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Bußgeldverfahren – Verweisung auf ein der Täteridentifizierung dienendes Lichtbild in Urteilsgründen

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat in seinem Beschluss vom 22. Mai 2023 entschieden, dass die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert als unbegründet verworfen wird. Der Betroffene wurde zuvor wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße verurteilt.

Zentraler Punkt der Beschwerde war die Identifizierung des Fahrers anhand eines Lichtbildes, wobei der Verteidiger eine unzureichende Beweiswürdigung durch das Amtsgericht monierte. Das Oberlandesgericht bestätigte jedoch die Entscheidung des Amtsgerichts und hob hervor, dass die Anforderungen an eine Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes erfüllt seien, insbesondere durch eine angemessene Bezugnahme auf das Messfoto im Urteil.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Gericht bestätigt die Geldbuße wegen Geschwindigkeitsübertretung.
  2. Die Identifizierung des Fahrers erfolgte anhand eines Lichtbildes.
  3. Das Amtsgericht nahm korrekt auf das Messfoto Bezug, um den Fahrer zu identifizieren.
  4. Das Lichtbild wurde trotz Kontrastarmut als geeignet zur Identifizierung angesehen.
  5. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts wird nicht als fehlerhaft betrachtet.
  6. Es wurden spezifische Gesichtsmerkmale für die Identifizierung herangezogen.
  7. Eine direkte Überprüfung der Identität durch das Revisionsgericht ist nicht erforderlich.
  8. Das Urteil verdeutlicht die Anforderungen an eine wirksame Täteridentifizierung in Bußgeldverfahren.

Lichtbilder als Beweismittel: Anforderungen an die Identifizierung

Die Identifizierung von Tätern anhand von Lichtbildern spielt im Bußgeldverfahren eine immer wichtigere Rolle. Dabei stellt sich die Frage, wie Gerichte die Eignung von Lichtbildern zur Identifizierung beurteilen und in ihren Urteilsgründen darauf verweisen müssen. Die rechtlichen Anforderungen sind komplex und erfordern eine sorgfältige Prüfung durch die Gerichte. Denn eine fehlerhafte Identifizierung kann zu falschen Verurteilungen führen oder Täter unerkannt lassen.

Lichtbilder können wertvolle Beweise sein, um die Identität einer Person festzustellen. Allerdings müssen sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um vor Gericht als tauglich anerkannt zu werden. So muss das Bild eine ausreichende Qualität aufweisen und das Gesicht der abgebildeten Person klar erkennbar sein. Zudem müssen Gerichte in ihren Urteilsgründen eindeutig auf das Lichtbild verweisen und nachvollziehbar darlegen, anhand welcher Merkmale sie die Identität des Täters festgestellt haben. Nur so kann das Rechtsbeschwerdegericht die Beweiswürdigung nachvollziehen und überprüfen.

Im Zentrum des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken stand eine Geschwindigkeitsübertretung, bei der der Betroffene außerhalb geschlossener Ortschaften die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 32 km/h überschritten hatte. Das Amtsgericht St. Ingbert hatte den Betroffenen zuvor zu einer Geldbuße von 400 Euro verurteilt. Der Kern der rechtlichen Auseinandersetzung drehte sich um die Frage der Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes, welches in den Urteilsgründen des Amtsgerichts referenziert wurde.

Die Herausforderung der Beweisführung im digitalen Zeitalter

Die Verteidigung legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Rechtsbeschwerde ein und monierte insbesondere die Beweiswürdigung durch das Amtsgericht. Kritisiert wurde die Identifizierung des Betroffenen als Fahrer anhand eines Lichtbildes, das lediglich durch die Angabe der Blattzahl der Akte spezifiziert wurde. Die Verteidigung argumentierte, dass es an einer wirksamen Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG mangelte und dass das Bild aufgrund seiner Kontrastarmut und der durch einen Vollbart verdeckten Gesichtspartien des Fahrers ungeeignet zur Identifizierung sei.

