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Dräger Alcotest 7110 – Nichteinhaltung Wartezeit – Verwertbarkeit der AAK Messung

OLG Celle –  Az.: 3 Ss (OWi) 178/19 – Beschluss vom 20.08.2019

In der Bußgeldsache wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Springe vom 27. März 2019 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Richter am Oberlandesgericht am 20.08.2019 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Springe zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Nach den Feststellungen befuhr der Betroffene am 14. August 2018 gegen 23.20 Uhr mit einem PKW die G. Straße, die M.straße und die Straße I. d. D., obwohl er erkennen konnte, dass er in Folge vorangegangenen Alkoholkonsums eine Alkoholmenge im Körper hatte, die das im Straßenverkehr zulässige Maß von 0,25 mg/l überschritt. Er wurde spätestens um 23:24 Uhr durch Polizeibeamte angehalten und kontrolliert. Zwei Atemalkoholmessungen, durchgeführt um 23.38 Uhr und 23.40 Uhr, ergaben Konzentrationen von 0,313 mg/l und von 0,316 mg/l.

 

Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, dass er noch während der Verfolgung durch die Polizei, nämlich gegen 23:24 Uhr, zuletzt Alkohol konsumiert habe. An seiner ursprünglichen Einlassung, der erhöhte Wert der Atemalkoholmessung müsse auf die Einnahme von Medikamenten gegen Diabetes zurückzuführen sein, halte er ausdrücklich nicht mehr fest.

Dies stellt nach Auffassung des Amtsgerichts die Richtigkeit der Messergebnisse nicht in Frage. Zwar sei nicht feststellbar, ob die Wartezeit von 20 Minuten seit Trinkende eingehalten wurde. Eine Nichteinhaltung der Wartezeit schließe nach der obergerichtlichen Rechtsprechung die Verwertung der im konkreten Fall erzielten Messergebnisse ohne Sicherheitsabschlag jedoch nicht aus.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde. Er beanstandet das Verfahren und die Verletzung sachlichen Rechts. Insbesondere macht er geltend, dass die Messergebnisse mangels Belehrung des Betroffenen über die Freiwilligkeit der Atemalkoholmessung und wegen Nichteinhaltung der Wartezeit nicht verwertbar seien.

II.

Das Rechtsmittel hat (zumindest vorläufig) Erfolg. Das angefochtene Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Die Generalstaatsanwaltschaft hat dazu in ihrer Stellungnahme ausgeführt:

„Die Atemalkoholkonzentration von 0,31 mg/l ist nicht fehlerfrei festgestellt worden.

Die Auffassung des Amtsgerichts, die hier ausdrücklich nicht festgestellte Einhaltung der Wartezeit zwischen Trinkende und erster Messung sei ohne Bedeutung, wenn sich im Einzelfall eine Fehlmessung mit dem Messgerät „Dräger Alcotest 7110 Evidential“ ausschließen lasse, ist in dieser Allgemeinheit nicht tragfähig, abgesehen davon dass ein solcher Ausschluss im vorliegenden Fall nicht ausreichend begründet worden ist. Die Tatrichterin kann sich für die von ihr vertretene Auffassung zwar auf den Beschluss des hiesigen 2. Senats für Bußgeldsachen vom 26.09.2003 – 222 Ss 59/03 – stützen. Dieser vermag jedoch jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu überzeugen. In der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur hat er nur vereinzelt Zustimmung gefunden. Überwiegend wird die seinerzeit vertretene Auffassung abgelehnt (s. zum Meinungsstand König in Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 24a StVG Rdn. 16a; Hühnermann in Burmann/ Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl., § 24a StVG Rdn. 4c jew. m.w.N.). Entscheidend ist dabei folgendes: das Sachverständigengutachten, auf das sich der 2. Senat für Bußgeldsachen in seiner Entscheidung maßgeblich gestützt hat und dass in der hier angefochtenen Entscheidung mit seinen wesentlichen Aussagen zutreffend wiedergegeben worden ist, ist von dem Sachverständigen S. selbst später relativiert worden. Danach hält auch er die Einhaltung der Wartezeit im Regelfall für erforderlich. So sollen Benachteiligungen des Betroffenen in der Anflutungsphase (auch gegenüber einer Blutalkoholbestimmung) vermieden werden (s. a. Hentschel, NJW 2005, 641, 645).

