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Fahrerlaubnisentziehung bei Alkoholabhängigkeit und schwerer Depression?

VG Regensburg – Az.: RO 8 S 19.190 – Beschluss vom 03.05.2019

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Entziehung ihrer Fahrerlaubnis durch das Landratsamt Cham (LRA).

Die 1959 geborene Antragstellerin war zuletzt Inhaberin einer Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt). Dem LRA – Führerscheinstelle – wurde am 5. Januar 2018 amtsintern mitgeteilt, dass die Antragstellerin durch die Polizeistation (PS) W… am 31. Dezember 2017 im Bezirksklinikum R… untergebracht und tags darauf wieder entlassen worden sei. Der beigefügten Unterbringungsmitteilung der PS W… vom 31. Dezember 2017 lässt sich entnehmen, dass als Begründung für die Gewahrsamnahme angegeben wurde, dass die Antragstellerin vermutlich durch Sucht psychisch gestört sei. Die davon ausgehende erhebliche Gemein- und Selbstgefährlichkeit habe die Unterbringung zwingend notwendig gemacht. Nach dem geschilderten Sachverhalt habe der Ehemann der Antragstellerin angegeben, dass die Antragstellerin seit ca. 20 Jahren alkoholkrank und in letzter Zeit ständig aggressiv sei. Vor etwa zwei Monaten habe sie einen Herzinfarkt erlitten und müsse seitdem ständig Marcumar nehmen, trinke jedoch weiter Alkohol. In dieser Zeit habe sie auch eine Überdosis Medikamente eingenommen und sei in das Krankenhaus C… eingeliefert worden, wo sie angegeben habe, sich das Leben nehmen zu wollen. Bereits am 30. Dezember 2017 sei es zu häuslicher Gewalt gekommen, in deren Folge die Antragstellerin auf ihren Ehemann losgegangen sei, ihn gegen das Schienbein getreten und beleidigt habe. Sie sei dabei sichtlich alkoholisiert gewesen. Am 31. Dezember 2017 sei der Ehemann der Antragstellerin auf der Dienststelle der PS W… erschienen und habe mitgeteilt, dass seine Frau wieder alkoholisiert sei und das ganze Haus verwüstet habe. Sie habe seit mehreren Tagen nur ihr Nachthemd an und lasse sich gehen. Sie sei dann auf ihren Ehemann losgegangen und habe damit gedroht, ihn umbringen zu wollen. Sie habe nach einem Messer aus dem Messerblock gegriffen, das der Ehemann ihr aber habe abnehmen können. Die Angaben des Ehemanns seien glaubwürdig gewesen und auch nach Belehrung mehrfach wiederholt worden. Mit der Antragstellerin sei ein vernünftiges zielführendes Gespräch nicht möglich gewesen, sie habe immer wieder angegeben, dass sie nichts gemacht habe und nüchtern sei. Ein freiwilliger Alkotest um 17:40 Uhr habe einen Wert von zwei Promille ergeben. Aufgrund der Alkoholerkrankung und des aggressiven Verhaltens liege eine akute Fremd- und auch Eigengefährdung wegen des Alkoholkonsums trotz Medikamentierung vor.

Mit Schreiben vom 8. Januar 2018 forderte das LRA Cham die Antragstellerin zur Vorlage eines Gutachtens eines weitergebildeten Arztes mit dem Zusatz „verkehrsmedizinische Qualifikation“ der Fachrichtung Psychiatrie und Psychotherapie über ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bis zum 5. März 2018 auf. Folgende Fragestellung sollte geklärt werden: „Lässt sich die aus aktenkundigen Tatsachen begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit bei Frau Greil bestätigen? Finden sich, wenn keine Alkoholabhängigkeit vorliegt, Anzeichen für Alkoholmissbrauch? Hat sie gegebenenfalls die Alkoholabhängigkeit überwunden, liegt also eine stabile Abstinenz vor?“ Zur Begründung wurde auf die amtsinterne Mitteilung des Gesundheitsamtes sowie auf den Bericht der PS W… vom 31. Dezember 2017 verwiesen.

