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Widerruf der Zuteilung roter Kennzeichen wegen Unzuverlässigkeit

VG Gera, Az.: 3 E 201/16 Ge, Beschluss vom 20.04.2016

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen den von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 10. Februar 2016 ausgesprochenen Widerruf der Zuteilung sogenannter roter Kennzeichen.

Die Antragstellerin betreibt einen Handel mit gebrauchten Nutzfahrzeugen. Ihr wurden mit Bescheiden vom 6. Mai 2008 gemäß § 16 Abs. 3 FZV unter dem Vorbehalt des Widerrufs die roten Kennzeichen G-… und G-… unbefristet zugeteilt. Ferner wurde die Antragstellerin in der Folge mehrfach schriftlich darüber belehrt, dass die Kennzeichen nur für Prüfungsfahrten, Probefahrten und Überführungsfahrten verwendet werden dürfen. Privat- und Nutzfahrten sind ausweislich der Belehrung ausdrücklich verboten; ein besonderes Fahrzeugscheinheft ist zu verwenden. In dem Fahrtenbuch (Fahrtennachweisheft) sind fortlaufend Aufzeichnungen zu führen.

Widerruf der Zuteilung roter Kennzeichen wegen Unzuverlässigkeit
Symbolfoto: Vladru / Bigstock

Am 10. September 2013 erfolgte eine polizeiliche Verkehrskontrolle einer Fahrzeugkombination aus einer Sattelzugmaschine mit dem roten Kennzeichen G-… sowie einem Auflieger mit dem roten Kennzeichen G-… des bei der Antragsgegnerin angestellten Fahrers P… auf der Bundesautobahn 2. Hierbei wurden u. a. Schäden am Rahmenaufbau und der dritten Achse festgestellt. Die Achse war teilweise vom Fahrwerk abgebaut und mit Ketten hochgebunden, die Achs-Bremsanlage wurde drucklos gemacht. Die Achsräder dieser Achse befanden sich teilweise nur etwa 7 cm über der Fahrbahn. Eindrückender Wind hatte die Dachplane des Curtainsider-Aufbaus aus der Führstange gehoben, so dass diese mit dem hinteren Ende auf die Fahrbahn gestürzt war. Dem Fahrer wurde die Weiterfahrt untersagt. Die Antragstellerin hat in der Folge den Fahrer P… zunächst fristlos entlassen, ihn jedoch später weiterhin als Fahrer eingesetzt.

Am 29. November 2013 sprach der Geschäftsführer der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin vor. Ausweislich der Gesprächsnotiz der Antragsgegnerin waren u. a. Gegenstand des Gesprächs der Vorfall am 10. September 2013, die Durchführung von Fernzulassungen und das Verborgen der roten Kennzeichen an einen Dritten. Der Geschäftsführer der Antragstellerin wurde darauf hingewiesen, dass bei Fahrten über 15 bis 20 Stunden Dauer zwei einzelne Fahrten einzutragen seien und nur unwesentliche kurze Unterbrechungen, nicht aber Schlafpausen, unbeachtlich seien. Eine mündliche Ermahnung wurde durchgeführt.

Ab dem 23. Januar 2014 sind aus den Fahrtennachweisen (Bl. 387 ff. der Verwaltungsakte) diverse Fahrten unter Verwendung der roten Kennzeichen (Gera – Zielort) ersichtlich, die von einem einzelnen Fahrer durchgeführt wurden und über 9 Stunden, in der Spitze 17 bis 24 Stunden, dauerten.

Mit Bescheiden vom 21. August und 24. September 2015 wurden der Antragstellerin gemäß § 16 Abs. 3 FZV unter dem Vorbehalt des Widerrufs die roten Kennzeichen G-… und G-… für den Zeitraum von drei Jahren bzw. unbefristet zugeteilt. Die Begründung der Bescheide enthielt jeweils den Satz „Die Prüfung ihres Antrags und der vorgelegten Unterlagen ergab keine Bedenken gegen die (im Bescheid vom 24. September 2015: erneute) Zuteilung eines roten Kennzeichens für ihr Gewerbe in Gera.

Am 20. November 2015 wurde die von dem bei der Antragstellerin angestellten Fahrer R… geführte Fahrzeugkombination aus einer Sattelzugmaschine mit dem roten Kennzeichen G-… sowie einem Auflieger mit dem roten Kennzeichen G-… auf der Bundesautobahn 2 einer polizeilichen Verkehrskontrolle unterzogen. Hierbei wurde festgestellt, dass bei dem Auflieger an der dritten Achse rechts ein Rad fehlte und die komplette Bremsanlage des Aufliegers ohne Funktion war. Die Weiterfahrt wurde untersagt. Die Antragstellerin entließ in der Folge den Fahrer R…. Von dem Vorfall erhielt die Antragsgegnerin am 23. November 2015 Kenntnis. Sie nahm diesen zum Anlass, den Umgang der Antragstellerin mit roten Kennzeichen einer Gesamtprüfung zu unterziehen.

Am 14. Januar 2016 fand bei der Antragsgegnerin ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin und seinem Prozessbevollmächtigen statt.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2016 widerrief die Antragsgegnerin die Zuteilung der roten Kennzeichen (Ziffer 1) und ordnete an, dass die Antragstellerin diese innerhalb von 5 Tagen nach Zustellung des Bescheids in der Zulassungsbehörde vorzulegen habe (Ziffer 2). In Ziffer 3 wurde die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 angeordnet. Unter Ziffer 4 drohte sie für den Fall, dass die Antragstellerin der Aufforderung unter Ziffer 2 nicht nachkomme, den zwangsweisen Einzug der Kennzeichentafeln und Fahrzeugscheinhefte sowie die zwangsweise Abmeldung der Kennzeichen an. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, dass die Antragstellerin mehrfach gegen die gesetzlichen Bestimmungen zur Verwendung der roten Kennzeichen verstoßen habe. Es sei eine Gesamtprüfung des allgemeinen Verhaltens mit den auf die Antragstellerin zugelassenen Fahrzeugen im Straßenverkehr und deren technischer Zustand, des Verhaltens des Fahrpersonals sowie der Wahrnehmung der dem Kennzeicheninhaber obliegenden Verantwortung und dessen Zuverlässigkeit durchgeführt worden. Die erforderliche Zuverlässigkeit der Antragstellerin sei aufgrund von Verstößen gegen die Vorschriften über den Umgang mit den roten Kennzeichen nicht mehr gegeben. Zur Begründung der fehlenden Zuverlässigkeit verwies die Antragsgegnerin auf diverse Fälle der Inbetriebnahme von Fahrzeugen trotz Mängeln bei der Ladungssicherung sowie die Inbetriebnahme verkehrsunsicherer Fahrzeuge am 10. September 2013 und 20. November 2015.

