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Fahrerlaubnisentziehung – Bindungswirkung Strafurteil für Fahreignungsprüfung

Strafurteil nicht bindend für Fahreignungsprüfung: Fahrerlaubnisentziehung offen?

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat einen Eilantrag zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen die Fahrerlaubnisentziehung abgelehnt. Die Entziehung der Fahrerlaubnis basierte auf der Annahme der Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs aufgrund von Alkoholmissbrauch. Das Gericht folgte den Feststellungen früherer Strafurteile und entschied, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung die persönlichen Interessen der Antragstellerin überwiegt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 L 746/22.KO >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Der Eilantrag wurde abgelehnt, da das Gericht die Entziehung der Fahrerlaubnis für rechtmäßig hält.
  2. Die Entscheidung basiert auf dem Vorwurf des Alkoholmissbrauchs durch die Antragstellerin.
  3. Die sofortige Vollziehung der Maßnahme wurde als im öffentlichen Interesse liegend betrachtet.
  4. Die Fahreignung wurde aufgrund nicht vorgelegter medizinisch-psychologischer Gutachten in Frage gestellt.
  5. Es gab keine formellen Bedenken gegen die Anordnung des Sofortvollzugs der Maßnahme.
  6. Die Bindungswirkung des Strafurteils spielte eine wichtige Rolle bei der Entscheidung.
  7. Das Gericht betonte, dass die Nichteignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs aufgrund der Nichtvorlage des Gutachtens angenommen wurde.
  8. Die Verhältnismäßigkeit und das Fehlen von Eignungszweifeln aufgrund des Zeitablaufs nach der Trunkenheitsfahrt wurden hervorgehoben.

Fahrerlaubnisentziehung und ihre rechtlichen Grundlagen

Das Thema Fahrerlaubnisentziehung stellt einen bedeutsamen Aspekt im Verkehrsrecht dar, bei dem es um die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund von bestimmten Verstößen oder Ungeeignetheit geht. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen Individuen durch ihr Verhalten im Straßenverkehr, wie beispielsweise durch Alkoholmissbrauch, die Sicherheit anderer gefährden. Die rechtliche Grundlage für solche Entscheidungen liegt sowohl in strafrechtlichen Urteilen als auch in administrativen Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörden. Es geht hierbei um die Balance zwischen dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und den Rechten der betroffenen Fahrer.

Im Fokus steht häufig die Bindungswirkung von Strafurteilen für administrative Entscheidungen, wie etwa die Fahreignungsprüfung. Diese Konstellation wirft Fragen hinsichtlich der Auswirkungen strafrechtlicher Entscheidungen auf nachfolgende verwaltungsrechtliche Maßnahmen auf. Für Betroffene und Behörden ist es daher von zentraler Bedeutung, die rechtlichen Rahmenbedingungen und die entsprechenden Verfahrensweisen zu verstehen. Der konkrete Fall, der im Anschluss diskutiert wird, beleuchtet diese Thematik anhand eines spezifischen Beispiels und bietet damit einen Einblick in die komplexen Abwägungen innerhalb des Verkehrsrechts. Lassen Sie uns nun einen detaillierten Blick auf die Umstände und die gerichtliche Beurteilung in diesem speziellen Fall werfen.

Die rechtliche Grundlage der Fahrerlaubnisentziehung

Im Verwaltungsgericht Koblenz wurde kürzlich ein wichtiger Beschluss zum Thema Fahrerlaubnisentziehung gefasst. Konkret ging es um den Antrag einer Person, die gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis Widerspruch eingelegt hatte. Das Gericht hatte zu entscheiden, ob der Eilantrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid zur Fahrerlaubnisentziehung wiederherzustellen, begründet ist. Der Kern des rechtlichen Problems lag in der Frage, ob die Antragstellerin als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen werden sollte, insbesondere aufgrund eines Vorfalls mit Alkoholeinfluss.