Am 22. März 2018 legte die Antragstellerin das nervenärztliche Gutachten von Dr. med. E…, S…, vom 12. März 2018 beim LRA vor. Das Gutachten kommt – eingehend auf die Fragestellung des LRA – zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass sich die Diagnose einer Alkoholabhängigkeit nicht sicher bestätigen lasse. Es fänden sich Anzeichen für eine chronische Alkoholproblematik und auch eine gesteigerte Gift- / Trinkfestigkeit. Aus medizinischer Sicht bestehe Grund für die Annahme von Alkoholmissbrauch. Aus verkehrsmedizinischer Sicht könne aber aus dem bisherigen aktenkundigen sicheren Trennen von Alkoholkonsum und Teilnahme am Straßenverkehr nicht sicher auf eine „Nichteignung“ geschlossen werden. Die Frage der Überwindung einer Alkoholabhängigkeit könne mangels Bestätigung einer Abhängigkeit nicht beantwortet werden. Hinweise für eine stabile Abstinenz lägen nicht vor. Aus gutachterlicher Sicht werde der Fahrerlaubnisbehörde empfohlen, die Fahrerlaubnis in Verbindung mit Auflagen zu gewähren, da nur für einen befristeten Zeitraum eine positive Verhaltensprognose abgegeben werden könne. Es werde die regelmäßige, mindestens quartalsweise Konsultation eines Nervenarztes / Psychiaters, und in diesem Zusammenhang die Bestimmung der Leberwerte empfohlen. Ferner scheine die Auflage empfehlenswert, dass sich die Antragstellerin einer gutachterlichen Nachuntersuchung im Abstand von 6, 12 und 24 Monaten unterziehe und zu diesen Zeitpunkten eine Bestätigung über die zuvor genannten Konsultationen bzw. Bestimmungen der Laborwerte von sich aus vorlege. Bei erneutem Auffälligwerden mit hoher Blutalkoholkonzentration außerhalb des Verkehrs oder auch in Verbindung mit aktiver Teilnahme im Verkehr wäre von Nichteignung auszugehen. Als Diagnose wurde eine chronische Alkoholproblematik sowie rezidivierende depressive Episoden, aktuell medikamentös kompensiert, angegeben.

Mit Schreiben vom 22. März 2018 wies das LRA die Antragstellerin ausdrücklich – unter Verweis auf das vorgelegte Gutachten – darauf hin, dass die Fahreignung nur unter folgenden Auflagen weiter gewährt werde: „Regelmäßige, mindestens quartalsweise Konsultation eines Nervenarztes / Psychiaters, in diesem Zusammenhang auch Bestimmung der Leberwerte im Blut. Gutachterliche Nachuntersuchungen im Abstand von 6, 12 und 24 Monaten und zu diesen Zeitpunkten eine Bestätigung über die zuvor genannten Konsultationen bzw. Bestimmungen der Laborwerte von sich aus vorlegen.“ Am 22. März 2018 ließ die Antragstellerin hierzu durch ihre Bevollmächtigten vortragen, dass die von dem Gutachten ins Auge gefassten Auflagen mit einer Nachuntersuchung nicht angeordnet werden könnten. Hierauf erwiderte das LRA, dass die genannten Auflagen beibehalten würden. Sollte damit kein Einverständnis bestehen, müsste dies durch ein weiteres fachärztliches Gutachten geklärt werden.

Laut Bericht der PS W… wurde die Antragstellerin am 28. Juli 2018 um 20.00 Uhr erneut durch die Polizei in das Bezirkskrankenhaus R… eingewiesen. Der Einweisung lag zu Grunde, dass die Antragstellerin mit einer Fr. Dr. L… telefoniert habe und in diesem Telefonat sich Verdachtsmomente auf aktuelle Suizidgedanken ergeben hätten. Fr. Dr. L… habe dann die Integrierte Leitstelle informiert. Die Antragstellerin sei stark alkoholisiert in ihrem Wohnzimmer angetroffen worden und habe laufend wiederholt, nicht mehr leben zu wollen. Sie habe auch nicht in ärztliche Obhut gebracht werden wollen und habe im Krankenwagen fixiert werden müssen. Nachdem die Antragstellerin bei mehreren Einsätzen der Polizei immer stark alkoholisiert angetroffen worden sei, werde von einer Alkoholerkrankung ausgegangen. Die Antragstellerin verkomme psychisch und physisch immer mehr, so dass unabhängig von der konkreten Situation eine Nachsorge für notwendig erachtet werde.

