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Bußgeldbemessung – Nettoprinzip nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG

Vermieter gegen Bußgeldbescheid: OLG fordert Anwendung des Nettoprinzips

Das OLG Frankfurt hob aufgrund einer Rechtsbeschwerde das Bußgeldurteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main auf, das gegen einen Vermieter wegen fahrlässigen Benutzenlassens einer baulichen Anlage ohne Baugenehmigung eine Geldbuße verhängt hatte, und verwies die Sache zurück an das Amtsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung, insbesondere wegen fehlerhafter Bußgeldbemessung unter Berücksichtigung des Nettoprinzips nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das OLG Frankfurt hebt das Bußgeldurteil gegen den Vermieter auf und verweist es zurück an das Amtsgericht Frankfurt am Main.
  • Der Vermieter wurde ursprünglich wegen fahrlässigen Benutzenlassens einer baulichen Anlage ohne Baugenehmigung mit einer Geldbuße belegt.
  • Die Aufhebung basiert auf fehlerhaften Bußgeldbemessungen und der Nichtberücksichtigung des Nettoprinzips gemäß § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG.
  • Es fehlten ausreichende Feststellungen zu einem dem Vermieter zurechenbaren, sanktionsfähigen Sachverhalt, insbesondere bezüglich der Siegelbrüche und der erneuten Nutzung des Spitzbodens als Wohnraum.
  • Das Gericht verkannte das Nettoprinzip, das verlangt, dass der wirtschaftliche Vorteil die entstandenen Kosten übersteigen soll, wobei Kosten und Aufwendungen abzuziehen sind.
  • Es wurde angemerkt, dass für die Bemessung des Bußgelds eine klare Unterscheidung zwischen Abschöpfungs- und Ahndungsteil erforderlich ist.
  • Zudem wurde die Notwendigkeit hervorgehoben, bei der Saldierung des wirtschaftlichen Vorteils auch Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der unerlaubten Nutzung stehen, zu berücksichtigen.
  • Die Überprüfung des wirtschaftlichen Vorteils und die damit verbundenen Aufwendungen, einschließlich möglicher Renovierungskosten, wurden als unzureichend betrachtet.

Wenn der wirtschaftliche Vorteil im Fokus steht

Die Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten ist ein komplexes rechtliches Thema, bei dem viele Faktoren berücksichtigt werden müssen. Eine zentrale Rolle spielt hierbei das sogenannte Nettoprinzip, das in § 17 Abs. 4 S. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) verankert ist. Dieser Grundsatz besagt, dass die verhängte Geldbuße den durch die Ordnungswidrigkeit erlangten wirtschaftlichen Vorteil übersteigen soll.

Bei der Anwendung des Nettoprinzips sind sowohl die erzielten Einnahmen als auch die im Zusammenhang mit der Tat entstandenen Kosten und Aufwendungen zu berücksichtigen. Nur der tatsächliche Nettovorteil soll durch die Geldbuße abgeschöpft werden. Diese Vorgehensweise soll verhindern, dass sich Ordnungswidrigkeiten für den Täter finanziell lohnen und stellt somit einen wichtigen Pfeiler der Sanktionsbemessung dar.

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➜ Der Fall im Detail


Der Fall des OLG Frankfurt zu Bußgeldbemessung und Nettoprinzip

Im Zentrum des juristischen Disputs steht ein Vermieter, der zwischen 2015 und 2021 den Spitzboden eines Wohnhauses ohne gültige Baugenehmigung als Wohnraum vermietet hatte. Aufgeflogen war die unzulässige Vermietungspraxis durch eine Ortsbesichtigung der Bauaufsichtsbehörde. Infolgedessen verhängte das Amtsgericht Frankfurt am Main gegen den Vermieter eine Geldbuße in Höhe von 15.000 Euro, nachdem ursprünglich durch einen Bußgeldbescheid eine Sanktion von 40.000 Euro festgesetzt wurde. Der Kern des juristischen Konflikts entzündete sich an der Frage der angemessenen Bußgeldbemessung und insbesondere der Anwendung des sogenannten Nettoprinzips nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG.

Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des Urteils

Die Entscheidung des Amtsgerichts wurde auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin vom OLG Frankfurt aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht kritisierte die vom Amtsgericht angeführten Zumessungserwägungen als fehlerbehaftet und monierte, dass die Erwägungen des Amtsgerichts zu Sanktionsbemessung nicht vollständig den juristischen Maßstäben gerecht wurden. Insbesondere wurde die korrekte Anwendung des Nettoprinzips, also die Saldierung des wirtschaftlichen Vorteils durch Abzug der Kosten und Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Ordnungswidrigkeit standen, angezweifelt.

Die Bedeutung des Nettoprinzips

Das OLG Frankfurt legte besonderen Wert auf die korrekte Anwendung des Nettoprinzips gemäß § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG. Dieses Prinzip besagt, dass bei der Bemessung der Geldbuße der durch die Tat erlangte wirtschaftliche Vorteil des Täters abzüglich etwaiger Kosten, die im direkten Zusammenhang mit der Tat standen, berücksichtigt werden muss. Das Gericht wies darauf hin, dass bei der Sanktionsbemessung explizit zwischen dem Abschöpfungsteil des wirtschaftlichen Vorteils und dem eigentlichen Ahndungsteil unterschieden werden sollte, um eine transparente und nachvollziehbare Bußgeldbemessung zu gewährleisten.

Kritik an der Erstinstanzlichen Urteilsfindung

Das Oberlandesgericht bemängelte, dass das Amtsgericht wichtige Aspekte, wie den direkten Zusammenhang der Renovierungskosten des Spitzbodens mit der Vermietung und die Notwendigkeit der Abzugsfähigkeit dieser Kosten vom erlangten wirtschaftlichen Vorteil, nicht ausreichend berücksichtigt hatte. Zudem wurde kritisiert, dass die ursprünglichen Erwägungen zur Bußgeldbemessung nicht zwischen dem Abschöpfungsteil und dem Ahndungsteil differenzierten und somit gegen das Nettoprinzip verstießen.

Rückverweisung zur erneuten Verhandlung

Das OLG Frankfurt entschied, dass das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch mit den zuzuordnenden Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufzuheben sei. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen. Dieser Schritt ermöglicht eine Neubewertung des Falls unter korrekter Anwendung des Nettoprinzips und eine gerechtere Bußgeldbemessung, die sowohl den wirtschaftlichen Vorteil des Vermieters als auch seine Aufwendungen und Kosten in Betracht zieht.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was versteht man unter dem Nettoprinzip im Ordnungswidrigkeitenrecht?

Das Nettoprinzip ist ein wichtiger Grundsatz bei der Bemessung von Geldbußen im Ordnungswidrigkeitenrecht. Es ist in § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG geregelt:

„Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen.“

Das bedeutet, dass die Geldbuße höher sein soll als der finanzielle Gewinn, den der Täter durch die Ordnungswidrigkeit erlangt hat. Dabei wird der wirtschaftliche Vorteil nach dem sogenannten Nettoprinzip berechnet.

Das Nettoprinzip besagt, dass von den durch die Tat erzielten Einnahmen und Gewinnen die Kosten und Aufwendungen des Täters abgezogen werden müssen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ordnungswidrigkeit entstanden sind. Es wird also eine Saldierung vorgenommen.

Durch das Nettoprinzip soll eine unverhältnismäßige Belastung des Täters vermieden werden. Gleichzeitig stellt es aber sicher, dass sich Ordnungswidrigkeiten finanziell nicht lohnen. Der Täter soll durch die Geldbuße schlechter gestellt werden, als wenn er die Tat nicht begangen hätte.

Zusammengefasst dient das Nettoprinzip dazu, den unrechtmäßig erlangten Profit des Täters möglichst genau zu bestimmen und abzuschöpfen, ohne ihn dabei über Gebühr zu belasten. Es ist ein wichtiges Instrument, um eine angemessene und gerechte Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten zu gewährleisten.

