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Bußgeldzumessung bei fahrlässiger Alkoholfahrt nach § 24a StVG

Thüringer Oberlandesgericht

Az.: 1 Ss 80/05

Beschluss vom 16.01.2006

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Bad Langensalza vom 05.10.2004

a) dahingehend abgeändert, dass der Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l geführt hat, schuldig ist;

b) im Rechtsfolgenausspruch mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben und die Sache in diesem Umfang, auch zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Bad Langensalza zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Gründe

I .

Bußgeldzumessung bei fahrlässiger Alkoholfahrt nach § 24a StVG
Symbolfoto: TeroVesalainen/Bigstock

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht Bad Langensalza den Betroffenen wegen des Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l geführt hat, gem. §§ 24a Abs. 1, 25 StVG zu einer Geldbuße von 350,00 € verurteilt sowie ihm ein Fahrverbot von 2 Monaten auferlegt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts. rügt.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat vom 30.09.2005 beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Bad Langensalza vom 05.10.2004 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II .

Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthaft, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und entsprechend begründet worden.

Soweit der Beschwerdeführer allerdings die Verletzung formellen Rechts rügt, fehlt es an ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrügen (§§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG).

Bei der Aufklärungsrüge hinsichtlich der unterlassenen Vernehmung des Zeugen D. B. ist schon der Vortrag fehlerhaft, der Zeuge und das Beweisthema seien bereits im Einspruch gegen den Bußgeldbescheid benannt worden. Mit der Rüge wird auch nicht konkret vorgetragen, welche Umstände in das Wissen des Zeugen gestellt werden. Die Aufklärungsrüge wäre aber auch auf jeden Fall unbegründet, denn zur Feststellung des „tatsächlichen Alkoholgehaltes des Betroffenen“ ist der Zeugenbeweis nicht geeignet.

Soweit der Betroffene in Verbindung mit dem Erfassungsbeleg die Verletzung des Verfahrensrechts beanstandet, ist ebenfalls keine zulässige Verfahrensrüge erhoben.

Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge aber einen vorläufigen Teilerfolg.

Soweit sich die Rechtsbeschwerde gegen die Verurteilung in der Sache wendet, ist sie jedoch unbegründet.

Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen eines – fahrlässigen – Verstoßes gegen § 24a StVG.

Im Urteil teilt der Tatrichter mit, dass mittels des geeichten Alkoholtestgerätes Dräger eine Atemalkoholmessung durchgeführt und eine Atemalkoholkonzentration von 0,49 mg/l festgestellt worden sei. Diese Angaben sind ausreichend. Der Senat geht in seiner ständigen Rechtsprechung mit der inzwischen vorherrschenden Auffassung davon aus, dass bei einer Atemalkoholbestimmung mit dem Testgerät Dräger Alcotest 7110 Evidential die Mitteilung des Messverfahrens und des Mittelwertes des Messergebnisses in den Urteilsgründen grundsätzlich ausreicht. Weitergehende Feststellungen sind nur dann erforderlich, wenn einer der Verfahrensbeteiligten die ordnungsgemäße Durchführung der Messung bezweifelt oder sonst Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses vorliegen (vgl. Beschluss des Senats vom 08.07.2005, 1 Ss 22/05). Dabei müssen jedoch konkrete Einwendungen erhoben bzw. konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler behauptet werden (vgl. OLG Dresden, VRS 108, 114). Dies ist vorliegend ausweislich der insoweit maßgeblichen Urteilsgründe nicht der Fall. Die Behauptung, lediglich Radler getrunken zu haben, stellt keinen derartigen konkreten Anhaltspunkt für eine fehlerhafte Messung dar. Insoweit wird nämlich lediglich dargelegt, der Betroffene habe eine bestimmte Art alkoholischer Getränke zu sich genommen. Dass der Betroffene vor der Atemalkoholkontrolle noch geraucht habe, ergibt sich aus den Feststellungen des Urteils nicht.

Das Amtsgericht hatte damit keine Veranlassung, zur Ordnungsgemäßheit der Messung weitere Ausführungen zu machen.

Dass vorliegend der konkrete Gerätetyp des verwendeten Messgerätes nicht ausdrücklich mitgeteilt wird, stellt keinen durchgreifenden Mangel dar. Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich nämlich zweifelsfrei, dass die Messung mit einem Alkoholmessgerät Dräger Alcotest 7110 Evidential erfolgt ist. Zunächst ist gerichtsbekannt, dass andere Geräte als das Gerät Alkotest 7110 Evidential der Firma Dräger bei der polizeilichen Verkehrsüberwachung nicht im Einsatz sind. Nur dieses Gerät verfügt über die erforderliche Bauartzulassung und unterliegt – der hier festgestellten – Verpflichtung zur Eichung. Dass die Messung mit einem anderen Gerät erfolgt ist, kann damit ausgeschlossen werden. Die konkrete Benennung des Gerätetyps war damit verzichtbar.