Mit Schreiben vom 11. September 2018 forderte das LRA die Antragstellerin zur Vorlage eines neuen Gutachtens eines weitergebildeten Arztes mit dem Zusatz „verkehrsmedizinische Qualifikation“ der Fachrichtung Psychiatrie und Psychotherapie bis 7. November 2018 auf. Die Anordnung enthielt die gleiche Fragestellung wie die Anordnung vom 8. Januar 2018. Nachdem die Antragstellerin weder die beigefügte Erklärung zum Einverständnis mit einer Begutachtung noch ein Gutachten vorgelegt hatte, hob das LRA die Gutachtensanordnung mit Schreiben vom 8. November 2018 auf und forderte die Antragstellerin zur Vorlage eines Gutachtens eines Arztes einer amtlichen Begutachtungsstelle für Fahreignung bis zum 27. Dezember 2018 auf, mit dem folgende Fragestellung geklärt werden sollte: „Liegt bei Frau G…Anneliese eine sehr schwere Depression vor, welche nach Nr. 7.5.1 der Anlage 4 Fahrerlaubnisverordnung die Fahreignung in Frage stellt? Wenn ja: Ist Frau G… Anneliese (wieder) in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe I und II (Klasse 3) gerecht zu werden? Lässt sich die aus aktenkundigen Tatsachen begründete Annahme einer Alkoholabhängigkeit bei Frau G… Anneliese bestätigten?“ Auf die Folgen der Nichtvorlage des Gutachtens (§ 11 Abs. 8 FeV) wurde hingewiesen.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 wurden die einschlägigen Unterlagen durch das LRA an die pima-mpu GmbH übermittelt. Ein Gutachten wurde in der Folgezeit nicht vorgelegt. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2018 hörte das LRA deshalb die Antragstellerin zum beabsichtigten Entzug der Fahrerlaubnis an. In einem Telefonat mit der Fahrerlaubnisbehörde am 10. Januar 2019 erklärte die Antragstellerin, dass sie noch keine Zeit gehabt habe ein Gutachten zu machen, und dies auch nicht wolle. Sie habe im Oktober 2017 einen Herzinfarkt erlitten und nehme derzeit Nerventabletten und Herztabletten. Mit Schreiben ihrer zwischenzeitlich Bevollmächtigten vom 14. Januar 2019 ließ die Antragstellerin um Fristverlängerung für die Vorlage des Gutachtens bis 14. Februar 2019 ersuchen.

Mit Bescheid vom 16. Januar 2019 wurde der Antragstellerin die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen (Ziffer 1). Der Antragstellerin wurde verpflichtet, ihren Führerschein der Klasse 3 innerhalb von sieben Tagen ab Zugang des Bescheids beim LRA abzuliefern (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 wurde angeordnet (Ziffer 3). Falls der Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins nicht fristgerecht nachgekommen werden sollte, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR angedroht (Ziffer 4). Der Antragstellerin wurden die Kosten des Verfahrens in Höhe einer Gebühr von 170,- EUR auferlegt (Ziffern 5 und 6). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei der Antragstellerin nach dem ärztlichen Fahreignungsgutachten vom 12. März 2018 ein chronischer Alkoholmissbrauch sowie eine rezidivierende depressive Erkrankung, die der medikamentösen Behandlung bedürfe, vorlägen. Der Gutachter habe die Fahreignung nur unter strengen Auflagen von ärztlichen Kontrollen und Nachuntersuchungen für weiter gegeben gehalten und nur solange die Antragstellerin nicht erneut mit hoher Blutalkoholkonzentration (auch außerhalb des Straßenverkehrs) auffällig werde. Die Antragstellerin habe am 28. Juli 2018 erneut wegen starker Alkoholisierung und Suizidgedanken in das Bezirksklinikum R… eingeliefert werden müssen. Da massive Anhaltspunkte vorgelegen hätten, dass sich ihre Alkoholproblematik sowie ihr psychischer Zustand massiv verschlechtert hätten, sei die Abklärung der Fahreignung durch ein ärztliches Gutachten unumgänglich gewesen. Da die Antragstellerin die fristgemäße Erstellung und Vorlage des Fahreignungsgutachtens verweigert habe, sei von ihrer Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen gemäß § 11 Abs. 8 FeV auszugehen. Eine Verlängerung der Vorlagefrist sei nicht in Betracht gekommen, da die Frist zur Beibringung ausreichend lange bemessen gewesen sei und die Antragstellerin die Erstellung des Fahreignungsgutachtens offenbar nicht mit dem notwendigen Interesse verfolgt habe. Ein weiteres Zuwarten sei im Sinne der Verkehrssicherheit nicht vertretbar gewesen.

