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Fahrerlaubnisentziehung – missbräuchliche Einnahme von Medizinal-Cannabis

VGH Baden-Württemberg – Az.: 13 S 1641/22 – Beschluss vom 25.10.2022

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13. Juli 2022 – 10 K 633/22 – wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.750,– EUR festgesetzt.

Gründe

Die fristgemäß eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Auf der Grundlage der Gründe, die in der innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingegangenen Begründung angeführt sind und auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, kommt eine Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung vom 13.07.2022 nicht in Betracht.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen (zu diesem Darlegungserfordernis vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 17.08.2020 – 12 S 1671/20 – juris Rn. 5 und vom 07.03.2017 – 10 S 328/17 – juris Rn. 2; BayVGH, Beschluss vom 02.09.2020 – 11 CS 20.814 – juris Rn. 9 ff.; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 146 Rn. 73 ff.).

Hiervon ausgehend ist die Beschwerdebegründung nicht geeignet, die Richtigkeit der Ausführungen im angegriffenen Beschluss in Frage zu stellen. Damit besteht kein Anlass, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangene verwaltungsgerichtliche Entscheidung zu ändern.

Fahrerlaubnisentziehung - missbräuchliche Einnahme von Medizinal-Cannabis
(Symbolfoto: Flapas /Shutterstock.com)

Wie das Verwaltungsgericht ist auch der Senat nach derzeitigem Erkenntnisstand der Ansicht, dass bei dem Antragsteller wegen einer in der Vergangenheit stattgefundenen missbräuchlichen Einnahme von Medizinal-Cannabis nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV i. V. m. Nummer 9.4 der Anlage 4 der FeV von einer fehlenden Fahreignung auszugehen ist.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass es bei dem Antragsteller um die Einnahme von Medizinal-Cannabis geht und sich deshalb dessen Fahreignung nicht nach Nummer 9.2.1 der Anlage 4 der FeV, sondern nach den Nummern 9.4 und 9.6 der Anlage 4 der FeV beurteilt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 31.01.2017 – 10 S 1503/16 – juris Rn. 6 und vom 22.01.2013 – 10 S 243/12 – juris Rn. 8; BayVGH, Beschluss vom 30.03.2021 – 11 ZB 20.1138 – juris Rn. 12; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., StVG § 2 Rn. 62a, 65 f.).

Bei einer missbräuchlichen Einnahme (regelmäßig übermäßiger Gebrauch) von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln ist nach Nummer 9.4 der Anlage 4 der FeV die Fahreignung grundsätzlich ausgeschlossen. Ein „übermäßiger Gebrauch“ liegt nicht nur bei einer zu hohen Dosierung des Medikaments vor, sondern auch bei einer verordnungswidrigen Einnahme (vgl. Beschluss des Senats vom 08.07.2021 – 13 S 1800/21 – juris Rn. 26; BayVGH, Beschluss vom 01.07.2022 – 11 CS 22.860 – juris Rn. 21; Dauer a. a. O. § 2 Rn. 65). Nach dem Wortlaut der Nummer 9.4 der Anlage 4 der FeV ist die Annahme der Nichteignung aber nur gerechtfertigt, wenn der „übermäßige Gebrauch“ des Arzneimittels regelmäßig erfolgt. Regelmäßig ist hierbei nicht im Sinne der Nummer 9.2.1 der Anlage 4 der FeV zu verstehen, sondern es genügt, wenn der übermäßige Gebrauch häufiger als nur sporadisch, also nicht nur ein- oder mehrmalig vorkommt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.2013 a. a. O.; BayVGH, Beschlüsse vom 16.01.2020 – 11 CS 19.1535 – juris Rn. 25 und vom 29.04.2019 – 11 B 18.2482 – juris Rn. 24; Dauer a. a. O. § 2 Rn. 65).