Die Antragsgegnerin habe zudem in einer Vielzahl von Fällen die roten Kennzeichen entgegen § 16 FZV für Nutzfahrten verwendet. Bei der Überführung von Aufliegern in Fahrzeugkombinationen seien rote Kennzeichen nicht nur an dem jeweiligen Auflieger, sondern unzulässigerweise auch an regelmäßig von der Antragsgegnerin genutzte Zugmaschinen angebracht worden, die nicht zur Überführung bestimmt waren. Die Antragsgegnerin sei bereits 2011 darauf hingewiesen worden, dass die Zugmaschinen regulär zugelassen werden müssten. Daraufhin habe die Antragsgegnerin eine Maschine etwa fünf Monate lang regulär zugelassen und dann wieder abgemeldet, um sie seitdem weiter in der beanstandeten Weise zu nutzen. Drei weitere Zugmaschinen seien abgemeldet und danach ebenfalls häufig zur Überführung von Aufliegern mit roten Kennzeichen versehen worden.

Die Antragstellerin habe unzulässige Fernzulassungen vorgenommen, um Fahrzeuge aus dem Ausland nach Deutschland zu verbringen.

In dem Fahrtennachweisheft seien zudem zahlreiche Fahrtzeiten zwischen 15 und 24 Stunden zu einer Fahrtenstrecke für ein und denselben Fahrer eingetragen worden. Dies lasse entweder auf eine ganz erhebliche Überschreitung der Tageslenkzeit (9 Stunden) oder auf eine mangelnde Dokumentation mehrerer Fahrten schließen. Bei mehreren Fahrten sei aufgrund der angegebenen Dauer im Verhältnis zu der objektiv in etwa notwendigen Mindestfahrzeit festzustellen, dass nicht jede einzelne Fahrt eingetragen sei.

Die Antragsgegnerin habe in zahlreichen Fällen bei Fahrten mit roten Kennzeichen die zulässige Fahrzeuglänge, -höhe bzw. -breite überschritten. Ausnahmegenehmigungen hätten entweder nicht vorgelegen oder die konkrete Ladung nicht erfasst.

Auch belehre bzw. schule die Antragstellerin ihr Personal nicht ausreichend. Hinzu komme, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin über etwa sieben Jahre lang Werkverkehr durchgeführt habe, ohne diesen anzumelden.

Konsequenzen aus dem früheren Fehlverhalten seien nicht gezogen worden. So werde der Fahrer P… trotz der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses seit Februar 2014 wieder regelmäßig als Fahrer eingesetzt. Die Verwendung roter Kennzeichen für die nach Ansicht der Antragsgegnerin unzulässigen Überführungsfahrten seien nicht eingestellt worden. Obwohl die Antragsgegnerin mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin bereits am 29. November 2013 ein Gespräch geführt habe, in dem die Inbetriebnahme verkehrsunsicherer Fahrzeuge, die mangelnde Ladungssicherung, die Verwendung der Kennzeichen für Nutzfahrten sowie die mangelnde Belehrung bzw. Schulung der Angestellten thematisiert worden seien, habe sich der Umgang mit den roten Kennzeichen nicht verbessert.

Hiergegen erhob die Antragstellerin am 10. März 2016 Widerspruch, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Am 11. März 2016 ersuchte die Antragstellerin um einstweiligen Rechtsschutz bei dem Verwaltungsgericht Gera.

Die Antragstellerin meint, dass die Antragsgegnerin die Unzuverlässigkeit allein an dem Vorfall vom 20. November 2015 festmache, da sie am 21. August und 24. September 2015 – unter Annahme der Zuverlässigkeit der Antragstellerin – zwei rote Kennzeichen zugeteilt habe.

Verantwortlich für den Zustand des Aufliegers am 20. November 2015 sei der Mitarbeiter R… gewesen. Der Antragstellerin sei der Zustand des Aufliegers nicht vollständig bekannt gewesen. Sie habe zwei Mitarbeiter beauftragt, den Zustand des Aufliegers weiter zu eruieren. Danach seien dem Fahrer Luftanschlüsse und Lichtbalken mitgegeben worden, um den Auflieger verkehrssicher zu machen; auch habe er ein Rad ersetzen sollen. R… sei belehrt worden, dass er, wenn er erkennen sollte, dass sich das Fahrzeug nicht mit vertretbarem Aufwand reparieren lasse, den Auflieger nicht mitnehmen solle. Dies und die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen des anweisungswidrigen Verhaltens zeigten, dass die Antragstellerin das organisatorisch Notwendige veranlasst habe, um das Überführen eines verkehrsunsicheren Aufliegers auszuschließen.

Im Übrigen könne ein Großteil der Feststellungen wegen § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nicht berücksichtigt werden. Der Fahrer P… hätte sich über die ausdrücklichen Anweisungen der Antragstellerin hinweggesetzt. Nach der fristlosen Kündigung sei P… als Ausgleich für die arbeitsrechtlich bedenkliche Kündigung für Überführungsfahrten sporadisch geringfügig beschäftigt gewesen.

Weder Fernzulassungen noch Überführungsfahrten seien unzulässigerweise durchgeführt worden. Aus § 2 Nr. 25 FZV ergebe sich nicht, dass für die Überführungsfahrt eines Anhängers an dem Zugfahrzeug kein rotes Kennzeichen angebracht werden könne; dies sei vielmehr üblich.

Die Unzuverlässigkeit könne auch nicht auf das Überschreiten der Lenkzeiten bzw. entsprechende Eintragungen in den Fahrtenbüchern gestützt werden. Die Antragstellerin habe einen Großteil der hinsichtlich der Ladung beanstandeten Fahrten unter Geltung entsprechender Ausnahmegenehmigungen durchgeführt.

Die Antragstellerin führe vierteljährlich Schulungen der Fahrer sowie ad hoc Beratungen, Belehrungen und Unterweisungen durch. Mindestens einmal jährlich würden die Fahrer F… und B… im Hinblick auf Ladungssicherung, Straßenverkehrsrecht, Genehmigungen etc. mündlich belehrt. Die Fahrer P… und B… seien 2015 jeweils eine Woche extern geschult und der Fahrer F… einmal im Quartal mündlich belehrt worden. Alle weiteren Fahrer unterlägen nicht der Fahrpersonalverordnung, da sie nur hin und wieder als Aushilfsfahrer herangezogen würden. Unter Nutzung der Ausnahmegenehmigungen würden nur F… und B… Fahrten durchführen.

Werkverkehr sei frühestens ab 2011 durchgeführt worden; eine Anmeldung sei aus Unwissenheit unterblieben und ohne Konsequenzen gewesen. Die vermeintlich fehlerhafte Verwendung von Ausfuhrkennzeichen stehe mit der Beurteilung der Zuverlässigkeit nicht in Zusammenhang.

Die Nutzung der roten Kennzeichen sei von existentieller Bedeutung, da An-/Verkauf und Überführung ein kurzfristiges bzw. Tagesgeschäft seien; die Kennzeichen würden oft zwei- oder dreimal täglich verwendet ohne dass der Einsatz planbar wäre. Kurzzeitkennzeichen seien weder hierfür noch für Überführungen nutzbar, da hier oft die erforderliche Hauptuntersuchung fehle. Diese könne kurzfristig vor Umsetzung der Fahrzeuge erfolgen. Viele Fahrzeuge könnten wegen ihrer Maße nicht verladen werden; eine Überführung mit Spezialunternehmen sei wirtschaftlich ruinös. 2015 seien mit den roten Kennzeichen 550 Fahrzeuge überführt worden; 2014 ca. 500; bis zum Widerruf 2016 bereits 64.