Der Hintergrund der Entziehung und die Rolle des Strafurteils

Die Situation eskalierte, als die Fahrerlaubnisbehörde der Antragstellerin die Fahrerlaubnis entzog, nachdem sie ein von ihr gefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten nicht rechtzeitig vorlegte. Dieses Gutachten sollte klären, ob die Antragstellerin zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen könnte. Da das Gutachten ausblieb, zog die Behörde die Schlussfolgerung, dass die Antragstellerin zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht geeignet sei. In diesem Zusammenhang wurde auch das frühere Strafurteil für eine Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,83 Promille herangezogen. Das Gericht musste bewerten, inwieweit dieses Strafurteil die Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde beeinflussen oder gar binden könnte.

Bewertung der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs

In seinem Urteil legte das Verwaltungsgericht dar, dass die Fahrerlaubnisbehörde korrekt gehandelt hatte, indem sie auf die Nichteignung der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen schloss. Die Behörde war nicht an das frühere Strafurteil gebunden, da dieses keine ausdrücklichen Feststellungen zur Fahreignung der Antragstellerin enthielt. Die Entscheidung des Gerichts verdeutlichte, dass die Fahrerlaubnisbehörde einen umfassenderen Prüfauftrag hat und daher über die strafgerichtliche Untersuchung hinausgehen kann.

Konsequenzen und Implikationen des Beschlusses

Dieser Fall zeigt die Bedeutung und die Komplexität der Entscheidungsfindung bei der Entziehung von Fahrerlaubnissen aufgrund von Alkoholmissbrauch. Das Gericht hob hervor, dass die öffentliche Sicherheit und der Schutz des Straßenverkehrs gegenüber dem Interesse der Antragstellerin, ihre Fahrerlaubnis vorläufig zu behalten, überwiegen. Die Entscheidung unterstreicht die Wichtigkeit, dass Fahrerlaubnisbehörden und Gerichte im Falle von Alkoholmissbrauch und anderen schwerwiegenden Verkehrsdelikten gründlich prüfen müssen, ob eine Person zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet ist.

Der detaillierte Blick auf dieses Urteil bietet nicht nur wichtige Einblicke in die rechtlichen Rahmenbedingungen und Verfahrensweisen im Kontext der Fahrerlaubnisentziehung, sondern hebt auch die Verantwortung von Fahrzeugführern im Straßenverkehr hervor.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wirkt sich ein Strafurteil auf die Beurteilung der Fahreignung aus?

Ein Strafurteil kann sich auf die Beurteilung der Fahreignung auswirken, allerdings ist die Fahrerlaubnisbehörde nicht unbedingt an eine strafgerichtliche Entscheidung gebunden. Dies bedeutet, dass selbst wenn ein Gericht eine Person für fahrtüchtig erklärt, die Fahrerlaubnisbehörde immer noch die Möglichkeit hat, die Fahreignung zu überprüfen und gegebenenfalls die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Ein Beispiel dafür ist der Fall, in dem eine Person wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt wurde. Selbst wenn das Gericht die Fahrerlaubnis nicht entzieht, kann die Fahrerlaubnisbehörde immer noch ein medizinisch-psychologisches Gutachten anfordern. Wenn dieses Gutachten feststellt, dass die betroffene Person nicht in der Lage ist, sicher zwischen Fahren und Trinken zu unterscheiden, kann die Fahrerlaubnis entzogen werden.

Es ist auch möglich, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Fahreignung einer Person überprüft, auch wenn das Strafgericht dies nicht getan hat. In diesem Fall muss die Behörde begründen, warum sie erwartet, dass die Person in der Lage sein wird, das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum hinreichend sicher zu trennen.

Es gibt auch Fälle, in denen ein Strafurteil die Fahreignung nicht direkt beeinflusst. Zum Beispiel, wenn eine Person wegen einer Straftat verurteilt wird, die nicht direkt mit dem Fahren zusammenhängt, wie z.B. Beleidigung. In solchen Fällen kann die Fahrerlaubnisbehörde entscheiden, dass die Straftat nicht ausreicht, um Zweifel an der Fahreignung zu hegen.