Dem Antragsteller ist zuzugeben, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis nur möglich ist, wenn die Ungeeignetheit – hier im Sinne der Nummer 9.4 der Anlage 4 der FeV – auf Grund erwiesener Tatsachen positiv festgestellt wird; die Fahrerlaubnisbehörde trägt für das Vorliegen eines Eignungsmangels – ggf. unter Einbeziehung von Mitwirkungspflichten des Betroffenen – die materielle Beweislast (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2016 – 10 S 1880/15 – juris Rn. 21; Dauer a. a. O. § 3 Rn. 24). Liegen zwar Eignungszweifel vor, steht aber – aus welchen Gründen auch immer – nicht fest, ob der Betroffene geeignet oder ungeeignet ist, so kann die Fahrerlaubnis nicht entzogen werden. In den Zeitpunkten des Anhörungsschreibens vom 14.10.2021 und der Entziehungsverfügung vom 28.01.2022 bestanden aufklärungsbedürftige Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers (§ 46 Abs. 3, §§ 11 bis 14 FeV), ohne dass die Fahrerlaubnisbehörde seinerzeit in der Lage gewesen wäre, das Vorliegen des sich aus der Nummer 9.4 der Anlage 4 der FeV ergebenden Eignungsmangels (lückenlos) darzutun (zur Abgrenzung bloßer Eignungszweifel von erwiesener Ungeeignetheit vgl. z. B. BayVGH, Beschlüsse vom 16.05.2022 – 11 ZB 21.1964 – juris Rn. 1 ff. und vom 30.03.2021 a. a. O. Rn. 1 ff.; siehe auch Beschluss des Senats vom 08.07.2021 a. a. O.). Dass der Antragsteller am 10.03.2021 einen zum Konsum vorbereiteten Joint bei sich geführt und der Fahrerlaubnisbehörde von sich aus kein aussagekräftiges ärztliches Attest vorgelegt hatte, war seinerzeit nicht einmal ansatzweise geeignet, einen regelmäßig übermäßigen und damit missbräuchlichen Gebrauch des ärztlich verordneten Arzneimittels beweiskräftig zu belegen.

Allerdings hat sich in der Zwischenzeit der Erkenntnisstand und die Sachlage zu Lasten des Antragstellers geändert, sodass der Senat mit dem Verwaltungsgericht bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass (zumindest) von einem in der Vergangenheit liegenden (die Fahreignung ausschließenden) Arzneimittelmissbrauch im Sinne der Nummer 9.4 der Anlage 4 der FeV als erwiesen auszugehen sein dürfte. Diese Änderung ist schon deshalb zu beachten, weil für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.07.2016 a. a. O. Rn. 19; Dauer a. a. O. § 3 Rn. 32) und hier über den Widerspruch gegen die Fahrerlaubnisentziehung noch nicht entschieden worden ist (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 21.12.2017 – 1 B 720/17 – juris Rn. 27).

Aus den Akten geht – jedenfalls inzwischen – hinreichend eindeutig vor, dass der Antragsteller sich (mindestens) seit Januar 2021 wegen seiner Morbus-Crohn-Erkrankung in einer fortlaufenden und regelmäßigen Behandlung mit ärztlich verordnetem Medizinal-Cannabis befindet. Dieses Medikament – so der Antragsteller – habe seinen Gesundheitszustand deutlich verbessert und ihm ermöglicht, sein Leben normal weiterzuführen, seine Krankheitstage deutlich zu reduzieren und trotz seiner Erkrankung täglich bei der Arbeit zu erscheinen. Weiter geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass der Antragsteller bis zur Anschaffung eines adäquaten Vaporizer Ende November 2021 das ihm verordnete Cannabis auch mittels Joints, also durch Verbrennung und Inhalation, konsumiert hat. Dies ergibt sich aus den beiden Vorfällen im März 2021 und seinen eigenen – zum Teil späteren – Erklärungen. Bei der Kontrolle am 10.03.2021 stellten die Polizeibeamten beim Antragsteller, der als Fußgänger unterwegs war, Marihuanageruch fest. Der Antragsteller holte einen Joint aus seiner Hosentasche hervor und legte ein auf ihn ausgestelltes Betäubungsmittelrezept vor, mit dem er gegenüber den Beamten den Besitz des Joints zu legitimieren versuchte (vgl. Strafanzeige des Polizeireviers 5 Stuttgart vom 15.04.2021). Die Staatsanwaltschaft sah von einer Verfolgung nach § 31a Abs. 1 BtMG ab, da das bei ihm aufgefundene Tabak-Marihuana-Gemisch (0,97 Gramm) offensichtlich nur zum gelegentlichen Eigenverbrauch vorgesehen gewesen sei (vgl. Verfügung der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 05.07.2021). Bei der Kontrolle am 30.03.2021 saß der Antragsteller mit einem Bekannten auf einer Parkbank, wobei der Bekannte soeben einen Joint rauchte, den er wegwarf, als sich die Beamten zu erkennen gaben. Dabei lag neben dem Antragsteller ein diesem gehörender Crusher mit Marihuana-Resteintragungen (0,73 Gramm), der von den Beamten beschlagnahmt wurde (vgl. Strafanzeige des Polizeireviers 5 Stuttgart vom 16.04.2021). Gegen die Beschlagnahme ließ er durch seinen Verfahrensbevollmächtigen bereits mit Schreiben vom 01.04.2021 u. a. ausführen, dass er Cannabispatient sei und den Beamten das Rezept vorgelegt habe.

