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Bußgeldverdoppelung bei vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit

AG Zeitz, Az.: 13 OWi 737 Js 202177/16, Urteil vom 11.08.2016

Die Betroffene wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von € 200,- verurteilt.

Die Betroffene hat die Kosten des Verfahrens sowie ihre notwendigen Auslagen zu tragen.

Angewandte Vorschriften: §§ 24 StVG, 41 Abs.1 i.V.m.Anlage 2, 49 StVO, 46 OWiG, 465 StPO, BKat Nr.11.3.5.

Gründe

Mit dem Bußgeldbescheid wird die Betroffene beschuldigt, am 09.09.2015 um 13:06 Uhr in Zeitz OT Nonnewitz, Hauptstraße, vor FFW in Richtung Höhenmölsen als Führerin des PKWs mit dem Kennzeichen …. innerhalb geschlossener die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 27 km/h überschritten zu haben.

Dieser Vorwurf trifft mit der Maßgabe zu, dass die Tatbegehung vorsätzlich erfolgte.

Am 09.09.2015 fuhr die Betroffene um 13:06 Uhr in Zeitz OT Nonnewitz, Hauptstraße, vor FFW in Richtung Höhenmölsen als Führerin des PKWs mit dem Kennzeichen ….. Dabei überschritt sie vorsätzlich innerhalb der Ortschaft die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Statt 30 km/h, die sie hätte höchstens fahren dürfen, fuhr sie mindestens 57 km/h schnell.

Die Feststellung des vorstehenden Sachverhalts beruht auf Folgendem:

Die Betroffene hat die Fahrereigenschaft zugestanden und ist deshalb von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden. Im Übrigen hat sich die Betroffene nicht eingelassen.

Die Geschwindigkeit des von der Betroffenen gefahrenen PKWs wurde mittels einer durch die als Messbeamte ausweislich des Zertifikats vom 11.09.2010 (Bl.30) geschulte Zeugin S. ausweislich des Messprotokolls (Bl.3, 33) ordnungsgemäß vorgenommenen Messung mit dem ausweislich der Wartungsunterlagen (Bl.98-101) ordnungsgemäß gewarteten und ausweislich des Eichscheins 617/2014 vom 08.07.2014 (Bl.35-35R) bis Ende 2015 geeichten im VW Caddy eingebauten Verkehrsradargerät Typ TRAFFIPAX SpeedoPhot mit Smart Camera III ermittelt. Dass die Messung an der Messstelle, an der ausweislich des Beschilderungsplans (Bl.36), auf den gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG wegen der Einzelheiten verwiesen wird, eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h galt, ordnungsgemäß im aufmerksamen Messbetrieb erfolgte, hat die Zeugin in ihrer im Hauptverhandlungstermin verlesenen früheren Aussage (Bl.142) glaubhaft bekundet.

Ausweislich des Messbildes wurden 60 km/h gemessen; auf die in den Akten (Bl.1, 28) befindlichen Fotos wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG wegen der Einzelheiten verwiesen. Der Toleranzabzug betrug entsprechend Nr.7.6 der Gebrauchsanweisung 3 km/h.

Bei dem Messverfahren mit dem Messgerät Traffipax Speedophot handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren (OLG Naumburg, Beschluss vom 03. September 2015 – 2 Ws 174/15 –, juris).

Durch die amtliche Zulassung eines Messgerätes bestätigt die Bundesanstalt, dass sie die Ermittlung des Messwertes auf der Grundlage der in der Gebrauchsanweisung festgelegten Vorgehensweise einer sachverständigen Prüfung unterzogen und die Messergebnisse als innerhalb einer zulässigen Toleranz liegend eingestuft hat. Damit steht die generelle Zuverlässigkeit und Geeignetheit des Geräts fest (OLG Köln, Beschluss vom 06. März 2013 – III-1 RBs 63/13, 1 RBs 63/13 –, juris).

Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung können nur – hier nicht gegebene- konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlmessung begründen. Ohne derartige Anhaltspunkte würde der Tatrichter die an seine Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen überspannen, wenn er dennoch an der Zuverlässigkeit der Messung zweifelt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 29. Januar 2013 – III-1 RBs 2/13, 1 RBs 2/13 –, juris).

Soweit die Verteidigung die Beiziehung des Vertrags zwischen der Firma G. R. GmbH und der Stadt Z. über die Umfang und die Beteiligung an Geschwindigkeitsmessungen dieser Privatfirma in der Stadt Z. (und Einsichtnahme) beantragt hat, war dem nicht zu entsprechen. Nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme bedurfte es dieser Unterlagen nicht.