Rechtliche Prüfsteine der Lichtbildverweisung

Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurück. In seiner Begründung stellte das Gericht klar, dass die Anforderungen an eine Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes erfüllt waren. Entscheidend für die Beurteilung war, dass das Amtsgericht in zulässiger Weise auf das in der Akte befindliche Messfoto Bezug genommen hatte. Diese Verweisung ermöglichte es dem Rechtsbeschwerdegericht, das Lichtbild aus eigener Anschauung zu würdigen und dessen Eignung als Grundlage einer Identifizierung zu beurteilen.

Identifizierung trotz Herausforderungen eindeutig möglich

Trotz der vom Verteidiger vorgebrachten Einwände bezüglich der Bildqualität und der durch den Vollbart verdeckten Gesichtspartien, befand das Oberlandesgericht die Identifizierung des Betroffenen als Fahrer für einwandfrei. Das Gericht führte aus, dass die in den Urteilsgründen des Amtsgerichts beschriebenen und durch das Lichtbild dokumentierten Gesichtsmerkmale – wie die Gesichtsform, Augenpartie, Augenbrauenform, Ohrenform, Höhe des Ohransatzes, Nasenform sowie das Alter – eine klare Identifizierung ermöglichten.

Die Entscheidung und ihre Begründung

Letztendlich bestätigte das Oberlandesgericht Saarbrücken die Entscheidung des Amtsgerichts St. Ingbert und erklärte die Rechtsbeschwerde für unbegründet. Es betonte, dass die Beweiswürdigung des Amtsgerichts hinsichtlich der Identifizierung des Betroffenen als Fahrer nicht zu beanstanden sei. Die Verweisung auf das Messfoto in den Urteilsgründen sei rechtswirksam erfolgt und habe dem Rechtsbeschwerdegericht die Möglichkeit gegeben, das Lichtbild selbst zu prüfen. Das Oberlandesgericht unterstrich die Bedeutung einer präzisen Verweisung und detaillierten Beschreibung der Identifizierungsmerkmale, um die Eignung eines Lichtbildes für die Täteridentifizierung zu gewährleisten. Damit bestätigte das Gericht die Rechtmäßigkeit der Geldbuße und die korrekte Anwendung der rechtlichen Vorgaben zur Beweisführung und Täteridentifizierung.

Das Fazit dieses Verfahrens unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen und detaillierten Auseinandersetzung mit den Beweismitteln in der digitalen Ära der Rechtsprechung. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken verdeutlicht, wie essenziell eine genaue und klare Darlegung der Beweiswürdigung ist, insbesondere wenn es um die Identifizierung von Personen anhand von Lichtbildern geht.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird die Identität einer Person in einem Bußgeldverfahren anhand eines Lichtbildes festgestellt?

Die Identifizierung einer Person in einem Bußgeldverfahren anhand eines Lichtbildes folgt einem mehrstufigen Prozess, der sowohl rechtliche als auch technische Aspekte umfasst. Zunächst muss das Gericht beurteilen, ob das Foto objektiv zur Identifizierung des Fahrers geeignet ist, indem es prüft, ob individuelle Merkmale feststellbar sind. Nicht alle körperlichen Merkmale sind jedoch für eine Identifizierung geeignet. Merkmale wie mittelgroße Statur, schlankes Gesicht mit spitzem Kinn oder heller Haarschopf sind zu allgemein und treffen auf viele Personen zu.

Das Gericht muss die Wahrheit von Amts wegen erforschen, ohne dass der Betroffene eine Mitwirkungspflicht hat. Bei der Identifizierung anhand des Fotos sind konkrete anatomische Einzelmerkmale wie Augen- und Nasenpartien, Haaransatz, Kopfform sowie Lippen- und Augenbrauenform entscheidend. Zudem muss das Gericht Ausführungen zur Bildqualität, insbesondere zur Bildschärfe, machen und die abgebildeten Merkmale präzise beschreiben.