Die Antragstellerin hat ihren Führerschein ausweislich einer Kopie in den Behördenakten am 28. Januar 2019 bei der Polizeidienststelle W… abgegeben.

Mit Schriftsätzen ihrer Bevollmächtigten vom 6. Februar 2019 hat die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 16. Januar 2019 Klage (Az. RO 8 K 19.191) erheben lassen, über die noch nicht entschieden ist, und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs formularmäßig und nicht bezogen auf den Einzelfall sei. Zudem könne ein derart langes Abwarten, wie es dem streitgegenständlichen Bescheid zugrunde liege, unter keinen Umständen die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen.

Der Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 und 2 des Bescheid des Landratsamtes Cham wiederherzustellen.

Für den Antragsgegner beantragt das LRA, den Antrag abzulehnen.

Der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig und die sofortige Vollziehung zu Recht angeordnet worden, da zur Abwendung akuter Gefahren ein unverzügliches Handeln der Fahrerlaubnisbehörde erforderlich gewesen sei. Obwohl das verkehrsmedizinische Gutachten vom 12. März 2018 davon ausgegangen sei, dass bei erneutem Auffälligwerden der Antragstellerin mit hoher Blutalkoholkonzentration ohne Weiteres von deren Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen sei, habe das LRA zugunsten der Antragstellerin von einem sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis abgesehen und die fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen auf die Anordnung eines erneuten verkehrsmedizinischen Gutachtens beschränkt. Nachdem die Antragstellerin dieses Gutachten nicht beigebracht habe, habe das LRA auf ihre Nichteignung schließen und mithin davon ausgehen müssen, dass sie von Alkohol abhängig und sehr schwer depressiv erkrankt sei.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

Die Antragstellerin begehrt, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2019 hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis (Ziffer 1 des Bescheids) und der Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheins (Ziffer 2 des Bescheids) wiederherzustellen. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, soweit dies durch Bundesgesetz oder Landesgesetz vorgeschrieben ist, oder soweit die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 16. Januar 2019 hat die erlassende Behörde die sofortige Vollziehung angeordnet. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 und 2 des Bescheids vom 16. Januar 2019 hat keinen Erfolg.

1. Das LRA hat das besondere Interesse an der Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend begründet.

Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei behördlicher Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die schriftliche Begründung soll dem Betroffenen ermöglichen, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels abschätzen zu können. Außerdem dient die Begründungspflicht dazu, der Behörde den Ausnahmecharakter einer Vollzugsanordnung vor Augen zu führen und die Behörde zu der Prüfung zu veranlassen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Es bedarf daher einer auf den konkreten Einzelfall abstellenden Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses an einer sofortigen Vollziehung, die nicht lediglich formelhaft sein darf.

An den Inhalt der Begründung sind dabei keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Insbesondere ist für bestimmte Arten behördlicher Anordnungen das Erlassinteresse mit dem Vollzugsinteresse identisch (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 46, 55). In solchen Fällen ist die Behörde daher nicht verpflichtet, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft. Insbesondere, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt. Das kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts in Betracht, zu dem auch das Fahrerlaubnisrecht zählt (vgl. BayVGH, B.v. 8.9.2015 – Cs 15.1634 – juris Rn. 6 m.w.N.). Die Umstände, aus denen sich die Fahrungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers ergibt, sind regelmäßig auch geeignet, gleichzeitig das besondere öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der angeordneten Fahrerlaubnisentziehung zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2005 – 11 CS 05.1967; BayVGH, B.v. 14.12.1994 – 11 AS 94.3847, BayVBl 1995, 248). Ist ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, liegt es auf der Hand, dass ihm im Hinblick auf die Gefährlichkeit seiner Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr und der zu schützenden Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit der anderen Verkehrsteilnehmer grundsätzlich sofort das Führen von Kraftfahrzeugen untersagt werden muss.