Wie wirkt sich das Nettoprinzip auf die Bußgeldbemessung aus?

Das Nettoprinzip hat einen wesentlichen Einfluss auf die Bemessung von Geldbußen im Ordnungswidrigkeitenrecht. Es führt dazu, dass bei der Bestimmung der Bußgeldhöhe nicht nur die durch die Tat erzielten Gewinne, sondern auch die damit verbundenen Kosten und Aufwendungen des Täters berücksichtigt werden müssen.

Nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Dabei ist der wirtschaftliche Vorteil die Vermögensmehrung, die nach Abzug aller Aufwendungen des Täters übrig bleibt (Nettoprinzip). Es findet also eine Saldierung zwischen den Einnahmen und Ausgaben statt.

In der Praxis bedeutet dies, dass von den durch die Tat erlangten Zuwächsen die Kosten und Aufwendungen abgezogen werden müssen, die durch den Erwerbsvorgang veranlasst oder im unmittelbaren Zusammenhang mit der zu ahndenden Tat entstanden sind. Hypothetische Gewinne und mögliche Erstattungsansprüche Dritter bleiben dabei jedoch unberücksichtigt.

Das Nettoprinzip dient dazu, eine unverhältnismäßige Belastung des Täters zu vermeiden. Gleichzeitig stellt es aber sicher, dass sich Ordnungswidrigkeiten finanziell nicht lohnen. Der Täter soll durch die Geldbuße schlechter gestellt werden, als wenn er die Tat nicht begangen hätte.

Für die Bußgeldbemessung bedeutet dies, dass die Behörden und Gerichte den unrechtmäßig erlangten Profit möglichst genau ermitteln müssen. Dazu sind nachprüfbare Angaben zu den Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der Tat erforderlich. Nur so kann eine angemessene und gerechte Sanktionierung gewährleistet werden.

Zusammengefasst führt das Nettoprinzip dazu, dass Geldbußen passgenau auf den tatsächlich erzielten wirtschaftlichen Vorteil zugeschnitten werden. Es verhindert eine Übersanktionierung, stellt aber gleichzeitig sicher, dass sich Ordnungswidrigkeiten nicht lohnen. Das Nettoprinzip trägt so maßgeblich zu einer ausgewogenen und einzelfallgerechten Bußgeldbemessung bei.

Kann das Nettoprinzip zu einer Reduzierung des Bußgeldes führen?

Ja, das Nettoprinzip kann in der Praxis zu einer Reduzierung des Bußgeldes führen. Nach diesem Prinzip sind bei der Berechnung des wirtschaftlichen Vorteils, der durch die Ordnungswidrigkeit erlangt wurde, bestimmte Kosten und Aufwendungen des Täters abzuziehen.

Konkret bedeutet dies: Von den durch die Tat erzielten Einnahmen und Gewinnen werden diejenigen Ausgaben des Täters abgezogen, die durch den Erwerbsvorgang veranlasst oder im unmittelbaren Zusammenhang mit der zu ahndenden Tat entstanden sind. Es findet also eine Saldierung zwischen den Einnahmen und den tatbezogenen Ausgaben statt. Maßgeblich ist ein Vergleich der wirtschaftlichen Position des Täters vor und nach der Tat.

Durch diese Saldierung wird der tatsächlich erlangte wirtschaftliche Vorteil ermittelt. Da nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil übersteigen soll, führt das Nettoprinzip dazu, dass die Geldbuße niedriger ausfällt, als wenn man den Bruttobetrag der Einnahmen zugrunde legen würde.

Beispiel: Hat ein Täter durch eine Ordnungswidrigkeit Einnahmen von 10.000 Euro erzielt, dafür aber Aufwendungen von 4.000 Euro gehabt, so beträgt sein wirtschaftlicher Vorteil 6.000 Euro. Die Geldbuße muss dann zwar höher als 6.000 Euro sein, wird aber geringer ausfallen, als wenn man von 10.000 Euro ausginge.