Zu den Punkten 1 bis 4 und 6 der Widerrufsbegründung sei keine Belehrung erfolgt; der Geschäftsführer der Antragstellerin habe keinen Warnschuss erhalten, insbesondere habe es einen solchen nicht am 29. November 2013 gegeben.

Letztlich sei vor dem Widerruf keine Anhörung durchgeführt worden, da es in dem Gespräch vom 14. Januar 2016 nur um allgemeine Fragen gegangen sei.

Die Antragstellerin beantragt, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10. März 2016 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin verweist auf den Bescheid vom 10. Februar 2016. Bei Zuteilung der Kennzeichen am 21. August und 24. September 2015 seien die umfangreichen Mängel in ihrer Gänze noch nicht bekannt gewesen. Eine existentielle Bedeutung der roten Kennzeichen für die Antragstellerin sei nicht ersichtlich. In dem Gespräch am 14. Januar 2016 seien alle im Widerrufsbescheid thematisierten Sachverhalte angesprochen sowie angekündigt worden, dass das Gespräch ggf. als mündliche Anhörung gewertet werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Vorbringen der Beteiligten im Verfahren sowie auf die den Antragstellerin betreffende Verwaltungsakte der Antragsgegnerin (2 Ordner) verwiesen, die zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung gemacht worden sind.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg.

Der zulässige Antrag ist unbegründet. Bei der Entscheidung über einen einstweiligen Rechtsschutzantrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs einerseits und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits vorzunehmen. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Während bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit des Rechtsbehelfs ein schutzwürdiges Aussetzungsinteresse nicht in Betracht kommt, besteht umgekehrt kein öffentliches Interesse am Vollzug einer offensichtlich rechtswidrigen Verfügung. Lassen sich die Erfolgsaussichten nur abschätzen, ohne eindeutig zu sein, bildet der Grad der Erfolgschance ein wichtiges Element der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung. Die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Denn der angefochtene Widerruf der Kennzeichenzuteilung ist – bei der hier gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage – offensichtlich rechtmäßig, so dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheides die Interessen der Antragstellerin überwiegt.

Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheids bestehen nicht, insbesondere steht dieser nicht die nach Ansicht der Antragstellerin unterbliebene bzw. nur unzureichend durchgeführte Anhörung entgegen. Denn die Antragstellerin hatte jedenfalls durch die Einlegung des Widerspruchs Gelegenheit, eine ggf. mangelhafte Anhörung nachzuholen (§ 45 Abs. 1 Nr. 3. Abs. 2 VwVfG).

Die Antragsgegnerin hat nach summarischer Prüfung zu Recht die Zuteilung der roten Kennzeichen widerrufen. Nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ThürVwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Vorliegend erfolgte die Zuteilung der roten Kennzeichen mit Bescheiden vom 6. Mai 2008, 21. August und 24. September 2015 unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs. Der Widerruf ist in diesem Fall nur nach Maßgabe des Widerrufsvorbehalts zulässig. Ausweislich der Zuteilungsbescheide bezog sich der Widerrufsvorbehalt auf das Entfallen einer oder mehrerer Zuteilungsvoraussetzungen.

Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV können rote Kennzeichen durch die örtlich zuständige Zulassungsbehörde zuverlässigen Kraftfahrzeugherstellern, Kraftfahrzeugteileherstellern, Kraftfahrzeugwerkstätten und Kraftfahrzeughändlern befristet oder widerruflich zur wiederkehrenden betrieblichen Verwendung, auch an unterschiedlichen Fahrzeugen, zugeteilt werden. Die Zuverlässigkeit i.S.d. § 16 Abs. 3 FZV orientiert sich am Schutzzweck der Norm. Die roten Kennzeichen werden zur Erleichterung des gewerblichen Verkehrs ausgegeben. Es soll vermieden werden, dass die Antragstellerin, die als Gewerbetreibende mit einer Vielzahl von nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen zu tun hat, in jedem Einzelfall bei der Zulassungsstelle einen Antrag auf Erteilung eines Kennzeichens stellen muss. Dies dient der Privilegierung des betroffenen Personenkreises und der Verwaltungsvereinfachung. Das Kriterium der Zuverlässigkeit bildet hierbei eine wichtige Voraussetzung, weil der Kennzeicheninhaber selbst über die jeweils zweckgebundene Zulassung eines Kraftfahrzeugs entscheidet und Angaben über das jeweilige Fahrzeug und den Zweck der vorübergehenden Zulassung lediglich in einem Fahrtenverzeichnis festzuhalten hat. Die Zuverlässigkeit ist in Anbetracht dieses Schutzzwecks in Frage zu stellen, wenn der jeweilige Antragsteller entweder gegen einschlägige Vorschriften im Umgang mit dem roten Kennzeichen verstoßen hat oder Verstöße gegen Verkehrsvorschriften bzw. Strafvorschriften begangen hat, die ihrerseits eine missbräuchliche Verwendung von roten Dauerkennzeichen vermuten lassen, oder wenn hinsichtlich des ordnungsgemäßen Führens seines Gewerbebetriebs sonstige Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten zutage treten, die eine derartige Vermutung begründen (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 4. November 1992 – 13 B 3083/92 -; VG Augsburg, Beschl. v. 7. Juli 2015 – Au 3 K 15.22, Au 3 K 15.23 -; VG Ansbach, Beschl. v. 5. Juli 2013 – AN 10 S 13.00985 – jeweils zit. nach Juris).

In Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze ist die Zuverlässigkeit der Antragstellerin nicht mehr gegeben. Die wiederholte missbräuchliche Verwendung der roten Kennzeichen (dazu unter 1.), die Inbetriebnahme nicht verkehrssicherer bzw. vorschriftswidrig beladener Fahrzeuge (dazu unter 2.) sowie die Verletzung der Dokumentationspflichten (dazu unter 3.) belegen, dass die Antragstellerin grob gegen die mit der Verwendung von roten Dauerkennzeichen in Zusammenhang stehenden Vorschriften verstoßen hat. Die negative Prognose im Hinblick auf die zukünftige Zuverlässigkeit der Antragstellerin (dazu unter 5.) ergibt sich aus der Gesamtprüfung der Antragsgegnerin, welche nicht zu beanstanden ist (dazu unter 4.). Der angefochtene Widerrufsbescheid leidet nicht unter einer fehlerhaften Ermessensausübung der Antragsgegnerin (dazu unter 6.) und ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden (dazu unter 7. bis 10.).

1.

Die Antragstellerin hat den vom Gesetz begrenzten Einsatzbereich der roten Kennzeichen überschritten und diese missbräuchlich verwendet. Nach § 16 Abs. 2 Satz 5 FZV kommt die Verwendung roter Kennzeichen nur für Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrten in Betracht. Nach § 2 Nr. 25 FZV ist eine Überführungsfahrt die Fahrt zur Überführung des Fahrzeugs an einen anderen Ort.

