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Bußgeldverfahren – Überlassung Messdaten bei Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung

AG Schleiden – Az.: 13 OWi – 609 Js 112/19 – 34/19 (b) – Beschluss vom 09.04.2019

Die Bußgeldstelle wird angewiesen, dem Verteidiger des Betroffenen die vollständige Messreihe zu der ihn betreffenden Messung nebst Passwort/Token zu übersenden.

Die Kosten des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.

Gründe

Der Betroffene steht in Verdacht am 13.12.2018 in … auf der Bundesstraße 51 im Abschnitt 5 in Fahrtrichtung zur Al in Höhe der Zufahrt … als Führer eines LKW DAF mit dem amtlichen Kennzeichen … die zulässige Höchstgeschwindigkeit für LKW außerhalb geschlossener Ortschaften um 21 km/h überschritten zu haben.

Der Verteidiger hat mit Schreiben vom 08.03.2019 die Übersendung der gesamten Messreihe sowie Einsicht in die Messdatei seines Mandanten verlangt. Vorsorglich hat der Verteidiger, in dem genannten Schriftsatz bereits Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, sollte die Behörde seinem Begehren nicht nachkommen. Die Übersendung der gesamten Messreihe wurde durch die Behörde abgelehnt.

II.

Der Antrag ist zulässig und in der Sache auch begründet.

Zwar ist es dem Gericht bewusst, dass es sich vorliegend um ein sogenanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne der obergerichtlichen Rechtsprechung handelt und die Messdaten des Tattages als solche nicht Aktenbestandteil im engeren Sinne sind, so dass sie grundsätzlich nicht dem Akteneinsichtsrecht nach § 46 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 147 StPO unterfallen.

Jedoch hält das Amtsgericht Schleiden die zur Verfügungstellung der Daten an den Verteidiger für unabdinglich, um dem Betroffenen das ihm zustehende rechtliche Gehör zu gewähren und ein faires Verfahren zu gewährleisten. Die dem Verfahren zu Grunde liegenden Messdaten sind — soweit sie den Betroffenen selbst betreffen – Grundlage und originäres unveränderliches Beweismittel des Tatvorwurfs, so dass diese in jedem Fall dem Betroffenen zugänglich zu machen sind.

Jedoch besteht nach Ansicht des Gerichts darüber hinaus auch ein Einsichtsrecht in die übrigen Messdaten der Messreihe, da es dem Betroffenen bzw. seiner Verteidigung nur mit deren Hilfe möglich ist, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein standardisiertes Messverfahren auch tatsächlich vorliegen. Es ist nämlich Aufgabe der Verteidigung — im Rahmen des standardisierten Messverfahrens — dem Gericht — soweit dies nicht aus der Akte ersichtlich ist — konkrete Anhaltspunkte aufzuzeigen auf Grundlage derer Zweifel an der ordnungsgemäßen Funktion des Geräts geboten sind. Dies ist aber nur möglich, wenn der Verteidiger nicht nur die Daten des Betroffenen, sondern die Daten des gesamten Messvorgangs zur Prüfung erhält, da sich nur aus dem gesamten Messfilm Abweichungen ergeben können, die auf eine Fehlfunktion des Gerätes zum Zeitpunkt der Messreihe hindeuten. Der entsprechende Anspruch steht dem Betroffenen bzw. dessen Verteidiger auch schon gegenüber der aktenführenden Behörde zu, da der Verteidiger bereits dann entscheiden kann, ob er es auf ein gerichtliches Verfahren ankommen lässt oder nicht. Entscheidet er sich nach Einsicht in die Messreihe dafür, so ist schon vor der Hauptverhandlung dem Informationsinteresse des Betroffenen genüge getan und ein reibungsloser Ablauf des gerichtlichen Verfahrens gewährleistet, da es nicht durch eine insoweit unnötige Unterbrechung zur Einsichtnahme in die Messreihe — die vor Ort durch das Gericht ohnehin nicht gewährt werden kann — verzögert wird. Vielmehr wird der Betroffene in die Lage versetzt, in der Hauptverhandlung sachdienliche Beweisanträge zu stellen und so seine Interessen zu wahren.

Ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht der anderen auf den anderen Daten festgehaltenen Verkehrsteilnehmer ist aus Sicht des Gerichts ebenfalls nicht gegeben da es — ebenso wie das Amtsgericht Trier (Beschluss vom 25.10.2016, Az. 35 OWi 780/16, zitiert nach juris) davon ausgeht, dass der Anspruch auf ein faires Verfahren insoweit als höherrangiges Recht anzusehen ist und jedenfalls eine Rechtfertigung des Eingriffs darstellt. Desweiteren ist es zu berücksichtigen, dass eine Identifizierung der anderweitig abgebildeten Fahrer ohne weitere Ermittlungen kaum möglich ist. Eine Veröffentlichung der Messreihe würde — jedenfalls für einen Verteidiger als Organ der Rechtspflege — einen derart schweren Verstoß gegen Standesrecht darstellen, dass ein solches Vorgehen kaum zu befürchten ist.

Ein Anspruch auf die Übersendung einer einsatzfähigen Version des notwendigen Programms besteht jedoch nicht. Dass der Verteidiger die vorliegenden Daten mit eigenen Mitteln nicht zu öffnen vermag, entstammt seiner Risikosphäre. In einem solchen Fall ist es dem Verteidiger durchaus zuzumuten, sich mit einem privaten Sachverständigen, der über die Mittel, die betreffenden Daten zu öffnen verfügt, in Verbindung zu setzen oder eben bei der zuständigen Behörde von seinem Einsichtsrecht Gebrauch zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 2 Satz 2 OWIG, § 473 Abs. 1 StPO.

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar, § 62 Abs. 2 Satz 3 OWIG.

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