Die vorliegende Begründung genügt diesen Anforderungen. Das LRA begründet die Anordnung der sofortigen Vollziehung damit, dass es nicht zu verantworten sei, dass die Teilnahme der Antragstellerin am Straßenverkehr bis zur Bestandskraft zugelassen würde. Durch die Teilnahme eines alkohol- und psychisch kranken Verkehrsteilnehmers könne es zu erheblichem Leid an Leben und Gesundheit aller Beteiligten kommen. Die Güter Leben und Gesundheit hätten – in Abwägung mit der misslichen Lage der Antragstellerin, insbesondere ihrer mangelnden Mobilität – absoluten Vorrang. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigene Interessenabwägung durchgeführt.

2. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs überwiegt.

Maßgeblich für diese Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Führt eine im vorläufigen Rechtschutz gebotene summarische Prüfung dazu, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich Erfolg haben wird, so wird regelmäßig das private Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegen. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt nach der gebotenen summarischen Prüfung erfolglos bleiben, weil keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Denn der Bürger hat grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse daran, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vollzug dringlich ist oder nicht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 11 CS 08.3273 – juris Rn. 14). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen offen, so verbleibt es bei einer Interessenabwägung.

a. Nach summarischer Prüfung wird die Klage gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 16. Januar 2019 aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben, weil die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde jemandem, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Davon ist bei der Antragstellerin auszugehen. Sie hat das angeforderte Gutachten nicht vorgelegt. Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn sich dieser weigert, sich (medizinisch oder psychologisch) untersuchen zu lassen, oder wenn er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Untersuchungsanordnung der Fahrerlaubnisbehörde rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist und die Weigerung ohne hinreichenden Grund erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.2.2008 – 11 C 08.1030; BayVGH, B.v. 8.10.2009 – 11 CS 09.1891). Die Gutachtensanordnung muss hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensaufforderung sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil die Gutachtensaufforderung mangels Verwaltungsaktqualität nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Der Betroffene trägt das Risiko, dass ihm bei einer Weigerung gegebenenfalls die Fahrerlaubnis entzogen wird. Daher kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – juris Rn. 10, BayVGH, B.v. 15.5.2008– 11 CS 08.616 – juris Rn. 50). Die Gutachtensanordnung erweist sich vorliegend als rechtmäßig:

aa) Die Begutachtungsanordnung war formell rechtmäßig. Die Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV und § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV wurden eingehalten.

Das LRA hat die durch das Gutachten zu beantwortende Frage nach der Kraftfahreignung der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls festgelegt, § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV. Zudem genügt die Begutachtungsanordnung den Anforderungen des § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 FeV, wonach der Betroffene in zureichender Weise über die Gründe für die aufgetretenen Fahreignungszweifel zu unterrichten ist. Insoweit muss die Begutachtungsanordnung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Für den Betroffenen muss ausgehend von der für die jeweilige Fallgestaltung in Betracht kommenden Ermächtigungsnorm in der Fahrerlaubnis-Verordnung erkennbar sein, was der Anlass für die angeordnete Untersuchung ist und ob die in ihr verlautbarten Gründe die behördlichen Bedenken an der Kraftfahreignung zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Juli 2001 – 3 C 13.01 -, juris Rn. 24 ff.; OVG NRW, B. v. 7.2.2013 – 16 E 1257/12 – juris, Rn. 4; VGH Baden-Württemberg, B. v. 30.6.2011 – 10 S 2785/10 – juris Rn. 4 ff.).