In einigen Fällen werden zur Identifizierung auch anthropologische Gutachten herangezogen. Diese Gutachten sollen, auch wenn nur Teile der Gesichtspartie sichtbar sind, anhand der übrigen typischen Merkmale eine Identifizierung ermöglichen. Die Identifizierung mittels Lichtbild ist jedoch umstritten, insbesondere wenn die Ähnlichkeit zwischen dem Betroffenen und der abgebildeten Person nicht eindeutig ist.

Neben der direkten Identifizierung durch das Gericht gibt es auch technische Verfahren zur Gesichtserkennung, wie sie beispielsweise von Unternehmen wie PimEyes genutzt werden. Diese scannen massenhaft Fotos von Gesichtern im Netz und erfassen deren biometrische Eigenheiten. Solche Verfahren stehen jedoch in der Kritik, insbesondere hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Beurteilung der anlasslosen Gesichtserkennung.

Biometrische Daten, zu denen auch Lichtbilder zählen können, unterliegen einem besonderen Schutz und dürfen grundsätzlich nicht verarbeitet werden, es sei denn, es liegt eine ausdrückliche gesetzliche Erlaubnis oder die Einwilligung des Betroffenen vor. Die Verarbeitung von Lichtbildern als biometrische Daten ist daher nur unter strengen Voraussetzungen zulässig.

In der Praxis ist der Abgleich des Blitzerfotos mit dem Ausweisfoto eine gängige Methode zur Identifizierung des Fahrers. Dieser Abgleich ist rechtlich zulässig, sofern die Voraussetzungen des Passgesetzes erfüllt sind. Die Identifizierung des Fahrers anhand eines Lichtbildes im Bußgeldverfahren ist somit ein komplexer Prozess, der sowohl die genaue Betrachtung des Fotos als auch die Beachtung rechtlicher Rahmenbedingungen erfordert.

Welche Anforderungen werden an die Verweisung auf Lichtbilder in Urteilsgründen gestellt?

Die Anforderungen an die Verweisung auf Lichtbilder in Urteilsgründen sind in der deutschen Rechtsprechung klar definiert. Ein Urteil muss so formuliert sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Möglichkeit hat, die Identifizierung des Fahrers durch das Lichtbild nachzuvollziehen. Dies beinhaltet, dass das Gericht in den Urteilsgründen deutlich machen muss, auf welches Lichtbild es sich bezieht und warum dieses zur Identifizierung des Betroffenen geeignet ist.

Wenn das Lichtbild nach Inhalt und Qualität uneingeschränkt zur Identifizierung geeignet ist, kann der Tatrichter in den Urteilsgründen auf das bei den Akten befindliche Foto verweisen. Eine solche Verweisung wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG als ausreichend angesehen, wenn sie deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, dass das Foto zum Bestandteil der Urteilsgründe gemacht wird. Dies ermöglicht es dem Rechtsbeschwerdegericht, das Foto selbst in Augenschein zu nehmen und die Identität des Betroffenen mit der auf dem Lichtbild abgebildeten Person zu überprüfen.

Sollte der Tatrichter von der Möglichkeit der direkten Verweisung absehen, müssen die Urteilsgründe Ausführungen zur Bildqualität, insbesondere zur Bildschärfe, enthalten und die abgebildete Person oder zumindest mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass das Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos vornehmen kann. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn das Lichtbild von schlechter Qualität ist oder wenn Zweifel an der Eignung des Fotos zur Identifizierung bestehen.

Zusammenfassend müssen die Urteilsgründe bei der Verweisung auf Lichtbilder im Urteil so gestaltet sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht eine eigenständige Überprüfung der Identifizierung des Fahrers ermöglichen. Dies kann entweder durch eine direkte und eindeutige Verweisung auf das Lichtbild in den Akten oder durch eine detaillierte Beschreibung der Bildqualität und der charakteristischen Merkmale der abgebildeten Person erfolgen.

Inwiefern spielt die Bildqualität eine Rolle bei der Täteridentifizierung?