Die Beurteilung der Fahreignung nach einem Strafurteil kann auch von den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung abhängen. Diese Leitlinien besagen, dass die Voraussetzungen zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen nur dann als wiederhergestellt gelten können, wenn die Persönlichkeitsbedingungen, Krankheitsbedingungen und sozialen Bedingungen, die für das frühere gesetzwidrige Verhalten verantwortlich waren, nicht mehr vorliegen.

Die Beurteilung der Fahreignung kann auch von medizinisch-psychologischen Gutachten abhängen, die von qualifizierten Ärzten durchgeführt werden. Diese Gutachten können dazu beitragen, Zweifel an der Fahreignung zu klären.

Insgesamt kann ein Strafurteil die Beurteilung der Fahreignung beeinflussen, aber es ist nicht das einzige Kriterium, das berücksichtigt wird. Die Fahrerlaubnisbehörde hat immer noch das Recht, die Fahreignung zu überprüfen und gegebenenfalls die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde, die Fahrerlaubnis zu entziehen?

Die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde, die Fahrerlaubnis zu entziehen, basiert auf verschiedenen rechtlichen Grundlagen. Eine zentrale Rolle spielt hierbei das Straßenverkehrsgesetz (StVG). Gemäß § 3 Abs. 3 StVG hat die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt bei einem anhängigen Strafverfahren ruhen zu lassen.

Die Fahrerlaubnisbehörde kann die Entziehung der Fahrerlaubnis anordnen, wenn der Führerscheininhaber nicht geeignet oder befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Die Eignung des Führerscheininhabers kann aus körperlich-geistigen Gründen fehlen, insbesondere bei bestimmten schweren Erkrankungen.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist auch in § 69 des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Danach hat das Gericht die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt wird.

Die Verwaltungsbehörde ist verpflichtet, die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, weil er körperliche, geistige oder charakterliche Mängel hat. Sie darf die Fahrerlaubnis entziehen, wenn erwiesen ist, dass der Führerscheinbesitzer nicht in der Lage ist, ein Fahrzeug im Verkehr sicher zu führen.

Gegen eine Entziehung der Fahrerlaubnis ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, also Widerspruch und Klage zum Verwaltungsgericht.


Das vorliegende Urteil

VG Koblenz – Az.: 4 L 746/22.KO – Beschluss vom 24.08.2022

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,– € festgesetzt.

Gründe

Der Eilantrag hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Er ist zwar der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthafte Rechtsbehelf, um dem Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. April 2022 aufschiebende Wirkung zu geben; er ist auch im Übrigen zulässig.

Die Kammer versteht den Eilantrag nach dem augenscheinlich mit ihm verfolgten Ziel (§ 88 VwGO) so, dass es um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs in Bezug auf die in Ziffer I des Bescheids verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis geht. Dieses Rechtsschutzziel ergibt sich bereits aus dem Betreff der Antragsschrift vom 2. August 2022 („Fahrerlaubnisentziehungsverfügung“). Zudem befasst sich die Antragsbegründung ausschließlich mit der Entziehung der Fahrerlaubnis. Ferner fehlt für die Herstellung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf bestimmte weitere Teile des Bescheids vom 25. April 2022 das erforderliche Rechtschutzinteresse. Dies gilt insbesondere für die in Ziffer II verfügte Abgabe des Führerscheins; diese Anordnung ist nach der am 7. Juni 2022 erfolgten Sicherstellung für ein Eilverfahren nicht mehr von Bedeutung.

II. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis ist indes unbegründet.

1. Die Anordnung des Sofortvollzugs der Maßnahme nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO begegnet keinen formellen Bedenken; insbesondere wurde sie ausreichend begründet.

Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Bescheids schriftlich zu begründen. Die Begründung soll auf den konkreten Fall abstellen und darf nicht lediglich formelhaft sein (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO-Komm., 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 85). Diesen Anforderungen genügt die Begründung im angegriffenen Bescheid. Dort wird das öffentliche Interesse daran verdeutlicht, den Straßenverkehr vor den Gefahren zu bewahren, die von Personen ausgehen, welche ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen. Ferner wird auf die hohe Rückfallgefahr bei Alkoholmissbrauch abgestellt. Diese beiden Aspekte werden auf die Antragstellerin übertragen, indem von ihrer angenommenen Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs auf die Gefährdung des Straßenverkehrs geschlossen wird.

