Skip to content
Menü

Geschwindigkeitsverstoß – Feststellung der vorsätzlichen Begehung

AG Essen – Az.: 42 OWi – 46 Js 100/20 – 21/20 – Urteil vom 28.05.2020

Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 680,00 EUR verurteilt.

Dem Betroffenen wird für die Dauer von drei Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.

Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene (§§ 49 StVO, 69a StVZO, 24, 25 StVG, 2 BKatV).

Gründe

I.

Der Betroffene ist zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung 43 Jahre alt und geschieden. Er wurde in Würselen geboren, lebt in Essen und ist deutscher Staatsangehöriger.

Er ist arbeitslos. Im vorangegangenen Beschäftigungsverhältnis verdiente er 12.000,00 EUR netto als Geschäftsführer. Aufgrund des Arbeitsvertrages hat er nunmehr nach derzeitigem Stand keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ersparnisse liegen in Höhe von 20.000,00 EUR vor. Er zahlt pro Monat 1.050,00 EUR Unterhalt für seine geschiedene Frau und seinen Sohn aus der vorangegangene Ehe. Ebenfalls zahlt er Raten für das Auto seiner Exfrau und Miete in Höhe von 1.000,00 EUR monatlich.

Ausweislich des Verkehrszentralregisterauszugs vom 08.01.2020 liegt gegen den Betroffenen keine verwertbare Voreintragung vor.

II.

Auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts folgender Sachverhalt fest:

Am 02.10.2019 gegen 23:16 Uhr befuhr der Betroffene, der erst kurz zuvor nach Essen gezogen war, die C-Straße auf Höhe der Bushaltestelle U in Essen in Fahrtrichtung Innenstadt mit einem PKW der Marke BMW, amtliches Kennzeichen #-###. Der Betroffene überschritt dabei die dort geltende Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um vorwerfbare 71 km/h (gemessene Geschwindigkeit 75 km/h abzüglich 4 km/h Toleranz). Unter anderem von den Zeugen Polizeikommissar D wurde vor Ort auch bei dem Betroffenen eine Geschwindigkeitsmessung mittels Laser-Geschwindigkeitsmessgerät Riegl FG21-P durchgeführt. Die Örtlichkeit weist an beiden Seiten Grünfläche und Baumwuchs auf und bis auf einzelne Gewerbeimmobilien keine Bebauung auf einer Länge von etwa 800 m. Es handelt sich um eine 4-spurige Straße.

Der Zeuge D war der zuständige Messbeamte, der Zeuge V hielt den Betroffenen auf Weisung nach der durchgeführten Messung an. Beim Anhalten erklärte der Betroffene gegenüber den Beamten, dass es ihm sehr leid tue und er nicht gewusst habe, dass er sich innerorts befinde. Er zeigte sich diesbzgl. schockiert.

Das Messsystem Riegl FG21-P war zum Messzeitpunkt gültig geeicht und wurde entsprechend der Bedienungsanleitung aufgestellt und bedient. Die Messung und die Einrichtung des Messgerätes nahm der in der Bedienung des Messgeräts geschulte Zeuge D vor.

Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Betroffene die Geschwindigkeitsbegrenzung und damit die vorliegende Geschwindigkeitsübertretung feststellen können und müssen.

III.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Angaben des Betroffenen und auf den Ergebnissen der durchgeführten Beweisaufnahme, den Aussagen der Zeugen D und V sowie der Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts des Messprotokolls nebst Beiblättern zur Geschwindigkeitsmessung, dem Eichschein, dem Schulungsnachweis und der Stellungnahme des Messbeamten, des Auszugs Google.maps der örtlichen Gegebenheiten und der Verlesung des Verkehrszentralregisterauszugs im Hauptverhandlungstermin.

Der Betroffene hat den Verstoß eingeräumt und die Ordnungsmäßigkeit der Messung nicht in Zweifel gezogen.

Es bestehen auch im Übrigen keine Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Messung. Die ordnungsgemäße Einrichtung und Bedienung des Messgeräts ergibt sich aus den in die Hauptverhandlung eingeführten Messprotokolls und Stellungnahme des Zeugen D (Bl. 15 d.A.). Es wurde auch laut Protokoll der Selbsttest ausgelöst, der Displaytest, die Visiermessung und die Nullmessung auf das Verkehrszeichen 138 in einer Entfernung von 96,2 m durchgeführt. Der Zeuge war auch entsprechend geschult, er wurde zuletzt am 28.09.2016 in Bezug auf das Messgerät fortgebildet, vgl. Bl. 17 d.A. Zudem ergibt sich aus dem Eichschein, dass das Gerät aufgrund der Eichung vom 24.04.2019 eine gültige Eichung bis zum 31.12.2020 aufwies.

Die durch das mobile Messgerät angezeigte Geschwindigkeit konnte durch Verlesung der Werte aus dem Anhang zum Messprotokoll sowie der Ordnungswidrigkeitenanzeige festgestellt werden. Daraus ergibt sich eine gemessene Geschwindigkeit von 125 km/h, die abzüglich einer Toleranz von 4 km/h zu einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 121 km/h und damit bei einer innerorts auf 50 km/h begrenzten zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer vorwerfbaren Geschwindigkeitsüberschreitung von 71 km/h führt.