Das Nettoprinzip dient somit dazu, eine unverhältnismäßige Belastung des Täters zu vermeiden. Es stellt aber gleichzeitig sicher, dass sich Ordnungswidrigkeiten nicht lohnen. Durch die Anwendung des Nettoprinzips werden Geldbußen passgenau auf den tatsächlich erlangten wirtschaftlichen Vorteil zugeschnitten und damit in vielen Fällen reduziert.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG (Nettoprinzip): Dieser Paragraph regelt, dass die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen soll. Im Kontext des Urteils ist dies zentral, da es um die korrekte Bußgeldbemessung unter Berücksichtigung des durch die Vermietung erlangten wirtschaftlichen Vorteils geht.
  • § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG (Rechtsbeschwerde): Ermöglicht die Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen in Ordnungswidrigkeitsverfahren auf Rechtsfehler. Im vorliegenden Fall wurde die Entscheidung des Amtsgerichts auf Basis dieser Norm durch das OLG Frankfurt revidiert.
  • § 354 Abs. 2 StPO (Aufhebung und Zurückverweisung): Gibt dem Rechtsbeschwerdegericht die Möglichkeit, ein Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine untere Instanz zurückzuverweisen. Dies wurde angewandt, um die fehlerhafte Bußgeldbemessung neu bewerten zu lassen.
  • § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (Anforderungen an die Verfahrensrüge): Regelt die Anforderungen an die Begründung von Rechtsmitteln. Die vom OLG Frankfurt geäußerte Kritik an der unzureichenden Darlegung in den Verfahrensrügen basiert auf dieser Vorschrift.
  • Hessische Bauordnung (HBO), insbesondere § 86 Abs. 1 Nr. 13 i.V.m. § 62 Abs. 1 Satz 1: Diese lokalen Bauvorschriften waren relevant, weil der Betroffene wegen des Verstoßes gegen sie ursprünglich mit einem Bußgeld belegt wurde. Die Nichtbeachtung der Bauordnung durch die unerlaubte Nutzung des Spitzbodens als Wohnraum war Auslöser der rechtlichen Auseinandersetzung.
  • § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 243 Abs. 5 S. 1 StPO (Rechte des Betroffenen im Verfahren): Diese Vorschriften betreffen die Belehrungspflichten und die Rechte des Betroffenen im Rahmen der Hauptverhandlung. Sie wurden im Kontext der Diskussion um die ordnungsgemäße Belehrung des Betroffenen über seine Rechte erwähnt.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 3 ORbs 136/23 – Beschluss vom 16.10.2023

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 01.03.2023 im Rechtsfolgenausspruch mit den zuzuordnenden Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu erneuter Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Gründe

I.

Der Betroffene vermietete als Miteigentümer der Liegenschaft Straße1 in Stadt1 vom 15.06.2015 bis zum 29.11.2021 den Spitzboden des Wohnhauses an der o.g. Anschrift als Wohnraum. Eine Baugenehmigung als Wohnraum lag nicht vor. Mit Bußgeldbescheid vom 21.09.2022 wurde gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen § 86 Abs. 1 Nr. 13 i.V.m. § 62 Abs. 1 Satz 1 der Hessischen Bauordnung (HBO) ein Bußgeld in Höhe von 40.000,00 Euro festgesetzt. Nach fristgerechtem Einspruch gegen den Bescheid mit Schreiben vom 26.09.2022 wurde der Betroffene mit Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 01.03.2023 wegen des fahrlässigen Benutzenlassens einer baulichen Anlage ohne erforderliche Baugenehmigung eine Geldbuße in Höhe von 15.000,00 Euro verhängt. Das Amtsgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Mit Bauschein Nr. … vom 28.08.1948 wurde auf der Liegenschaft [Straße1] der Wiederaufbau des o.g. Wohnhauses genehmigt. Im Spitzboden wurde ein Bodenraum genehmigt, der gemäß den genehmigten Planunterlagen zum genannten Bauschein auch nur als Bodenraum und nicht als Wohnraum genutzt werden darf. Der Betroffene erbte dieses Haus von seinem Vater. Dass der Spitzboden nicht als Wohnraum genutzt werden durfte, war ihm nicht positiv bekannt. Er hätte die Baugenehmigung jedoch als Eigentümer und Vermieter der einzelnen Räume kennen müssen. Im Rahmen einer Ortsbesichtigung der Bauaufsichtsbehörde am 29.11.2021 wurde festgestellt, dass der Spitzboden auf der Liegenschaft zu Wohn- und Aufenthaltszwecken eingerichtet wurde. Ein Raum wurde als Badezimmer abgetrennt und mit Toilette, Waschbecken, Mikrowelle, Kochplatten und Schränken für Geschirr eingerichtet. Die Wohnung wurde durch Herrn Name1 angemietet und als Wohnraum genutzt, dies für einen Zeitraum ab 15.0.6.2015. Eine hierfür erforderliche Baugenehmigung liegt – s.o. – nicht vor. Für eine Nutzung zu Wohn- und Aufenthaltszwecken sind keine geeigneten Flucht- und Rettungswege vorhanden. Zudem bestehen statische Bedenken.