2. Die Anordnung des Sofortvollzugs ist ebenso wenig materiell-rechtlich zu beanstanden. Die im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Interessen fällt zu Ungunsten der Antragstellerin aus.

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Entziehung ihrer Fahrerlaubnis überwiegt ihr Interesse, sie vorläufig behalten zu dürfen, da sich die Maßnahme bei der hier angezeigten summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweist.

a) Die Entziehung der Fahrerlaubnis findet ihre rechtliche Grundlage in § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Danach hat die Verwaltungsbehörde einer Person, die sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen; Ermessen hat die Behörde insoweit nicht.

b) Der Antragsgegner hat die Antragstellerin zu Recht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen angesehen. Gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung der betroffenen Person schließen, wenn diese ein von ihr gefordertes Gutachten nicht rechtzeitig vorlegt. So liegt es hier. Das vom Antragsgegner mit Schreiben vom 9. Dezember 2021 geforderte medizinisch-psychologische Gutachten dazu, ob zu erwarten ist, dass die Antragstellerin auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss führen werde, liegt bis dato nicht vor.

c) Der daraus abzuleitenden Schlussfolgerung, die Antragstellerin sei zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht geeignet, stehen keine formellen Hindernisse entgegen.

Der Schluss von der Nichtvorlage eines Gutachtens auf die Nichteignung darf nur erfolgen, wenn die betroffene Person darauf hingewiesen worden war (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV). Das Schreiben vom 9. Dezember 2021 enthält diesen Hinweis.

d) Der Schluss von der Nichtvorlage des Gutachtens auf die fehlende Eignung der Antragstellerin ist materiell gerechtfertigt. Der Antragsgegner war befugt, die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu verlangen.

Gemäß § 46 Abs. 3 FeV findet unter anderem § 13 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c FeV Anwendung, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs nicht oder nur bedingt geeignet ist. Nach der zweiten Vorschrift ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens unter anderem dann an, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr geführt wurde.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen beider Vorschriften liegen im Fall der Antragstellerin vor. Insoweit wird zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Bescheid vom 25. April 2022 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

Bedenken in Form berechtigter Eignungszweifel bestehen hier auf Grund der Trunkenheitsfahrt der Antragstellerin mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,83 Promille (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 1996 – 11 B 9.96 –, juris, Rn. 5). Im Hinblick auf diese Straftat ist die Kammer zwar nicht an die Urteile des Amtsgerichts Simmern vom 5. November 2020 (41 Cs 1044 Js 5291/20) bzw. des Landgerichts Bad Kreuznach vom 11. Oktober 2021 (7 Ns 1044 Js 5291/20) gebunden. Denn die insoweit maßgebliche Regelung in § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG verbietet keine Abweichung zum Vorteil der Fahrerlaubnisinhaber. Die Kammer hält jedoch die Schlussfolgerungen im erstinstanzlichen Strafurteil für nachvollziehbar und schließt sich ihnen an. Danach hat sich die Antragstellerin der Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht (§ 316 Abs. 1 StGB). Die Kammer ist wie das Amtsgericht davon überzeugt, dass die Antragstellerin am 22. April 2020 von der Ortslage ihres Wohnorts zu ihrem Wohngebäude gefahren ist. Dies ergibt sich aus den Aussagen verschiedener Zeugen. Sie werden durch die Angaben der Antragstellerin nicht entkräftet. Diese sind auf Grund der darin enthaltenen Widersprüche nicht überzeugend.

Im Fall einer Fahrt mit einem Blutalkoholpegel von – wie hier – deutlich mehr als 1,6 Promille hat die Verwaltungsbehörde nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu verlangen, um die dadurch entstandenen Eignungszweifel auszuräumen; ein Ermessensspielraum steht ihr nicht zu (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 13. November 2020 – 6 B 248/20 – juris, Rn. 5). Dies gilt auch im Fall sogenannter Ersttäter (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. März 1996 – 11 B 9.96 –, juris, Rn. 5).

