Prozessbevollmächtigten (§ 7 Abs. 1 LZG NRW) ein Zustellungsmangel im Hinblick auf § 63 Abs. 6 VwVG NRW zu erkennen sein, wäre ein solcher Mangel gemäß § 8 LZG NRW als geheilt anzusehen. Heilung trat ein durch nachweislichen Zugang des Bescheides jeweils am 2. März 2020 sowohl bei dem empfangsbereiten Antragsteller als auch bei seinen Prozessbevollmächtigten.

Vgl. zu letzterem Aspekt OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 13 A 3004/11 -, Rn. 28, juris; zur Unschädlichkeit eines fehlenden schriftlichen Empfangsbekenntnisses im Ergebnis BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2006 – 2 B 10/06 -, juris, vgl. ferner VG Minden, Urteil vom 16. April 2004 – 10 K 4096/03 -, Rn. 20, juris; VG Frankfurt, Beschluss vom 05. Mai 2015 – 9 L 1021/15.F -, Rn. 8, juris.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 2 und 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Dabei orientiert sich das Gericht in Anlehnung an die Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen bei der Streitwertbemessung in Hauptsacheverfahren, die die Entziehung oder Erteilung einer Fahrerlaubnis betreffen, nach § 52 Abs. 1 und 2 GKG grundsätzlich am gesetzlichen Auffangwert. Ein streitwerterhöhendes besonderes Interesse, aufgrund dessen der Streitwert zu verdoppeln ist, ist weiterhin in Fällen beruflicher Nutzung der Fahrerlaubnis anzunehmen. Hierfür muss die berufliche Tätigkeit gerade im Führen eines Kraftfahrzeugs bestehen (v. a. Berufskraftfahrer).

OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2009 – 16 E 550/09 -, Rn. 3, juris; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 29. April 2009 – 16 B 481/09 -.

Dies ist nach dem Vorbringen des Antragstellers der Fall, der hiernach bei einem Logistikunternehmen als Berufskraftfahrer tätig ist. Die erhobene Verwaltungsgebühr bleibt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes außer Betracht, weil bei verständiger Würdigung des Rechtsschutzbegehrens nicht davon auszugehen ist, dass der Antragsteller sich entgegen § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO, ohne einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde gestellt zu haben, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Gebührenfestsetzung beantragen wollte. Für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der sich für die Hauptsache ergebende Wert nach Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs auf die Hälfte zu reduzieren.

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