Die Feststellungen des angefochtenen Urteils tragen auch einen schuldhaften – fahrlässigen – Verstoß nach § 24a Abs. 1 StVG. Aus dem Urteil des Amtsgerichts ergibt sich, dass der Betroffene nach dem Genuss von Radler in der Nacht vom 29. zum 30.11.2003 seinen PKW, amtl. Kennzeichen … geführt hat. Bereits diese Angabe trägt den Fahrlässigkeitsvorwurf. Bezugspunkt für die Schuld ist bei § 24a StVG nämlich nur das bloße Erreichen der in § 24a Abs. 1 StVG genannten Grenzwerte. Da nach naturwissenschaftlicher Erkenntnis niemand vor dem, während oder nach dem Trinken genau voraussehen kann, welche Blut- oder Atemalkoholkonzentration er später haben werde, ist der Vorwurf der Fahrlässigkeit im Rahmen des § 24a Abs. 3 StVG in der Regel schon auf Grund der Tatsache gerechtfertigt, dass der Betroffene trotz Kenntnis vorausgegangenen Alkoholgenusses das Fahrzeug geführt hat (vgl. Lüttkes/Ferner/Kramer, Straßenverkehr, § 24a StVG, Rn. 22; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 24a StVG, Rn. 25; Beschluss des Senats VRS 109, 61).

Angaben zur konkreten Trinkmenge und weiterer Umstände bedurfte es daher zur Begründung des Fahrlässigkeitsvorwurfs nicht.

Zwar könnte das vom Amtsgericht festgestellte Verhalten des Betroffenen vor der Kontrolle durch die Polizei ein Indiz für vorsätzliches Verhalten sein. Da Vorsatz indes bei Fahrtantritt vorliegen muss und – auch unter Berücksichtigung des Rechtsbeschwerdevorbringens – weitere Feststellungen insoweit nicht zu erwarten sind, bedurfte es keiner Aufhebung des Urteils hinsichtlich der Feststellung zur inneren Tatseite.

Weil das Amtsgericht im Urteilstenor die Schuldform nicht festgestellt hat, war durch den Senat zur Klarstellung das Urteil vom 05.10.2004 insoweit abzuändern, dass der Betroffene des fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges mit einer Alkoholmenge im Körper, die zu einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l geführt hat, schuldig ist.

Im Rechtsfolgenausspruch kann das Urteil aber keinen Bestand haben.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat vom 30.09.2005 insoweit ausgeführt:

„… der Rechtsfolgenausspruch lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen. Die Urteilsgründe teilen in diesem Zusammenhang zunächst zutreffend mit, dass der Bußgeldtatbestand des § 24a StVG die Verhängung einer Geldbuße von bis zu 1.500,00 € ermöglicht (§ 24a Abs. 4 StVG). Da das Gericht jedoch einen fahrlässig begangenen Verstoß gegen § 24a StVG angenommen hat, ist unter Berücksichtigung des § 17 Abs. 2 OWiG ein Bußgeldrahmen von 5,00 bis 750,00 € zugrunde zu legen.

Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, ob das Amtsgericht Bad Langensalza bei der Bestimmung des Bußgeldrahmens die Vorschrift des § 17 Abs. 2 OWiG und die damit verbundene Reduzierung der Bußgeldobergrenze auf 750,00 € erkannt und berücksichtigt hat.

Auch die Ausführungen zur Bußgeldzumessung im engeren Sinne sind insoweit rechtsfehlerhaft, als sie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen unberücksichtigt lassen. Gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG kommen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters bei der Bußgeldzumessung in Betracht. Lediglich bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie in der Regel unberücksichtigt. Bei Bußgeldern, die wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten verhängt werden, ist die Grenze der „Geringfügigkeit“ bei 250,00 € zu ziehen. Im Anbetracht des im Urteil verhängten Bußgeldes von 350,00 € hätte das Gericht daher auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen berücksichtigen müssen. Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen sind jedoch unzureichend und lassen es nicht zu, das Bußgeld unter Beachtung des § 17 Abs. 3 S. 2 OWiG festzulegen. Die Urteilsgründe teilen in diesem Zusammenhang auf Bl. 2 lediglich mit, dass der Betroffene ledig ist, keine Kinder hat und von Beruf Gas- und Wasserinstallateur ist. Angaben zum Einkommen des Betroffenen enthält das Urteil nicht. Die Feststellungen zur Bußgeldbemessung (Bl. 3 der Urteilsgründe) lassen auch nicht erkennen, dass das Amtsgericht auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bei der Rechtsfolgenmessung berücksichtigt hat.

Im Übrigen lassen die Urteilsgründe auch nicht erkennen, ob das Gericht mögliche verkehrsordnungsrechtliche Vorbelastungen bei der Bußgeldzumessung berücksichtigt hat. Sofern das Gericht die Auffassung gewonnen haben sollte, der Betroffene sei verkehrsordnungsrechtlich nicht vorbelastet, hätte dies bei der Bußgeldzumessung zu seinen Gunsten berücksichtigt werden müssen.“

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Wegen der aufgezeigten Mängel war bei der grundsätzlich bestehenden Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot der Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben. Die Sache wird insoweit zu neuer Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Bad Langensalza zurückzuverweisen.

Für die neue Behandlung der Sache wird auf Folgendes hingewiesen:

Das Verhalten des Betroffenen vor der Kontrolle durch die Polizeibeamten kann im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung Berücksichtigung finden. Insoweit ist aber eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung angezeigt, wobei auch die Einlassung des Betroffenen hierzu mitzuteilen und zu würdigen sein wird.

Im Rahmen der neuen Behandlung der Sache wird erforderlich sein, eine erneute Auskunft aus dem Verkehrszentralregister einzuholen.

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