Die Bildqualität spielt eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung von Tätern in Bußgeldverfahren, insbesondere bei Verkehrsverstößen. Ein scharfes und detailreiches Foto kann die Identifizierung des Fahrers erheblich erleichtern. Die Qualität eines Beweisfotos beeinflusst direkt, wie gut charakteristische Merkmale der abgebildeten Person, wie Gesichtszüge, erkennbar sind. Diese Merkmale sind für die richterliche Überzeugungsbildung von zentraler Bedeutung.

Wenn das Foto zur Identifizierung des Betroffenen uneingeschränkt geeignet ist, genügt eine deutliche und zweifelsfreie Verweisung auf das Foto in den Urteilsgründen. Eine zusätzliche Beschreibung einzelner Identifizierungsmerkmale ist dann nicht erforderlich. Ist das Foto jedoch aufgrund schlechter Bildqualität, wie erheblicher Unschärfe, oder aufgrund seines Inhalts nur eingeschränkt geeignet, muss der Tatrichter erörtern, warum ihm die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint. Dabei sind umso höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, je schlechter die Qualität des Fotos ist.

Die auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, müssen benannt und beschrieben werden. Dies ist insbesondere dann erforderlich, wenn das Foto von schlechter Qualität ist oder wenn Zweifel an der Eignung des Fotos zur Identifizierung bestehen.

In der Praxis kann die Identifizierung eines Fahrers anhand eines Fotos trotz schlechter Bildqualität erfolgen, wenn das Gericht unter Darlegung und Beschreibung verschiedener Identifikationsmerkmale zur Überzeugung gelangt, dass das Bild tatsächlich den Betroffenen zeigt. Die Anforderungen an die Begründung sind dabei umso höher, je schlechter die Qualität des Fotos ist. Die Entscheidung des Gerichts basiert auf der sorgfältigen Abwägung der erkennbaren Merkmale und der Gesamtumstände des Einzelfalls.

Zusammenfassend ist die Bildqualität ein entscheidender Faktor bei der Täteridentifizierung in Bußgeldverfahren. Sie beeinflusst die Möglichkeit, charakteristische Merkmale zur Identifizierung heranzuziehen. Bei eingeschränkter Bildqualität sind detaillierte Begründungen erforderlich, um die Identifizierung des Fahrers zu rechtfertigen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 46 Abs. 1 OWiG: Regelung zum allgemeinen Verfahren im Ordnungswidrigkeitenrecht. Spezifiziert, dass für das Verfahren die Vorschriften des ersten Teils des OWiG gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist. Im Kontext des Urteils relevant für die Einordnung des Verfahrens als Ordnungswidrigkeitenverfahren.
  • § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO: Bestimmung über die Kostenpflicht bei unbegründeter Rechtsbeschwerde. Legt fest, dass der Beschwerdeführer die Kosten des Rechtsmittels tragen muss, wenn seine Beschwerde als unbegründet verworfen wird. Dies erklärt die Kostenentscheidung im Urteil.
  • § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG in Verbindung mit § 349 Abs. 2 StPO: Regelung zur Verwerfung einer Rechtsbeschwerde ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Erklärt das Verfahren, durch welches die Rechtsbeschwerde des Betroffenen behandelt wurde.
  • § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO: Vorschrift zur Begründung von Urteilen. Fordert, dass die Urteilsgründe so gefasst sein müssen, dass sie eine Überprüfung der Entscheidung ermöglichen. Im speziellen Fall relevant für die Anforderungen an die Verweisung auf Beweismittel, insbesondere Lichtbilder.
  • § 71 Abs. 1 OWiG: Spezifiziert die Anwendung der StPO für das Bußgeldverfahren, insoweit das OWiG keine abweichenden Regelungen trifft. Unterstreicht die Bedeutung des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auch im Kontext von Ordnungswidrigkeiten.
  • § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG: Regelt die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Ist maßgeblich für die Überprüfung, ob die eingelegte Rechtsbeschwerde im vorliegenden Fall statthaft und somit zulässig war.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 1 Ss (OWi) 47/22 – Beschluss vom 22.05.2023

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts St. Ingbert vom 16. September 2022 wird kostenpflichtig (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet

v e r w o r f e n .