Auf das Anhörungsschreiben vom 14.10.2021, mit dem die Fahrerlaubnisbehörde ihn von der beabsichtigen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen nicht bestimmungsgemäßer Einnahme des ärztlich verordneten Cannabis unterrichtet hatte, ließ er gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde nur vortragen, dass er als Cannabispatient unter das Medikamentenprivileg falle. Nach Erlass der Entziehungsverfügung vom 28.01.2022 hat er im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber dem Verwaltungsgericht vortragen lassen, dass er bei der ersten Polizeikontrolle den Beamten „freiwillig seinen mit Medizinal-Cannabis und CBD Hash gefüllten Joint samt seinem Cannabis-Rezept“ ausgehändigt habe. Er habe den Beamten sogar sein Krankheitsbild genannt und die Mütze heruntergenommen, um den Beamten zu zeigen, dass ihm an manchen Stellen die Haare fehlten. Die Beamten hätten ihm gleichwohl vorgeworfen, sein Medikament nicht ordnungs- bzw. weisungsgemäß zu konsumieren. Er habe zu diesem Zeitpunkt noch keinen adäquaten Vaporizer besessen, „um die vollständige Wirkung seines Medikaments zu entfalten“. Zu dieser Zeit habe er nur einen Vape Pen gehabt, „der aber nicht in ganzer Weise die Aufgabe erfüllt hat“. Erst nach der Kontrolle habe er sich den von der Apotheke empfohlenen Vaporizer angeschafft (vgl. Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 08.03.2022). Aus den insoweit gegenüber dem Senat vorgelegten Unterlagen (Rechnung und Lieferschein vom 30.11.2021) folgt, dass der Antragsteller den aus seiner Sicht adäquaten Vaporizer erst Ende November 2021 angeschafft hat. Bei einer – lebensnahen – Würdigung dieser gesamten Umstände ist nach Überzeugung des Senats davon auszugehen, dass der Antragsteller (zumindest) in dem Zeitraum von Januar bis November 2021 das für die Linderung seiner Krankheit und damit für sein Wohlbefinden wichtige Medizinal-Cannabis nicht nur sporadisch in der für ihn damals bestmöglich erscheinenden Darreichungsform durch Verbrennung und Inhalation eingenommen hat. Dass es sich hierbei um eine nicht bestimmungsgemäße bzw. verordnungswidrige Einnahme dieses Medikaments gehandelt hat, ist bereits in dem angegriffenen Beschluss vom 13.07.2022 mit einer zutreffenden Begründung ausgeführt worden, mit der sich insoweit die Beschwerde schon nicht hinreichend auseinandersetzt (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und auf die der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, verweist (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO; vgl. insbesondere die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen von Dr. M. vom 06.04.2022 und vom 01.08.2022; ferner Senatsbeschluss vom 21.12.2021 – 13 S 3370/21 – n. v.; BayVGH, Beschluss vom 29.04.2019 a. a. O. Rn. 29; Schubert/Huetten/Reimann/Graw/Schneider/Stephan, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl., S. 315 ff.).

Damit dürfte aller Voraussicht nach eine die Fahreignung nach Nummer 9.4 der Anlage 4 der FeV ausschließende missbräuchliche Einnahme des Medizinal-Cannabis vorgelegen haben. Wird – wie hier – eine Fahrungeeignetheit festgestellt, so ist grundsätzlich von deren Fortbestand auszugehen, solange nicht vom Betroffenen der materielle Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung erbracht worden ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 07.07.2014 – 10 S 242/14 – juris Rn. 22 und vom 07.04.2014 – 10 S 404/14 – juris Rn. 10 f.).