In einem darauf eingeleiteten Verwaltungsverfahren wurde dem Nutzer Name1 mit Nutzungsverbot vom 29.11.2021 aufgegeben, die Nutzung der Räumlichkeiten zu Wohn- und Aufenthaltszwecken innerhalb von drei Tagen nach Zustellung der Verfügung zu beenden. Der Betroffene wurde mit Schreiben vom 29.11.2021 darüber in Kenntnis gesetzt. Da dem Nutzungsverbot nicht nachgekommen wurde, wurden die Räumlichkeiten im Spitzboden am 02.12.2021 versiegelt.

Für den Zeitraum der Vermietung an den Zeugen Name1 erhielt der Betroffene eine monatliche Kaltmiete von 450,00 EUR (warm: 610,00 EUR) vom Jobcenter Stadt1, was für einen Zeitraum von Juni 2015 bis November 2021 einen errechneten wirtschaftlichen Vorteil von 37.400,00 EUR ergibt. Bei einer Nachbesichtigung am 07.02.2022 auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft wurde festgestellt, dass die Siegel am Spitzboden gebrochen wurden. Die Räumlichkeiten wurden erneut zu Aufenthaltszwecken genutzt, mutmaßlich ebenfalls durch den Zeugen Name1.

Ursprünglich wurde dem Betroffenen durch Bußgeldbescheid vom 21.09.2022 im Übrigen vorgeworfen, dass er auch nach Versiegelung den Spitzboden weiter als Wohnraum vermietet habe, dies an den Zeugen Name2. Im Rahmen der Hauptverhandlung wurde dieser Vorwurf allerdings nicht bestätigt und daraufhin auch nicht weiterverfolgt.

Eine weitere Nutzung als Wohnraum über den 29.11.2021 war dem Betroffenen nicht bekannt, er hatte sie auch nicht genehmigt. Dem Zeugen Name2, der durch die Behörde verdächtigt wurde, in dem Spitzboden zu leben, wurde entgegen des Akteninhalts eine Wohnung im ersten Stock – und eben nicht der Spitzboden – zur Nutzung überlassen. Bei der Besichtigung im Februar wurde erneut durch die Bauaufsichtsbehörde ein Siegel angebracht, das im März 2022 wieder gebrochen wurde.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sowie auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG.

II.

Die Überprüfung der gemäß § 80a Abs. 2 S. 1 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung zugewiesenen, zulässigen Rechtsbeschwerde des Betroffenen führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den zuzuordnenden Feststellungen (§ 354 Abs. 2 StPO), weil die Zumessungserwägungen fehlerbehaftet sind. Demgegenüber können die erhobenen Verfahrensrügen den Bestand des Urteils nicht gefährden.