Sofern die Antragstellerin regelmäßig an Fahrzeugkombinationen aus einer Sattelzugmaschine und einem Auflieger – bei Fahrten, die ausschließlich der Überführung des Anhängers dienten – sowohl an diesem als auch an der Zugmaschine rote Kennzeichen angebracht hat, verstieß die Verwendung der roten Kennzeichen an der Zugmaschine gegen § 16 FZV. Denn die Zugmaschine wurde in diesen Fällen – anders als die Antragstellerin meint – nicht für Überführungsfahrten eingesetzt. Zwar enthält der Wortlaut des § 2 Nr. 25 FZV keine ausdrückliche Regelung für Fahrzeugkombinationen, jedoch unterfällt nach dem Sinn und Zweck des § 16 FZV allein das zu überführende Objekt selbst der Privilegierung roter Kennzeichen. Bei einer Kombination aus Zugmaschine und Anhänger kann demnach an beiden Fahrzeugen nur dann ein rotes Kennzeichen angebracht werden, wenn beide Fahrzeuge überführt werden. Wird dagegen nur der Anhänger überführt, befindet sich das hierzu verwendete Hilfsmittel in Form der Zugmaschine selbst nicht auf einer Überführungs-, sondern auf einer nicht nach § 16 FZV privilegierten Nutzfahrt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des ThürOLG in seinen Beschlüssen v. 29. Dezember 2014 (Az.: 1 OLG 121 SsRs 120/14 – und 1 OLG SsRs 65/14 – zit. nach Juris). Diese Bußgeldverfahren gegen einen Angestellten und den Geschäftsführer der Antragstellerin betrafen eine Zuwiderhandlung gegen die Fahrpersonalverordnung und § 57 a StVZO. Den Ausführungen des ThürOLG ist nicht zu entnehmen, dass die rechtmäßige Verwendung der roten Kennzeichen in diesem Zusammenhang überhaupt hinterfragt wurde. Aus der Formulierung „Die Fahrzeugkombination befand sich folglich auf einer Überführungsfahrt“, lässt sich daher weder das Ergebnis einer Rechtsprüfung erkennen, noch ergibt sich aus dem Beschluss eine Bindungswirkung für das hiesige Verfahren.

2.

Die Antragstellerin hat zudem wiederholt und gröblichst gegen ihre Verpflichtung aus § 16 Abs. 1 Satz 2 FZV i.V.m. § 31 Abs. 2 StZVO verstoßen, die roten Kennzeichen nur an verkehrssicheren Fahrzeugen zu verwenden. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV darf ein Fahrzeug, wenn es nicht zugelassen ist, auch ohne eine EG-Typgenehmigung, nationale Typgenehmigung oder Einzelgenehmigung, zu Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrten in Betrieb gesetzt werden, wenn eine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht und das Fahrzeug unbeschadet des § 16 a ein Kennzeichen mit roter Beschriftung auf weißem rot gerandetem Grund (rotes Kennzeichen) führt. § 31 Abs. 2 StVZO bleibt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 FZV unberührt. Nach § 31 Abs. 2 StVZO darf der Halter die Inbetriebnahme nicht anordnen oder zulassen, wenn ihm bekannt ist oder bekannt sein muss, dass der Führer nicht zur selbstständigen Leitung geeignet oder das Fahrzeug, der Zug, das Gespann, die Ladung oder die Besetzung nicht vorschriftsmäßig ist oder dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung leidet.

Auch ein mit rotem Kennzeichen versehenes Fahrzeug muss den technischen und ordnungsrechtlichen Straßenverkehrsvorschriften entsprechen. Dass es nach §§ 16 Abs. 3 FZV, 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StZVO von der Verpflichtung zur Hauptuntersuchung befreit ist, hat nicht zur Folge, dass das Fahrzeug, wenn es im öffentlichen Verkehrsraum betrieben wird, von den sonstigen der Verkehrssicherheit dienenden Vorschriften befreit ist (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 20. Mai 2014 – 3 Ws (B) 271/14, 3 Ws (B) 271/14 – 162 Ss 74/14, 162 Ss 74/14 – 3 Ws (B) 271/14 – zit. nach Juris). An die Erfüllung der Pflichten als Inhaberin roter Kennzeichen sind im Interesse der Verkehrssicherheit strenge Anforderungen zu stellen. Der Antragstellerin obliegt es, unter Anwendung der ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Möglichkeiten zu verhindern, dass ihre roten Kennzeichen an Fahrzeugen angebracht werden, die nicht verkehrssicher sind bzw. deren Ladung nicht ausreichend gesichert ist. Daher ist es ihre Aufgabe als Kennzeicheninhaberin, vor jedem Einsatz ihrer Fahrzeuge zu prüfen, ob dieses den Anforderungen genügt. Nimmt der Kennzeicheninhaber diese Prüfung nicht persönlich vor, so hat er diese Aufgabe einem sorgfältig ausgewählten, zuverlässigen Mitarbeiter zu übertragen, dem die notwendigen Anweisungen erteilt worden sind und der durch regelmäßige stichprobenartige Kontrollen überwacht wird. Nach dem Vortrag der Antragstellerin kann die Verkehrstüchtigkeit der transportierten Fahrzeuge vor deren Aufsuchen durch den jeweiligen Fahrer vor Ort telefonisch bzw. durch die Informationen zu dem Internetangebot meist nur grob ermittelt werden, so dass das Tagesgeschäft der Antragstellerin überwiegend so gestaltet ist, dass der jeweilige Fahrer vor Ort überprüft, ob das Fahrzeug verkehrssicher ist bzw. kurzfristig gemacht werden kann. Die Überprüfung der Möglichkeit und Durchführung der Herstellung der Verkehrssicherheit bzw. Ladungssicherung obliegt demnach immer dem Fahrer vor Ort, der die Fahrzeuge transportieren soll.

