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Rotlichtverstoß mit SUV begangen – Erhöhung der Geldbuße rechtmäßig?

OLG Frankfurt am Main – Az.: 3 Ss-OWi 1048/22 – Beschluss vom 29.09.2022

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen verurteilt, fahrlässig als Kraftfahrzeugführer in anderen als den Fällen des Rechtsabbiegens mit Grünpfeil ein rotes Wechsellichtzeichen bei schon länger als 1 Sekunde andauernder Rotphase nicht befolgt zu haben. Es hat deshalb gegen ihn eine Geldbuße von 350 € festgesetzt. Zudem untersagte es ihm unter Anwendung von § 25 Abs. 2a StVG, für die Dauer von einem Monat Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Hierbei hat es die vom Bußgeldkatalog, neben einem einmonatigen Fahrverbot, vorgesehene Regelbuße von 200 €, Ziff. 132.3 BKat, unter Berücksichtigung der Vorahndungen des Betroffenen wegen der „größeren abstrakten Gefährdung durch das geführte Kraftfahrzeug“ erhöht. Die kastenförmige Bauweise und die wegen der größeren Bodenfreiheit erhöhte Frontpartie des Fahrzeugs erhöhten „bei einem SUV das Verletzungsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer“.

Gegen dieses in Abwesenheit des gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen Betroffenen und in Anwesenheit seines ihn gemäß § 73 Abs. 3 OWiG vertretenden Verteidigers am 3. Juni 2022 verkündete Urteil hat der Betroffene mit Eingang beim Amtsgericht Frankfurt am Main am 10. Juni 2022 Rechtsbeschwerde eingelegt.

Nachdem dem Verteidiger die schriftlichen Urteilsgründe am 24. Juni 2022 zugestellt worden waren, hat dieser für den Betroffenen die Rechtsbeschwerde mit Eingang beim Amtsgericht Frankfurt am Main am 7. Juli 2022 begründet und die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts gerügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit ihrer Zuschrift vom 19. August 2022 beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Mit Beschluss vom 27. September 2022 hat der befasste Einzelrichter die Sache nach § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

II.

Rotlichtverstoß mit SUV begangen – Erhöhung der Geldbuße rechtmäßig?
(Symbolfoto: Nick Beer/Shutterstock.com)

Der statthafte, §§ 79 Abs. Nr. 1, 80 Abs. 1 OWiG, und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde ist in der Sache Erfolg zu versagen.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerde hat jedenfalls im Ergebnis keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen lassen.

Soweit der Betroffene geltend macht, das Gericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es unterlassen hat, ein „verkehrstechnisches und unfallanalytisches Sachverständigengutachten“ einzuholen, ist diese Verfahrensrüge nicht den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entsprechend ausgeführt.

Eine diesbezüglich ordnungsgemäße Rüge erfordert unter anderem die Darlegung, welches bestimmte Ergebnis als konkrete Beweistatsache von der unterbliebenen Beweisaufnahme zu erwarten gewesen wäre (KK-Gericke § 344, StPO, Rn. 51; KG BeckRS 2019, 18053; NStZ 2022, 244; Cirener, Die Zulässigkeit von Verfahrensrügen in der Rechtsprechung des BGH – 1. Teil, NStZ-RR 2013, 1 ff.). Hieran fehlt es vorliegend.

Hinsichtlich des Schuldspruchs deckt die Rechtsbeschwerde keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.

Soweit das Amtsgericht hingegen die Regelbuße – neben den Vorahnungen auch – wegen der „größeren abstrakten Gefährdung durch das geführte Kraftfahrzeug“ erhöht und hierbei auf das bei einem „SUV“ wegen der „kastenförmigen Bauweise“ und der „erhöhten Frontpartie größere Verletzungsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer“ abgehoben hat, hält dies auf die ebenfalls erhobene Sachrüge einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Zutreffend hat das erkennende Gericht aufgrund des von ihm festgestellten Verstoßes eine Regelbuße von 200 € gemäß Ziff. 132.3 BKat seiner Bemessung zugrunde gelegt.