3. Der Aufforderung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens stand das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 11. Oktober 2021 nicht entgegen.

Die Antragstellerin kann sich diesbezüglich nicht auf § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG berufen. Diese Vorschrift hat folgenden Inhalt:

Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung <…> der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht.

Die Behörde ist wegen ihrer umfassenden Prüfungsbefugnis an eine strafrichterliche Eignungsbeurteilung aber nur gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruht und die Behörde von demselben und nicht von einem umfassenderen Sachverhalt auszugehen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1994 – 11 B 152/93 –, juris, OS). Dem Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach kommt hier deshalb keine Sperrwirkung zu, weil es zum einen keine ausdrückliche Eignungsfeststellung enthält und der Antragsgegner zum anderen einen umfassenderen Sachverhalt zu Grunde zu legen hat.

a) Das Urteil vom 11. Oktober 2021 enthält keine Feststellung zur Fahreignung der Antragstellerin, die weitere Ermittlungen der Fahrerlaubnisbehörde ausschließt.

Abzustellen ist dabei ausschließlich auf das schriftlich niedergelegte Urteil. Der Inhalt der Sitzungsniederschrift oder von Aktenvermerken des Gerichts sind ebenso wenig von Belang (vgl. SächsOVG, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 3 B 21/18 –, juris, Rn. 10) wie in der mündlichen Verhandlung dargelegte Meinungen des Strafgerichts (vgl. Siegmund in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 3 StVG [Stand: 02.06.2022], Rn. 65).

Das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach enthält keine Ausführungen, denen sich entnehmen ließe, dass die Frage eigenständig geprüft und bejaht worden wäre, ob die Antragstellerin trotz der Trunkenheitsfahrt vom 22. April 2020 (künftig) zum Fahren eines Kraftfahrzeugs geeignet ist. Dagegen spricht bereits der Tenor der Entscheidung. Die vom Amtsgericht Simmern angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis wurde nämlich nicht aufgehoben (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. August 2020 – 1 Rv 34 Ss 406/20 –, juris, Tenor zu 1.), sondern es wurde lediglich festgestellt, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis entfalle. Dies deutet darauf hin, dass das Landgericht gerade keine Bewertung dazu vornehmen wollte, ob die nach der Tat vom 22. April 2020 angenommenen Eignungszweifel fortbestehen.

Der Urteilsbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass das Landgericht nach eigener Prüfung die Eignung der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen bejaht hätte. Das Gericht führt zwar aus, die Ungeeignetheit der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen könne – zum Zeitpunkt der Urteilsfindung – nicht festgestellt werden. Daraus lässt sich indes nicht schließen, dass es – umgekehrt – von der Fahreignung der Antragstellerin überzeugt gewesen wäre. Dagegen sprechen vielmehr die beiden Klammerzusätze in den Ausführungen. Danach komme die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht (mehr) in Betracht, weil sie seit der Trunkenheitsfahrt nicht mehr straßenverkehrsrechtlich auffällig geworden sei. Damit stellt das Landgericht im Kern darauf ab, dass ein Festhalten an der Fahrerlaubnisentziehung wegen Zeitablaufs nicht mehr in Betracht komme. Eine positive Beurteilung der Fahreignung kann jedoch nicht angenommen werden, wenn für den Verzicht auf die Entziehung der Fahrerlaubnis der Aspekt des Zeitablaufs maßgeblich war (vgl. BayVGH, Beschluss vom 15. Mai 2006 – 11 CS 06.673 –, juris, Rn. 12). Von Bedeutung ist dabei der strafrechtliche Kontext einer Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB. Als Maßregel der Besserung und Sicherung steht sie gemäß § 62 StGB unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Die Begründung des Landgerichts zum Entfallen der Fahrerlaubnisentziehung ist im Lichte dieses Vorbehalts so zu verstehen, dass es die Maßregel als nicht mehr verhältnismäßig ansah. Ansonsten hätte es einer dezidierten Darlegung dazu bedurft, weshalb die Antragstellerin trotz der Regelung in § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB, wonach der Täter einer Trunkenheitsfahrt in der Regel als fahrungeeignet anzusehen ist, gleichwohl als fahrgeeignet einzustufen war.

b) Der Antragsgegner ist ferner deshalb nicht an das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 11. Oktober 2021 gebunden, weil er einen weitergehenden Prüfauftrag hat.