Diese Voraussetzungen waren vorliegend erfüllt. Aus der Zusammenschau des zugrundeliegenden Sachverhalts, der Benennung der maßgeblichen Rechtsgrundlage und der durch das Gutachten zu beantwortenden Fragestellung, mit der das LRA unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass es Zweifel an der Kraftfahreignung der Antragstellerin im Hinblick auf eine möglichen Alkoholabhängigkeit (§ 13 Satz 1 Nr. 1 FeV) sowie im Hinblick auf eine sehr schwere Depression hat, wurde der konkrete Anlass für die Begutachtungsanordnung in ausreichendem Maße deutlich gemacht. Bezüglich der Alkoholabhängigkeit wurde insbesondere auf die Einweisung der Antragstellerin in das Bezirkskrankenhaus am 31. Dezember 2017 mit einer BAK von 2,0 ‰, auf die Feststellung im ärztlichen Gutachten von Dr. E… vom 12. März 2018, wonach bei der Antragstellerin eine chronische Alkoholproblematik / Alkoholmissbrauch vorliege, sowie auf einen Vorfall vom 28. Juli 2018 verwiesen, bei dem die Antragstellerin von der PS W… stark alkoholisiert zu Hause angetroffen worden sei. Zudem habe die Antragstellerin bei diesem Vorfall Suizidgedanken geäußert, weshalb sie in das Bezirkskrankenhaus R… eingeliefert worden sei. Im Hinblick auf eine mögliche Depression wird zudem auf einen vorangegangenen Suizidversuch, sowie wiederum das ärztliche Gutachten von Dr. E… verwiesen, wonach die Antragstellerin wiederholt depressive Phasen durchlebt habe, die eine Behandlung mit Antidepressiva erforderlich gemacht hätten, Bezug genommen.

Auf die Kostentragungspflicht für die Gutachtenerstellung wurde die Antragstellerin gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 FeV hingewiesen. Die in der Anordnung festgelegte Frist von knapp sieben Wochen begegnet keinen Bedenken, zumal der Antragstellerin mit Schreiben vom 28. Dezember 2018 vor Erlass eines Entzugsbescheids nochmals Gelegenheit zur Äußerung bis 14. Januar gegeben worden ist. Damit wurde die Frist zwar nicht förmlich verlängert, die Behörde hat aber jedenfalls zum Ausdruck gebracht, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt die Fahrerlaubnis jedenfalls nicht entziehen wird. In einem Telefonat mit dem LRA am 10. Januar 2019 hat die Antragstellerin zudem erklärt, dass sie keinen Termin bei der ausgewählten Begutachtungsstelle vereinbart hätte. Sie habe zwar zwei Tage vor Weihnachten einen Termin bekommen, sie wolle das aber gar nicht machen. Sie überlege sich nun einen Verzicht auf die Fahrerlaubnis. Dem Antrag auf Fristverlängerung durch die zwischenzeitlich Bevollmächtigten der Antragstellerin musste das LRA nicht mehr nachkommen, denn der Antragstellerin wäre es schon nach eigenen Angaben möglich gewesen, vor Ablauf der Frist zur Gutachtensvorlage zumindest einen Untersuchungstermin zu bekommen, den sie aber nicht habe wahrnehmen wollen. Die Fahrerlaubnisbehörde konnte daher ihr Ermessen fehlerfrei dahingehend ausüben, die beantragte Fristverlängerung nicht zu gewähren. Schließlich hat das LRA die Antragstellerin auch bereits mit der Anordnung der Begutachtung sowie im Anhörungsschreiben vom 10. Januar 2018 auf die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV für den Fall der Nichtvorlage des Gutachtens innerhalb der bestimmten Frist hingewiesen (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).

bb) Materiell-rechtlich wurde die Gutachtensanordnung zu Recht auf § 46 Abs. 3 FeV i. V. m. § 13 Satz 1 Nr. 1 FeV i. V. m. Nr. 8.3 der Anlage zur FeV sowie auf § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV i.V.m. Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV gestützt.

§ 13 Abs. 1 Nr. 1 FeV regelt, dass die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung einer Entscheidung über die Anordnung von Beschränkungen der Fahrerlaubnis anordnet, dass ein ärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 Satz 3 FeV) beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV bestimmt die Behörde in der Anordnung auch, ob das Gutachten von einem (hier nach Nr. 5 des § 11 Abs. 2 Satz 3 FeV) Arzt in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung, der die Anforderungen nach Anlage 14 erfüllt, erstellt werden soll.