In der Vergangenheit hat die Antragstellerin mehrfach gegen diese Verpflichtung verstoßen. So haben die Fahrer P… und R… (10. September 2013, 20. November 2015) verkehrsunsichere Fahrzeuge bzw. nur unzureichend gesicherte Ladung (entgegen den Anweisungen der Antragstellerin) im öffentlichen Straßenverkehr geführt. Bei einem nicht vorschriftsmäßigen Zustand eines Fahrzeugs oder der Ladung ist stets zu ermitteln, ob neben dem Fahrer auch den Halter ein Verschulden trifft. Soweit die Antragstellerin meint, die Inbetriebnahme verkehrsunsicherer Fahrzeuge bzw. die mangelhafte Ladungssicherung könnten ihr nicht angelastet werden, weil sie ihr Fahrpersonal regelmäßig belehrt bzw. geschult habe, vermag sie hiermit jedoch nicht durchzudringen. Es ist schon fraglich, ob die behaupteten Belehrungen und Schulungen überhaupt stattgefunden haben. Hiergegen spricht vor allem, dass die Fahrer wiederholt die nicht verkehrstüchtigen Fahrzeuge bzw. mangelhaft gesicherten Ladungen in der festgestellten Weise transportierten. Denn sie gingen dabei ein ganz erhebliches Entdeckungsrisiko ein, für das es keine nachvollziehbare Erklärung gibt. Dies gilt umso mehr als es sich teilweise um denkbar gravierende und mit bloßem Auge erkennbare Mängel handelte. Darüber hinaus bestehen auch erhebliche Zweifel dahingehend, dass die vorgeblich durchgeführten Belehrungen und Schulungen in Inhalt, Umfang und Frequenz ausreichend waren, um einen vorschriftgemäßen Umgang mit den roten Kennzeichen sicherzustellen. Dabei mag dahinstehen, ob eine mündliche Belehrung ohne weitere Dokumentation genügen kann. Denn aus den wiederholten erheblichen Verstößen am 10. September 2013 und 20. November 2015 ergibt sich, dass die Antragstellerin offenkundig den Anforderungen an einen zuverlässigen Kennzeicheninhaber nicht gerecht wird. Soweit der Halter die Erfüllung seiner Pflichten auf Hilfspersonen überträgt, hat er diese regelmäßig zu überwachen (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. § 31 StVZO Rn. 7). Die Antragstellerin war deshalb gehalten, ihren Gewerbebetrieb so zu organisieren, dass sie ihr Fahrpersonal nicht nur belehrt bzw. schult, sondern den vorschriftsgemäßen Umgang mit den roten Kennzeichen überwacht und stichprobenartig kontrolliert. Anhaltspunkte hierfür liegen nicht vor und werden von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen.

Nachdem es – trotz der behaupteten Belehrungs- bzw. Schulungspraxis – bereits 2013 zu einem ganz massiven Verstoß gegen § 16 FZV aufgrund der Inbetriebnahme verkehrsunsicherer Fahrzeuge bzw. mangelnden Ladungssicherung gekommen war, musste die Antragstellerin Zweifel an der von ihr vorgeblich praktizierten Belehrungs-/Schulungspraxis haben, die sie zu weitergehenden Maßnahmen, insbesondere Überwachung und Kontrolle der Fahrer hätten veranlassen müssen. Nachdem es bereits zu Unregelmäßigkeiten gekommen war, war die Antragstellerin als zuverlässiger Händler gehalten, in Zukunft dafür Sorge zu tragen, dass sich derartiges Verhalten ihrer Angestellten nicht wiederholt. Gerade die trotz der behaupteten Belehrungen ganz massiven Zuwiderhandlungen hätten die Antragstellerin insoweit zu einer gesteigerten Beobachtung ihrer Sorgfaltspflichten veranlassen müssen. Dem ist sie aber offensichtlich nicht nachgekommen, so dass sich bereits daraus zumindest ein Organisationsverschulden der Antragstellerin ergibt. Denn die fortgesetzten Verstöße deuten in ihrer Gesamtheit auf erhebliche Missstände im organisatorischen Bereich des gewerblichen Unternehmens hin. Dies gilt umso mehr, als nicht nur ein einzelner, sondern verschiedene Fahrer (P… und R…) den angeblichen Anweisungen nicht nachkamen. Dabei konnte es auch nicht darauf ankommen, ob Ordnungswidrigkeiten- bzw. Strafverfahren eingestellt wurden. Denn die Umsetzung der betrieblichen Anweisungen wurde durch die zumindest fragwürdigen Handlungsweisen der Fahrer ganz erheblich in Frage gestellt. Dies schon deshalb, weil die Fahrer trotz Anweisung der Antragstellerin zumindest in den aktenkundigen Fällen Fahrzeuge in Zuständen an den Geschäftssitz der Antragstellerin bzw. eines Kunden gebracht haben, die augenscheinlich nicht den – angeblichen – Anweisungen entsprachen.

3.

Die Antragstellerin hat mit den roten Dauerkennzeichen unternommene Fahrten nicht ausreichend in dem Fahrtennachweisheft dokumentiert. § 16 Abs. 2 Satz 5 FZV sieht vor, dass über jede Prüfungs-, Probe- oder Überführungsfahrt fortlaufende Aufzeichnungen zu führen sind, aus denen das verwendete Kennzeichen, das Datum der Fahrt, deren Beginn und Ende, der Fahrzeugführer mit dessen Anschrift, die Fahrzeugklasse und der Hersteller des Fahrzeugs, die Fahrzeug-Identifizierungsnummer und die Fahrtstrecke ersichtlich sind. Die in der Behördenakte befindlichen Nachweise über die Verwendung des roten Kennzeichens zu den unter Punkt 4 des Bescheids genannten Fahrten wecken erhebliche Zweifel an der Einhaltung der Dokumentationspflichten der durchgeführten Fahrten. Wie von der Antragsgegnerin ausgeführt, lassen die Aufzeichnungen entweder den Schluss auf eine gänzlich fehlerhafte Dokumentation – nämlich das Zusammenfassen mindestens zweier Fahrten zu einer Aufzeichnung unter unvollständiger Angabe des Fahrpersonals – oder aber das ganz erhebliche Überschreiten von Lenkzeiten zu – welche ebenfalls einer ordnungsgemäßen Verwendung der roten Kennzeichen entgegensteht. Aufgrund des evidenten Widerspruchs zwischen der objektiv für die angegebenen Strecken notwendigen Fahrzeit und den im Fahrtennachweisheft angegebenen Fahrtzeiten spricht nach Ansicht des Gerichts jedoch Überwiegendes für eine fehlerhafte Dokumentation, wobei die wiederholten Dokumentationsverstöße das Fehlen einer ordnungsgemäßen Aufzeichnungspraxis belegen. Soweit die Antragstellerin vorträgt, dass es sich diesbezüglich um eine komplexe Rechtslage handelt, weshalb ihr kein Vorwurf zu machen sei, ist dies nicht nachvollziehbar, da sie mehrfach schriftlich darüber belehrt worden ist, dass jede einzelne Fahrt dokumentiert werden muss.

Bereits die bisherigen Ausführungen rechtfertigen die Annahme der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin. Plausible und entschuldbare Gründe dafür, wie es zu dieser Zuwiderhandlung kommen konnte, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die Verwendung der Ausfuhrkennzeichen, die Durchführung von Fernzulassungen sowie von unangemeldetem Werkverkehr.

4.

Im Rahmen der Beurteilung, ob die Zuverlässigkeit eines Kennzeicheninhabers noch besteht, ist zu berücksichtigen, dass zwar zur Annahme der Unzuverlässigkeit die Gefahr gewichtiger Verstöße bestehen muss, dass sich die Relevanz von Verstößen aber nicht allein aus der Schwere des einzelnen Verstoßes ergibt, sondern auch eine Vielzahl weniger gewichtiger Verstöße in ihrer Gesamtheit zur Prognose der Unzuverlässigkeit führen kann. Je mehr System hinter den Verstößen liegt, umso weniger gewichtig kann der einzelne Verstoß zur Annahme der Unzuverlässigkeit im Rahmen von § 16 FZV sein. Die Antragsgegnerin hat hierbei jedoch auch eine zeitliche Komponente zu beachten. Je länger ein Verstoß zurückliegt, desto mehr müssen andere Aspekte hinzukommen, die in ihrer Gesamtschau die Prognose der Unzuverlässigkeit rechtfertigen. (vgl. zum Abfallrecht VG Gelsenkirchen, Urt. v. 24. Februar 2015 – 9 K 2303/13 – zit. nach Juris).