Damit ist bei Nichteinhaltung der Wartezeit von einer wesentlichen Abweichung von der für eine ordnungsgemäße Durchführung der Messung vorgesehenen Verfahrensweise auszugehen. Eine Messung im standardisierten Verfahren liegt nicht mehr vor.

 

Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass das Messergebnis unverwertbar wäre. Wie bei anderen standardisierten, aber fehlerhaft durchgeführten Verfahren auch, etwa zur Geschwindigkeitsmessung, kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auch auf Art, Ausmaß und Auswirkung des Fehlers.

Hier kommt die Unverwertbarkeit der Messung keineswegs von vornherein in Betracht. Der gemessene Wert von 0,31 mg/l liegt erheblich, nämlich um 24 %, über dem bußgeldrelevanten Grenzwert von 0,25 mg/l. Die Messung erfolgte nicht sehr kurz, sondern mindestens 14 Minuten nach Trinkende unter Einhaltung der Kontrollzeit. Es spricht bei diesen Parametern nichts dafür, dass die Verlässlichkeit der Messung vollständig aufgehoben wäre. Es bedarf allerdings hier anders als sonst der Berücksichtigung eines Toleranzwertes zugunsten des Betroffenen (vgl. König, a.a.O., Rdn. 16a. m.w.N.). Dass hier ein höherer Sicherheitsabschlag als 20 % vorgenommen werden müsste, liegt nicht nahe. Die nähere Klärung und abschließende Feststellung obliegt dabei der neu entscheidenden nunmehr sachverständig beratenen Tatrichterin.“

Dem tritt der Senat bei.

Nach der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung kann trotz Nichteinhaltung der Wartezeit das Messergebnis gleichwohl unter Hinzuziehung eines Sachverständigen verwertbar sein, wenn der Grenzwert von 0,25 mg/l nicht unerheblich überschritten ist und ein Sicherheitsabschlag vorgenommen wird (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15. Oktober 2015 – 2 (7) SsBs 499/15 –, Blutalkohol 52, 414; OLG Stuttgart, Beschluss vom 2. Juli 2010 – 4 Ss 369/10 –, Blutalkohol 47, 360). Das Tatgericht konnte bislang offen lassen, ob es die Einlassung des Betroffenen, er habe noch während der Verfolgungsfahrt bis exakt zum Kontrollzeitpunkt Alkohol konsumiert, für glaubhaft erachtet, weil es bei der bislang vom Amtsgericht vertretenen Rechtsauffassung nicht darauf ankam. Allerdings ist es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst aus Rechtsgründen geboten, zu Gunsten eines Betroffenen Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (vgl. BVerfGK 9, 420; BGH NJW 2007, 2274).

2 Die Beweiswürdigung zur erfolgten Belehrung über die Freiwilligkeit der Atemalkoholmessung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Abgesehen davon sind auch die Rechtsausführungen des Amtsgerichts dazu, dass eine unterbliebene Belehrung kein Beweisverwertungsverbot begründen würde, zutreffend. Sie entsprechen der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. KG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – 3 Ws (B) 356/14 –, Blutalkohol 51, 350; OLG Brandenburg, Beschluss vom 16. April 2013 – (2 B) 53 Ss-OWi 58/13 (55/13) –, VRS 124, 340; Cierniak/Herb NZV 2012, 409), der auch der Senat folgt. Die von der Rechtsbeschwerde bemühte Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 3. Juni 2014 – 3 B 67/14 – steht dem nicht entgegen. Sie bestätigt nur die Verwertbarkeit einer Blutprobe, in deren Entnahme der Betroffene – nach Belehrung über die nach früherer Rechtslage ansonsten nötige richterliche Anordnung – eingewilligt hatte. Anhaltspunkte für eine gesetzliche Pflicht zur Belehrung über die Freiwilligkeit einer Atemalkoholmessung ergeben sich daraus nicht, zumal eine Atemalkoholmessung – anders als eine Blutentnahme – für jeden erkennbar ohne Mitwirkung des Betroffenen nicht möglich ist.

 

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