Im Ausgangspunkt ebenfalls nicht zu beanstanden ist das Abstellen auf eine durch das Gericht dem Betroffenen zugerechnete, gegenüber gewöhnlichen Tatumständen größere abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer. Maßgeblich für die Höhe der Geldbuße ist gemäß § 17 Abs. 3 S. 1 1. Alt. OWiG, neben weiteren Kriterien, wie dem den Täter treffenden Vorwurf, § 17 Abs. 3 S. 1 2. Alt. OWiG, und der Schuldform, § 17 Abs. 2 OWiG, die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit. Unter Letztgenannter werden vornehmlich objektive, die konkrete Tat prägende Bemessungskriterien wie die Tathandlung, die Tatauswirkungen einschließlich außertatbestandlicher Weiterungen, erfasst (Krenberger/Krumm, § 17 OWiG, Rn. 8 f.; BeckOK-Sackreuter § 17 OWiG, Rn. 40). Dabei sind der Grad und Maß der Gefährdung der geschützten Rechtsgüter oder Interessen (KK-Mitsch § 17 OWiG, Rn. 39 f.; Krenberger/Krumm, § 17 OWiG, Rn. 9; OLG Düsseldorf VRS 72, 120 (122); KG BeckRS 2020, 6531, Rn. 22) regelmäßig wichtiger Bestandteil des Tatbildes.

Ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung ist hierin nicht zu erblicken. Zwar handelt es sich, wie auch im hiesigen Fall bei § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO, 132.3 BKat, bei einer Vielzahl der straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeiten um abstrakte Gefährdungsdelikte. Vorliegend stellt das Amtsgericht jedoch nicht allein auf den Umstand der abstrakten Gefährdung als solchen, sondern deren Maß ab.

Gleichwohl ist die hier durch das erkennende Gericht vorgenommene Erhöhung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelbuße mit der vorgenannten Argumentation rechtsfehlerhaft. Sie rechtfertigt eine Abweichung vom Regelsatz nicht.

Der Bußgeldkatalog hat die Qualität eines für Gerichte verbindlichen Rechtssatzes (BGH NJW 1992, 446; KG BeckRS 2020, 18279; Göhler-Gürtler § 17 OWiG, Rn. 27; BR-Dr 371/81, S. 24), da die Gesetzesbindung der Gerichte über Art. 97 Abs. 1 GG sich auch auf das von der vollziehenden Gewalt ordnungsgemäß gesetzte Verordnungsrecht bezieht (vgl. nur (BVerfGE 19, 17 (31)). Er dient der gleichmäßigen Behandlung sehr häufig vorkommender, wesentlich gleichgelagerter Sachverhalte und soll hierdurch auch dem Gebot der Gerechtigkeit dienen (Göhler-Gürtler § 17 OWiG, Rn. 27; BeckOK-Sackreuter § 17 OWiG, Rn. 104). Der Katalog soll eine Schematisierung herbeiführen, was impliziert, dass (kaum abwägbare) besondere Umstände des Einzelfalls zurücktreten (Göhler-Gürtler § 17 OWiG, Rn. 27). Zwar handelt es sich bei ihm um eine Zumessungsrichtlinie, die die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zulässt (Göhler-Gürtler § 17 OWiG, Rn. 31; Krenberger/Krumm § 17 OWiG, Rn. 36; BVerfG NJW 1996, 1809; BGH NJW 1997, 3252). Auch folgt bereits aus § 17 OWiG, insbesondere Abs. 3, dass die im Bußgeldkatalog umschriebenen Umstände keinen enumerativen Charakter aufweisen.

Aufgrund des vorgenannten Zwecks rechtfertigt indes lediglich ein deutliches Abweichen vom Normalfall betreffend die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit oder die Vorwerfbarkeit eine Abweichung vom Bußgeldkatalog (Göhler-Gürtler § 17 OWiG, Rn. 28b). Sind hingegen außergewöhnliche, besondere Umstände hinsichtlich der Tatausführung und der Person des Täters nicht gegeben, darf nicht abgewichen werden (OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. November 2018 – 1 Rb 25 Ss 1157/18, zit. n. juris; Göhler § 17 OWiG, Rn. 31; BeckOK-Sackreuter § 17 OWiG, Rn. 111; KK-Mitsch § 17 OWiG, Rn. 103; Janiszewski, NJW 1989, 3116). Ferner hat der Verordnungsgeber in Ziff. 132 ff. BKat hinsichtlich des hier konkret in Rede stehenden Verstoßes sowohl zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen als auch zwischen dem Fehlen, dem Eintritt einer (konkreten) Gefährdung und einer Sachbeschädigung differenziert. Diese Typisierung hätte das Gericht in besonderem Maße zur Prüfung veranlassen müssen, ob eine deutliche Abweichung zu allen normierten Typen besteht. So spricht indiziell gegen das Vorliegen einer deutlichen Abweichung auf Grund einer erhöhten abstrakten Gefährdung durch einen „SUV“ bereits, dass dem Verordnungsgeber sowohl das Differenzierungskriterium der Gefährdung als auch des Fahrzeugtyps bekannt war, er sich aber zu der Schaffung einer diesbezüglich spezifischen Regelbuße nicht veranlasst sah.

