VG Aachen – Az.: 3 L 319/18 – Beschluss vom 12.03.2018
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Streitwert wird auf 2.528,13 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Kammer legt den Antrag des Antragstellers im Hinblick darauf, dass ausschließlich eine Anfechtungsklage erhoben worden ist, und der Antragsteller enumerativ die von ihm angefochtenen Regelungen der Ordnungsverfügung aufführt, dahin aus,
die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 3 K 319/18 erhobenen Klage gleichen Rubrums gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 00.00.00 hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung sowie des Gebührenbescheides anzuordnen.
Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg.
In formeller Hinsicht begegnet die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung keinen rechtlichen Bedenken. Sie ist insbesondere hinreichend schriftlich begründet, vgl. § 80 Abs. 3 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Angesichts der aus der Ungeeignetheit eines Kraftfahrers für die Allgemeinheit resultierenden erheblichen Gefahren bedurfte es bei dem in Rede stehenden Drogenkonsum über die erfolgte Begründung hinaus keiner weiteren Ausführungen.
Die in materieller Hinsicht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Ordnungsverfügung und dem privaten Interesse des Antragstellers, von deren Vollziehung bis zur abschließenden Klärung ihrer Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben, fällt zu seinen Lasten aus.
1. Die Entziehungsverfügung des Antragsgegners vom 00.00.00 ist als offensichtlich rechtmäßig anzusehen.
Als rechtliche Grundlage für die darin angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis hat der Antragsgegner zutreffend § 3 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV -) herangezogen. Danach ist einem Kraftfahrzeugführer die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
Der Antragsgegner ist nach der im vorliegenden Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller wegen der Einnahme von Betäubungsmitteln zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ist die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen insbesondere dann gegeben, wenn Erkrankungen oder Mängel nach der Anlage 4 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist u. a. derjenige regelmäßig zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet anzusehen, der – erstens – gelegentlich Cannabis konsumiert und – zweitens – nicht zwischen Konsum und Fahren trennen kann.
Die Ungeeignetheit steht beim Vorliegen dieser Doppelvoraussetzung regelmäßig fest. Für die behördliche Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens bleibt damit nach § 11 Abs. 7 FeV kein Raum.
Vgl. Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Urteil vom 15. März 2017 – 16 A 432/16 – juris, Rn. 143 ff.; Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. März 2017 – 10 S 328/17 – juris, Rn. 4; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 7. April 2017 – 12 ME 49/17 – juris, Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2017 – OVG 1 S 27.17 – juris, Rn. 10; anderer Ansicht nur: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 25. April 2017 – 11 BV 17.33 – juris, Rn. 13 ff.
Vorliegend ist das fehlende Trennungsvermögen zwischen Cannabiskonsum und Führen eines Kraftfahrzeuges durch die am 00.00.00 festgestellte Rauschfahrt hinreichend belegt. Der Antragsteller befuhr an diesem Tag gegen 12:40 Uhr mit seinem Pkw (BMW 346L, amtliches Kennzeichen XX-XX ) die O.-straße in E. und verursachte einen Verkehrsunfall. Wie das Untersuchungsergebnis der ihm entnommenen Blutprobe zeigt, stand er unter dem Einfluss von Cannabis. Danach konnte im Blutserum der Hauptwirkstoff von Cannabis Tetrahydrocannabinol (THC) mit einem Wert von 2,5 µg/L Serum (entspricht 2,5 ng/ml Serum) und das THC-Abbauprodukt, mithin THC-Carbonsäure in einer Konzentration von 135 µg/L Serum (entspricht 135 ng/ml Serum) festgestellt werden.
Vgl. dazu das wissenschaftliche Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln vom 29. März 2017 über eine chemisch-toxikologische Untersuchung der Blutprobe des Antragstellers.
Die Kammer hat keine Zweifel an der Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen, die der Antragsteller nicht substantiiert angegriffen hat.
Aus den im wissenschaftlichen Gutachten vom 00.00.00 dokumentierten Werten ergibt sich ein Verstoß gegen das Trennungsgebot, der ab einem Wert von 1,0 ng/ml THC im Blutserum anzunehmen ist.
Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 4. Mai 2015 – 16 A 322/15 -, juris Rn. 5 ff.; vom 21. März 2013 – 16 A 2006/12 -, juris, Rn. 34 ff., und vom 4. Januar 2012 – 16 A 2075/11 -, juris, Rn. 15 ff., jeweils m.w.N.
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Erhöhung auf Werte ab 3,0 ng/ml THC, wie sie die sog. Grenzwertkommission (vgl. Blutalkohol 52, 2015, S. 322) vorgeschlagen hat, nicht vorzunehmen ist,
vgl. dazu ausführlich: OVG NRW, Urteil vom 15. März 2017 – 16 A 432/16 -, juris, Rn. 58 ff.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Januar 2016 – 9 K 4610/15 -, juris.
Die weitere Entziehungsvoraussetzung, nämlich das Vorliegen eines gelegentlichen Cannabiskonsums, ist ebenfalls als erfüllt anzusehen.
Gelegentliche Einnahme von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt schon dann vor, wenn tatsächlich mindestens zweimal Cannabis in voneinander unabhängigen Konsumakten innerhalb eines in zeitlich-funktionalem Zusammenhang stehenden Zeitraums eingenommen wurde.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Mai 2010 – 16 B 273/11 -; BayVGH, Beschluss vom 23. September 2008 – 11 CS 08.1622 -, juris, Rn. 10.