1. Die Verfahrensrügen sind unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG nicht genügen.

a) Hinsichtlich des Vortrags, der Betroffene sei nicht nach Maßgabe von § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 243 Abs. 5 S. 1 StPO auf sein Recht, keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen machen zu müssen, hingewiesen worden sei, fehlt es bereits an dem Vortrag, der Betroffene – ein Volljurist – habe geglaubt, zur Aussage verpflichtet zu sein und hätte nach gehöriger Belehrung geschwiegen (vgl. BGH, Beschl. v. 14.05.1974 – 1 StR 366/73, BGHSt 25, 325 [332 f.]).

Die Rüge wäre auch unbegründet. Aus ihr ergibt sich, dass der Angeklagte vor der Vernehmung zur Sache ordnungsgemäß über sein Schweigerecht belehrt worden ist. Eine darüberhinausgehende Belehrungspflicht speziell zu einem Schweigerecht über die wirtschaftlichen Verhältnisse kennt das Gesetz nicht.

b) Auch die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO wären alle Umstände und Vorgänge darzulegen gewesen, die für die Beantwortung der Frage, ob sich dem Gericht die vermisste Beweiserhebung im Rahmen der Aufklärungspflicht nach § 77 Abs. 1 OWiG, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO hätte aufdrängen müssen, bedeutsam sind (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 27.03.2008 – 3 StR 6/08, NStZ 2008, 527 [528 Tz. 25]). Im Beschwerdeschriftsatz fehlt es jedoch an der Darlegung, was die Zeugen Name3 und Name4 als Mitarbeiterinnen der zuständigen Verwaltungsbehörde (vgl. § 76 Abs. 2 OWiG) im Falle ihrer Vernehmung ausgesagt und inwieweit sich diese Aussagen zugunsten des Betroffenen ausgewirkt hätten.

2. Durchgreifenden Bedenken begegnen jedoch die bisherigen Erwägungen des Vorderrichters zur Bußgeldbemessung.

Die Sanktionszumessung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Das Rechtsbeschwerdegericht kann nur eingreifen, wenn Rechtsfehler vorliegen. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Zwecke der Bebußung verstößt oder wenn sich die verhängte Sanktion so weit von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist hingegen ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Rechtsbeschwerdegericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis zur Grenze des Vertretbaren hinnehmen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urt. v. 14.04.2022 – 5 StR 313/21, NStZ-RR 2022, 201 [202] m.w.N.).

Diesen Maßstäben werden tragende Erwägungen des Tatgerichts zur Sanktionsbemessung nicht vollständig gerecht, § 337 StPO.

a) Bezüglich der wiederholten Siegelbrüche und der Weiternutzung des Spitzbodens als Wohnraum durch Unbekannte fehlt es nach diesen Maßstäben bislang an ausreichenden Feststellungen zu einem dem Betroffenen zurechenbaren, sanktionsfähigen Sachverhalt durch das Tatgericht. Schon deshalb ist nicht auszuschließen, dass das Tatgericht zu einer anderen Bemessung des Bußgelds gekommen wäre. Eine etwaige Unterlassung des Betroffenen zwischen dem 02.12.2021 und März 2022 würde eine eigene prozessuale Tat (§§ 136 Abs. 2, 13 StGB) darstellen; sie kann nicht im Rahmen der Sanktionszumessung wegen einer Ordnungswidrigkeit abgehandelt werden.

b) Zudem verkennt das Gericht das dem § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG zugrundeliegende Nettoprinzip und dessen Reichweite.