Gründe

I.

Durch Urteil vom 16. September 2022 verurteilte das Amtsgericht St. Ingbert den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb einer geschlossenen Ortschaft von 80 km/h um 32 km/h zu einer Geldbuße von 400 Euro.

Gegen dieses Urteil legte der Verteidiger des Betroffenen am 20. September 2022 Rechtsbeschwerde ein, die er nach der am 13. Oktober 2022 erfolgten Zustellung des schriftlichen Urteils mit weiterem am 28. Oktober 2022 eingegangenem Schriftsatz mit der näher ausgeführten Sachrüge begründete. Der Verteidiger beanstandet insbesondere die Beweiswürdigung des Amtsgerichts. Das Gericht habe den Betroffenen in unzulässiger Weise anhand eines durch die bloße Angabe der Blattzahl der Akte bezeichneten Lichtbildes als Fahrer identifiziert. Es fehle an einer wirksamen Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG. Das Bild sei im Übrigen zu einer Identifizierung des Betroffenen ungeeignet, da es kontrastarm sei und Wangen und Kinnpartie des Fahrers aufgrund des von ihm getragenen Vollbarts nicht erkennbar seien. Schließlich habe das Amtsgericht in rechtsfehlerhafter Weise nicht mitgeteilt, aufgrund welcher auf dem Foto erkennbarer Identifizierungsmerkmale es seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen gewonnen habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Sie meint, das Amtsgericht habe bei seinen Ausführungen zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrer in einer den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO genügenden Weise auf das Messfoto Bezug genommen, das im Übrigen auch zur Identifizierung geeignet sei.

Der Verteidiger hat zu dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft eine Gegenerklärung abgegeben, in dem er im Wesentlichen auf seinen bisherigen Sachvortrag Bezug genommen hat.

Die Einzelrichterin hat die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragen.

II.

Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) und form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341, 345 StPO) Rechtsbeschwerde ist unbegründet, da sie auf die allein erhobene Sachrüge hin keinen Rechtsfehler aufdeckt, der sich zum Nachteil des Betroffenen ausgewirkt hat. Insbesondere ist die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Identifizierung des Betroffenen als Fahrer nicht zu beanstanden.

1. Erfolgt eine Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes, müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Lichtbild überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (vgl. nur Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 19. Dezember 2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 582/22 –, juris; Senatsbeschluss vom 27. Januar 2023 – SsBs 36/22 (43/22) – m.w.N.; Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 18. Aufl., § 71 Rdnr. 47a). Diese Anforderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Messfoto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt. Durch eine solche Bezugnahme wird die Abbildung mit der Folge zum Bestandteil der Urteilsgründe, dass das Rechtsbeschwerdegericht sie aus eigener Anschauung würdigen kann und daher auch in der Lage ist, zu beurteilen, ob sie als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95 –, juris und Urteil vom 28. Januar 2016 – 3 StR 425/15 –, juris; Senatsbeschluss a.a.O.; Göhler/Seitz/Bauer, a.a.O.). Wird im Urteil nicht auf ein für eine Identitätsfeststellung generell geeignetes Foto nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG verwiesen, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität (insbesondere zur Bildschärfe) enthalten und die abgelichtete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsbeschwerdegericht an Hand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung der Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung abstrakt geeignet ist (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95 –, juris; Göhler/Seitz/Bauer, a.a.O.). Bestehen nach Inhalt oder Qualität des Lichtbilds Zweifel an seiner Grundlage für eine Identifizierung des Fahrers, so muss der Tatrichter angeben, aufgrund welcher – auf dem Foto erkennbarer – Identifizierungsmerkmale er die Überzeugung von der Identität des Betroffenen mit dem abgebildeten Fahrzeugführer gewonnen hat (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95 –; Senatsbeschluss vom 24. November 2020 – Ss Bs 48/2020 (34/20 OWi) – m.w.N.).