Vorliegend wurde der Vorfall vom 20. November 2015 von der Antragsgegnerin zum Anlass genommen, eine „intensive Gesamtprüfung“ vorzunehmen. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin konnte dabei auch der Zeitraum vor dem 21. August bzw. 24. September 2015 Berücksichtigung finden. Dieser Zeitraum kann insoweit stützend herangezogen werden, als die damaligen Verstöße gegen Vorgaben zum Umgang mit dem roten Kennzeichen auf eine mögliche Unzuverlässigkeit hindeuteten und sich dies nun bestätigte (vgl. VG Kassel, Beschl. v. 13. August 2015 – 1 L 894/15.KS – zit. nach Juris). Datenschutzrechtliche Regelungen, welche der Verwendung dieser Informationen entgegenstehen würden, sind nicht ersichtlich (vgl. § 32 Abs. 1 FZV i.V.m. § 45 Abs. 2 FZV). Auch sind §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 ThürVwVfG nicht dahingehend zu verstehen, dass Tatsachen, die älter als ein Jahr sind, bei der Bestimmung der Zuverlässigkeit eines Kennzeicheninhabers keine Berücksichtigung finden können.

Soweit die Antragsgegnerin den Zeitraum seit 2010 mit der Begründung herangezogen hat, eine Tendenz erkennen zu wollen, ist dies nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Dies kann jedoch dahinstehen, da zahlreiche und zum Teil ganz erhebliche Verstöße gegen den vorschriftsmäßigen Umgang mit den roten Kennzeichen erst ab Ende 2013 sowie in jüngster Vergangenheit stattfanden. Da jedenfalls der Vorfall vom 10. September 2013 ganz erheblichen Anlass für eine Änderung der Betriebspraxis der Antragstellerin im Umgang mit den roten Kennzeichen gegeben hat, lag es auch in ihrem Interesse, im Rahmen einer Gesamtschau besonderes Augenmerk auf den darauffolgenden Zeitraum zu legen. So lag es bereits im Eigeninteresse der Antragstellerin zu überprüfen, ob die Vorfälle am 10. September 2013 und 20. November 2015 Einzelfälle waren, die gegebenenfalls eine andere Beurteilung rechtfertigen, als eine dauerhafte Verletzung der Vorschriften im Umgang mit roten Kennzeichen. Die Frist zur Ermittlung der den Widerruf begründenden Tatsachen wurde durch die Antragsgegnerin auch nicht beliebig hinausgeschoben. Da vor dem Vorfall vom 20. November 2015 kein Anlass für eine tiefergehende Überprüfung des Umgangs mit den roten Kennzeichen für die Antragsgegnerin bestand, geht auch die Annahme fehl, dass zeitlich vor dem 21. August und 24. September 2015 liegende Tatsachen keine Berücksichtigung mehr finden konnten.

Die Antragsgegnerin hat den Widerrufsvorbehalt auch nicht verwirkt, insbesondere nicht durch die Zuteilung der roten Kennzeichen am 21. August und 24. September 2015. Die Antragstellerin durfte weder davon ausgehen, dass die Verwendung der roten Kennzeichen an den Sattelzugmaschinen zur Überführung von Aufliegern vorschriftsmäßig erfolge, noch dass ihre Dokumentation im Fahrtennachweisheft ordnungsgemäß sei. Dem steht bereits das ausführlich von der Antragsgegnerin dokumentierte Gespräch am 29. November 2013 entgegen. Letztlich kann dies aber dahinstehen, da ein entsprechendes Vertrauen der Antragstellerin auch bei einer bisherigen behördlichen Nichtbeanstandung der Überführungsfahrten bzw. Dokumentation nicht bestehen konnte. Eine positive Aussage der Antragsgegnerin, dass die bisherige Dokumentations- und Überführungspraxis der Antragstellerin ordnungsgemäß sei, hat es unstreitig nicht gegeben. Nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen ist jedoch eine bloße behördliche Untätigkeit bzw. Nichtbeanstandung von vornherein nicht geeignet, Vertrauensschutz zu begründen oder der späteren Ausübung behördlicher Eingriffsbefugnisse entgegenzustehen (vgl. BayVGH, Urt. v. 28. Juni 2012 – 9 B 10.2532 – zit. nach Juris zu bauaufsichtlichem Einschreiten). Überdies hätte die Antragstellerin ohnehin keinen Anspruch darauf, dass eine nicht § 16 Abs. 2 FZV entsprechende, rechtswidrige Verwaltungspraxis fortgesetzt wird. So mag zwar eine ständige begünstigende Verwaltungsübung – etwa aufgrund von internen Verwaltungsvorschriften – unter bestimmten Voraussetzungen bei dem potentiell Betroffenen zum Vertrauen in den Fortbestand der Verwaltungspraxis und zur Erwartung ihrer Anwendung auch in seinem Fall führen; dies kann jedoch, wenn die Verwaltungsübung rechtswidrig ist, unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensgrundsatzes keinen Anspruch auf ein Verwaltungshandeln gegen das Gesetz begründen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10. Dezember 1969 – VIII C 104.69 -; HessLSG, Urt. v. 23. April 2015 – L 1 KR 17/14 KL – jeweils zit. nach Juris). So liegt der Fall auch hier.

Die Antragsgegnerin war auch nicht gehindert, zur Entscheidung über die Zuverlässigkeit der Antragsgegnerin Informationen heranzuziehen, die sie selbst bei anderen Behörden ermittelt hat. Nach § 24 Abs. 1 ThürVwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen und bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen. Der Untersuchungsgrundsatz wird durch § 16 FZV nicht eingeschränkt.

5.

Mangels tragfähiger Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin ihr Verhalten und die betrieblichen Abläufe ihres Gewerbes derart verändert hätte, dass Verstöße gegen Vorschriften über den Umgang mit roten Dauerkennzeichen nicht mehr zu erwarten wären, ist eine günstige Prognose ihrer Zuverlässigkeit nicht möglich. Die Behörde hat darüber zu befinden, ob die Antragstellerin zukünftig sorgfältig mit den zugeteilten roten Kennzeichen umgehen wird. Das setzt eine Organisation des Unternehmens voraus, die künftige Rechtsverstöße oder Missstände gar nicht erst entstehen lässt. Der Betroffene hat von sich aus eigenverantwortlich sein Unternehmen in der Weise zu organisieren, dass den Anforderungen des § 16 Abs. 2 FZV jederzeit entsprochen wird. Abzustellen ist insoweit auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Antragstellerin keinerlei objektive Anhaltspunkte dargetan, die die Prognose rechtfertigen, sie werde ihr Verhalten und die betrieblichen Abläufe ihres Gewerbes derart verändern, dass künftige Verstöße nicht mehr zu erwarten seien. Die Antragstellerin hat durch fortwährende Verstöße zu erkennen gegeben, dass sie nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, sich an die geltenden Bedingungen für die Nutzung der roten Kennzeichen zu halten und auch ein Hinweis auf vergangenes Fehlverhalten sie nicht davon abhält, dieses auch in Zukunft beizubehalten.