Für die Bemessung der ordnungswidrigkeitenrechtlichen Geldbuße gilt nach § 17 Abs. 4 OWiG, dass sie den wirtschaftlichen Vorteil übersteigen soll. Soll von dieser Vorschrift Gebrauch gemacht werden, ist es zumindest regelmäßig veranlasst, bei der Bemessung der Sanktion ausdrücklich zwischen dem Abschöpfungsteil nach § 17 Abs. 4 OWiG und dem Ahndungsteil nach § 17 Abs. 3 OWiG zu unterscheiden, um dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung unter Berücksichtigung der oben dargestellten Regeln zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschl. v. 25.04.2005 – KRB 22/04, NStZ 2006, 231 [232 Tz. 5]; Gassner/Seith, OWiG, 2. Aufl. 2020, § 17 Rn. 36; BeckOK-OWiG/Sackreuther, 40. Ed. 01.10.2023, § 17 Rn. 136; vgl. zu weiteren Konsequenzen auch Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 17 Rn. 43). Schon daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Für die Bestimmung des Abschöpfungsteils gebietet der Begriff des „Vorteils“ damit eine Saldierung, in deren Rahmen von den durch die Tat erlangten wirtschaftlichen Zuwächsen die Kosten und sonstigen Aufwendungen des Betroffenen abzuziehen sind; es gilt insoweit das Nettoprinzip. Aufwendungen sind abzugsfähig, wenn sie durch den Erwerbsvorgang veranlasst bzw. im unmittelbaren Zusammenhang mit der zu ahndenden Tat entstanden sind. Maßgeblich ist dabei eine tatsächliche Betrachtungsweise nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Vorliegende hätte diesbezüglich betrachtet werden müssen, ob der Betroffene, als er die Wohnung vor Beginn der Vermietung für die Vermietung hergerichtet hat, Aufwendungen hatte, die den wirtschaftlichen Vorteil aus der anschließenden Vermietung geschmälert haben. Außerdem ist Folgendes zu beachten: Es liegt in der Konsequenz des Nettoprinzips, dass bei der Saldierung die rechtliche Missbilligung der Wohnraumnutzung außer Betracht bleibt, denn auch die Aufwendungen im Zusammenhang mit derselben schmälern den „wirtschaftlichen Vorteil“, den der Gesetzgeber durch § 17 Abs. 4 OWiG als maßgeblich bestimmt hat. Einen Abzug von Aufwendungen auszuschließen, soweit diese rechtlich unzulässig waren, hieße aber, den gesetzlich bestimmten Maßstab zu verändern (vgl. BGH, Beschl. v. 27.04.2022 – 5 StR 278/21, NStZ 2023, 359 f. gegen OLG Frankfurt, Beschl. v. 01.07.2019 – 2 Ss-OWi 1077/18, NStZ-RR 2019, 323 [325]; vgl. nunmehr Senat, Beschl. v. 07.03.2023 – 3 ORbs 8/23, wistra 2023, 302 [303 f] = StraFo 2023, 239 [240] = zfs 2023, 412 [413]).

Es ist in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass die Beschädigung des Spitzbodens in unmittelbarem Zusammenhang mit dessen Vermietung an den Zeugen Name1 steht. Entsprechende Aufwendungen zur Renovierung schmälern den wirtschaftlichen Vorteil aus der Vermietung i.H.v. 450,00 EUR (Kaltmiete) für 76 ½ Monate. Die Höhe der Aufwendungen für die Renovierung sowie die Werthaltigkeit etwaiger Schadensersatzansprüche gegen den im Hauptverhandlungstermin nicht erschienenen Zeugen hätten festgestellt werden müssen, um die konkrete Höhe des wirtschaftlichen Vorteils für den Betroffenen nach diesen Abzügen bestimmen zu können; deshalb ist dem Senat auch eine eigene Sachentscheidung (§ 79 Abs. 6 OWiG) verwehrt.

Soweit das Amtsgericht berücksichtigt, dass der auf den wirtschaftlichen Vorteil entfallende Steueranteil abzugsfähig ist, weist der Senat darauf hin, dass hierauf entfallende Steuern grundsätzlich nur dann zu berücksichtigen sind, wenn das Besteuerungsverfahren bereits abgeschlossen ist (vgl. nochmals Göhler aaO., § 17 Rn. 43).

III.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen war das angefochtene Urteil daher im Rechtsfolgenausspruch mit den zuzuordnenden Feststellungen aufzuheben, um dem Tatrichter eine in sich widerspruchsfreie Bußgeldbemessung zu ermöglichen.

Die Sache wird in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG i.V.m. § 354 Abs. 2 StPO), das auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden haben wird.

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