2. Vorliegend hat das Amtsgericht in zulässiger und wirksamer Weise nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG auf das Messfoto Bl. VIII d.A. Bezug genommen.

a) Das Amtsgericht hat in den Urteilsgründen Folgendes ausgeführt (UA S. 3):

„Die Feststellungen zur Sache beruhen auf den in die Hauptverhandlung eingeführten Beweismitteln, hier den Lichtbildern (Bl. VIII d.A.) mit den Dateieinblendungen, dem Messprotokoll (Bl. 1 d.A.), dem Eichschein (Bl. 2 – 3 d.A.), der Geräteakte (Bl. IX d.A.) und der Schulungsbescheinigung (Bl. X, XI d.A.).

Der Betroffene hat die Fahrereigenschaft nicht eingeräumt. Darüberhinausgehende Angaben wurden nicht gemacht. Die Fahrereigenschaft ergibt sich aus dem Vergleich der Lichtbilder der Geschwindigkeitsmessung, dem Vergleich des in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen und dem Lichtbild des Betroffenen (Bl. 5 d.A.). Das Lichtbild der Geschwindigkeitsmessung ist zur Geschwindigkeitsmessung abstrakt geeignet. Der Abgleich wurde vorliegen durch einen Vergleich der Gesichtsmerkmale, insbesondere der Gesichtsform, der Augenpartie, der Augenbrauenform, der Ohrenform, der Höhe des Ohransatzes und der Nasenform sowie des Alters durchgeführt. Obwohl der Betroffene in der Hauptverhandlung keinen Vollbart trug, sondern glattrasiert war, konnte er eindeutig als Fahrer identifiziert werden.“

b) Hierin liegt eine rechtswirksame Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf das Messfoto Bl. VIII d.A..

(1) Eine Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO muss in den Urteilsgründen deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden (vgl. nur BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95 – und Urteil vom 28. Januar 2016 a.a.O.; OLG Bamberg, Beschluss vom 6. Februar 2017 – 3 Ss OWi 156/17 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 23. März 2017 – III-4 RVs 30/17 –, juris; Senatsbeschlüsse vom 24. November 2020 – Ss Bs 48/2020 (34/20 OWi) –, und 09. April 2019 – Ss Bs 16/2019 (18/19 OWi) –; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 267 Rdnr. 8 m.w.N.). Eine besondere Form schreibt § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO für die Verweisung nicht vor (BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 – 3 StR 425/15 –; OLG Bamberg a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.). Darüber, ob der Tatrichter deutlich und zweifelsfrei erklärt hat, er wolle die Abbildung zum Bestandteil der Urteilsgründe machen, ist stets im Einzelfall unter Heranziehung seiner Darlegungen insgesamt zu entscheiden (BGH a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.). Insoweit gilt nichts anderes als für die Feststellungen und Wertungen des Tatrichters im Übrigen, die, um rechtlich Bestand zu haben, ebenfalls die Gebote der Eindeutigkeit und der Bestimmtheit wahren müssen (BGH a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.). Wird im Rahmen der Nennung und inhaltlichen Erörterung eines Lichtbildes ein Klammerzusatz mit einer genauen Fundstelle angebracht, so enthält dies schon nach allgemeiner Lebensanschauung die Aufforderung an den Adressaten, nicht nur die Beschreibung des Bildes zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich darüber hinaus durch dessen Betrachtung auch einen eigenen Eindruck zu verschaffen (BGH a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.). Wird in entsprechender Weise in den Urteilsgründen verfahren, so drängt sich diese Auslegung in besonderem Maße auf, denn dem Tatrichter kann das Bewusstsein unterstellt werden, dass eine Fundstellenangabe sonst ohne Sinne bliebe (BGH a.a.O.; OLG Bamberg a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.). Soweit der Verteidiger sich für seine gegenteilige Rechtsauffassung auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf NZV 2007, 254 bezieht, ist diese durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2016 überholt. Soweit auch der Senat in früheren Entscheidungen die Auffassung vertreten hat, die bloße Mitteilung der Fundstelle in den Akten genüge für eine wirksame Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO nicht (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 22. Juli 2014 – Ss (Z) 217/2014 (38/14 OWi) –, 06. Januar 2014 – Ss (B) 90/2013 (94/13 OWi) – und 24. Oktober 2013 – Ss (B) 55/2013 (50/13 OWi) –), wird hieran nicht mehr festgehalten.