Das LRA ist zutreffend davon ausgegangen, dass hier Tatsachen vorliegen, die die Annahme einer Alkoholabhängigkeit bei der Antragstellerin begründen. Bereits im ärztlichen Gutachten von Dr. E… vom 12. März 2018 wurde festgestellt, dass bei der Antragstellerin eine chronische Alkoholproblematik bzw. Alkoholmissbrauch im medizinischen Sinne vorliege. Eine Alkoholabhängigkeit habe sich aber nicht sicher diagnostizieren lassen. Aufgrund des Vorfalls vom 28. Juli 2018, bei dem die Antragstellerin erneut stark alkoholisiert von der Polizei angetroffen worden ist, lagen für das LRA (neue) aktenkundige Tatsachen vor, die die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründeten.

Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV bestehen zudem Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen insbesondere dann, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 zur FeV hinweisen. Nach Nr. 7.5.1 der Anlage 4 zur FeV ist bei allen Manien und sehr schweren Depressionen eine Fahreignung nicht gegeben.

Das LRA ist in der Gutachtensanordnung zutreffend davon ausgegangen, dass hier Tatsachen vorliegen, die die Annahme einer Manie oder sehr schweren Depression bei der Antragstellerin begründen. Bereits aus dem ärztlichen Gutachten von Dr. E… vom 12. März 2018 ergibt sich, dass die Antragstellerin in der Vergangenheit an Depressionen gelitten hat. Weiter hat sie am 28. Juli 2018 Suizidgedanken geäußert, was wiederum ein Hinweis auf das Bestehen einer schweren depressiven Problematik sei. Hinzu komme ein in den vergangenen zwei Jahren liegender Suizidversuch mit Tabletten. Durchgreifenden Einwände hiergegen wurden von Antragstellerseite nicht vorgebracht.

cc) Die Gutachtensanordnung ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Ungeeignetheit der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen aufgrund einer Alkoholabhängigkeit bereits feststand.

Gemäß § 11 Abs. 7 FeV unterbleibt die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht.

Vorliegend ging das LRA in der Gutachtensanordnung davon aus, dass alle Erkenntnisse auf eine Verschärfung der Alkoholproblematik hindeuten würden und eine etwaige Alkoholabhängigkeit dringend klärungsbedürftig sei. Das LRA musste nicht schon aufgrund der Feststellungen im Gutachten von Dr. E… vom 12. März 2018 davon ausgehen, dass die Antragstellerin ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Zwar wurde in diesem Gutachten auf Seite 10 ausgeführt, dass bei erneutem Auffälligwerden mit hoher Blutalkoholkonzentration außerhalb des Verkehrs oder auch in Verbindung mit aktiver Teilnahme am Verkehr von einer Nichteignung auszugehen wäre. Insoweit ist das Gutachten aber nicht schlüssig und nachvollziehbar. Es wurde bereits nicht dargelegt, in welchem zeitlichen Rahmen ein solches erneutes Auffälligwerden fahreignungsrelevant wäre und was genau unter einer „hohen Blutalkoholkonzentration“ zu verstehen ist. Weiter bleibt unklar, ob für den Fall eines solchen „Auffälligwerdens“ seitens der Antragstellerin von einer Alkoholabhängigkeit (auf welcher Grundlage?) oder von einem Alkoholmissbrauch auszugehen wäre. Die Fahrungeeignetheit nach FeV Nr 8.1 der Anlage 4 wegen Alkoholmissbrauch hat aber zur Voraussetzung, dass das Führen von Kfz und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Insofern erschließt sich nicht, weshalb auch bei einem Auffälligwerden mit hoher Blutalkoholkonzentration außerhalb des Straßenverkehrs von einer Fahrungeeignetheit aufgrund Alkoholmissbrauch ausgegangen werden müsste.