Vorliegend sprechen schon die eigenen Angaben des Antragstellers dafür, dass er ein gelegentlicher Cannabiskonsument ist. So hat er gegenüber den Polizeibeamten, die das Unfallgeschehen aufnahmen, ausdrücklich eingeräumt, seit mehreren Monaten gelegentlich Cannabis zu konsumieren. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung am 00.00.00 bestätigte er, seit ein paar Monaten gelegentlich am Wochenende Cannabis zu rauchen.
Sind damit in der Person des Antragstellers die Entziehungsvoraussetzungen als erfüllt anzusehen, ist die angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis rechtlich zwingend. Ein Ermessen ist der Fahrerlaubnisbehörde nicht eröffnet.
Die weitere Interessenabwägung fällt ebenfalls zu Ungunsten des Antragstellers aus.
In aller Regel trägt allein die voraussichtliche Rechtmäßigkeit einer auf den Verlust der Kraftfahreignung gestützten Ordnungsverfügung die Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Zwar kann die Fahrerlaubnisentziehung die persönliche Lebensführung und damit die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheiten des Erlaubnisinhabers gravierend beeinflussen. Derartige Folgen, die im Einzelfall bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, muss der Betroffene jedoch angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben hinnehmen.
Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 22. Oktober 2013 – 16 B 1124/13 -, juris, Rn. 9.
Auch im Übrigen ist die Aussetzung der Vollziehung der Ordnungsverfügung nicht geboten.
Die darin enthaltene Anordnung, den Führerschein binnen sechs Tagen nach Zustellung der Ordnungsverfügung abzuliefern, findet ihre Grundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV, die Androhung eines Zwangsgeldes für den Fall der Nicht- oder nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins in § 55 Abs. 1, § 57, § 60 und § 63 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (VwVG NRW). Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 500,- Euro steht in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Zweck, den Antragsteller zur Abgabe des Führerscheins zu bewegen, vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 VwVG NRW.
Der Aussetzungsantrag hinsichtlich des Gebührenbescheides vom 00.00.00 erweist sich bereits als unzulässig. Denn es fehlt an einem im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO – Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten -erforderlichen vorherigen, erfolglosen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde (vgl. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO). Für das Vorliegen eines Ausnahmefalls nach § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO besteht ebenfalls kein Anhalt.
Abgesehen davon wäre der Aussetzungsantrag auch unbegründet.
Der Gebührenbescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 6a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2, Abs. 3 StVG i.V.m. §§ 1, 2, 3, 4 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr i.d.F. vom 25. Januar 2011 (BGBl. I, S. 98) – GebOSt. Danach werden Kosten (Gebühren und Auslagen) für Amtshandlungen nach dem Straßenverkehrsgesetz und den auf diesem Gesetz beruhenden Rechtsvorschriften erhoben (vgl. § 6a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StVG). Die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebührensätze ergeben sich aus dem der Gebührenordnung als Anlage beigefügten Gebührentarif für Maßnahmen im Straßenverkehr (vgl. § 1 Abs. 1 GebOSt). Die Nummer 206 des Gebührentarifs sieht für die Entziehung einer Fahrerlaubnis (vgl. §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV) einen Gebührenrahmen von 33,20 EUR bis 256,00 EUR vor. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt hat der Gebührenschuldner darüber hinaus als Auslagen die Entgelte für Zustellungen durch die Post (hier: 2,32 EUR) zu tragen. Zur Zahlung der Kosten ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst hat.
Nach diesen Regelungen waren die erhobenen Kosten der Höhe nach gerechtfertigt. Insbesondere ist die im mittleren Bereich des Gebührenrahmens festgesetzte Gebühr von 110,20 EUR unter Berücksichtigung des mit der Amtshandlung verbundenen Verwaltungsaufwandes, der Bedeutung der Amtshandlung für den Antragsteller und dessen wirtschaftlicher Verhältnisse angemessen (vgl. § 9 Abs. 1 des Verwaltungskostengesetzes (VwKostG) i.V.m. § 6a Abs. 3 Satz 1 StVG, § 6 GebOSt).
Die Rechtswidrigkeit der Auferlegung von Kosten ergibt sich auch nicht aus § 14 Abs. 2 Satz 1 VwKostG i.V.m. § 6a Abs. 3 Satz 1 StVG, § 6 GebOSt. Danach sind Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache durch die Behörde nicht entstanden wären, nicht zu erheben. Die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers ist, wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt, offensichtlich rechtmäßig erfolgt.
Anhaltspunkte dafür, dass eine sofortige Vollziehung des Gebührenbescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte darstellen könnte, sind weder substantiiert vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich. Dies gilt insbesondere angesichts der Höhe des in Rede stehenden Betrages. Im Übrigen bleibt es dem Antragsteller unbenommen, bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Ratenzahlung zu stellen (vgl. § 19 VwKostG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
2. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, etwa Beschluss vom 20. November 2012 – 16 A 2172/12 -, juris, Rn. 17 f., m.w.N., der sich die Kammer anschließt, ist für ein Hauptsacheverfahren wegen Entziehung einer Fahrerlaubnis ungeachtet der erteilten Fahrerlaubnisklassen stets der Auffangwert (5.000,- Euro) und für ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren die Hälfte dieses Betrages (2.500,- Euro) als Streitwert anzusetzen. Die Verpflichtung, den Führerschein abzugeben, und die zugleich verfügte Zwangsgeldandrohung werden nicht streitwerterhöhend berücksichtigt. Bezüglich der vom Antragsgegner erhobenen Gebühren in Höhe von 112,52 EUR wird im Eilverfahren ein Viertel des Gebührenbetrages in Ansatz gebracht, so dass sich der Streitwert insgesamt auf 2.528,13 EUR beläuft.