Wenn die strafgerichtliche Untersuchung (nach § 69 StGB) nur einen Teil des Vorgangs abdeckt, der verwaltungsrechtlich nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV zu beurteilen ist, so kommt ihr keine Bindungswirkung nach § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG zu (vgl. OVG Nds, Beschluss vom 20. April 2022 – 12 ME 35/22 –, juris, Rn. 17). Eine solche Konstellation liegt hier vor.

Der Umfang der Prüfung der Fahrerlaubnisbehörde ist durch die Bestimmungen zur Fahreignung vorgegeben. Diese besitzen nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG Personen, welche die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen und nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen haben. Die Anforderungen sind insbesondere dann nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV – im Folgenden: Anlage 4 FeV – vorliegt. Nach Nr. 8.1 Anlage 4 FeV ist bei Alkoholmissbrauch die Eignung ausgeschlossen; er liegt vor, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Von Eignung kann gemäß Nr. 8.2 Anlage 4 FeV nach Beendigung des Missbrauchs ausgegangen werden; das kann angenommen werden, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. März 2021 – 3 C 3.20 –, BVerwGE 172, 18 = juris, Rn. 13). Vor diesem Hintergrund fordert § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, wenn ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille geführt wurde. In diesen Fällen darf mit anderen Worten die Fahrerlaubnisbehörde nur dann positiv von einer Fahreignung ausgehen, wenn ein solches Gutachten feststellt, dass die betroffene Person nach gefestigter Änderung des Trinkverhaltens sicher zwischen Fahren und Konsum trennen kann. Dies entspricht der vom Antragsgegner im Schreiben vom 6. Dezember 2021 formulierten Fragestellung.

Im Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 11. Oktober 2021 finden sich jedoch keinerlei Feststellungen zu den soeben genannten Aspekten. So fehlen bereits Ausführungen zur körperlichen und geistigen Verfassung der Antragstellerin. Vor allem fehlen jedoch jegliche Bewertungen zu ihrem Trinkverhalten seit dem 22. April 2020 und infolgedessen auch dazu, ob sie sicher zwischen Alkoholkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen kann. Dazu hätte es nach den Vorstellungen des Normgebers zu § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV einer sachverständigen – medizinisch-psychologischen – Begutachtung bedurft. Eine solche ist im Strafverfahren indes nicht erfolgt. Eine derartige Begutachtung kann mangels Fachkunde auch nicht durch die Strafrichter ersetzt werden. Es spricht vieles dafür, dass dann, wenn normativ zur Bewertung der Fahreignung eine bestimmte Begutachtung vorgesehen ist, ein strafgerichtliches Urteil keine Bindungswirkung entfaltet, wenn diese Begutachtung im Strafverfahren nicht erfolgt ist.

4. Die Gutachtensanforderung des Antragsgegners ist nicht deshalb entbehrlich, weil im strafrechtlichen Verfahren ein nervenärztliches Gutachten eingeholt wurde.

Zum einen sieht § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV ausdrücklich eine medizinisch-psychologische und keine nervenärztliche Begutachtung vor. Zum anderen verfügt ein Facharzt für Neurologie nicht über das erforderliche Fachwissen, um die psychologischen Aspekte der Gefahr eines erneuten Alkoholmissbrauchs bewerten zu können. Schließlich ist das nervenärztliche Gutachten vom 19. August 2021 von seinem Inhalt her ungeeignet, Zweifel an der Fahreignung der Antragstellerin auszuräumen. Der Neurologe hatte die Schuldfähigkeit der Klägerin zu prüfen; die Beurteilung der Fahreignung war nicht Gegenstand der Begutachtung.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG. Die Kammer orientiert sich dabei an den Nummern 1.5 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (LKRZ 2014, 169).

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