Allerdings geht der beschließende Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Frage, ob der betreffende Fahrerlaubnisinhaber zwischenzeitlich die Fahreignung wiedererlangt hat, auch für die Rechtmäßigkeit einer Entziehungsverfügung von Bedeutung ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie hier und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes häufig – das Verwaltungsverfahren noch nicht durch den Erlass eines Widerspruchsbescheids abgeschlossen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 07.07.2014 a. a. O. und vom 07.04.2014 a. a. O. Rn. 14; siehe auch BayVGH, Beschluss vom 29.04.2019 a. a. O. Rn. 34; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.03.2018 – 4 LA 126/17 – juris Rn. 7). Daraus folgt, dass bei hinreichend belastbaren Anhaltspunkten für eine mögliche Wiedergewinnung der Fahreignung und der ernsthaft erklärten Bereitschaft des Betroffenen, sich einer erforderlichen Begutachtung zu unterziehen, das der Fahrerlaubnisbehörde bis zum Erlass eines Widerspruchsbescheids insoweit zustehende Ermessen dahingehend auf null reduziert sein kann, dass sie rechtlich verpflichtet ist, entsprechende Aufklärungsmaßnahmen einzuleiten (vgl. BayVGH, Beschluss vom 29.04.2019 a. a. O.; zu den Grenzen VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.04.2014 a. a. O. Rn. 12, 14; zur Nachholung einer Begutachtung im Widerspruchsverfahren in den Fällen des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV siehe Senatsbeschluss vom 17.10.2022 – 13 S 1790/22 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet Ausgangs- und Widerspruchsbehörde dazu, im Widerspruchsverfahren eine materiell richtige Entscheidung zu erzielen. Hierbei haben sie – soweit erforderlich – nach § 24 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 79 zweiter Halbsatz LVwVfG den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.02.1984 – 7 B 65.83 – juris Rn. 11; Ramsauer/Wysk in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl., § 79 Rn. 21, 24, 52; Kunze in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, § 79 Rn. 23.25; Schübel-Pfister in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl., § 79 Rn. 25).

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller zwar noch nicht den materiellen Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung erbracht. Er hat aber durch die im Verlauf des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens von ihm vorgelegten Unterlagen (insbesondere Rechnung und Lieferschein vom 30.11.2021 sowie fachärztliche Bescheinigungen von Dr. M. vom 06.04.2022 und vom 01.08.2022 in Verbindung mit den die Grunderkrankung betreffenden fachärztlichen Berichten vom 28.02.2018 und vom 26.02.2018) hinreichend belastbare Anhaltspunkte aufgezeigt, die für eine Wiedererlangung der Fahreignung sprechen und die der Antragsgegnerin Veranlassung geben, nicht – wie sie meint – im Rahmen eines Antrags auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis, sondern bereits im laufenden Widerspruchsverfahren die hier erforderliche Aufklärungsmaßnahme einzuleiten. Der Antragsteller hat sich mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigen vom 07.09.2022 dazu bereit erklärt, seine Fahreignung unter Beweis zu stellen und sich hierzu einer durch die Antragsgegnerin veranlassten medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen.

Im Hinblick auf die somit von der Antragsgegnerin im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zeitnah zu erlassende Gutachtensanordnung weist der Senat darauf hin, dass sich bei dem Antragsteller angesichts der Vorgeschichte ohne weiteres die Frage stellt, ob künftig mit der zuverlässigen Einnahme des Medizinal-Cannabis nach der ärztlichen Verordnung zu rechnen ist. Die damit aufgeworfenen Fragen der Compliance bzw. Adhärenz sowie der Fähigkeit und Bereitschaft zum verantwortlichen Umgang mit der Medikation sind psychologischer Natur und können nur im Weg der medizinisch-psychologischen Begutachtung geklärt werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30.03.2021 a. a. O. Rn. 21, 24; Schubert/Huetten/Reimann/Graw/Schneider/Stephan a. a. O. S. 440 ff.). Im Rahmen einer solchen medizinisch-psychologischen Begutachtung kann die Antragsgegnerin weitere Punkte thematisieren, die im konkreten Fall des Antragstellers für die Beurteilung der Fahreignung relevant sind (allgemein zu den Voraussetzungen der Fahreignung bei einer Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 08.07.2021 a. a. O. Rn. 26; BayVGH, Beschluss vom 30.03.2021 a. a. O. Rn. 19; Schubert/Huetten/Reimann/Graw/Schneider/Stephan a. a. O. S. 312 ff., 319 ff., 440 ff.). Es dürfte auch im Interesse des Antragstellers sein, die Frage, ob er trotz seiner Erkrankung und der damit zusammenhängenden Dauerbehandlung mit Medizinal-Cannabis in der Lage ist, ein Kraftfahrzeug der Klassen A2 und B sicher zu führen, möglichst im Rahmen einer Begutachtung klären zu lassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2, § 47 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. den Empfehlungen in den Nummern 1.5, 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt z. B. in Schoch/Schneider, VwGO, unter § 163).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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