dd) War nach allem die Gutachtensanforderung rechtmäßig, durfte das LRA gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 FeV auf die mangelnde Fahreignung der Antragstellerin schließen. In diesem Fall ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV zwingend vorgeschrieben. Wirtschaftliche oder sonstige persönliche Nachteile in Folge des Verlustes der Fahrerlaubnis haben keine Bedeutung gegenüber dem öffentlichen Interesse, wenn dieses die Entziehung erfordert. Raum für eine Ermessensbetätigung besteht auch nicht deshalb, weil § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV davon spricht, dass die Behörde bei unterbliebener Vorlage eines Fahreignungsgutachtens auf die Nichteignung des Betroffenen schließen „darf“. Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass aus der Weigerung, sich einer zu Recht angeordneten Begutachtung zu unterziehen oder ihr Ergebnis der Behörde vorzulegen, nur dann hergeleitet werden darf, dass der Betroffene einen Eignungsmangel verbergen will, wenn für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht. Liegen solche Hintergründe nicht vor, hat die Fahrerlaubnisbehörde demgegenüber der sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV ergebenden Wertung Rechnung zu tragen; d.h. sie hat davon auszugehen, dass der Betroffene fahrungeeignet ist und hieraus die vorgeschriebenen Folgerungen zu ziehen (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 28.10.2010 – 11 CS 10.1930; BayVGH, B.v. 27.9.2013 – 11 CS 13.1399). Gründe, die sie daran gehindert haben, das verlangte Fahreignungsgutachten rechtzeitig beizubringen, hat die Antragstellerin aber nicht geltend gemacht.

ee) Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil das LRA in den Bescheidsgründen (S. 7 oben) davon ausgeht, dass die Antragstellerin von Alkohol abhängig und sehr schwer depressiv erkrankt sei. Richtigerweise führt das LRA in den Sätzen zuvor aus, dass die Antragstellerin die fristgemäße Erstellung und Vorlage eines Fahreignungsgutachtens verweigert habe und somit aufgrund dieses Umstandes von ihrer Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auszugehen sei.

Die Regelung in § 11 Abs. 8 FeV beruht auf der Überlegung, dass der Betroffene bei grundloser Weigerung ein Gutachten beizubringen einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen wolle (vgl. Dauer in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, § 11 FeV, Rn. 51). Einen Rückschluss auf einen konkrete Eignungsmangel sieht die Fahrerlaubnisverordnung dagegen nicht vor. Das LRA hätte deshalb nicht davon ausgehen dürfen, dass die Antragstellerin von Alkohol abhängig und sehr schwer depressiv erkrankt sei. Im Ergebnis ist diese – fälschlicherweise – getroffene Feststellung des LRA im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Entziehungsbescheides aber unschädlich, da sie für die Begründung des Bescheids nicht tragend ist. Der Entzug der Fahrerlaubnis wurde ausdrücklich darauf gestützt, dass die Antragstellerin ein angefordertes Gutachten nicht vorgelegt hat und nicht damit, dass die Antragstellerin alkoholabhängig und sehr schwer depressiv ist.

b. Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig, ist auch die darauf aufbauende Anordnung, den zugehörenden Führerschein abzuliefern (vgl. Ziffer 2 des Bescheids vom 16. Januar 2019) nicht zu beanstanden. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StVG erlischt mit der Entziehung die Fahrerlaubnis und nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach der Entziehung der Fahrerlaubnis der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern.

Im Ergebnis überwiegt damit das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs. Dass das LRA – wie von den Bevollmächtigten der Antragstellerin vorgetragen – das Verfahren unnötig in die Länge gezogen hätte und deshalb ein Sofortvollzug unter keinen Umständen gerechtfertigt sei, vermag die Kammer unter Berücksichtigung des tatsächlichen Verfahrensablaufes nach dem Inhalt der Fahrerlaubnisakte nicht zu erkennen. Die Antragstellerin wurde am 28. Juli 2018 erneut u. a. wegen starken Alkoholkonsums auffällig. Am 11. September 2018 das LRA die Antragstellerin zunächst zur Vorlage eines Gutachtens eines weitergebildeten Arztes mit dem Zusatz „verkehrsmedizinische Qualifikation“ der Fachrichtung Psychiatrie und Psychotherapie auf. Nachdem die Antragstellerin dieser Aufforderung nicht nachgekommen ist, wurde die Angelegenheit beim LRA amtsintern nochmals besprochen, die Gutachtensanordnung vom 11. September 2018 mit Schreiben vom 8. November 2018 aufgehoben und statt dessen die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens eines Arztes einer anerkannten Begutachtungsstelle gefordert. Wegen der Nichtvorlage des geforderten Gutachtens erging letztendlich weniger als sechs Monate nach dem erneuten Auffälligwerden der Antragstellerin der angegriffene Entzugsbescheid.

Nach allem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

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