Hierfür spricht insbesondere das Verhalten der Antragstellerin in der Vergangenheit im Hinblick auf die Durchführung von Überführungsfahrten mit regulär genutzten Zugmaschinen. Das auf den bereits 2011 erfolgten Hinweis im Hinblick auf die Notwendigkeit der regulären Zulassung der Zugmaschinen folgende Verhalten der Antragstellerin zeigt deutlich, dass diese nicht gewillt ist, die Vorschriften im Umgang mit roten Kennzeichen zu beachten. Dies wird schon durch die Abmeldung von vier Zugmaschinen, die daraufhin weiter regulär zur Überführung von Aufliegern selbst mit roten Kennzeichen versehen wurden, deutlich. Anlass anzunehmen, die Antragsgegnerin habe anlässlich der Entscheidung des Thüringer OLG ihre Rechtsauffassung geändert, hatte die Antragstellerin bereits deshalb nicht, weil alle Abmeldungen vor der Entscheidung vom 29. Dezember 2014 erfolgt sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin am 14. Januar 2016 Bereitschaft dahingehend signalisierte, eine weitere Zugmaschine zu erwerben und dauerhaft zuzulassen. Da Anhaltspunkte für Veränderung der Betriebspraxis der Antragstellerin gänzlich fehlen, besteht keine Gewähr dafür, dass die Antragstellerin zukünftig dem in sie gesetzten Vertrauen des Gesetzgebers an den verantwortungsvollen Umgang mit roten Dauerkennzeichen gerecht wird. Denn bei dem beschriebenen Verhalten in der Vergangenheit handelte es sich nicht um versehentliche oder einzelne Vorkommnisse, sondern um die gängige Geschäftspraxis der Antragstellerin. Die negative Prognose wird darüber hinaus auch von der Vielzahl weiterer Verstöße gestützt. So zeigt auch die Weiterbeschäftigung des Fahrers P… – trotz der zunächst fristlosen Kündigung – und ohne besondere Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen zu ergreifen, dass die Antragstellerin keine Gewähr dafür bietet, zukünftig vorschriftsgemäß mit den roten Kennzeichen umzugehen. Dass der Fahrer R… nach dem Vorfall am 20. November 2015 ebenfalls entlassen und (bisher) nicht weiter beschäftigt wurde, genügt nicht, um eine geänderte Betriebspraxis aufzuzeigen.

6.

Da die Antragstellerin nach alldem als unzuverlässig anzusehen ist und die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Zuteilung des roten Dauerkennzeichens erfüllt sind, war die Ausübung des Widerrufsermessens eröffnet. Wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für einen Widerruf erfüllt sind, steht die Entscheidung darüber im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, sofern nicht spezielle Vorschriften den Widerruf zwingend vorsehen. Erweist sich der Inhaber eines roten Kennzeichens als unzuverlässig, kommt grundsätzlich nur der Widerruf der Zuteilung in Betracht (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. § 16 FZV Rn. 10). Ein Absehen vom Widerruf in Ausübung behördlichen Ermessens würde eine außergewöhnliche Interessenlage des Betroffenen voraussetzen, die das öffentliche Interesse am Widerruf überwiegen würde (vgl. zum Ganzen: VG Augsburg, Urt. v. 7. Juli 2015 – Au 3 K 15.22, Au 3 K 15.23 -; VG München, Urt. v. 10. November 2008 – M 23 K 09.2026 – jeweils zit .nach Juris; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. § 16 FZV Rn. 10). Eine solche ist hier nicht gegeben.

Ein milderes, gleichgeeignetes Mittel ist nicht ersichtlich. Die Antragstellerin hat über einen längeren Zeitraum wiederholt Unregelmäßigkeiten im Umgang mit roten Dauerkennzeichen begangen. Hiernach ist zu befürchten, dass es auch künftig zu Verfehlungen im Zusammenhang mit der Nutzung der roten Dauerkennzeichen kommen wird. Diesen kann verlässlich nur dadurch begegnet werden, dass deren Zuteilung widerrufen wird. Insbesondere bestand auch nicht die Möglichkeit, nur einen Teil der Kennzeichen zu widerrufen. Denn die Zuverlässigkeit eines Kennzeicheninhabers ist nicht teilbar (vgl. BayVGH, Beschl. v. 28. Oktober 2015 – 11 ZB 15.1618 – zit. nach Juris).

Der Widerruf ist auch in Anbetracht der von der Antragstellerin geltend gemachten wirtschaftlichen Nachteile für ihren gewerblichen Betrieb nicht unangemessen und steht mit Art. 12 GG in Einklang. So entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Gewerberecht, dass sogar eine Gewerbeuntersagung i.S.v. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO, die zur Verhinderung der gewerblichen Betätigung eines unzuverlässigen Gewerbetreibenden erforderlich ist, grundsätzlich nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne ist; nur in ganz extremen Ausnahmefällen mag trotz Unzuverlässigkeit und trotz Untersagungserforderlichkeit der Einwand der Verletzung des Übermaßverbotes mit Erfolg erhoben werden können (vgl. zu § 25 PBefG BVerwG, Beschl. v. 25. Oktober 1996 – 11 B 53/96 – zit. nach Juris). Ein solcher Ausnahmefall wird jedoch angesichts des Schutzzwecks einer Gewerbeuntersagung selbst dadurch nicht begründet, dass ein Gewerbetreibender hierdurch sozialhilfebedürftig zu werden droht (vgl. BVerwG, Beschl. .v. 25. März 1991 – 1 B 10.91 -; OVG NRW, Beschl. v. 10. April 2012 – 8 B 209/12 – jeweils zit. nach Juris). Einen extremen Ausnahmefall in diesem Sinn, der trotz des erforderlichen Widerrufs ggf. die Annahme der Unverhältnismäßigkeit begründen könnte, hat die Antragstellerin nicht dargelegt. Zudem wird ihr durch den Widerruf der Zuteilung die Gewerbeausübung nicht unmöglich gemacht; sie wird lediglich in der Art ihrer Durchführung erschwert, und es entstehen der Antragstellerin zusätzliche finanzielle Belastungen.

Insbesondere kann aus den vorgetragenen Umständen, dass die roten Kennzeichen oft mehrfach täglich in ungeplanter Weise zum Einsatz kommen und Alternativen wie Kurzzeitkennzeichen nicht bestünden, nicht hergeleitet werden, dass der Widerruf unverhältnismäßig gewesen ist. Auch ist es nicht Aufgabe der Antragsgegnerin, mit Kontrollen oder periodischen Prüfberichten zu gewährleisten, dass die Antragstellerin zuverlässig ist. Sofern die Antragstellerin ausführt, dass im Hinblick auf die Fernzulassungen und die Überführungsfahrten eine komplexe Rechtslage bestehe, vermag dies ebenfalls einen Ausnahmefall nicht zu begründen. Denn die Antragstellerin hat bereits eine Vielzahl anderer Verstöße begangen, die allein bereits ihre Unzuverlässigkeit begründen und mit den ganz grundlegenden Pflichten eines Kennzeicheninhabers in Zusammenhang stehen.