Das angefochtene Urteil lässt demgegenüber bereits nicht erkennen, dass das Gericht sich der besonderen Anforderungen für eine Abweichung vom Bußgeldkatalog bewusst war. Indem es lediglich von einer „größeren“ abstrakten Gefährdung bzw. einer „erhöhten“ Verletzungsgefahr spricht, ist eine deutliche Abweichung vom Normalfall gerade nicht dargetan. Damit sind besondere, außergewöhnliche Umstände betreffend Tat oder Täter nicht festgestellt. In concreto liegt eine deutliche Abweichung überdies umso ferner, da der Verordnungsgeber schon verschiedene Umstände in mehreren Bußgeldtatbeständen den hiesigen Verstoß gegen § 37 Abs. 2 Nr. 1 S. 7 StVO betreffend im Bußgeldkatalog geregelt hat, mithin bereits die Wirklichkeit durch die Berücksichtigung verschiedener Umstände in verschiedenen Konstellationen in den Ziffern 132 ff. BKat typisiert hat.

Selbst wenn man aber das Gericht dahingehend verstände, dass es meint, eine abstrakte Gefährdung in einem Maß festgestellt zu haben, dass darin besondere außergewöhnliche Umstände zu erblicken sind, begegnet das Urteil durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Denn eine Abweichung von der Regelbuße ist nur im Einzelfall unter den genannten Voraussetzungen erlaubt und erfordert deshalb zugleich auch eine Betrachtung des Einzelfalls. An einer solchen Einzelfallbetrachtung fehlt es allerdings, wenn man, wie das Gericht, sich in den Zumessungserwägungen auf die Benennung eines- noch nicht einmal trennscharf bestimmbaren – Fahrzeugtyps beschränkt und zudem, was zulasten der Nachprüfbarkeit der Entscheidung geht, nicht offenlegt, wie der bemühte Fahrzeugtyp definiert ist.

Vielmehr gebietet auch das Erfordernis der deutlichen Abweichung vom Normalfall, die Feststellung außergewöhnlicher, besonderer Umstände eine über die Benennung eines diffusen Fahrzeugtyps oder Modells hinausgehender Betrachtung des Einzelfalls. Bei einem Abweichen von der Regelbuße ist ein näheres Eingehen auf den Einzelfall durch Aufklärung der Umstände und Treffen entsprechender Feststellungen geboten (KK-Mitsch § 17 OWiG, Rn. 103). Hebt man, wie das Gericht, bei der Bestimmung des Maßes der Gefährdung auf das Fahrzeug ab, so ist zunächst zu ergründen, welches allgemein die wesentlichen gefährdungsrelevanten Charakteristika sind. Sodann sind diese für das Betroffenen-Fahrzeug zu ermitteln, was beispielsweise auch aufgrund deren tatsächlicher Verbreitung besondere Sicherheitssysteme, wie fußgängerschützende Bremsassistenten, miteinschließt.

Die bloße Bezeichnung als SUV zeitigt im Übrigen einen Begründungsmangel. Zwar sind die Anforderungen an die Urteilsgründe in den bußgeldrechtlichen Massenverfahren nicht zu überspannen und der Begründungsaufwand ist auf das rechtsstaatlich unverzichtbare Maß zu beschränken (OLG Hamm NZV 2003, 295; BGHSt 39, 291). Gleichwohl sind auch die Zumessungserwägungen so zu begründen, dass sie eine Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht erlauben (BeckOK-Sackreuter § 17 OWiG, Rn. 33). Diesen Anforderungen genügt das Abstellen Fahrzeugtyp „SUV“ nicht, sofern dieser nicht näher bestimmt wird. Eine einheitliche Definition fehlt. Als taugliches Kriterium scheidet beispielsweise die Masse aus, da auch „PKW herkömmlicher Bauart“ mitunter bis zu zwei Tonnen und mehr wiegen, und beispielsweise ein vom Hersteller Suzuki als SUV angebotenes Modell Jimny aber nur ca. 1075 kg wiegt. Ähnliches gilt für die Fahrzeugmaße. Selbst wenn man aber eine eher phänotypische Definition wählte (beispielsweise Bodenfreiheit und Höhe), nimmt sich die Gruppe der „SUV“ so heterogen (beispielsweise vom „SUV“ Suzuki Jimny 1075 kg, Höhe 1,705 m, Länge 3,665 m zum Audi Q 7 e-tron 2.520 kg, Höhe1,968 m, Länge 5,05 m) aus, dass ein Schluss von der Gruppenzugehörigkeit auf gefahrrelevante Umstände nicht möglich erscheint – jedenfalls nicht als allgemeinkundig qualifiziert werden könnte.