(2) Hiernach hat das Amtsgericht zunächst wirksam nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG auf das Lichtbild des Betroffenen Blatt 5 der Akte Bezug genommen, da es dessen Nennung ausdrücklich einen Klammerzusatz mit der Blattzahl hinzugefügt hat. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die eigentlichen Messfotos Blatt VIII der Akte. Zwar fehlt es insoweit bei den Ausführungen zur Fahreridentifizierung an einem Klammerzusatz mit der Fundstelle in der Akte, dieser findet sich jedoch weiter oberhalb im Rahmen der Aufzählung der herangezogenen Beweismittel, so dass der Gegenstand der Verweisung eindeutig bestimmt werden kann. Die Verweisung nur auf das Lichtbild Blatt 5 der Akte – eine Art Passfoto – bliebe ohne eine Verweisung auch auf die Lichtbilder Blatt VIII der Akte ohne Sinn, da die Betrachtung nur des Lichtbildes Blatt 5 der Akte keinerlei Aussagekraft für die allein relevante Frage hat, ob das Messfoto den Betroffenen zeigt. Ein solch sinnfreies Vorgehen ist der Tatrichterin nicht zu unterstellen.

3. Aufgrund der wirksamen Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG kann der Senat aus eigener Anschauung würdigen, ob das Lichtbild Bl. VIII der Akte geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen. Dies ist der Fall. Das Foto zeigt zwar eine gewisse Kontrastarmut auf, dennoch ist das Gesicht des Fahrers mit einer eher runden Gesichtsform und kräftigen Wangen sowie einem Backen- und Oberlippenbart ebenso deutlich zu erkennen wie die Augenpartie und das rechte Ohr. Dass der Haaransatz des Fahrers aufgrund einer getragenen Basecap verdeckt ist, führt nicht zur generellen Ungeeignetheit des Bildes zur Fahreridentifizierung (vgl. auch KG Berlin, Beschluss vom 26. November 2019 – 3 Ws (B) 350/19 –, juris).

Die vom Verteidiger in der Rechtsbeschwerdebegründung vermisste Darlegung, anhand welcher körperlichen Merkmale das Amtsgericht sich zu einer Identifizierung des Betroffenen als Fahrer in der Lage sah, ist in den Urteilsgründen enthalten, obwohl es einer solchen Darlegung aufgrund der generellen Eignung des Lichtbildes Bl. VIII der Akte zur Täteridentifizierung vorliegend nicht bedurft hätte. So hat das Gericht dargelegt, es habe den Betroffenen anhand der Gesichtsform, der Augenpartie, der Augenbrauenform, der Ohrenform, der Höhe des Ohrenansatzes und der Nasenform sowie des Alters identifiziert. Sämtliche dieser Merkmale sind auf den in Bezug genommenen Lichtbildern erkennbar.

4. Eine eigene Überprüfung, ob der Betroffene tatsächlich mit dem abgebildeten Fahrer identisch ist, hat der Senat nicht vorzunehmen, da die Beweiswürdigung alleinige Aufgabe des Tatrichters ist (vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78 –, juris; KG Berlin, Beschluss vom 26. November 2019 – 3 Ws (B) 350/19 –, juris; Senatsbeschluss vom 24. November 2020 – Ss Bs 48/2020 (34/20 OWi) –).

 

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