Wenn die Antragstellerin sinngemäß bemängelt, dass eine derart einschneidende Maßnahme wie der Widerruf der Zuteilung aller roten Kennzeichen der Antragstellerin vorher hätte angedroht werden müssen, ist das nicht zutreffend. § 16 FZV schließt nicht aus, dass der Widerruf auch ohne vorherige Mahnung oder Warnung auszusprechen ist, wenn bereits dem bisherigen gesetzwidrigen und damit unzuverlässigen Verhalten des Unternehmers ein Gewicht zukommt, das das zusätzliche Erfordernis besonderer behördlicher Abmahnungsmaßnahmen bedeutungslos macht (vgl. zu § 25 PBefG BVerwG, Beschl. v. 27. September 1979 – 7 B 56/79 – zit. nach Juris). Im Falle der Antragstellerin liegen derartig gewichtige Unzuverlässigkeitsgründe vor, deren Änderung durch eine behördliche Mahnung nicht zu erwarten gewesen ist. Daher kann dahinstehen, ob der Geschäftsführer der Antragstellerin das Gespräch am 29. November 2013 als „Warnschuss“ verstanden hat.

7.

Die Verpflichtung der Antragstellerin aus Ziffer 2. des Bescheids, die noch bei ihr befindlichen roten Kennzeichenschilder binnen fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids bei der Zulassungsstelle abzugeben, ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. Nach § 16 Abs. 2 Satz 7 FZV ist nach Ablauf der Frist, für die das Kennzeichen zugeteilt wurde, das Kennzeichen mit dem dazugehörigen Fahrzeugscheinheft der Zulassungsbehörde unverzüglich zurückzugeben. Es spricht vieles dafür, dass diese Vorschrift sinngemäß im Falle eines Widerrufs vor regulärem Fristablauf anzuwenden ist, der gemäß § 49 Abs. 4 ThürVwVfG zur Unwirksamkeit der Zuteilung führt (vgl. VG München, Urt. v. 10. November 2008 – M 23 K 08.2026 – zit. nach Juris). Jedenfalls ergibt sich die Pflicht zur Rückgabe von Urkunden und Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, im Falle des Widerrufs aus § 52 Satz 1 ThürVwVfG.

8.

Die Antragsgegnerin hat auch die Jahresfrist gemäß §§ 49 Abs. 2 Satz 2, 48 Abs. 4 ThürVwVfG eingehalten. Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dabei setzt erst die positive und vollständige Kenntnis aller entscheidungsrelevanten Tatsachen die Frist in Lauf (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 48 Rn. 153), d. h. die Frist beginnt zu laufen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung objektiv in der Lage ist, unter sachgerechter Ausübung ihres Ermessens über die Rücknahme (bzw. hier den Widerruf) des Verwaltungsakts zu entscheiden. Das entspricht dem Zweck der Jahresfrist als einer Entscheidungsfrist, die sinnvollerweise erst anlaufen kann, wenn der zuständigen Behörde alle für die Rücknahmeentscheidung bedeutsamen Tatsachen bekannt sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. Dezember 1984 – GrSen 1/84, GrSen 2/84 – zit. nach Juris). Zur Herstellung der Entscheidungsreife gehört auch die Anhörung des Betroffenen, die der Wahrung des in einem rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahren gebotenen rechtlichen Gehörs dient (vgl. BVerwG, Beschl. v. 4. Dezember 2008 – 2 B 60/08 – zit. nach Juris). Vorliegend hat die Antragsgegnerin unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls vom 20. November 2015 am 23. November 2015 das Widerrufsverfahren eingeleitet und eine „Gesamtprüfung“ durchgeführt. Der Widerrufsbescheid vom 10. Februar wurde damit offensichtlich noch in der Jahresfrist erlassen.

9.

Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem angefochtenen Bescheid genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. In aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids die Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Das Gericht verkennt nicht, dass sich der Widerruf auf den Betrieb der Antragstellerin erheblich auswirken wird bzw. auswirkt, da die Abläufe schwieriger werden, wenn sie für jeden einzelnen Fall ein Kurzzeitkennzeichen beantragen muss, doch wiegt hier das öffentliche Interesse an der öffentlichen Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs schwerer. Dies ist hier vor allem im Hinblick darauf der Fall, dass die Antragstellerin eine Vielzahl verschiedener, zum Teil ganz gravierender und regelmäßiger Verstöße gegen die Pflichten eines Inhabers roter Kennzeichen vorzuwerfen sind, so dass die Befürchtung, dass es zeitnah zu weiteren ähnlichen Verstößen kommt, nicht fernliegend ist. Auch wenn die Auswirkungen für die Antragstellerin gravierend sein mögen – ohne dass jedoch bereits eine Existenzgefährdung erkennbar wäre – wird die Antragstellerin durch den Sofortvollzug nicht daran gehindert, ihren Fahrzeughandel weiter zu betreiben. Sofern erforderlich kann sie Kurzzeitkennzeichen gem. § 16 Abs. 1 FZV beantragen, was gegenüber der dauerhaften Zuteilung eines roten Kennzeichens sicherlich beschwerlicher, aber noch zumutbar ist (vgl. VG Kassel, Beschl. v. 13. August 2015 – 1 L 894/15.KS -; VG Gelsenkirchen – Beschl. v. 18. Januar 2012 – 14 L 1288/11 – jeweils zit. nach Juris; VG Gera, Beschl. v. 5. Juli 1994 – 2 E 112/94 Ge – n. v.). Die Befugnisse aus § 16 FZV, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer stehen, erfordern die absolute Zuverlässigkeit des Inhabers eines roten Kennzeichens; es muss gewährleistet sein, dass dieser die ihm mit der Zuteilung obliegenden Verpflichtungen korrekt einhält (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 4. November 1992 – 13 B 3083/92 – zit. nach Juris). Dieser Umstand ist gewichtig und duldet angesichts der wiederholten und außerordentlich schwerwiegenden Verstöße der Antragstellerin vorliegend keinen Aufschub.

10.

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der in den übrigen Ziffern des angefochtenen Bescheids getroffenen Regelungen bestehen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes war pro Kennzeichen der Auffangstreitwert in Ansatz zu bringen (vgl. BayVGH, Beschl. v. 28. Oktober 2015 – 11 ZB 15.1618 -; VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 18. Januar 2012 – 14 L 1288/11 – jeweils zit. nach Juris), weil sich mit jedem roten Kennzeichen die Möglichkeit der wirtschaftlichen Betätigung der Antragstellerin vergrößerte. Der so ermittelte Betrag von 20.000,00 € wurde halbiert, da die Antragstellerin nur vorläufigen Rechtsschutz begehrt.

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