Weiteren Übrigen gebricht es dem Urteil daran, dass die für die Abweichung von der Regelbuße bemühten Umstände im Tatsächlichen unausgewiesen sind. Sowohl die Geldbußenbemessung generell betreffenden (BeckOK-Sackreuter § 17 OWiG, Rn. 33) als auch die besonderen, eine Abweichung von der Regelbuße rechtfertigenden Umstände (BeckOK-Sackreuter § 17 OWiG, Rn. 111) sind durch das Gericht rechtsfehlerfrei festzustellen. Bei einem Abweichen von der Regelbuße sind ein näheres Eingehen auf den Einzelfall durch Aufklärung der Umstände und das Treffen entsprechender Feststellungen geboten (KK-Mitsch a. a. O.). Auch daran gebricht es der angefochtenen Entscheidung. Die vom Gericht in seiner Bußgeldzumessung im Allgemeinen und bei der Abweichung von der Regelbuße im Besonderen zu Grunde gelegte Feststellung, dass SUV gegenüber PKW üblicher Bauweise für andere Verkehrsteilnehmer eine erhöhte Verletzungsgefahr begründen, ist keineswegs allgemeinkundig, sondern Gegenstand von Untersuchungen mit diametralen Ergebnissen betreffend die Gefährlichkeit von dort näher bestimmten, sogenannten „SUV“ (vgl. beispielsweise nur einerseits für die USA die Studie des Insurance Institute for Highway Safety (IIHS), stark zusammengefasst unter https://www.iihs.org/topics/bibliography/ref/2249, Zugriffsdatum 28.09.2022, und andererseits die Erkenntnisse des Kraftfahrtbundesamts https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Publikationen/Downloads-Verkehrsunfaelle/verkehrsunfaelle-jahr-2080700187004.pdf?__blob=publicationFile, Zugriffsdatum 28.09.2022, oder auch der Unfallforschung der Versicherer https://www.udv.de/resource/blob/78200/3a3accdba3669ce5b85e94a3d4d6367d/34-suv-im-unfallgeschehen-data.pdf, Zugriffsdatum 28.09.2022 oder auch die heterogenen Ergebnisse der EURO NCAP-Crashtests zu Fahrzeugen verschiedener Typen).

Der Hinweis des Gerichts auf eine erhöhte Betriebsgefahr verfängt nicht. Diese stellt eine zivilrechtliche Kategorie zur Begründung einer verschuldensunabhängigen Gefährdungshaftung dar. Im Übrigen erscheint sehr zweifelhaft, ob eine erhöhte Betriebsgefahr bei der diffusen, heterogenen Kategorie „SUV“ angenommen werden könnte.

Letztlich wäre daher vom Gericht festzustellen gewesen, dass das konkrete Fahrzeug des Betroffenen eine so erhöhte abstrakte Gefährlichkeit aufweist, dass der vorliegende Einzelfall deutlich von allen im Bußgeldkatalog erfassten Normalfällen abweicht.

Gleichwohl hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen auch mit der Sachrüge jedenfalls im Ergebnis keinen Erfolg.

Der aufgezeigte Rechtsfehler in der Rechtsfolgenentscheidung führt nicht zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Vielmehr macht der Senat von der ihm gemäß § 79 Abs. 6 OWiG eröffneten und nach dem Willen des Gesetzgebers vorrangig zu wählenden Möglichkeit der eigenen Sachentscheidung (OLG Schleswig ZfS 2006, 348; KK-Hadamitzky § 79 OWiG, Rn. 157; Göhler-Seitz/Bauer § 79 OWiG, Rn. 46) Gebrauch, da weitere für die Rechtsfolgenbemessung bedeutsame Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind.

Es ist im Ergebnis auf die vom Amtsgericht im Urteil getroffene Rechtsfolgenentscheidung zu erkennen. Auf die von diesem zur Person und Tat rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellung wird der Betroffene zu einer Geldbuße von 350 € verurteilt.

