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Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren – schlechte Sichtverhältnisse

OLG Oldenburg – Az.: 2 Ss (OWi) 70/19 – Beschluss vom 20.03.2019

Orientierungssatz

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Osnabrück vom 9.1.2019 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 156 € verurteilt.

Der Verurteilung zugrunde lag eine zur Nachtzeit durchgeführte Nachfahrmessung.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner vom Einzelrichter zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass die Nachfahrmessung auf der Autobahn, auf der Straßenlaternen nicht vorhanden seien, auf einer Gesamtstrecke von ca. 1000 m in einem gleich bleibenden Abstand von 150 m durchgeführt worden sei. Es habe – so die Aussage der Polizeibeamten – mehrere Lichtquellen gegeben, unter anderem die Beleuchtung des eigenen Fahrzeugs, sowie die Vorder- und Rückbeleuchtung des Fahrzeugs des Betroffenen sowie seine Kennzeichenbeleuchtung, anhand derer die Zeugen sich problemlos und durchgehend hätten orientieren können. Die konstante Abstandhaltung sei durch das Anstrahlen der Leitpfosten und Leitlinien mittels der Frontscheinwerfer des Polizeifahrzeuges problemlos möglich gewesen. Das Gericht gehe daher davon aus, dass es den Beamten ohne weitere Einschränkungen gelungen sei, eine zuverlässige Messung auch trotz der nächtlichen Zeit bei gleich bleibendem Abstand zum Fahrzeug des Betroffenen zu erreichen.

Diese Ausführungen des Amtsgerichtes stehen nicht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats.

Der Senat hat folgendes ausgeführt:

Bei den in der Regel schlechten Sichtverhältnissen zur Nachtzeit bedarf es im Urteil grundsätzlich näherer Feststellungen dazu, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zu dem voraus fahrenden Fahrzeug durch Scheinwerfer des nachfahrenden Fahrzeugs oder durch andere Lichtquellen aufgehellt war und damit ausreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte und ob für die Schätzung des gleich bleibenden Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren. Auch sind Ausführungen dazu erforderlich, ob die Umrisse des vorausfahrenden Fahrzeugs und nicht nur dessen Rücklichter erkennbar waren (OLG Hamm DAR 2006, 31; vgl. Senat Beschluss vom 8. November 2012, 2 Ss Bs 253/12).

Im angefochtenen Urteil sind Feststellungen zu den Beleuchtungsverhältnissen nicht getroffen worden.

Bei einem Verfolgungsabstand von nur ca. 100 m und der Orientierung an den Leitpfosten sowie den Rücklichtern des gemessenen Fahrzeugs soll auch auf einer unbeleuchteten Straße eine zuverlässige Schätzung eines gleich bleibenden Abstandes durch geübte Polizeibeamte möglich sein (OLG Hamm VRS 113. Band, 112 ff;. OLG Celle NZV 2004, 419 f.; vgl. auch Thüringer OLG VRS 111. Band, 195 ff., wobei es sich dort um eine innerstädtische Straße handelte). Demgegenüber sind weitere Feststellungen zu den Beleuchtungsverhältnissen bei einem Verfolgungsabstand von 200 m nicht für entbehrlich gehalten worden (OLG Hamm DAR 2006, 31).

Bei einem Abstand von 100 m – erst recht bei einem solchen von 150 m – kann unter Berücksichtigung der Reichweite des Abblendlichtes nämlich nicht ohne besondere Feststellungen davon ausgegangen werden, dass allein durch die Scheinwerfer des nachfolgenden Fahrzeuges das vorausfahrende Fahrzeug so aufgehellt worden ist, dass ein gleichbleibender Abstand hinreichend sicher erfasst und geschätzt werden konnte (OLG Hamm DAR 2002, 176 f). ….

Bereits in den zuvor zitierten Entscheidungen des OLG Hamm (VRS 113. Band, 112 ff und OLG Celle NZV 2004, 419 f) war ausgeführt worden, dass auch bei einem Abstand von 100 m das Scheinwerferlicht des nachfahrenden Polizeifahrzeuges das vorausfahrende Fahrzeug nicht mehr erreiche.

Das bedeutet, dass der Zwischenraum zwischen den Fahrzeugen nicht vollständig erhellt wird und damit auch die Leitpfosten nicht in voller Länge dieser Strecke reflektieren. Zumindest bei einem Abstand von 150 m hält der Senat deshalb in Übereinstimmung mit dem OLG Hamm (DAR 2002, 176 f) weitergehende Darlegungen dazu für erforderlich, wie es den Polizeibeamten möglich gewesen ist festzustellen, dass der Abstand gleich geblieben ist.

(Senat, 2 Ss (OWi) 54/17, Beschluss vom 21. 3. 2017; Beschluss vom 6.2.2019, 2 Ss(OWi) 15/19).

An derartigen weitergehenden Darlegungen fehlt es allerdings im angefochtenen Urteil.

Darüber hinaus lässt sich dem Urteil auch nicht entnehmen, wie die Länge der Messstrecke ermittelt worden ist. Damit kann die Verurteilung auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht aufrechterhalten werden.

Der Senat hatte in der Vergangenheit in denjenigen Fällen, in denen zu erwarten war, dass das Amtsgericht die im Beschluss über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde erteilten Hinweise zukünftig berücksichtigen werde, von der Zulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen. An dieser Rechtsprechung sieht er sich jedoch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.10.2015 – 2 BvR 3071/14, BeckRs 2016, 40852 gehindert.

Dort hat das Bundesverfassungsgericht beanstandet, dass das Oberlandesgericht eine Rechtsbeschwerde nicht ohne weiteres mit der Begründung als unzulässig habe verwerfen dürfen, dass die Entscheidung auf einem Fehler im Einzelfall beruhe, sich das Gericht nicht bewusst über die obergerichtliche Rechtsprechung hinweggesetzt habe und den Fehler angesichts der Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht wiederholen werde. Da die Annahme des Oberlandesgerichts, es habe sich nur um einen Fehler im Einzelfall gehandelt, keine andere Grundlage als die Vermutung habe, dass sich das Gericht durch die Ausführungen des Oberlandesgerichts belehren lassen werden, werde der Zulassungsgrund der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung in einer Weise ausgelegt und angewendet, die jede Vorhersehbarkeit zunichtemache und die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde weitgehend leerlaufen lasse.

Der Senat konnte es deshalb nicht allein mit einem Hinweis auf die entgegenstehende Rechtsprechung bewenden lassen.

Da letztlich nicht auszuschließen ist, dass das Amtsgericht weitere Feststellungen treffen kann, die eine Verurteilung des Betroffenen rechtfertigen – so ist beispielsweise zumindest denkbar, dass das Polizeifahrzeug mit eingeschaltetem Fernlicht gefahren wurde – war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

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