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Fahrerlaubnis auf Probe – Anordnung Aufbauseminar

VG München – Az.: M 6 S 16.1309 – Beschluss vom 16.06.2016

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf EUR 1279,05 festgesetzt.

Gründe

I.

Der am … 1996 geborenen Antragstellerin wurde nach Vorlage einer Bestätigung der … GmbH über die am … Oktober 2013 bestandene Fahrerlaubnisprüfung „Klasse BF17“ am … November 2013 die Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt und eine entsprechende Prüfungsbescheinigung zum „Begleiteten Fahren ab 17 Jahre“ ausgehändigt. Am … November 2014 wurde der Antragstellerin ein entsprechender Führerschein ausgehändigt.

Mit Schreiben vom … Januar 2016 teilte das Kraftfahrt-Bundesamt der Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners mit, dass die Antragstellerin innerhalb der Probezeit folgende Zuwiderhandlung begangen habe:

Tattag   Verkehrszuwiderhandlung         Ahndung/Rechtskraft              Punkte/Geldbuße

…11.2015          Sie hielten bei einer Geschwindigkeit von 98 km/h den erforderlichen Abstand von 49,0 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht ein. Ihr Abstand betrug a… m und damit wenige als 4/10 des halben Tachowerts        Bußgeldbescheid

…12.2015/…12.2015     1 Punkt/a… EUR

Mit Bescheid vom … Februar 2016, zugestellt am … Februar 2016, ordnete die Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar bis spätestens … April 2016 an und erhob für den Bescheid Gebühren und Auslagen in Höhe von EUR b…. Zugleich teilte sie der Antragstellerin mit, dass sich mit dieser Anordnung die Probezeit kraft Gesetzes um zwei Jahre bis zum … November 2017 verlängere.

Mit Schriftsatz vom … März 2016, eingegangen per Telefax am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin für diese Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners vom … Februar 2016 aufzuheben sowie, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Zur Begründung ließ die Antragstellerin vortragen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis bereits am … November 2013 vorgelegen hätten. Nur weil der … November in Bayern ein Feiertag sei, sei die Fahrerlaubnis erst am darauffolgenden Werktag, d.h. am Montag, … November 2013, erteilt worden und infolgedessen die zweijährige Probezeit am Tag des Fahrverstoßes am … November 2015 noch nicht abgelaufen gewesen. Den Bußgeldbescheid habe die Antragstellerin nicht zuletzt deshalb unangefochten gelassen, weil sie davon ausgegangen sei, dass die Probezeit am … November 2015 bereits abgelaufen gewesen sei. Im Ergebnis werde die in Bayern lebende Antragstellerin unangemessen benachteiligt. Zudem stelle die Anordnung eines Aufbauseminars auch deshalb eine unbillige Härte dar, weil die Antragstellerin noch in der Ausbildung sei.

Mit Schreiben vom 4. April 2016 legte der Antragsgegner die Akten vor und beantragte, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass der Fahrerlaubnisbehörde bei der Entscheidung über die Anordnung eines Aufbauseminars kein Ermessensspielraum zustehe. Im Übrigen sei für die Antragstellerin erkennbar gewesen, dass die Probezeit am … November 2015 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Auf der Prüfungsbestätigung des TÜV sei ausdrücklich vermerkt gewesen, dass diese nicht als Führerschein gelte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 6 K 16.1308 sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ist zulässig, jedoch unbegründet und daher ohne Erfolg.

Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt zum einen, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber auch dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO).

Im vorliegenden Fall hat eine Anfechtungsklage gegen die mit Bescheid vom … Februar 2016 auf Grund von § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Straßenverkehrsgesetz – StVG – angeordnete Teilnahme an einem Aufbauseminar gemäß § 2a Abs. 6 StVG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO.

Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.

Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich die mit Bescheid vom … Februar 2016 angeordnete Teilnahme an einem Aufbauseminar nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als rechtmäßig darstellt und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ist gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis wegen einer innerhalb der Probezeit begangenen Straftat oder Ordnungswidrigkeit eine rechtskräftige Entscheidung ergangen, die nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 Buchstabe a oder c StVG in das Fahreignungsregister einzutragen ist, so hat, auch wenn die Probezeit inzwischen abgelaufen ist, die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 2a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StVG seine Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen und hierfür eine Frist zu setzen, wenn er eine schwerwiegende oder mindestens zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlungen begangen hat. Vorliegend hat die Antragstellerin am … November 2015 einen Verstoß gegen die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung – StVO – über den einzuhaltenden Abstand (§ 4 Abs. 1) und damit eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 N. 4 StVO begangen, die eine schwerwiegende Zuwiderhandlung im Sinne des Abschnitts A Nr. 2.1 der Anlage 12 zu § 34 der Fahrerlaubnisverordnung – FeV – darstellt. Der wegen dieser Tat gegen die Antragstellerin erlassene rechtskräftige Bußgeldbescheid vom … Dezember 2015, der eine Geldbuße in Höhe von EUR a… festsetzte, war auch in das Fahreignungsregister einzutragen (vgl. § 28 Abs. 3 Nr. 3 a) bb) StVG i.V.m. Nr. 3.2.3 der Anlage 13 zu § 34 FeV).

Die schwerwiegende Zuwiderhandlung hat die Antragstellerin auch innerhalb der Probezeit begangen. Gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 StVG dauert die Probezeit zwei Jahre vom Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis an. Erteilt wurde die Fahrerlaubnis hier erst mit Aushändigung der Prüfungsbescheinigung durch die Fahrerlaubnisbehörde am … November 2013 (vgl. auch § 48a Abs. 3 Satz 1 FeV i.V.m. § 22 Abs. 4 Satz 7 FeV). Die Probezeit endete damit erst am … November 2015.

Liegen die in § 2a Abs. 2 Satz 1 StVG genannten Voraussetzungen vor, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Teilnahme an einem Aufbauseminar anzuordnen – mit der kraft Gesetzes vorgesehen Folge, dass sich die Probezeit um zwei Jahre verlängert. Ein Ermessenspielraum kommt ihr insoweit nicht zu.

Die Einwendungen der Antragstellerin führen zu keinem anderen Ergebnis.

Mit dem Einwand, die Antragstellerin habe gegen den Bußgeldbescheid deshalb keinen Rechtsbehelf eingelegt, weil sie davon ausgegangen sei, dass die Probezeit am … November 2015 bereits abgelaufen sei, kann die Antragstellerin schon deshalb nicht durchdringen, weil die Antragsgegnerin an die rechtskräftige Entscheidung gebunden ist (§ 2a Abs. 2 Satz 2 StVG) und auch im vorliegenden Verfahren nicht einmal ansatzweise dargelegt ist, aus welchen Gründen die rechtskräftige Entscheidung offensichtlich fehlerhaft sein sollte. Im Übrigen trifft den Inhaber der Fahrerlaubnis die Obliegenheit, sich über die Folgen des Verzichts auf die Einlegung eines Rechtsbehelfs zu informieren und hierzu ggf. rechtskundigen Rat einzuholen.

Auch der Einwand, die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis hätten bereits am … November 2013 vorgelegen und die Probezeit habe nur deshalb nicht schon an diesem Tag zu laufen begonnen, weil die Fahrerlaubnis wegen des Feiertags in Bayern erst am … November 2013 erteilt worden sei, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Bewerber um eine Fahrerlaubnis haben keinen Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis außerhalb der Dienstzeiten der Fahrerlaubnisbehörde, insbesondere an Samstagen, Sonn- oder gesetzlichen Feiertagen. Darin liegt auch keine unangemessene Benachteiligung der Antragstellerin gegenüber Fahrerlaubnisbewerbern in anderen Bundesländern; denn der von der Antragstellerin behauptete Nachteil tritt bundesweit immer dann ein, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrerlaubnis – insbesondere das Erreichen des 17. bzw. 18. Lebensjahres nach erfolgreichem Ablegen der Fahrerlaubnisprüfung – auf ein Wochenende oder einen gesetzlichen Feiertag fällt. Es handelt sich also gerade nicht um einen allein die Antragstellerin treffenden besonderen Härtefall.

Schließlich kann der Einwand, die Anordnung eines Aufbauseminars stelle hier angesichts der noch laufenden Ausbildung der Antragstellerin eine unbillige Härte dar, schon deshalb keinen Erfolg haben, weil der Behörde bei dieser Maßnahme keinerlei Ermessen eingeräumt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 Satz 1 sowie 46.12 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anh. § 164 Rn. 14).

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