Ihm wird ferner für die Dauer von einem Monat das Führen von Kraftfahrzeugen jeder Art untersagt.

Das Fahrverbot wird wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft dieses Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft, § 25 Abs. 2a StVG.

Für den festgestellten Verstoß sieht der geltende Bußgeldkatalog im Anhang unter Nummer 132.3 eine Regelgeldbuße von 200,00 Euro vor.

Diese Regelgeldbuße ist nach § 1 Abs. 2 S. 2 BKatV für gewöhnliche Tatumstände, fahrlässige Begehung der Ordnungswidrigkeit durch einen nicht vorgeahndeten Betroffenen vorgesehen. Gemäß § 17 Abs. 3 OWiG sind, wie ausgeführt, weiterhin Grundlage für die Zumessung der Geldbuße die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit, der Vorwurf, der den Betroffenen trifft, sowie dessen wirtschaftliche Verhältnisse.

Vorliegend ist abweichend vom Regelfall unter Berücksichtigung des verkehrsrechtlichen Vorlebens des Betroffenen eine Geldbuße von 350,00 € festzusetzen. Maßgeblich hierfür war, dass der Betroffene vorgeahndet ist. Die zuletzt geahndete Verfehlung betraf zudem ebenfalls einen Rotlichtverstoß. Darüber hinaus wurde der Betroffene lediglich 13 Monate nach der letzten, überdies einschlägigen, Ahndung, hier erneut verkehrsrechtlich auffällig. Diese Vorahndung führt in der Gesamtschau des vorliegenden Einzelfalls dazu, dass ein deutliches Abweichen von dem im Katalog geregelten Normalfall festzustellen ist.

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Verstoßes, insbesondere der Vorahndung und aller weiteren maßgeblichen Gesichtspunkte war eine Geldbuße von 350 € erforderlich, um auf den Betroffenen angemessen einzuwirken.

Anlass, hiervon abzuweichen, bieten besondere wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen nicht.

Darüber hinaus ist gem. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BKatV, § 25 Abs. 1 S. 1 StVG gegen den Betroffenen neben der Geldbuße ein Fahrverbot von einem Monat festzusetzen.

Ein solches von einem bis drei Monaten kann gemäß § 25 I 1 StVG gegen einen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG Schuldigen neben einer Geldbuße verhängt werden, sofern die Tat unter grober oder beharrlicher Verletzungen der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde. Jene ist hier gegeben.

Die Erfüllung des Tatbestandes des 132.3 BKat indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf. Dadurch ist die zur Verhängung des Fahrverbots führende grobe Pflichtverletzung in objektiver und subjektiver Hinsicht indiziert. Ein Ausnahmefall ist nur dann gegeben, wenn aufgrund der Umstände des Einzelfalls atypischerweise ein Absehen von der Regelwirkung gerechtfertigt ist (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 31. Januar 2022 – 3 Ss-OWi 41/22; BGHSt 38, 125). Solche Umstände sind hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Weder Erfolgs- noch Handlungsunwert sind hier in Ermangelung jedweden Anhalts derart gemindert, dass von einem Ausnahmefall auszugehen ist.

Unter Abwägung aller Umstände erscheint dem Gericht die Verhängung eines Fahrverbots von einem Monat angemessen und notwendig, um den Betroffenen in Zukunft von weiteren Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung abzuhalten. Einem Betroffenen, der – zudem wiederholt – rote Wechsellichtzeichen, hierbei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase, nicht befolgt, muss insgesamt der Vorwurf grober Pflichtwidrigkeit im Straßenverkehr unterbreitet werden.

Dies stellt eine außergewöhnlich grobe Pflichtwidrigkeit dar und offenbart zusätzlich beim Betroffenen ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr, dass es der Verhängung eines einmonatigen Fahrverbotes als Denkzettel und Besinnungsmaßnahme zur Einwirkung auf den Betroffenen bedarf, um diesen zukünftig zu mehr Aufmerksamkeit und damit zur Einhaltung der Regeln der Straßenverkehrsordnung anzuhalten.

Da der Senat auf dieselbe Rechtsfolge wie bereits das Amtsgericht erkennt, bedarf es nicht der Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs und des ausdrücklichen Ausspruchs über die vom Senat festgesetzte Rechtsfolge im Tenor dieses Beschlusses. Es kann vielmehr bei der Verwerfung des Rechtsmittels sein Bewenden haben (vgl. nur Göhler-Seitz/Bauer § 79 OWiG, Rn. 45c m. w. N.).

 

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