Zwar geht die Verteidigung zutreffend davon aus, dass die Beauftragung einer privaten Firma mit der Auswertung von Messergebnissen unzulässig ist, was nach OLG Naumburg, Beschluss vom 07.Mai 2012 -2 Ss (Bz) 15/12-, juris, ggf. zu einem Beweisverwertungsverbot führt. Es hat indes keinerlei konkretes Anzeichen dafür gegeben, dass im vorliegenden Fall Messergebnisse von einer privaten Firma ausgewertet worden wären. Spätestens mit der verlesenen Aussage der Zeugin S. steht sogar fest, dass im vorliegenden Fall Messergebnisse nicht von einer privaten Firma ausgewertet worden sind. Die Zeugin hat ausgesagt: „Die Bilder bleiben bei der Stadt. Im Auto werden sie beim Runterladen gelöscht. Die Auswertung findet zunächst bei der Stadt statt. Frau B. wertet sie mit einem Programm aus. Sachen mit einem Bußgeld bis 35,- € bleiben bei der Stadt. Die anderen gehen an die Bußgeldstelle.“ Damit steht zweifelsfrei fest, dass die Fa. G. R. GmbH mit der Auswertung der Ergebnisse der Messungen mit den von ihr an die Stadt Z. vermieteten Messanlagen nichts zu tun hat,

Auf sonstige Punkte des Vertrags kommt es auch nicht an. Zwar mag man grundsätzliches Unbehagen an der Gewinnbeteiligung privater Firmen an der hoheitlichen Sanktionierung von Verkehrsverstößen haben, zumal diese den Verdacht nähren könnte, es gehe vorrangig um das, was landläufig „Abzocke“ genannt wird, und weniger um die Verkehrssicherheit. Rechtsfolgen aus einem solchen Unbehagen hat indes – soweit ersichtlich – kein Gericht hergeleitet, und auch das AG sieht dafür keine Veranlassung.

Die Betroffene hat vorsätzlich die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 27 km/h überschritten. Ausweislich des Beschilderungsplans (Bl.36), auf den gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG wegen der Einzelheiten verwiesen wird, befand sich das Zeichen 274-53 deutlich vor der Messstelle. Dass die Betroffene das Zeichen übersehen hätte, hat sie selbst nicht behauptet. Sie hat sich vielmehr über das Verkehrszeichen bewusst und willentlich hinweggesetzt. Das ist ersichtlich aus der ganz erheblichen prozentualen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, die hier 90 Prozent betrug.

Einige Oberlandesgerichte gehen davon aus, dass bei einer Überschreitung um 40 bzw. 50 % in der Regel Vorsatz anzunehmen sei. So nimmt das OLG Hamm, Beschluss vom 10. Mai 2016 – III-4 RBs 91/16, 4 RBs 91/16 –, juris, an, der Grad der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit könne ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln sein, wobei es auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit ankomme. Es sei von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass einem Fahrzeugführer die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibe, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40% überschritten werde. Das KG Berlin, Beschluss vom 25. März 2015 – 3 Ws (B) 19/15, 3 Ws (B) 19/15 – 162 Ss 4/15 –, juris, geht von dem Erfahrungssatz aus, dass einer Fahrzeugführerin die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibt, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit – wie hier – um mehr als 40 % überschritten wird. Das OLG Celle, Beschluss vom 26. Januar 2015 – 321 SsBs 176/14, 321 SsBs 177/14 –, juris, meint, bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 40% könne in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie vorsätzlich erfolgt sei, sofern ein Betroffener die Anordnung der Beschränkung wahrgenommen habe. Das Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. Juni 2014 – (2 B) 53 Ss-OWi 230/14 (111/14) –, juris, vertritt die Auffassung, bei einem Geschwindigkeitsverstoß auf einer Bundesstraße werde regelmäßig von Vorsatz auszugehen sein, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 40 km/h überschritten werde bzw. wenn sonst die zulässige Höchstgeschwindigkeit um annähernd 50 % überschritten werde.

Zwar könnte zweifelhaft sein, ob bei sehr geringer zulässiger Höchstgeschwindigkeit allein der Prozentsatz geeignet ist, Vorsatz zu begründen, zumal bei der heutigen Kraftfahrzeugtechnik die Fahrgeräusche oft eher vom Straßenzustand als von der Geschwindigkeit abhängen. Aber hier beträgt die relative Überschreitung immerhin 90 % und die absolute Überschreitung 27 km/h, was auch bei der niedrigen zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h ohne Weiteres von jedem Kraftfahrzeugführer erkannt wird.

Damit hat die Betroffene vorsätzlich gegen § 41 Abs.1 i.V.m.Anlage 2 StVO verstoßen.

Die Geldbuße entspricht dem gemäß § 3 Abs.4a BKatV verdoppelten Regelsatz nach Nr.11.3.5 BKat. Es bestand keine Veranlassung, im vorliegenden Falle davon abzuweichen. Zwar ist der Betroffenen vorzuwerfen, dass sie mit der von ihr gefahrenen Geschwindigkeit von 57 km/h auch dem Verkehrszeichen 136-10 schwerlich gerecht werden konnte, aber dies führt nicht zu einer Erhöhung, zumal nach der FAER-Auskunft vom 27.07.2016 Voreintragungen nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG i.V. mit § 465 Abs. 1 StPO.

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