Abweichend vom Bußgeldbescheid konnte kein Vorsatz des Betroffenen festgestellt werden. Auch wenn die Geschwindigkeit hier um 143% überschritten war und dies ein sehr starkes Indiz für vorsätzliches Handeln begründet (vgl. nur OLG Hamm. Beschluss vom 31.07.2006, NZV 2007, 263) konnte nicht festgestellt werden, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsbegrenzung kannte. Denn er gab glaubhaft an, dass er nicht wusste, dass er sich zu diesem Zeitpunkt innerorts befand. Zugunsten des Betroffenen ist aufgrund seiner Einlassung, der örtlichen Gegebenheiten und der Aussage des Zeugen V davon ausgegangen worden, dass der Betroffene bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt die Geschwindigkeitsbegrenzung und damit die vorliegende Geschwindigkeitsübertretung hätte feststellen können und müssen.

Der Betroffene hat sich glaubhaft dahingehend eingelassen, er sei am dem Abend gefahren und habe nicht bemerkt, dass er sich innerorts befinde, als das Messgerät auslöste. Er sei erst vor kurzem nach Essen gezogen und habe sich in der Gegend nicht ausgekannt. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten sei er davon ausgegangen, dass er sich außerorts befinde. Es sei aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit auch kein erhöhtes Verkehrsaufkommen gewesen.

Die schlüssige und glaubhafte Einlassung wird gestützt durch den zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Ausdruck der Homepage Google.maps zu den örtlichen Gegebenheiten. Dort ist nur eine gewerbliche Bebauung in Teilen auf einer längeren Strecke sichtbar, auf den folgenden 800m auf der C-Straße befindet sich überdies hauptsächlich Grünfläche am Fahrbahnrand, die nicht zwingend für eine Örtlichkeit innerorts spricht.

Durch das geringe Verkehrsaufkommen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass dem Betroffenen aufgrund der Verhaltensweise der anderen Verkehrsteilnehmer die Geschwindigkeitsbeschränkung bekannt gewesen ist. Das von ihm glaubhaft vorgetragene geringe Verkehrsaufkommen wird auch indiziell bestätigt durch das Zusatzblatt Nr. 1 zum Messprotokoll, das längere Zeitspannen zwischen den einzelnen Verstößen aufweist. Insbesondere erfolgte der vor letzte Verstoß vor dem Betroffenen 12 Minuten vor 23:16 und der nächste Verstoß um 23:28 Uhr, erneut 12 Minuten nach dem Verstoß des Betroffenen.

Der den Betroffenen kontrollierende Polizeikommissar V bestätigte unterstützend zudem glaubhaft, dass der Betroffene schockiert gewesen sei bzgl. des Verstoßes und auf den Vorhalt, dass er sich innerorts befinde. Er habe sich sofort entschuldigt.

IV.

Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes war der Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§3 Abs. 3, 49 StVO, 24, 25 StVG, § 4 Abs. 1, 11.3.10 BKatV zu verurteilen. Es ist aufgrund der Gesamtumstände von einem fahrlässigen Handeln und damit grundsätzlich vom Regelfall des Bußgeldkatalogs auszugehen.

Der Regelsatz des Bußgeldkataloges sieht unter 11.3.10 BKatV ein Bußgeld in Höhe von 680,00 Euro vor. Zum anderen ist ein dreimonatiges Fahrverbot vorgesehen. Dies ist tat- und schuldangemessen. Von einer weiteren Erhöhung des Bußgeldes aufgrund von Voreintragungen hat das Gericht unter Berücksichtigung seiner finanziellen Verhältnisse abgesehen, da der Betroffene laut Fahreignungsregister zuvor nicht in Erscheinung getreten war.

Ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten ist neben der Geldbuße zur Einwirkung auf den Betroffenen geboten. Das Gericht ist sich der Möglichkeit des Absehens vom Fahrverbot bewusst gewesen, sieht die Voraussetzungen jedoch nicht als gegeben an. Nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG kann einem Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, die er unter grober Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer begangen hat und wegen der eine Geldbuße festgesetzt worden ist, für die Dauer von einem bis drei Monaten verboten werden, Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV liegt eine grobe Pflichtverletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel vor, wenn ein Tatbestand der Nr. 11.3 BKat jeweils in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs zum Bußgeldkatalog verwirklicht wird, d.h. die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften wie hier um 71 km/h überschritten wird. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, dass es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf.

Gründe zum Absehen vom Fahrverbot sind durch den Betroffenen nicht vorgetragen. Besondere Umstände in objektiver oder subjektiver Hinsicht, die geeignet erscheinen, die indizielle Annahme einer groben Pflichtverletzung zu kompensieren, sind nicht vorhanden. Die von dem Betroffenen begangene Ordnungswidrigkeit wiegt objektiv schwer und ist weder auf ein Augenblicksversagen noch auf nur leichte Fahrlässigkeit zurückzuführen, die zulässige Geschwindigkeit wurde um 143% überschritten.

Auch das Vorliegen einer besonderen Härte durch die Verhängung des Fahrverbots ist durch den Betroffenen nicht vorgetragen. Eine Existenzgefährdung durch das Fahrverbot wurde nicht angeführt.

Gemäß § 25 Abs. 2a StVG war zugleich die sog. Vier-Monats-Frist anzuordnen.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG in Verbindung mit §§ 465, 473 StPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Haben Sie einen Bußgeldbescheid erhalten?

Mit unserer Hilfe teure Bußgelder und Fahrverbote vermeiden!

Wir überprüfen Ihren Bußgeldbescheid kostenlos und unverbindlich auf Fehler und die Möglichkeit eines Einspruchs.
Blitzer Bußgeld prüfen

Rechtstipps aus dem Verkehrsrecht

Urteile über Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!